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Allgemeine Zeitung, Nr. 1, 1. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] bleme in der Geschichte der Vasenmalerei" die Frage welche Archäologen vom Fach
mehr als früher zu fesseln und zu beschäftigen anfängt. Bei der Genauigkeit und
Zuverlässigkeit der Zannoni'schen Fundberichte läßt sich erwarten daß auch das
städtische Museum von Bologna für diese Frage von besonderer Wichtigkeit
werden wird.

Unter den Bronzesachen erwähnen wir vierzehn einfache Cisten ohne nennens-
werthe Verzierung, 6 Bronze-Eimer, ein fast kugelförmiges Gefäß, welches auf
seiner Außenseite in vier über einander laufenden Streifen einen ganzen Festzug
mit einem Gelage darstellt (freilich sind die zahlreichen Figuren nur in ziemlich
roher Weise herausgetrieben), 13 Gießkannen, 11 Siebgefäße, ähnlich den in Chiusi
gefundenen, 20 Schöpflöffel, 11 Schalen, 30 Leuchter, 3 Candelaber und die Reste
eines Schildes. Die Leuchter sind zwei-, drei- oder vierarmig und oben auf dem
Schafte mehrfach mit dem Kopf eines kleinen Hahns verziert. Die größeren und schöne-
ren Schafte der Candelaber ruhen auf einem von Greifenklauen gebildeten Dreifuß
(trepiede a grisoni) und tragen oben eine flache Schale (piatto); auf der einen
Schale steht in der Mitte die Figur einer Tänzerin, auf der andern ein Vogenschütz
und auf der dritten ein Palästrit. Aehnliche Candelaber finden sich in den Samm-
lungen von Chiusi, Cäre und in denen des Vatican. Unter den Cisten ist eine
welche mit ihren schön gezierten Greifenfüßen an die von Richard Schöne katalo-
gisirten pränestinischen Cisten erinnert, während die andern weit einfacher sind, und
mit denen eine große Aehnlichkeit haben die zerstreut und in früherer Zeit an ver-
schiedenen Orten der alten Etruria circumpadana gefunden worden.

Nach Beschreibung dieser eben genannten Bronzen kommt Zannoni mit einer
höflichen Wendung an das zuhörende Damenpublicum: Signore, le donne di Fel-
sina se surono al par di voi leggiadre non amarono forse meno di voi la loro
toeletta
-- auf die zur Toilette gehörenden Gegenstände zu sprechen. 200 Heft-
schnallen aus Bronze, 120 aus Silber, darunter einige mit Perlen- und Bernstein-
schmuck, zwei solcher Heftschnallen (sibulae) aus Gold, zwei Ohrringe aus Gold,
ein langes Halsband von Bernstein- und Glasperlen, thönerne und gläserne Gehänge
anderer Art (penderuole sittili e di vetro) ungefähr 70 an der Zahl, 10 Armringe
aus Bronze in Form einer Schlange, Ringe von Knochen, Bernstein, Eisen, Silber
und Gold, viele Perlen aus Bernstein und Gold u. dgl. m., sind von Zannoni zu-
sammengezählt und aufgestellt worden. Mehrere solcher Perlengehänge blieben
völlig unversehrt über 2000 Jahre in der Erde liegen; ähnliche fanden sich in frühe-
rer Zeit zu Capua. Von den Ohrringen stellen einige eine kleine sich in den
Schwanz beißende Schlange dar. Endlich sind noch dreizehn glatte Spiegel aus
Bronze, viele Pomadebüchsen (unguentari) aus Bronze, Alabaster, Thon und
Glas, ferner Kästchen aus Bronze und Knochen zur Aufbewahrung einzelner
Toilette-Gegenstände u. s. w. zu erwähnen.

Das schon genannte aes rude, das uns an jenen Obolus erinnert den die
Griechen ihren Todten als Fährgeld für den Charon in den Mund steckten, kommt
in verschiedenen Formen vor. Bald ist es unförmlich wie ein Stück Schlacke, bald
viereckig, bald ein langgezogener Streifen, bald eine runde Platte. Zannoni fragt:
ob es nach seiner verschiedenen Legirung einen bestimmten Werth gehabt habe,
und ob diese Formen damit zusammenhängen, oder ob dieselben zufällig seien.
Dieß ist aber wohl schwer zu entscheiden. Für uns mag es genügen zu wissen daß
dasselbe bei religiösen Handlungen bis in die späteste Zeit hinein gebraucht worden
(Mommsen Röm. Münzwesen S. 170).

Alle diese Fünde beweisen somit daß Felsina sich einst auf demselben Cultur-
Niveau befand wie die meisten Städte in Mitteletrurien und in Campanien.

