Allgemeine Zeitung, Nr. 101, 11. April 1849.[Spaltenumbruch]
der Gefangenen dänischen Matrosen 760 beträgt; unter den gefangenen * Hamburg, 7 April. Zufolge Flensburger Berichten von gestern Oesterreich. Von der Etsch, 25 März. Die wirkliche Con- L Wien, 8 April. Beifolgend sende ich Ihnen das heute früh er- "Se. Durchl. der Feldmarschall Fürst [Spaltenumbruch]
der Gefangenen däniſchen Matroſen 760 beträgt; unter den gefangenen • Hamburg, 7 April. Zufolge Flensburger Berichten von geſtern Oeſterreich. ✸ Von der Etſch, 25 März. Die wirkliche Con- L Wien, 8 April. Beifolgend ſende ich Ihnen das heute früh er- „Se. Durchl. der Feldmarſchall Fürſt <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0004" n="1544"/><cb/> der Gefangenen däniſchen Matroſen 760 beträgt; unter den gefangenen<lb/> Officieren find der Commandeur Paludan und der Capitän Meyer. In<lb/> der Stadt Eckernförde find durch die Kugeln der Dänen nur einige Dächer<lb/> zerſtört und eine alte Frau in ihrem Bette getödtet worden. Beſonders ausge-<lb/> zeichnet hat ſich die ſchleswig-holſteiniſche Strandbatterie unter dem Unter-<lb/> officiere Broderſen (aus Altona). Das Auffliegen des „Chriſtian <hi rendition="#aq">VIII.</hi>“<lb/> hat man dicht bei Kiel geſehen. (H. B. H.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>• <hi rendition="#b">Hamburg,</hi> 7 April.</dateline><lb/> <p>Zufolge Flensburger Berichten von geſtern<lb/> hielten die Dänen vorgeſtern Hadersleben noch beſetzt. Dagegen ſetzten ſich<lb/> die Schleswig-Holſteiner wieder in Beſitz von Apenrade, wobei ſie durch die<lb/> Kanonen der Schiffe ſcharf mitgenommen wurden. Auch Gravenſtein iſt<lb/> wieder in deutſchen Händen. Im Sundewitt’ſchen ſind Scharmützel bei<lb/> Gelegenheit von Recognoſcirungen und Vorpoſtengeſechte vorgefallen.<lb/> Hier iſt heute wieder ein Bataillon des preußiſchen 12ten Infanterieregi-<lb/> ments angekommen. Es wird morgen auf der Eiſenbahn nach Rendsburg<lb/> befördert. 9 <hi rendition="#g">Uhr Abends</hi>. Der Abendzug bringt nichts neues von Be-<lb/> deutung vom Kriegsſchauplatz. Nach Eckernförde kam ein däniſches Dampf-<lb/> ſchiff als Parlamentär, um ſich zu erkundigen welches Schiff in die Luft ge-<lb/> flogen und wie hoch ſich die Zahl der Gefangenen belaufe. Nachdem es<lb/> die Antworten erhalten, kehrte es in die hohe See zurück. Unter den 611<lb/> Gefangenen befinden ſich 40 Officiere. Sie ſollen ausgeſagt haben daß<lb/> die beiden Schiffe Befehle hatten, nachdem ſie mit Beſchießung der Stadt<lb/> Eckernförde am Donnerſtag fertig geworden, am Charfreitag nach Kiel zu<lb/> gehen und dort dasſelbe fromme Werk zu verrichten.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Oeſterreich</hi>.</head><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>✸ <hi rendition="#b">Von der Etſch,</hi> 25 März.</dateline><lb/> <p>Die wirkliche Con-<lb/> ſtitution iſt unter uns faſt noch geräuſchloſer hereingekommen, als im vori-<lb/> gen Jahr um dieſelbe Zeit die kaiſerliche Zuſage einer ſolchen. 