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Allgemeine Zeitung, Nr. 101, 11. April 1849.

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[Spaltenumbruch]

Der bekannte Hr. Dosne, Generaleinnehmer des Norddepartements,
Regent der Bank, Schwiegervater des Hrn. Thiers, ist in Paris an der
Cholera gestorben.


In der Nationalversammlung wurden heute zuerst mehrere Geschäfte
von untergeordnetem Interesse, später die zweite Berathung des organi-
schen Gesetzes über die Gerichtsverfassung vorgenommen. Es scheint je-
doch daß man nicht über die Vorfrage hinauskommen werde: ob man
nicht diesen Gegenstand lieber vertagen, d. h. der künftigen gesetzgebenden
Versammlung überlassen wolle? In diesem Sinn äußerten sich mehrere
Stimmen. Bei Abgang der Post war noch kein Beschluß gefaßt.


Die Cholera fängt an ernster aufzutreten.
Nach den officiellen Angaben, denen man übrigens nicht traut, kamen in
letzterer Zeit in den Hospitälern täglich 17 Fälle vor; im ganzen bis jetzt
1009, wovon 563 der Seuche unterlagen. Am furchtbarsten wüthet sie
in der Salpetriere, unter Greisen, Gebrechlichen, Irren gleich stark, selbst
die Wärter erliegen und mehrere der jüngern Hülfsärzte waren dem Tode
nahe. In diesem Gebäude allein find auf 419 Erkrankte 279 verstorben,
und da die Krankheit mehr und mehr um sich greift und in den beiden letz-
ten Tagen noch 89 Bewohner dieses Spitals befallen wurden, soll es gänzlich
geräumt werden, und den Vertriebenen vor der Hand fünfzehn Sous täg-
licher Unterstützung vergütet werden. Aber auch in höhern Regionen
greift die Seuche um sich. In der Nationalversammlung herrscht größte
Bestürzung. Außer den drei ersten hinweggerafften Abgeordneten, deren Tod
an der Cholera beständig geläugnet worden war, erfährt man daß mehrere
andere davon befallen, und seit gestern 15 Mitglieder der Versammlung
an plötzlicher Erkrankung darniederliegen. Die Ursache eines so uner-
warteten Ausbruchs im Schooß der Volksvertretung wird theils der
schlechten Einrichtung und Lüftung des Sitzungssaals zugeschrieben, theils
auch den heftigen Gemüthsbewegungen welche die Debatten erzeugen. Für
viele würde es eine große Beruhigung seyn, wenn die Seuche etwas weniger
die Berghöhen lichten und womöglich den Socialismus hinwegraffen
wollte; sie thut das bis jetzt aber leider noch nicht, sondern scheint den
Thälern nachgehen zu wollen. Vorgestern verstarb nach kurzem Kranken-
lager Abbe Fayet, Bischof von Orleans, gestern Oberst Fr. Culmann
aus Anweiler, beide Mitglieder der Nationalversammlung. Dieser ge-
hörte zur freisinnigen Partei, jener früher zu den Erzlegitimisten; ein
Mann von eigenthümlichem Geist und witzigen Einfällen, die ihn sogar
auf seinem Sterbelager nicht verließen. Als er nämlich seinen Collegen
in der Kammer, den protestantischen Prediger Coquerel, zum Besuch ein-
treten sah, reichte er, der allein seligmachenden Kirche Bischof, dem Ein-
tretenden die Hand mit den Worten: "Zum letztenmal, denn drüben wer-
den wir uns wohl nicht wiedersehen!" Auch dem General Changarnier,
dem man das ungeheure Unrecht angethan von seinen drei Gehalten einen
zu streichen, wird ein nicht übles Witzwort zugeschrieben. Die Abstim-
mung über den ihn betreffenden Passus war in seiner Abwesenheit ge-
schehen. Als er später eintrat und seinen Platz einnahm, neigte sich ein
Rother zu ihm hernieder vom hohen Olymp mit den Worten: "Nun, Ge-
neral, wir haben Euch so eben demolirt!" "Ich rathe den Eueren dennoch
nicht auf die Straße hinabzusteigen, denn ich striegle Euch jetzt gratis,
aber deßhalb nicht minder tüchtig." Die Subscription zum Ersatz seines
gestrichenen Einkommens hat sich der General verbeten. Verständig ge-
nug, denn sie annehmen wäre nicht eben ehrenvoll gewesen, und dann würde
sie auch schwerlich zu Stande gekommen seyn. Das Journal Le Pays,
welches die Idee zuerst aufgebracht hatte, war ein schlechter Schildträger.