Kaum minder interessant als die Fünde auf dem Campo santo der Certosa, wenn
auch weniger reich und in die Augen springend, sind die theils 1870, theils schon zu
Anfang der sechziger Jahre gemachten Ausgrabungen in Marzabotto, einer Eisenbahn-
station südlich von Bologna (cf. Bädeker, Oberitalien S. 333). Auch hier fand sich eine
ganze Nekropole auf dem linken Ufer des Reno. Der Graf Giovanni Gozzadini hat
darüber in zwei Schriften Nachricht gegeben: Di un' antica necropoli a Marzabotto
nel Bolognese, Bologna
1865; ferner Di ulteriori scoperte nell' antica necro-
poli a Marzabotto nel Bolognese. Bologna
1870. Das Gräberseld von Marza-
botto hat die Form eines Keils von ungefähr 700 Metern Länge und reicht bis an
den Fluß. An einer Stelle dieses Feldes will man übrigens noch etwas anderes
als Grabkammern erkannt haben, nämlich ordentliche Straßen mit Trottoirs und
die Substructionen von Häusern, die unmittelbar an diesen Trottoirs lagen. Unter
den Grabstelen ist nur eine mit einem Relief geschmückt, alle anderen sind Steine
von sehr einfacher Arbeit. Zahlreicher sind dagegen die hier zum Vorschein gekommenen
bemalten Vasen, Gießkannen und Schalen, deren eingeritzte Buchstaben und
Schriftzeichen ganz mit den in Mitteletrurien gefundenen übereinstimmen, und
deren Zeichnungen, besonders die auf den schwarzfigurigen Vasen, denjenigen Cha-
rakter von Nachlässigkeit und Rohheit tragen welchen man auf einheimische Local-
fabriken zurückzusühren pflegt. Feiner und besser sind einige rothfigurige Vasen,
von denen eine, welche zwei ausschreitende Jünglinge und zwar den einen mit der
Doppelflöte darstellt, die Spuren von schon in alter Zeit gemachten Ausbesserungen
aufweist. Auch viele kleine Bronzefiguren, welche wohl für Weihbilder zu halten
sind, kamen hier zum Vorschein. Sie tragen alle mehr oder weniger den Charakter
imitirender etruskischer Fabrikarbeit an sich. Neben ganz alterthümlichen nackten
männlichen und bekleideten weiblichen Figuren mit dicht zusammengeschlossenen
Beinen und eng am Körper liegenden Armen fanden sich andere mit einem gewissen
Grade von Bewegung in den Gliedmaßen. Außer den menschlichen Figuren fanden
sich aber auch allerlei Thierbilder aus Bronze, entweder ganz oder in Stücken,
welche wahrscheinlich zu verschiedenen Verzierungen dienten, ferner große Gefäße
mit und ohne Ketten, Spiegel mit Blattornamenten, Ohrgehänge, Heftnadeln,
Schnallen, Schwerter, Pfeil- und Lanzenspitzen, und wie in der Nekropole von
Felsina, so auch hier viele Stücke des schon beschriebenen aes rude. Auch einige
Gold- und Silberarbeiten, wie Ringe und Halsbänder, ferner geschnittene Steine,
Scarabäen, bald von grober, bald von feiner Arbeit, wurden in Marzabotto ge-
funden. Zu letzteren, den feineren Steinen, gehört z. B. die Darstellung einer Jo
in Gestalt einer von einer Bremse verfolgten Kuh. Ebenfalls den mitteletrurischen
Fünden ganz analog sind endlich die zu Tage geförderten Halsbänder aus Bern-
stein, deren einzelne Stücke häufig zu Thier- und Menschenköpfen zurechtgeschnitten
[Spaltenumbruch] sind, sowie verschiedene theils ganze, theils fragmentirte Glassachen, wie bunk-
gestreifte Schalen und Gefäße von meistens grüner oder blauer Grundfarbe, allerlei
längliche und runde Perlen, Gehänge, Nadelköpfe u. dgl. m.

Also auch in Marzabotto ein Volksstamm welcher mit dem in Felsina und
südlich vom Apennin auf gleicher Stufe stand!

Selbstverständlich haben alle diese Fünde den Eifer der italienischen Alter-
thumsfreunde nordwärts vom Apennin außerordentlich angespornt. Es soll uns
deßhalb nicht wundern wenn wir in der nächsten Zeit von weiteren Entdeckungen
dieser Art in der südlichen Po-Ebene zu lesen bekommen.

Schließlich sei noch bemerkt daß über die Zeit der Benutzung dieser oben ge-
schilderten Nekropolen nichts bestimmteres gesagt werden kann. Es läßt sich nur
behaupten daß nach den zum größeren Theil bereits die entwickelte Kunst voraus-
setzenden Fundgegenständen kein Grund vorhanden ist bezüglich dieses Punktes in
eine noch ältere Zeit als das 3. Jahrhundert v. Chr. zurückzugehen.



Die dritte allgemeine Conferenz und der gegenwärtige Stand
der europäischen Gradmessung.
I.

* Es sind jetzt zehn Jahre verflossen seit der k. preußische Generallieutenant
Baeyer, durch persönliche Bemühungen und eine Denkschrift über die Größe und
Figur der Erde, ein wissenschaftliches Unternehmen ins Leben rief das bisher einzig
dasteht, und künftigen Jahrhunderten bei ähnlichen Fragen als Norm und Aus-
gangspunkt dienen wird: die europäische Gradmessung, zu deren einheitlicher Durch-
führung sich fast alle Staaten Europa's*) verbunden haben.

Gilt auch der nächste Zweck dieses Unternehmens nur der genaueren Bestim-
mung der Gestalt unserer Erde, so reicht doch seine Bedeutung viel weiter, da er-
fahrungsgemäß an jede Erdmessung eine unmittelbare Förderung der exacten
Wissenschaften sich anschloß, und einem von ganz Europa verfolgten wissenschaft-
lichen Ziele das dauernde allgemeine Interesse nicht fehlen kann. Was hier in
Bezug auf Organisation, auf gleichmäßige Principien, nach denen bei Beobach-
tung und Rechnung verfahren wird, was in Bezug auf zweckmäßige Theilung und
Controle der Arbeit als Grundlage gedient hat, bleibt ein lehrreiches Vorbild auch
für andere Fälle.

Die mit der Ausführung der europäischen Gradmessung betrauten Regierungs-
Commissäre (der Mehrzahl nach hervorragende Astronomen, Geodäten und Mathe-
matiker) versammeln sich alle drei Jahre zu einer "Allgemeinen Conferenz," um
über die Fortschritte des in ihre Hände gelegten Unternehmens zu berichten, damit
zusammenhängende wissenschaftliche Fragen und technische Aufgaben zu besprechen
und zu erledigen, erforderlichen Falls auch die Organisation des von ihnen geschaf-
fenen Instituts abzuändern; eine kleinere Zahl derselben (früher 7, jetzt 9) bildet
als "Permanente Commission" das oberste Organ und besorgt die wissenschaftliche
Leitung der Gradmessung, während einem "Centralbureau" die Ausführung der
Beschlüsse der allgemeinen Conferenz und der permanenten Commission übertra-
gen ist. Dieses Centralbureau ist zur Zeit mit dem k. preußischen geodätischen
Institut vereinigt, und hat in Berlin seinen ständigen Sitz; die permanente Com-
mission hält dagegen jährlich an einem andern Ort ihre Sitzungen, und verkehrt in
der Zwischenzeit unter sich und mit den Mitgliedern der Conferenz, sowie mit dem
Centralbureau, nur schriftlich.