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Es mag wohl noch<lb/> daran fehlen daß zu viele meinen es bedürfe der alten Formen um auch der<lb/> Sache froh zu werden, ſo daß ſie, alles Fortſchrittes entwöhnt, lieber dieſe<lb/> ſelbſt verdächtig anſehen als mit ihrer neuen Geſtaltung ſich vertragen. Auch<lb/> hat der Conſtitutionalismus noch nicht überflüſſig viele Lobredner ge-<lb/> funden, wohl aber bediente man ſich beſtens der durch ihn gewonnenen<lb/> Mittel um auch nicht das letzte gute Haar an ihm zu laſſen. Solche Lie-<lb/> besdienſte wollen viele den Vereinen und ihren Organen nachzurühmen<lb/> wiſſen, die mit beſonderm Aplomb als conſtitutionelle auftraten. Bringt<lb/> man nun dazu die ſeit dem Eingehen der beſagten „alten Freiheiten“ dem<lb/> Volke eingeſchulte und eingelullte Unbehülflichkeit und Apathie nebſt<lb/> dem daraus gegohrnen Mißtrauen für alles Gemeinweſenliche wohlgezählt<lb/> in Rechnung, ſo kann man es den Leuten hieſigen Landes nicht als Man-<lb/> gel an Lebensart auslegen, wenn ſie bei der Octroyirung einer Verfaſſung<lb/> nicht mit Pöllern ſchießen und auch keine Halbe Wein über den Tagsbrauch<lb/> trinken. Trauen Sie uns unter alſo gemüthsruhiger Umgebung ja nicht<lb/> die Voreiligkeit zu Ihnen über den Eindruck berichten zu wollen den hier-<lb/> orts die neue Charte des ungetheilten Oeſterreichs nebſt der Art ihres Er-<lb/> ſcheinens gemacht hat. Die bezüglichen Papiere waren und blie-<lb/> ben eine ernſte Ueberraſchung für alle die ſie zu würdigen wiſſen.<lb/> Andere laſen ſie wie man ſolche Actenſtücke auch bei Ihnen zu<lb/> leſen pflegt, mit mehr oder minderer Andacht, Aufregung und<lb/> Begeiſterung, und knüpften hieran die allerwärts üblichen Kaffeehaus-,<lb/> Bierſtuben- und Promenadebatten, worüber den Werthanſchlag zu machen<lb/> Sie gewiß Sachverſtändige zur Hand haben. Bei den Bauern zeigte ſich<lb/> jenes Hinhorchen und Schweigen, jene ſcharfe Witterung auf den klugen<lb/> Geſichtern die uns vom März 1848 noch gut in Erinnerung iſt. Weiteres<lb/> iſt noch wenig erfolgt, doch werden zweifelsohne noch Stimmen laut und<lb/> Stimmungen fühlbar. Wir könnten Ihnen die Gloſſe eines gewichtigen<lb/> Vintſchger Landwirthes anvertrauen, der in Botzen die erſten Expecto-<lb/> rationen über die Verfaſſung mitangehört hatte, und deßhalb wiſſen wollte:<lb/> „ſie wäre von den Kaltblütigen warm und den“ Heißblütigen kalt aufge-<lb/> nommen worden;“ aber Sie ſehen der Mann wollte offenbar nur witzig<lb/> ſeyn. Dürfen wir ſelbſt uns einiges Verſtändniß über tiroliſche offne und<lb/><cb/> geheime Dinge und Perſonen zutrauen, ſo ſcheint es nicht unmöglich mehrere<lb/> Spielarten von Gegnern der neuen Kaiſergabe aufzufinden; ihre Zahlen-<lb/> verhältniſſe mögen auf ſich beruhen. Es iſt in dem Document von man-<lb/> cherlei die Rede, was ſehr viele bei uns kaum vereinbarlich mit tiroliſchem<lb/> Weſen anſehen, indeſſen als allerhöchſtes Geſchenk zweifelsohne würdigen<lb/> werden. Die Stände, die Confeſſionsausſchließlichkeit u. dgl. find von<lb/> den Paragraphen dieſes Grundgeſetzes verſchüttet worden wie unſer altes<lb/><hi rendition="#aq">ad Majas</hi> vom Naiferbergbruch. Zwar könnten die heutigen luftigen<lb/> Häuſer und duftigen Reben am claſſiſchen Schutt