Im Laufe des gestrigen Tages und diesen
Morgen haben sämmtliche Geschworne, die Zeugen, sowie die Mitglieder
des Staatsgerichtshof Bourges verlassen. Jeder Geschworne erhielt an
Vergütigung 10 Fr. täglich, die Zeugen 4 Fr., die fünf Richter und der
Generalprocurator 25 Fr. und der Präsident 30 Fr. Außerdem wird ih-
nen noch eine Reise-Entschädigung bewilligt. Das bei der Berechnung der
letztern befolgte System ist so originell daß ich es anführen will: man berechnet
nämlich die Entfernung nicht etwa nach einer Postkarte, sondern mißt mit
einem Zirkel die beiden Punkte, z. B. Bourges und den Ort wohin man
geht. Kurz die gerade Linie dient als Maßstab. Wie ich höre, betragen
die sämmtlichen Gerichtskosten des Processes an 200,000 Fr., wobei allein
30,000 Fr. für die Polizei entfallen. Da die Verurtheilten die Kosten be-
zahlen müssen, so kann sich der General Courtais doppelt glückwünschen
daß er freigesprochen worden ist, denn sonst hätte er außer der Freiheit
auch noch sein Vermögen (das zwischen 30 bis 40,000 Fr. Renten abwirft)
verloren. Man sagt Bethmont habe für seine Vertheidigung 10,000 Fr.
erhalten. Der größte Theil der hier stationirten Gendarmen hat Befehl
bekommen sich diese Nacht marschfertig zu halten da die Verurtheilten ab-
geführt werden sollen. Barbes und Albert, die zur Deportation
verurtheilt sind, bleiben noch hier. Das was man Reaction nennt,
und was natürlich ein sehr elastischer Begriff ist, entwickelt sich
[Spaltenumbruch] in den Provinzen, namentlich hier, immer stärker, und es scheint als habe
man in dem über die Angeklagten des 15 Mai ausgesprochenen Verdict
neue Elemente und Stützen dafür gefunden. So wurden gestern unter an-
dern bei 20 hiesigen Einwohnern, die für ziemlich "roth" gelten, Haus-
suchungen gehalten und Papiere mit Beschlag belegt. Die conservative
Strömung setzt so stark ein daß ich glaube die bevorstehenden Wahlen wer-
den so übermäßig vortrefflich werden daß es den Repräsentanten wie den
alten Auguren gehen wird, und daß sie sich nicht ohne Lächeln als Repu-
blicaner ansehen werden. Diese Uebermäßigkeit würde deßhalb zu beklagen
seyn, weil dadurch dem Socialismus in die Hände gearbeitet wird, und dieß
ist zur Zeit ein noch zu wüster Begriff als daß eine gebildete Gesellschaft dar-
in die politische Norm ihres Daseyns finden könnte. Als Zeichen der hiesigen
Stimmung führe ich die so eben erfolgte Absetzung des Generaladvocaten
Millevoye (Sohn des bekannten Dichters) an, er hatte neulich in einer
Privatgesellschaft, beim Eintritt des Obersten de Goyon, der Dame des
Hauses bemerkt: "ce Monsieur a manque sa vocation, au lieu d'etre
colonel, il devrait etre bourreau."
Zum Verständniß dieser Aeuße-
rung muß ich bemerken daß der Oberst de Goyon, im Attentatsproceß als
Zeuge vorgeladen, mit der größten Kaltblütigkeit erklärte daß, als am 15
Mai vorigen Jahrs Sobrier ihm zur Obhut übergeben worden sey, er zwei
Dragoner mit geladenen Pistolen zu dessen Bewachung aufgestellt habe,
mit dem Befehl bei der geringsten Bewegung oder irgendeinem Versuche
zur Flucht ihn niederzuschießen. In dieser furchtbaren Perspective mit
zwei auf seinen Kopf gerichteten Pistolenmündungen hatte Sobrier 36
Stunden verbringen müssen. Die obige Aeußerung hatte ihren Weg nach
Paris gefunden und darauf erfolgte die Absetzung.

Italien.