Die Mitglieder der permanenten Commission wurden, mit Ausnahme des
Präsidenten des Centralbureau's, welcher ständiges Mitglied der Commission ist,
von der allgemeinen Conferenz gewählt, und fungiren von einer solchen Conferenz
zur andern. Zur Zeit jeder allgemeinen Conferenz scheiden vier Mitglieder der
Commission aus, welche durch das Loos bestimmt werden; die ausgeschiedenen sind
sofort wieder wählbar. Vacanzen welche in der Zeit von einer Conferenz zur andern
eintreten ergänzt die Commission selbst.

Bis jetzt haben drei allgemeine Conferenzen stattgefunden: die beiden ersten
in Berlin und die dritte in Wien. Die besondere Aufgabe der ersten, in der Zeit
vom 15 bis 22 Oct. 1864 abgehaltenen, allgemeinen Conferenz war: dem neuen
wissenschaftlichen Unternehmen eine von persönlichen Wechselfällen möglichst unab-
hängige feste Organisation zu geben, die Methoden zu bezeichnen nach denen die
geodätischen und astronomischen Beobachlungen anzustellen sind, und die Genauig-
keitsgränzen festzusetzen welche bei allen Messungen eingehalten werden müssen.
Sie hat diese Aufgabe erfüllt indem sie ein vollständiges Arbeitsprogramm auf-
stellte, die wissenschaftliche Leitung der Gradmessung der permanenten Commission
übertrug und in dem Centralbureau ein ausführendes Organ für ihre Beschlüsse
schuf. Die zweite und die dritte allgemeine Conferenz, welche zwischen dem 29 Sept.
und 8 Oct. 1867 und vom 21 bis 29 Sept. 1871 abgehalten wurden, hatten sich
mit Organisationsfragen nicht zu befassen, und konnten daher um so mehr ihr
Augenmerk auf die unter der Aegide der Programme von 1864 und 1867 ausge-
führten geodätischen und astronomischen Arbeiten richten.

Auf Einladung der permanenten Commission, welche im Jahr 1869 zu Florenz
tagte und als nächsten Conferenz-Ort Wien bestimmt hatte, versammelte sich am
21 Sept. d. J. Mittags 12 Uhr im großen Archiv-Saale des k. k. militär-geogra-
phischen Instituts, außer den Bevollmächtigten der bei der Gradmessung betheilig-
ten Staaten, auch eine Reihe von gelehrten Gästen, die, im Gebiete der Geodäsie
oder Astronomie thätig, zur Theilnahme an den Verathungen besonders geladen
waren. Von den Bevollmächtigten der an der Gradmessung theilnehmenden 21
Staaten waren 24 anwesend, nämlich aus Baden: Prof. Jordan; Bayern: Prof.
Bauernfeind und Prof. Seidel; Hessen: Geheimerath Hügel; Italien: Prof.
Schiavoni und Capitän de Stefanis; Mecklenburg: Geheimerath Paschen; Oester-
reich-Ungarn: Feldmarschall-Lieutenant v. Fligely, Honved-Oberst v. Toth, Regie-
rungsrath Herr und Prof. Karlinski; Preußen: Generallieutenant Baeyer, Prof.
Peters, Prof. Sadebeck und Prof. Weingarten; Rußland: Staatsrath v. Struve
und Generallieutenant v. Forsch; Rumänien: Oberst v. Barozzi; Sachsen: Prof.
Bruhns und Prof. Nagel; Schweden und Norwegen: Prof. Fearnley; Schweiz:

*) Nur Eugland und Griechenland gehören nicht zu dem allgemeinen Verbande.

[Spaltenumbruch] bleme in der Geſchichte der Vaſenmalerei“ die Frage welche Archäologen vom Fach
mehr als früher zu feſſeln und zu beſchäftigen anfängt. Bei der Genauigkeit und
Zuverläſſigkeit der Zannoni’ſchen Fundberichte läßt ſich erwarten daß auch das
ſtädtiſche Muſeum von Bologna für dieſe Frage von beſonderer Wichtigkeit
werden wird.

Unter den Bronzeſachen erwähnen wir vierzehn einfache Ciſten ohne nennens-
werthe Verzierung, 6 Bronze-Eimer, ein faſt kugelförmiges Gefäß, welches auf
ſeiner Außenſeite in vier über einander laufenden Streifen einen ganzen Feſtzug
mit einem Gelage darſtellt (freilich ſind die zahlreichen Figuren nur in ziemlich
roher Weiſe herausgetrieben), 13 Gießkannen, 11 Siebgefäße, ähnlich den in Chiuſi
gefundenen, 20 Schöpflöffel, 11 Schalen, 30 Leuchter, 3 Candelaber und die Reſte
eines Schildes. Die Leuchter ſind zwei-, drei- oder vierarmig und oben auf dem
Schafte mehrfach mit dem Kopf eines kleinen Hahns verziert. Die größeren und ſchöne-
ren Schafte der Candelaber ruhen auf einem von Greifenklauen gebildeten Dreifuß
(trepiede a griſoni) und tragen oben eine flache Schale (piatto); auf der einen
Schale ſteht in der Mitte die Figur einer Tänzerin, auf der andern ein Vogenſchütz
und auf der dritten ein Paläſtrit. Aehnliche Candelaber finden ſich in den Samm-
lungen von Chiuſi, Cäre und in denen des Vatican. Unter den Ciſten iſt eine
welche mit ihren ſchön gezierten Greifenfüßen an die von Richard Schöne katalo-
giſirten präneſtiniſchen Ciſten erinnert, während die andern weit einfacher ſind, und
mit denen eine große Aehnlichkeit haben die zerſtreut und in früherer Zeit an ver-
ſchiedenen Orten der alten Etruria circumpadana gefunden worden.