den Troſt predigen daß<lb/> auch aus den neuen Satzungen Gutes erwachſen könne, wir zweifeln jedoch<lb/> ob ſchon jetzt den Hiſtorikern und Frommen im Lande dieß Argument faß-<lb/> lich geworden iſt. Von Ungenügſamen, die allenfalls auch ihre Bleifedern<lb/> bereit hätten zum Ab- und Zuſtreichen, ſchweigen wir; dagegen werden<lb/> viele ſeyn die mit der Innsbrucker Zeitung in dem unbeſtreitbaren Lehr-<lb/> ſatze: „beſſer iſt das Hab’ ich als das Hätt’ ich,“ das Maß ihrer Anſprüche<lb/> zu finden wiſſen. Die Liberalen Tirols haben nach benannter Zeitung vor<lb/> allen Urſache dieſer Deviſe zu huldigen, und wer ſich aufs Wetter verſteht<lb/> muß ſie deßhalb für einen guten Barometer erklären. Eines iſts was in<lb/> unſerer Nähe am öfteſten mit der Verfaſſung in Zuſammenhang gebracht<lb/> wurde, die Frage: „Wie ſteht es nun mit dem Anſchluſſe an Deutſch-<lb/> land?“ Darüber wurde bereits manches Wort geſprochen. Es kommen<lb/> hiebei Hoffnungen und Befürchtungen bald obenauf, bald tiefhinab in den<lb/> Wagſchalen der Meinungen, und die Spannung aller, aber auch aller Ge-<lb/> müther iſt darin gleich groß. Es iſt erklärlich; denn ohne beſondere Thä-<lb/> tigkeit und Nahrung iſt das Bewußtſeyn des nothwendigen Zuſammen-<lb/> hangs mit Deutſchland hier tiefeſt eingewachſen und ſelbſt dem Bauer de-<lb/> reits eine Art Glaubensartikel. Man fühlt und begreift auch daß die<lb/> Deutſchen im Recht ſind für ſich allein etwas, und zwar etwas Ganzes und<lb/> Tüchtiges herzuſtellen, wenn ſie ob des vielleicht allzu ganz-gemachten<lb/> Oeſterreichs mit Halbem und Schlechtem ſich begnügen ſollten. Aber<lb/> ſchwer athmet es ſich wenn man weiß Freundeshand muß vielleicht bald<lb/> die deine loslaſſen damit nicht beide kraftlos und thatenlos erlahmen.<lb/> Was Oeſterreich in Frankfurt zu geben und zu gewinnen weiß, davon mag<lb/> es abhängen wieviel Heil und Segen man hier der neuen Verfaſſung auf-<lb/> rechnen wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#aq">L</hi><hi rendition="#b">Wien,</hi> 8 April.</dateline><lb/> <p>Beifolgend ſende ich Ihnen das heute früh er-<lb/> ſchienene 33ſte Armeebulletin, welches jedoch außer einigen näheren An-<lb/> gaben über die Ihnen bereits geſtern mitgetheilte Operation keine neueren<lb/> Nachrichten von Wichtigkeit bringt, und uns über das Reſultat der in mei-<lb/> nem geſtrigen Schreiben erwähnten Schlacht, welche in der Nähe von<lb/> Peſth den Inſurgenten geliefert werden ſollte, noch in Ungewißheit läßt.<lb/> Das erwähnte Armeebulletin lautet: <floatingText><body><div n="1"><p>„Se. Durchl. der Feldmarſchall Fürſt<lb/> zu Windiſch-Grätz hatte in Erfahrung gebracht daß ſich bedeutende Streit-<lb/> kräfte der Rebellen zwiſchen Gyöngyös und Hatvan concentriren, und da-<lb/> her dem Feldmarſchall-Lieutenant Grafen Schlick den Auftrag ertheilt Re-<lb/> cognoscirung dahin vorzunehmen. In Folge deſſen war Feldmarſchall-<lb/> Lieutenant Schlick am 2 d. M. von Hatvan gegen Hort aufgebrochen, fand<lb/> aber die Macht des Gegners der ſeinigen ſo überlegen, daß er es vorzog bei<lb/> Gödöllö eine feſte Stellung zu nehmen, bis weitere Verſtärkungen