Der Palmensonntag 1849 wird
für Genua sowie für ganz Italien von unberechenbarer Bedeutung seyn.
Heute hat Genua seine Trennung von der savoyischen Dynastie durch
offene Revolution angekündigt. Schon früh am Tag bemächtigte sich das
Volk mehrerer Kanonen die einzeln an mehrern Orten des Hafens aufge-
stellt waren. Alle öffentlichen Gebäude, mit Ausnahme des Hafenzeug hau-
ses (Darsena) und des Militärzeughauses nebst der daranstoßenden Ar-
tilleriecaserne und den Ruinen des Forts San Giorgio, befanden sich be-
reits seit zwei Tagen in den Händen der Bürgergarden. Im Militär-
Zeughause hatte der Divisionsgeneral Ayarte seit drei Tagen sein Haupt-
quartier aufgeschlagen. Die hiesige Garnison, kaum 3000 Mann stark
und meist aus Depots verschiedener Regimenter bestehend, hatte sich da-
selbst zurückgezogen, und in größter Eile hatte die Artillerie die Ruinen
des Forts so weit geebnet daß sie eine Platform bildeten auf welcher eine
Batterie von zehn Kanonen errichtet werden konnte. Alle Thore der
Stadt, sowie die Posten im Innern waren in den Händen der Bürgergarden
und des bewaffneten Volks. Nur die zwei Hauptstadtthore, Porta della Lan-
terna und Porta Pila, waren für Bürgerliche während des heutigen Tags
geöffnet. Trotz der allgemeinen Besorgniß daß der Tag nicht ohne ein
außerordentliches Ereigniß verlaufen werde, hatte das schöne Wetter nicht
wenig Spaziergänger zur Stadt hinausgelockt. Die Posten an den Tho-
ren hatten strenge Weisung durchaus kein Militär in die Stadt einzulas-
sen. In der Stadt selbst war eine große Bewegung und von Zeit zu Zeit
läuteten die Glocken Sturm. Die Bürgergarden und das bewaffnete Volk
schaarten sich gegen 4 Uhr Nachmittags zu vielen Tausenden zusammen,
und richteten ihren Marsch auf die Darsena zu, welche sie sogleich angrif-
fen und nach ganz kurzem Widerstand in Besitz nahmen. Die schon am
Morgen genommenen Kanonen wurden alsbald auf dem Platze Doria,
dem Militärarsenal gegenüber, aufgepflanzt und von einem starken Pelo-
tonfeuer des bewaffneten Volks unterftützt, spielten sie auf das Fort San
Giorgio, von wo aus die königlichen Truppen tapfer antworteten. Das
Feuern, von beiden Seiten ziemlich gleich stark, wurde etwa anderthalb
Stunden fortgesetzt. Während Todte und verwundete Bürger nach dem
Hospital gebracht wurden, errichtete man allerwärts Barrikaden, die wegen
der außerordentlichen Enge der Gassen in weniger als einer Stunde zu
Stande kamen, und meistentheils aus den Sesseln, Bänken, Beicht-
stühlen und anderm groben Geräth der Kirchen bestanden. In der Stadt
selbst fanden keine Feindseligkeiten statt, außer in der Straße Balbi, wo
die Carabinieri aus dem königlichen Palast auf das Volk feuerten. Unter
dem bewaffneten Volk, welches nach dem Walplatz eilte, bemerkte man
selbst bewaffnete Priester und Mönche. Mit einbrechender Nacht hörte das
Feuern von beiden Seiten auf. Alle Fenster in den Hauptstraßen waren
so zahlreich beleuchtet daß die Straßen fast so hell wie bei Tag waren.
Der Abend verging ohne Feindseligkeiten; das bewaffnete Volk verhielt
sich ruhig hinter den Barrikaden, die durch Fischerkähne und Gondelboote
verstärkt wurden, welche das Volk vom Hafen herbeischleppten. Das Läu-
ten der Sturmglocken dauert jedoch bis zur Stunde ununterbrochen fort,
obgleich es nahe an Mitternacht ist. Morgen früh sollen die Feindselig-

[Spaltenumbruch]

Der bekannte Hr. Dosne, Generaleinnehmer des Norddepartements,
Regent der Bank, Schwiegervater des Hrn. Thiers, iſt in Paris an der
Cholera geſtorben.


In der Nationalverſammlung wurden heute zuerſt mehrere Geſchäfte
von untergeordnetem Intereſſe, ſpäter die zweite Berathung des organi-
ſchen Geſetzes über die Gerichtsverfaſſung vorgenommen. Es ſcheint je-
doch daß man nicht über die Vorfrage hinauskommen werde: ob man
nicht dieſen Gegenſtand lieber vertagen, d. h. der künftigen geſetzgebenden
Verſammlung überlaſſen wolle? In dieſem Sinn äußerten ſich mehrere
Stimmen. Bei Abgang der Poſt war noch kein Beſchluß gefaßt.