Nach Beſchreibung dieſer eben genannten Bronzen kommt Zannoni mit einer
höflichen Wendung an das zuhörende Damenpublicum: Signore, le donne di Fel-
sina se ſurono al par di voi leggiadre non amarono forse meno di voi la loro
toeletta
— auf die zur Toilette gehörenden Gegenſtände zu ſprechen. 200 Heft-
ſchnallen aus Bronze, 120 aus Silber, darunter einige mit Perlen- und Bernſtein-
ſchmuck, zwei ſolcher Heftſchnallen (ſibulae) aus Gold, zwei Ohrringe aus Gold,
ein langes Halsband von Bernſtein- und Glasperlen, thönerne und gläſerne Gehänge
anderer Art (penderuole ſittili e di vetro) ungefähr 70 an der Zahl, 10 Armringe
aus Bronze in Form einer Schlange, Ringe von Knochen, Bernſtein, Eiſen, Silber
und Gold, viele Perlen aus Bernſtein und Gold u. dgl. m., ſind von Zannoni zu-
ſammengezählt und aufgeſtellt worden. Mehrere ſolcher Perlengehänge blieben
völlig unverſehrt über 2000 Jahre in der Erde liegen; ähnliche fanden ſich in frühe-
rer Zeit zu Capua. Von den Ohrringen ſtellen einige eine kleine ſich in den
Schwanz beißende Schlange dar. Endlich ſind noch dreizehn glatte Spiegel aus
Bronze, viele Pomadebüchſen (unguentari) aus Bronze, Alabaſter, Thon und
Glas, ferner Käſtchen aus Bronze und Knochen zur Aufbewahrung einzelner
Toilette-Gegenſtände u. ſ. w. zu erwähnen.

Das ſchon genannte aes rude, das uns an jenen Obolus erinnert den die
Griechen ihren Todten als Fährgeld für den Charon in den Mund ſteckten, kommt
in verſchiedenen Formen vor. Bald iſt es unförmlich wie ein Stück Schlacke, bald
viereckig, bald ein langgezogener Streifen, bald eine runde Platte. Zannoni fragt:
ob es nach ſeiner verſchiedenen Legirung einen beſtimmten Werth gehabt habe,
und ob dieſe Formen damit zuſammenhängen, oder ob dieſelben zufällig ſeien.
Dieß iſt aber wohl ſchwer zu entſcheiden. Für uns mag es genügen zu wiſſen daß
dasſelbe bei religiöſen Handlungen bis in die ſpäteſte Zeit hinein gebraucht worden
(Mommſen Röm. Münzweſen S. 170).

Alle dieſe Fünde beweiſen ſomit daß Felſina ſich einſt auf demſelben Cultur-
Niveau befand wie die meiſten Städte in Mitteletrurien und in Campanien.

Kaum minder intereſſant als die Fünde auf dem Campo santo der Certoſa, wenn
auch weniger reich und in die Augen ſpringend, ſind die theils 1870, theils ſchon zu
Anfang der ſechziger Jahre gemachten Ausgrabungen in Marzabotto, einer Eiſenbahn-
ſtation ſüdlich von Bologna (cf. Bädeker, Oberitalien S. 333). Auch hier fand ſich eine
ganze Nekropole auf dem linken Ufer des Reno. Der Graf Giovanni Gozzadini hat
darüber in zwei Schriften Nachricht gegeben: Di un’ antica necropoli a Marzabotto
nel Bolognese, Bologna
1865; ferner Di ulteriori scoperte nell’ antica necro-
poli a Marzabotto nel Bolognese. Bologna
1870. Das Gräberſeld von Marza-
botto hat die Form eines Keils von ungefähr 700 Metern Länge und reicht bis an
den Fluß. An einer Stelle dieſes Feldes will man übrigens noch etwas anderes
als Grabkammern erkannt haben, nämlich ordentliche Straßen mit Trottoirs und
die Subſtructionen von Häuſern, die unmittelbar an dieſen Trottoirs lagen. Unter
den Grabſtelen iſt nur eine mit einem Relief geſchmückt, alle anderen ſind Steine
von ſehr einfacher Arbeit. Zahlreicher ſind dagegen die hier zum Vorſchein gekommenen
bemalten Vaſen, Gießkannen und Schalen, deren eingeritzte Buchſtaben und
Schriftzeichen ganz mit den in Mitteletrurien gefundenen übereinſtimmen, und
deren Zeichnungen, beſonders die auf den ſchwarzfigurigen Vaſen, denjenigen Cha-
rakter von Nachläſſigkeit und Rohheit tragen welchen man auf einheimiſche Local-
fabriken zurückzuſühren pflegt. Feiner und beſſer ſind einige rothfigurige Vaſen,
von denen eine, welche zwei ausſchreitende Jünglinge und zwar den einen mit der
Doppelflöte darſtellt, die Spuren von ſchon in alter Zeit gemachten Ausbeſſerungen
aufweist. Auch viele kleine Bronzefiguren, welche wohl für Weihbilder zu halten
ſind, kamen hier zum Vorſchein. Sie tragen alle mehr oder weniger den Charakter
imitirender etruskiſcher Fabrikarbeit an ſich. Neben ganz alterthümlichen nackten
männlichen und bekleideten weiblichen Figuren mit dicht zuſammengeſchloſſenen
Beinen und eng am Körper liegenden Armen fanden ſich andere mit einem gewiſſen
Grade von Bewegung in den Gliedmaßen. Außer den menſchlichen Figuren fanden
ſich aber auch allerlei Thierbilder aus Bronze, entweder ganz oder in Stücken,
welche wahrſcheinlich zu verſchiedenen Verzierungen dienten, ferner große Gefäße
mit und ohne Ketten, Spiegel mit Blattornamenten, Ohrgehänge, Heftnadeln,
Schnallen, Schwerter, Pfeil- und Lanzenſpitzen, und wie in der Nekropole von
Felſina, ſo auch hier viele Stücke des ſchon beſchriebenen aes rude. Auch einige
Gold- und Silberarbeiten, wie Ringe und Halsbänder, ferner geſchnittene Steine,
Scarabäen, bald von grober, bald von feiner Arbeit, wurden in Marzabotto ge-
funden. Zu letzteren, den feineren Steinen, gehört z. B. die Darſtellung einer Jo
in Geſtalt einer von einer Bremſe verfolgten Kuh. Ebenfalls den mitteletruriſchen
Fünden ganz analog ſind endlich die zu Tage geförderten Halsbänder aus Bern-
ſtein, deren einzelne Stücke häufig zu Thier- und Menſchenköpfen zurechtgeſchnitten
[Spaltenumbruch] ſind, ſowie verſchiedene theils ganze, theils fragmentirte Glasſachen, wie bunk-
geſtreifte Schalen und Gefäße von meiſtens grüner oder blauer Grundfarbe, allerlei
längliche und runde Perlen, Gehänge, Nadelköpfe u. dgl. m.