an-<lb/> kämen. Bei dieſem Rückmarſch wurde dem Hauptmann v. Kalchberg von<lb/> Prohaska-Infanterie der Befehl gegeben die Brücke hinter Hatvan zu zer-<lb/> ſtören. Hauptmann Kalchberg bewirkte dieſe Zerſtörung mit ſeiner ſehr<lb/> braven Compagnie unter dem heftigſten Geſchütz- und Kleingewehrfeuer<lb/> mit muſterhafter Ausdauer, und hielt den Feind hierdurch der Art auf daß<lb/> der Rückmarſch des Corps nur wenig von demſelben beläſtigt werden<lb/> konnte. Der Feldmarſchall beorderte die Diviſion des Feldmarſchall-Lieu-<lb/> tenants Cſoric zur Verſtärkung gegen Gödöllö und ertheilte dem Banus<lb/> den Befehl mit dem erſten Armeecorps nachzurücken und die Verbindung<lb/> mit dem Corps des Feldmarſchall-Lieutenants Grafen Schlick zu erhalten.<lb/> Der Fürſt Obercommandant begab ſich ſelbſt zur Armee und nahm ſein<lb/> Hauptquartier am 3 in Gödöllö und am 4 in Aßod. Als das erſte Ar-<lb/> meecorps unter dem Banus, dieſem Befehl Folge leiſtend, einen Flanken-<lb/> marſch machte, wurde ſelbes bei Tapio-Bieske von den Inſurgenten ange-<lb/> griffen. Generalmajor Rastic ging ſchnell in die Offenſive über, griff den<lb/> andringenden überlegenen Feind mit dem Bajonnet an und warf ihn zu-<lb/> rück, bei welcher Gelegenheit den Inſurgenten 12 Kanonen genommen<lb/> wurden, von denen 4 beſpannt waren und gleich in Sicherheit gebracht und<lb/> 8 andere vernagelt wurden. Wir machten noch mehrere Gefangene, doch<lb/> bedauern auch wir den Verluſt des tapfern Majors Baron Riedeſel und<lb/> des Rittmeiſters Gyurkovies von Banderial-Huſaren. Am 5 d. unter-<lb/> nahm der Feldmarſchall einen Angriff auf den bei Hatvan poſtirten Feind,<lb/> bei welcher Gelegenheit eine Diviſion Civalart-Uhlanen und drei Schwadro-<lb/> nen Kreß-Chevaulegers mit ſeltener Bravour auf vier Diviſionen feind-<lb/> licher Huſaren attakirten und mit einem geringen Verluſt von 2 Todten<lb/> und 10 Verwundeten einen glänzenden Erfolg errangen. Sechzig todte<lb/> Huſaren, worunter zwei Officiere, bedeckten den Walplatz; außerdem hat-<lb/> ten die Inſurgenten 40 Verwundete und wurden ihnen 32 Gefangene,<lb/> worunter ein Officier, abgenommen.“</p></div></body></floatingText></p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1544/0004]
der Gefangenen däniſchen Matroſen 760 beträgt; unter den gefangenen
Officieren find der Commandeur Paludan und der Capitän Meyer. In
der Stadt Eckernförde find durch die Kugeln der Dänen nur einige Dächer
zerſtört und eine alte Frau in ihrem Bette getödtet worden. Beſonders ausge-
zeichnet hat ſich die ſchleswig-holſteiniſche Strandbatterie unter dem Unter-
officiere Broderſen (aus Altona). Das Auffliegen des „Chriſtian VIII.“
hat man dicht bei Kiel geſehen. (H. B. H.)
• Hamburg, 7 April.
Zufolge Flensburger Berichten von geſtern
hielten die Dänen vorgeſtern Hadersleben noch beſetzt. Dagegen ſetzten ſich
die Schleswig-Holſteiner wieder in Beſitz von Apenrade, wobei ſie durch die
Kanonen der Schiffe ſcharf mitgenommen wurden. Auch Gravenſtein iſt
wieder in deutſchen Händen. Im Sundewitt’ſchen ſind Scharmützel bei
Gelegenheit von Recognoſcirungen und Vorpoſtengeſechte vorgefallen.