Die Cholera fängt an ernſter aufzutreten.
Nach den officiellen Angaben, denen man übrigens nicht traut, kamen in
letzterer Zeit in den Hoſpitälern täglich 17 Fälle vor; im ganzen bis jetzt
1009, wovon 563 der Seuche unterlagen. Am furchtbarſten wüthet ſie
in der Salpetrière, unter Greiſen, Gebrechlichen, Irren gleich ſtark, ſelbſt
die Wärter erliegen und mehrere der jüngern Hülfsärzte waren dem Tode
nahe. In dieſem Gebäude allein find auf 419 Erkrankte 279 verſtorben,
und da die Krankheit mehr und mehr um ſich greift und in den beiden letz-
ten Tagen noch 89 Bewohner dieſes Spitals befallen wurden, ſoll es gänzlich
geräumt werden, und den Vertriebenen vor der Hand fünfzehn Sous täg-
licher Unterſtützung vergütet werden. Aber auch in höhern Regionen
greift die Seuche um ſich. In der Nationalverſammlung herrſcht größte
Beſtürzung. Außer den drei erſten hinweggerafften Abgeordneten, deren Tod
an der Cholera beſtändig geläugnet worden war, erfährt man daß mehrere
andere davon befallen, und ſeit geſtern 15 Mitglieder der Verſammlung
an plötzlicher Erkrankung darniederliegen. Die Urſache eines ſo uner-
warteten Ausbruchs im Schooß der Volksvertretung wird theils der
ſchlechten Einrichtung und Lüftung des Sitzungsſaals zugeſchrieben, theils
auch den heftigen Gemüthsbewegungen welche die Debatten erzeugen. Für
viele würde es eine große Beruhigung ſeyn, wenn die Seuche etwas weniger
die Berghöhen lichten und womöglich den Socialismus hinwegraffen
wollte; ſie thut das bis jetzt aber leider noch nicht, ſondern ſcheint den
Thälern nachgehen zu wollen. Vorgeſtern verſtarb nach kurzem Kranken-
lager Abbé Fayet, Biſchof von Orleans, geſtern Oberſt Fr. Culmann
aus Anweiler, beide Mitglieder der Nationalverſammlung. Dieſer ge-
hörte zur freiſinnigen Partei, jener früher zu den Erzlegitimiſten; ein
Mann von eigenthümlichem Geiſt und witzigen Einfällen, die ihn ſogar
auf ſeinem Sterbelager nicht verließen. Als er nämlich ſeinen Collegen
in der Kammer, den proteſtantiſchen Prediger Coquerel, zum Beſuch ein-
treten ſah, reichte er, der allein ſeligmachenden Kirche Biſchof, dem Ein-
tretenden die Hand mit den Worten: „Zum letztenmal, denn drüben wer-
den wir uns wohl nicht wiederſehen!“ Auch dem General Changarnier,
dem man das ungeheure Unrecht angethan von ſeinen drei Gehalten einen
zu ſtreichen, wird ein nicht übles Witzwort zugeſchrieben. Die Abſtim-
mung über den ihn betreffenden Paſſus war in ſeiner Abweſenheit ge-
ſchehen. Als er ſpäter eintrat und ſeinen Platz einnahm, neigte ſich ein
Rother zu ihm hernieder vom hohen Olymp mit den Worten: „Nun, Ge-
neral, wir haben Euch ſo eben demolirt!“ „Ich rathe den Eueren dennoch
nicht auf die Straße hinabzuſteigen, denn ich ſtriegle Euch jetzt gratis,
aber deßhalb nicht minder tüchtig.“ Die Subſcription zum Erſatz ſeines
geſtrichenen Einkommens hat ſich der General verbeten. Verſtändig ge-
nug, denn ſie annehmen wäre nicht eben ehrenvoll geweſen, und dann würde
ſie auch ſchwerlich zu Stande gekommen ſeyn. Das Journal Le Pays,
welches die Idee zuerſt aufgebracht hatte, war ein ſchlechter Schildträger.