Alſo auch in Marzabotto ein Volksſtamm welcher mit dem in Felſina und
ſüdlich vom Apennin auf gleicher Stufe ſtand!

Selbſtverſtändlich haben alle dieſe Fünde den Eifer der italieniſchen Alter-
thumsfreunde nordwärts vom Apennin außerordentlich angeſpornt. Es ſoll uns
deßhalb nicht wundern wenn wir in der nächſten Zeit von weiteren Entdeckungen
dieſer Art in der ſüdlichen Po-Ebene zu leſen bekommen.

Schließlich ſei noch bemerkt daß über die Zeit der Benutzung dieſer oben ge-
ſchilderten Nekropolen nichts beſtimmteres geſagt werden kann. Es läßt ſich nur
behaupten daß nach den zum größeren Theil bereits die entwickelte Kunſt voraus-
ſetzenden Fundgegenſtänden kein Grund vorhanden iſt bezüglich dieſes Punktes in
eine noch ältere Zeit als das 3. Jahrhundert v. Chr. zurückzugehen.



Die dritte allgemeine Conferenz und der gegenwärtige Stand
der europäiſchen Gradmeſſung.
I.

* Es ſind jetzt zehn Jahre verfloſſen ſeit der k. preußiſche Generallieutenant
Baeyer, durch perſönliche Bemühungen und eine Denkſchrift über die Größe und
Figur der Erde, ein wiſſenſchaftliches Unternehmen ins Leben rief das bisher einzig
daſteht, und künftigen Jahrhunderten bei ähnlichen Fragen als Norm und Aus-
gangspunkt dienen wird: die europäiſche Gradmeſſung, zu deren einheitlicher Durch-
führung ſich faſt alle Staaten Europa’s*) verbunden haben.

Gilt auch der nächſte Zweck dieſes Unternehmens nur der genaueren Beſtim-
mung der Geſtalt unſerer Erde, ſo reicht doch ſeine Bedeutung viel weiter, da er-
fahrungsgemäß an jede Erdmeſſung eine unmittelbare Förderung der exacten
Wiſſenſchaften ſich anſchloß, und einem von ganz Europa verfolgten wiſſenſchaft-
lichen Ziele das dauernde allgemeine Intereſſe nicht fehlen kann. Was hier in
Bezug auf Organiſation, auf gleichmäßige Principien, nach denen bei Beobach-
tung und Rechnung verfahren wird, was in Bezug auf zweckmäßige Theilung und
Controle der Arbeit als Grundlage gedient hat, bleibt ein lehrreiches Vorbild auch
für andere Fälle.

Die mit der Ausführung der europäiſchen Gradmeſſung betrauten Regierungs-
Commiſſäre (der Mehrzahl nach hervorragende Aſtronomen, Geodäten und Mathe-
matiker) verſammeln ſich alle drei Jahre zu einer „Allgemeinen Conferenz,“ um
über die Fortſchritte des in ihre Hände gelegten Unternehmens zu berichten, damit
zuſammenhängende wiſſenſchaftliche Fragen und techniſche Aufgaben zu beſprechen
und zu erledigen, erforderlichen Falls auch die Organiſation des von ihnen geſchaf-
fenen Inſtituts abzuändern; eine kleinere Zahl derſelben (früher 7, jetzt 9) bildet
als „Permanente Commiſſion“ das oberſte Organ und beſorgt die wiſſenſchaftliche
Leitung der Gradmeſſung, während einem „Centralbureau“ die Ausführung der
Beſchlüſſe der allgemeinen Conferenz und der permanenten Commiſſion übertra-
gen iſt. Dieſes Centralbureau iſt zur Zeit mit dem k. preußiſchen geodätiſchen
Inſtitut vereinigt, und hat in Berlin ſeinen ſtändigen Sitz; die permanente Com-
miſſion hält dagegen jährlich an einem andern Ort ihre Sitzungen, und verkehrt in
der Zwiſchenzeit unter ſich und mit den Mitgliedern der Conferenz, ſowie mit dem
Centralbureau, nur ſchriftlich.

Die Mitglieder der permanenten Commiſſion wurden, mit Ausnahme des
Präſidenten des Centralbureau’s, welcher ſtändiges Mitglied der Commiſſion iſt,
von der allgemeinen Conferenz gewählt, und fungiren von einer ſolchen Conferenz
zur andern. Zur Zeit jeder allgemeinen Conferenz ſcheiden vier Mitglieder der
Commiſſion aus, welche durch das Loos beſtimmt werden; die ausgeſchiedenen ſind
ſofort wieder wählbar. Vacanzen welche in der Zeit von einer Conferenz zur andern
eintreten ergänzt die Commiſſion ſelbſt.

Bis jetzt haben drei allgemeine Conferenzen ſtattgefunden: die beiden erſten
in Berlin und die dritte in Wien. Die beſondere Aufgabe der erſten, in der Zeit
vom 15 bis 22 Oct. 1864 abgehaltenen, allgemeinen Conferenz war: dem neuen
wiſſenſchaftlichen Unternehmen eine von perſönlichen Wechſelfällen möglichſt unab-
hängige feſte Organiſation zu geben, die Methoden zu bezeichnen nach denen die
geodätiſchen und aſtronomiſchen Beobachlungen anzuſtellen ſind, und die Genauig-
keitsgränzen feſtzuſetzen welche bei allen Meſſungen eingehalten werden müſſen.
Sie hat dieſe Aufgabe erfüllt indem ſie ein vollſtändiges Arbeitsprogramm auf-
ſtellte, die wiſſenſchaftliche Leitung der Gradmeſſung der permanenten Commiſſion
übertrug und in dem Centralbureau ein ausführendes Organ für ihre Beſchlüſſe
ſchuf. Die zweite und die dritte allgemeine Conferenz, welche zwiſchen dem 29 Sept.
und 8 Oct. 1867 und vom 21 bis 29 Sept. 1871 abgehalten wurden, hatten ſich
mit Organiſationsfragen nicht zu befaſſen, und konnten daher um ſo mehr ihr
Augenmerk auf die unter der Aegide der Programme von 1864 und 1867 ausge-
führten geodätiſchen und aſtronomiſchen Arbeiten richten.