Hier iſt heute wieder ein Bataillon des preußiſchen 12ten Infanterieregi-
ments angekommen. Es wird morgen auf der Eiſenbahn nach Rendsburg
befördert. 9 Uhr Abends. Der Abendzug bringt nichts neues von Be-
deutung vom Kriegsſchauplatz. Nach Eckernförde kam ein däniſches Dampf-
ſchiff als Parlamentär, um ſich zu erkundigen welches Schiff in die Luft ge-
flogen und wie hoch ſich die Zahl der Gefangenen belaufe. Nachdem es
die Antworten erhalten, kehrte es in die hohe See zurück. Unter den 611
Gefangenen befinden ſich 40 Officiere. Sie ſollen ausgeſagt haben daß
die beiden Schiffe Befehle hatten, nachdem ſie mit Beſchießung der Stadt
Eckernförde am Donnerſtag fertig geworden, am Charfreitag nach Kiel zu
gehen und dort dasſelbe fromme Werk zu verrichten.
Oeſterreich.
✸ Von der Etſch, 25 März.
Die wirkliche Con-
ſtitution iſt unter uns faſt noch geräuſchloſer hereingekommen, als im vori-
gen Jahr um dieſelbe Zeit die kaiſerliche Zuſage einer ſolchen. Es ſind
eben heuer nicht viel mehr die da wiſſen was ſie daran haben, als damals
jener waren die begriffen was ihnen verſprochen worden. Damit ſoll nicht
gefagt ſeyn als könnte man eine Conſtitution ohne Harm und Klage ent-
behren; man wird ſicherlich etwas damit anzufangen wiſſen, nur für die
Handgriffe und das Suchen der Stelle wie und wo ſie zu packen iſt, muß
man uns noch einige Zeit und Verſuche zugeſtehen. Wunderbar ſcheint’s
daß ſo alt-hiſtoriſche und thatſächlich durch und durch gebeizte Demokraten,
wie die Tiroler — zumal die Bauern — ſo unſicher und zaghaft mit den
Dingen umgehen nach denen ſie begehren wie nach einem verſchollenen
Schatze, nach ihren „alten Freiheiten,“ welche eben in nichts anderm be-
ſtunden als in den neu gewährten — in der freien Gemeinde, im offnen und
mündlichen Gericht, in der Rede- und Vereinigungsfreiheit, in der allge-
meinen Volksvertretung und Selbſtvertheidigung. Es mag wohl noch
daran fehlen daß zu viele meinen es bedürfe der alten Formen um auch der
Sache froh zu werden, ſo daß ſie, alles Fortſchrittes entwöhnt, lieber dieſe
ſelbſt verdächtig anſehen als mit ihrer neuen Geſtaltung ſich vertragen. Auch
hat der Conſtitutionalismus noch nicht überflüſſig viele Lobredner ge-
funden, wohl aber bediente man ſich beſtens der durch ihn gewonnenen
Mittel um auch nicht das letzte gute Haar an ihm zu laſſen. Solche Lie-
besdienſte wollen viele den Vereinen und ihren Organen nachzurühmen
wiſſen, die mit beſonderm Aplomb als conſtitutionelle auftraten. Bringt
man nun dazu die ſeit dem Eingehen der beſagten „alten Freiheiten“ dem
Volke eingeſchulte und eingelullte Unbehülflichkeit und Apathie nebſt
dem daraus gegohrnen Mißtrauen für alles Gemeinweſenliche wohlgezählt
in Rechnung, ſo kann man es den Leuten hieſigen Landes nicht als Man-
gel an Lebensart auslegen, wenn ſie bei der Octroyirung einer Verfaſſung
nicht mit Pöllern ſchießen und auch keine Halbe Wein über den Tagsbrauch
trinken. Trauen Sie uns unter alſo gemüthsruhiger Umgebung ja nicht
die Voreiligkeit zu Ihnen über den Eindruck berichten zu wollen den hier-
orts die neue Charte des ungetheilten Oeſterreichs nebſt der Art ihres Er-
ſcheinens gemacht hat. Die bezüglichen Papiere waren und blie-
ben eine ernſte Ueberraſchung für alle die ſie zu würdigen wiſſen.
Andere laſen ſie wie man ſolche Actenſtücke auch bei Ihnen zu
leſen pflegt, mit mehr oder minderer Andacht, Aufregung und
Begeiſterung, und knüpften hieran die allerwärts üblichen Kaffeehaus-,
Bierſtuben- und Promenadebatten, worüber den Werthanſchlag zu machen
Sie gewiß Sachverſtändige zur Hand haben. Bei den Bauern zeigte ſich
jenes Hinhorchen und Schweigen, jene ſcharfe Witterung auf den klugen
Geſichtern die uns vom März 1848 noch gut in Erinnerung iſt. Weiteres
iſt noch wenig erfolgt, doch werden zweifelsohne noch Stimmen laut und
Stimmungen fühlbar. Wir könnten Ihnen die Gloſſe eines gewichtigen
Vintſchger Landwirthes anvertrauen, der in Botzen die erſten Expecto-
rationen über die Verfaſſung mitangehört hatte, und deßhalb wiſſen wollte:
„ſie wäre von den Kaltblütigen warm und den“ Heißblütigen kalt aufge-
nommen worden;“ aber Sie ſehen der Mann wollte offenbar nur witzig
ſeyn. Dürfen wir ſelbſt uns einiges Verſtändniß über tiroliſche offne und
geheime Dinge und Perſonen zutrauen, ſo ſcheint es nicht unmöglich mehrere
Spielarten von Gegnern der neuen Kaiſergabe aufzufinden; ihre Zahlen-
verhältniſſe mögen auf ſich beruhen. Es iſt in dem Document von man-
cherlei die Rede, was ſehr viele bei uns kaum vereinbarlich mit tiroliſchem
Weſen anſehen, indeſſen als allerhöchſtes Geſchenk zweifelsohne würdigen
werden. Die Stände, die Confeſſionsausſchließlichkeit u. dgl. find von
den Paragraphen dieſes Grundgeſetzes verſchüttet worden wie unſer altes
ad Majas vom Naiferbergbruch. Zwar könnten die heutigen luftigen
Häuſer und duftigen Reben am claſſiſchen Schutt den Troſt predigen daß
auch aus den neuen Satzungen Gutes erwachſen könne, wir zweifeln jedoch
ob ſchon jetzt den Hiſtorikern und Frommen im Lande dieß Argument faß-
lich geworden iſt. Von Ungenügſamen, die allenfalls auch ihre Bleifedern
bereit hätten zum Ab- und Zuſtreichen, ſchweigen wir; dagegen werden
viele ſeyn die mit der Innsbrucker Zeitung in dem unbeſtreitbaren Lehr-
ſatze: „beſſer iſt das Hab’ ich als das Hätt’ ich,“ das Maß ihrer Anſprüche
zu finden wiſſen. Die Liberalen Tirols haben nach benannter Zeitung vor
allen Urſache dieſer Deviſe zu huldigen, und wer ſich aufs Wetter verſteht
muß ſie deßhalb für einen guten Barometer erklären. Eines iſts was in
unſerer Nähe am öfteſten mit der Verfaſſung in Zuſammenhang gebracht
wurde, die Frage: „Wie ſteht es nun mit dem Anſchluſſe an Deutſch-
land?“ Darüber wurde bereits manches Wort geſprochen. Es kommen
hiebei Hoffnungen und Befürchtungen bald obenauf, bald tiefhinab in den
Wagſchalen der Meinungen, und die Spannung aller, aber auch aller Ge-
müther iſt darin gleich groß. Es iſt erklärlich; denn ohne beſondere Thä-
tigkeit und Nahrung iſt das Bewußtſeyn des nothwendigen Zuſammen-
hangs mit Deutſchland hier tiefeſt eingewachſen und ſelbſt dem Bauer de-
reits eine Art Glaubensartikel. Man fühlt und begreift auch daß die
Deutſchen im Recht ſind für ſich allein etwas, und zwar etwas Ganzes und
Tüchtiges herzuſtellen, wenn ſie ob des vielleicht allzu ganz-gemachten
Oeſterreichs mit Halbem und Schlechtem ſich begnügen ſollten. Aber
ſchwer athmet es ſich wenn man weiß Freundeshand muß vielleicht bald
die deine loslaſſen damit nicht beide kraftlos und thatenlos erlahmen.