Auf Einladung der permanenten Commiſſion, welche im Jahr 1869 zu Florenz
tagte und als nächſten Conferenz-Ort Wien beſtimmt hatte, verſammelte ſich am
21 Sept. d. J. Mittags 12 Uhr im großen Archiv-Saale des k. k. militär-geogra-
phiſchen Inſtituts, außer den Bevollmächtigten der bei der Gradmeſſung betheilig-
ten Staaten, auch eine Reihe von gelehrten Gäſten, die, im Gebiete der Geodäſie
oder Aſtronomie thätig, zur Theilnahme an den Verathungen beſonders geladen
waren. Von den Bevollmächtigten der an der Gradmeſſung theilnehmenden 21
Staaten waren 24 anweſend, nämlich aus Baden: Prof. Jordan; Bayern: Prof.
Bauernfeind und Prof. Seidel; Heſſen: Geheimerath Hügel; Italien: Prof.
Schiavoni und Capitän de Stefanis; Mecklenburg: Geheimerath Paſchen; Oeſter-
reich-Ungarn: Feldmarſchall-Lieutenant v. Fligely, Honved-Oberſt v. Tóth, Regie-
rungsrath Herr und Prof. Karlinski; Preußen: Generallieutenant Baeyer, Prof.
Peters, Prof. Sadebeck und Prof. Weingarten; Rußland: Staatsrath v. Struve
und Generallieutenant v. Forſch; Rumänien: Oberſt v. Barozzi; Sachſen: Prof.
Bruhns und Prof. Nagel; Schweden und Norwegen: Prof. Fearnley; Schweiz:

*) Nur Eugland und Griechenland gehören nicht zu dem allgemeinen Verbande.
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[3/0003] bleme in der Geſchichte der Vaſenmalerei“ die Frage welche Archäologen vom Fach mehr als früher zu feſſeln und zu beſchäftigen anfängt. Bei der Genauigkeit und Zuverläſſigkeit der Zannoni’ſchen Fundberichte läßt ſich erwarten daß auch das ſtädtiſche Muſeum von Bologna für dieſe Frage von beſonderer Wichtigkeit werden wird. Unter den Bronzeſachen erwähnen wir vierzehn einfache Ciſten ohne nennens- werthe Verzierung, 6 Bronze-Eimer, ein faſt kugelförmiges Gefäß, welches auf ſeiner Außenſeite in vier über einander laufenden Streifen einen ganzen Feſtzug mit einem Gelage darſtellt (freilich ſind die zahlreichen Figuren nur in ziemlich roher Weiſe herausgetrieben), 13 Gießkannen, 11 Siebgefäße, ähnlich den in Chiuſi gefundenen, 20 Schöpflöffel, 11 Schalen, 30 Leuchter, 3 Candelaber und die Reſte eines Schildes. Die Leuchter ſind zwei-, drei- oder vierarmig und oben auf dem Schafte mehrfach mit dem Kopf eines kleinen Hahns verziert. Die größeren und ſchöne- ren Schafte der Candelaber ruhen auf einem von Greifenklauen gebildeten Dreifuß (trepiede a griſoni) und tragen oben eine flache Schale (piatto); auf der einen Schale ſteht in der Mitte die Figur einer Tänzerin, auf der andern ein Vogenſchütz und auf der dritten ein Paläſtrit. Aehnliche Candelaber finden ſich in den Samm- lungen von Chiuſi, Cäre und in denen des Vatican. Unter den Ciſten iſt eine welche mit ihren ſchön gezierten Greifenfüßen an die von Richard Schöne katalo- giſirten präneſtiniſchen Ciſten erinnert, während die andern weit einfacher ſind, und mit denen eine große Aehnlichkeit haben die zerſtreut und in früherer Zeit an ver- ſchiedenen Orten der alten Etruria circumpadana gefunden worden. Nach Beſchreibung dieſer eben genannten Bronzen kommt Zannoni mit einer höflichen Wendung an das zuhörende Damenpublicum: Signore, le donne di Fel- sina se ſurono al par di voi leggiadre non amarono forse meno di voi la loro toeletta — auf die zur Toilette gehörenden Gegenſtände zu ſprechen. 200 Heft- ſchnallen aus Bronze, 120 aus Silber, darunter einige mit Perlen- und Bernſtein- ſchmuck, zwei ſolcher Heftſchnallen (ſibulae) aus Gold, zwei Ohrringe aus Gold, ein langes Halsband von Bernſtein- und Glasperlen, thönerne und gläſerne Gehänge anderer Art (penderuole ſittili e di vetro) ungefähr 70 an der Zahl, 10 Armringe aus Bronze in Form einer Schlange, Ringe von Knochen, Bernſtein, Eiſen, Silber und Gold, viele Perlen aus Bernſtein und Gold u. dgl. m., ſind von Zannoni zu- ſammengezählt und aufgeſtellt worden. Mehrere ſolcher Perlengehänge blieben völlig unverſehrt über 2000 Jahre in der Erde liegen; ähnliche fanden ſich in frühe- rer Zeit zu Capua. Von den Ohrringen ſtellen einige eine kleine ſich in den Schwanz beißende Schlange dar. Endlich ſind noch dreizehn glatte Spiegel aus Bronze, viele Pomadebüchſen (unguentari) aus Bronze, Alabaſter, Thon und Glas, ferner Käſtchen aus Bronze und Knochen zur Aufbewahrung einzelner Toilette-Gegenſtände u. ſ. w. zu erwähnen. Das ſchon genannte aes rude, das uns an jenen Obolus erinnert den die Griechen ihren Todten als Fährgeld für den Charon in den Mund ſteckten, kommt in verſchiedenen Formen vor. Bald iſt es unförmlich wie ein Stück Schlacke, bald viereckig, bald ein langgezogener Streifen, bald eine runde Platte. Zannoni fragt: ob es nach ſeiner verſchiedenen Legirung einen beſtimmten Werth gehabt habe, und ob dieſe Formen damit zuſammenhängen, oder ob dieſelben zufällig ſeien. Dieß iſt aber wohl ſchwer zu entſcheiden. Für uns mag es genügen zu wiſſen daß dasſelbe bei religiöſen Handlungen bis in die ſpäteſte Zeit hinein gebraucht worden (Mommſen Röm. Münzweſen S. 170). Alle dieſe Fünde beweiſen ſomit daß Felſina ſich einſt auf demſelben Cultur- Niveau befand wie die meiſten Städte in Mitteletrurien und in Campanien. Kaum minder intereſſant als die Fünde auf dem Campo santo der Certoſa, wenn auch weniger reich und in die Augen ſpringend, ſind die theils 1870, theils ſchon zu Anfang der ſechziger Jahre gemachten Ausgrabungen in Marzabotto, einer Eiſenbahn- ſtation ſüdlich von Bologna (cf. Bädeker, Oberitalien S. 333). Auch hier fand ſich eine ganze Nekropole auf dem linken Ufer des Reno. Der Graf Giovanni Gozzadini hat darüber in zwei Schriften Nachricht gegeben: Di un’ antica necropoli a Marzabotto nel Bolognese, Bologna 1865; ferner Di ulteriori scoperte nell’ antica necro- poli a Marzabotto nel Bolognese. Bologna 1870. Das Gräberſeld von Marza- botto hat die Form eines Keils von ungefähr 700 Metern Länge und reicht bis an den Fluß. An einer Stelle dieſes Feldes will man übrigens noch etwas anderes als Grabkammern erkannt haben, nämlich ordentliche Straßen mit Trottoirs und die Subſtructionen von Häuſern, die unmittelbar an dieſen Trottoirs lagen. Unter den Grabſtelen iſt nur eine mit einem Relief geſchmückt, alle anderen ſind Steine von ſehr einfacher Arbeit. Zahlreicher ſind dagegen die hier zum Vorſchein gekommenen bemalten Vaſen, Gießkannen und Schalen, deren eingeritzte Buchſtaben und Schriftzeichen ganz mit den in Mitteletrurien gefundenen übereinſtimmen, und deren Zeichnungen, beſonders die auf den ſchwarzfigurigen Vaſen, denjenigen Cha- rakter von Nachläſſigkeit und Rohheit tragen welchen man auf einheimiſche Local- fabriken zurückzuſühren pflegt. Feiner und beſſer ſind einige rothfigurige Vaſen, von denen eine, welche zwei ausſchreitende Jünglinge und zwar den einen mit der Doppelflöte darſtellt, die Spuren von ſchon in alter Zeit gemachten Ausbeſſerungen aufweist. Auch viele kleine Bronzefiguren, welche wohl für Weihbilder zu halten ſind, kamen hier zum Vorſchein. Sie tragen alle mehr oder weniger den Charakter imitirender etruskiſcher Fabrikarbeit an ſich. Neben ganz alterthümlichen nackten männlichen und bekleideten weiblichen Figuren mit dicht zuſammengeſchloſſenen Beinen und eng am Körper liegenden Armen fanden ſich andere mit einem gewiſſen Grade von Bewegung in den Gliedmaßen. Außer den menſchlichen Figuren fanden ſich aber auch allerlei Thierbilder aus Bronze, entweder ganz oder in Stücken, welche wahrſcheinlich zu verſchiedenen Verzierungen dienten, ferner große Gefäße mit und ohne Ketten, Spiegel mit Blattornamenten, Ohrgehänge, Heftnadeln, Schnallen, Schwerter, Pfeil- und Lanzenſpitzen, und wie in der Nekropole von Felſina, ſo auch hier viele Stücke des ſchon beſchriebenen aes rude. Auch einige Gold- und Silberarbeiten, wie Ringe und Halsbänder, ferner geſchnittene Steine, Scarabäen, bald von grober, bald von feiner Arbeit, wurden in Marzabotto ge- funden. Zu letzteren, den feineren Steinen, gehört z. B. die Darſtellung einer Jo in Geſtalt einer von einer Bremſe verfolgten Kuh. Ebenfalls den mitteletruriſchen Fünden ganz analog ſind endlich die zu Tage geförderten Halsbänder aus Bern- ſtein, deren einzelne Stücke häufig zu Thier- und Menſchenköpfen zurechtgeſchnitten ſind, ſowie verſchiedene theils ganze, theils fragmentirte Glasſachen, wie bunk- geſtreifte Schalen und Gefäße von meiſtens grüner oder blauer Grundfarbe, allerlei längliche und runde Perlen, Gehänge, Nadelköpfe u. dgl. m. Alſo auch in Marzabotto ein Volksſtamm welcher mit dem in Felſina und ſüdlich vom Apennin auf gleicher Stufe ſtand! Selbſtverſtändlich haben alle dieſe Fünde den Eifer der italieniſchen Alter- thumsfreunde nordwärts vom Apennin außerordentlich angeſpornt. Es ſoll uns deßhalb nicht wundern wenn wir in der nächſten Zeit von weiteren Entdeckungen dieſer Art in der ſüdlichen Po-Ebene zu leſen bekommen. Schließlich ſei noch bemerkt daß über die Zeit der Benutzung dieſer oben ge- ſchilderten Nekropolen nichts beſtimmteres geſagt werden kann. Es läßt ſich nur behaupten daß nach den zum größeren Theil bereits die entwickelte Kunſt voraus- ſetzenden Fundgegenſtänden kein Grund vorhanden iſt bezüglich dieſes Punktes in eine noch ältere Zeit als das 3. Jahrhundert v. Chr. zurückzugehen. Die dritte allgemeine Conferenz und der gegenwärtige Stand der europäiſchen Gradmeſſung.I. * Es ſind jetzt zehn Jahre verfloſſen ſeit der k. preußiſche Generallieutenant Baeyer, durch perſönliche Bemühungen und eine Denkſchrift über die Größe und Figur der Erde, ein wiſſenſchaftliches Unternehmen ins Leben rief das bisher einzig daſteht, und künftigen Jahrhunderten bei ähnlichen Fragen als Norm und Aus- gangspunkt dienen wird: die europäiſche Gradmeſſung, zu deren einheitlicher Durch- führung ſich faſt alle Staaten Europa’s *) verbunden haben. Gilt auch der nächſte Zweck dieſes Unternehmens nur der genaueren Beſtim- mung der Geſtalt unſerer Erde, ſo reicht doch ſeine Bedeutung viel weiter, da er- fahrungsgemäß an jede Erdmeſſung eine unmittelbare Förderung der exacten Wiſſenſchaften ſich anſchloß, und einem von ganz Europa verfolgten wiſſenſchaft- lichen Ziele das dauernde allgemeine Intereſſe nicht fehlen kann. Was hier in Bezug auf Organiſation, auf gleichmäßige Principien, nach denen bei Beobach- tung und Rechnung verfahren wird, was in Bezug auf zweckmäßige Theilung und Controle der Arbeit als Grundlage gedient hat, bleibt ein lehrreiches Vorbild auch für andere Fälle. Die mit der Ausführung der europäiſchen Gradmeſſung betrauten Regierungs- Commiſſäre (der Mehrzahl nach hervorragende Aſtronomen, Geodäten und Mathe- matiker) verſammeln ſich alle drei Jahre zu einer „Allgemeinen Conferenz,“ um über die Fortſchritte des in ihre Hände gelegten Unternehmens zu berichten, damit zuſammenhängende wiſſenſchaftliche Fragen und techniſche Aufgaben zu beſprechen und zu erledigen, erforderlichen Falls auch die Organiſation des von ihnen geſchaf- fenen Inſtituts abzuändern; eine kleinere Zahl derſelben (früher 7, jetzt 9) bildet als „Permanente Commiſſion“ das oberſte Organ und beſorgt die wiſſenſchaftliche Leitung der Gradmeſſung, während einem „Centralbureau“ die Ausführung der Beſchlüſſe der allgemeinen Conferenz und der permanenten Commiſſion übertra- gen iſt. Dieſes Centralbureau iſt zur Zeit mit dem k. preußiſchen geodätiſchen Inſtitut vereinigt, und hat in Berlin ſeinen ſtändigen Sitz; die permanente Com- miſſion hält dagegen jährlich an einem andern Ort ihre Sitzungen, und verkehrt in der Zwiſchenzeit unter ſich und mit den Mitgliedern der Conferenz, ſowie mit dem Centralbureau, nur ſchriftlich. Die Mitglieder der permanenten Commiſſion wurden, mit Ausnahme des Präſidenten des Centralbureau’s, welcher ſtändiges Mitglied der Commiſſion iſt, von der allgemeinen Conferenz gewählt, und fungiren von einer ſolchen Conferenz zur andern. Zur Zeit jeder allgemeinen Conferenz ſcheiden vier Mitglieder der Commiſſion aus, welche durch das Loos beſtimmt werden; die ausgeſchiedenen ſind ſofort wieder wählbar. Vacanzen welche in der Zeit von einer Conferenz zur andern eintreten ergänzt die Commiſſion ſelbſt. Bis jetzt haben drei allgemeine Conferenzen ſtattgefunden: die beiden erſten in Berlin und die dritte in Wien. Die beſondere Aufgabe der erſten, in der Zeit vom 15 bis 22 Oct. 1864 abgehaltenen, allgemeinen Conferenz war: dem neuen wiſſenſchaftlichen Unternehmen eine von perſönlichen Wechſelfällen möglichſt unab- hängige feſte Organiſation zu geben, die Methoden zu bezeichnen nach denen die geodätiſchen und aſtronomiſchen Beobachlungen anzuſtellen ſind, und die Genauig- keitsgränzen feſtzuſetzen welche bei allen Meſſungen eingehalten werden müſſen. Sie hat dieſe Aufgabe erfüllt indem ſie ein vollſtändiges Arbeitsprogramm auf- ſtellte, die wiſſenſchaftliche Leitung der Gradmeſſung der permanenten Commiſſion übertrug und in dem Centralbureau ein ausführendes Organ für ihre Beſchlüſſe ſchuf. Die zweite und die dritte allgemeine Conferenz, welche zwiſchen dem 29 Sept. und 8 Oct. 1867 und vom 21 bis 29 Sept. 1871 abgehalten wurden, hatten ſich mit Organiſationsfragen nicht zu befaſſen, und konnten daher um ſo mehr ihr Augenmerk auf die unter der Aegide der Programme von 1864 und 1867 ausge- führten geodätiſchen und aſtronomiſchen Arbeiten richten. Auf Einladung der permanenten Commiſſion, welche im Jahr 1869 zu Florenz tagte und als nächſten Conferenz-Ort Wien beſtimmt hatte, verſammelte ſich am 21 Sept. d. J. Mittags 12 Uhr im großen Archiv-Saale des k. k. militär-geogra- phiſchen Inſtituts, außer den Bevollmächtigten der bei der Gradmeſſung betheilig- ten Staaten, auch eine Reihe von gelehrten Gäſten, die, im Gebiete der Geodäſie oder Aſtronomie thätig, zur Theilnahme an den Verathungen beſonders geladen waren. Von den Bevollmächtigten der an der Gradmeſſung theilnehmenden 21 Staaten waren 24 anweſend, nämlich aus Baden: Prof. Jordan; Bayern: Prof. Bauernfeind und Prof. Seidel; Heſſen: Geheimerath Hügel; Italien: Prof. Schiavoni und Capitän de Stefanis; Mecklenburg: Geheimerath Paſchen; Oeſter- reich-Ungarn: Feldmarſchall-Lieutenant v. Fligely, Honved-Oberſt v. Tóth, Regie- rungsrath Herr und Prof. Karlinski; Preußen: Generallieutenant Baeyer, Prof. Peters, Prof. Sadebeck und Prof. Weingarten; Rußland: Staatsrath v. Struve und Generallieutenant v. Forſch; Rumänien: Oberſt v. Barozzi; Sachſen: Prof. Bruhns und Prof. Nagel; Schweden und Norwegen: Prof. Fearnley; Schweiz: *) Nur Eugland und Griechenland gehören nicht zu dem allgemeinen Verbande.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 1, 1. Januar 1872, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine01_1872/3>, abgerufen am 21.11.2024.