Was Oeſterreich in Frankfurt zu geben und zu gewinnen weiß, davon mag
es abhängen wieviel Heil und Segen man hier der neuen Verfaſſung auf-
rechnen wird.
L Wien, 8 April.
Beifolgend ſende ich Ihnen das heute früh er-
ſchienene 33ſte Armeebulletin, welches jedoch außer einigen näheren An-
gaben über die Ihnen bereits geſtern mitgetheilte Operation keine neueren
Nachrichten von Wichtigkeit bringt, und uns über das Reſultat der in mei-
nem geſtrigen Schreiben erwähnten Schlacht, welche in der Nähe von
Peſth den Inſurgenten geliefert werden ſollte, noch in Ungewißheit läßt.
Das erwähnte Armeebulletin lautet: „Se. Durchl. der Feldmarſchall Fürſt
zu Windiſch-Grätz hatte in Erfahrung gebracht daß ſich bedeutende Streit-
kräfte der Rebellen zwiſchen Gyöngyös und Hatvan concentriren, und da-
her dem Feldmarſchall-Lieutenant Grafen Schlick den Auftrag ertheilt Re-
cognoscirung dahin vorzunehmen. In Folge deſſen war Feldmarſchall-
Lieutenant Schlick am 2 d. M. von Hatvan gegen Hort aufgebrochen, fand
aber die Macht des Gegners der ſeinigen ſo überlegen, daß er es vorzog bei
Gödöllö eine feſte Stellung zu nehmen, bis weitere Verſtärkungen an-
kämen. Bei dieſem Rückmarſch wurde dem Hauptmann v. Kalchberg von
Prohaska-Infanterie der Befehl gegeben die Brücke hinter Hatvan zu zer-
ſtören. Hauptmann Kalchberg bewirkte dieſe Zerſtörung mit ſeiner ſehr
braven Compagnie unter dem heftigſten Geſchütz- und Kleingewehrfeuer
mit muſterhafter Ausdauer, und hielt den Feind hierdurch der Art auf daß
der Rückmarſch des Corps nur wenig von demſelben beläſtigt werden
konnte. Der Feldmarſchall beorderte die Diviſion des Feldmarſchall-Lieu-
tenants Cſoric zur Verſtärkung gegen Gödöllö und ertheilte dem Banus
den Befehl mit dem erſten Armeecorps nachzurücken und die Verbindung
mit dem Corps des Feldmarſchall-Lieutenants Grafen Schlick zu erhalten.
Der Fürſt Obercommandant begab ſich ſelbſt zur Armee und nahm ſein
Hauptquartier am 3 in Gödöllö und am 4 in Aßod. Als das erſte Ar-
meecorps unter dem Banus, dieſem Befehl Folge leiſtend, einen Flanken-
marſch machte, wurde ſelbes bei Tapio-Bieske von den Inſurgenten ange-
griffen. Generalmajor Rastic ging ſchnell in die Offenſive über, griff den
andringenden überlegenen Feind mit dem Bajonnet an und warf ihn zu-
rück, bei welcher Gelegenheit den Inſurgenten 12 Kanonen genommen
wurden, von denen 4 beſpannt waren und gleich in Sicherheit gebracht und
8 andere vernagelt wurden. Wir machten noch mehrere Gefangene, doch
bedauern auch wir den Verluſt des tapfern Majors Baron Riedeſel und
des Rittmeiſters Gyurkovies von Banderial-Huſaren. Am 5 d. unter-
nahm der Feldmarſchall einen Angriff auf den bei Hatvan poſtirten Feind,
bei welcher Gelegenheit eine Diviſion Civalart-Uhlanen und drei Schwadro-
nen Kreß-Chevaulegers mit ſeltener Bravour auf vier Diviſionen feind-
licher Huſaren attakirten und mit einem geringen Verluſt von 2 Todten
und 10 Verwundeten einen glänzenden Erfolg errangen. Sechzig todte
Huſaren, worunter zwei Officiere, bedeckten den Walplatz; außerdem hat-
ten die Inſurgenten 40 Verwundete und wurden ihnen 32 Gefangene,
worunter ein Officier, abgenommen.“
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(2022-09-09T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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