Im Laufe des geſtrigen Tages und dieſen
Morgen haben ſämmtliche Geſchworne, die Zeugen, ſowie die Mitglieder
des Staatsgerichtshof Bourges verlaſſen. Jeder Geſchworne erhielt an
Vergütigung 10 Fr. täglich, die Zeugen 4 Fr., die fünf Richter und der
Generalprocurator 25 Fr. und der Präſident 30 Fr. Außerdem wird ih-
nen noch eine Reiſe-Entſchädigung bewilligt. Das bei der Berechnung der
letztern befolgte Syſtem iſt ſo originell daß ich es anführen will: man berechnet
nämlich die Entfernung nicht etwa nach einer Poſtkarte, ſondern mißt mit
einem Zirkel die beiden Punkte, z. B. Bourges und den Ort wohin man
geht. Kurz die gerade Linie dient als Maßſtab. Wie ich höre, betragen
die ſämmtlichen Gerichtskoſten des Proceſſes an 200,000 Fr., wobei allein
30,000 Fr. für die Polizei entfallen. Da die Verurtheilten die Koſten be-
zahlen müſſen, ſo kann ſich der General Courtais doppelt glückwünſchen
daß er freigeſprochen worden iſt, denn ſonſt hätte er außer der Freiheit
auch noch ſein Vermögen (das zwiſchen 30 bis 40,000 Fr. Renten abwirft)
verloren. Man ſagt Bethmont habe für ſeine Vertheidigung 10,000 Fr.
erhalten. Der größte Theil der hier ſtationirten Gendarmen hat Befehl
bekommen ſich dieſe Nacht marſchfertig zu halten da die Verurtheilten ab-
geführt werden ſollen. Barbès und Albert, die zur Deportation
verurtheilt ſind, bleiben noch hier. Das was man Reaction nennt,
und was natürlich ein ſehr elaſtiſcher Begriff iſt, entwickelt ſich
[Spaltenumbruch] in den Provinzen, namentlich hier, immer ſtärker, und es ſcheint als habe
man in dem über die Angeklagten des 15 Mai ausgeſprochenen Verdict
neue Elemente und Stützen dafür gefunden. So wurden geſtern unter an-
dern bei 20 hieſigen Einwohnern, die für ziemlich „roth“ gelten, Haus-
ſuchungen gehalten und Papiere mit Beſchlag belegt. Die conſervative
Strömung ſetzt ſo ſtark ein daß ich glaube die bevorſtehenden Wahlen wer-
den ſo übermäßig vortrefflich werden daß es den Repräſentanten wie den
alten Auguren gehen wird, und daß ſie ſich nicht ohne Lächeln als Repu-
blicaner anſehen werden. Dieſe Uebermäßigkeit würde deßhalb zu beklagen
ſeyn, weil dadurch dem Socialismus in die Hände gearbeitet wird, und dieß
iſt zur Zeit ein noch zu wüſter Begriff als daß eine gebildete Geſellſchaft dar-
in die politiſche Norm ihres Daſeyns finden könnte. Als Zeichen der hieſigen
Stimmung führe ich die ſo eben erfolgte Abſetzung des Generaladvocaten
Millevoye (Sohn des bekannten Dichters) an, er hatte neulich in einer
Privatgeſellſchaft, beim Eintritt des Oberſten de Goyon, der Dame des
Hauſes bemerkt: „ce Monsieur a manqué sa vocation, au lieu d’étre
colonel, il devrait être bourreau.“
Zum Verſtändniß dieſer Aeuße-
rung muß ich bemerken daß der Oberſt de Goyon, im Attentatsproceß als
Zeuge vorgeladen, mit der größten Kaltblütigkeit erklärte daß, als am 15
Mai vorigen Jahrs Sobrier ihm zur Obhut übergeben worden ſey, er zwei
Dragoner mit geladenen Piſtolen zu deſſen Bewachung aufgeſtellt habe,
mit dem Befehl bei der geringſten Bewegung oder irgendeinem Verſuche
zur Flucht ihn niederzuſchießen. In dieſer furchtbaren Perſpective mit
zwei auf ſeinen Kopf gerichteten Piſtolenmündungen hatte Sobrier 36
Stunden verbringen müſſen. Die obige Aeußerung hatte ihren Weg nach
Paris gefunden und darauf erfolgte die Abſetzung.

Italien.

Der Palmenſonntag 1849 wird
für Genua ſowie für ganz Italien von unberechenbarer Bedeutung ſeyn.
Heute hat Genua ſeine Trennung von der ſavoyiſchen Dynaſtie durch
offene Revolution angekündigt. Schon früh am Tag bemächtigte ſich das
Volk mehrerer Kanonen die einzeln an mehrern Orten des Hafens aufge-
ſtellt waren. Alle öffentlichen Gebäude, mit Ausnahme des Hafenzeug hau-
ſes (Darsena) und des Militärzeughauſes nebſt der daranſtoßenden Ar-
tilleriecaſerne und den Ruinen des Forts San Giorgio, befanden ſich be-
reits ſeit zwei Tagen in den Händen der Bürgergarden. Im Militär-
Zeughauſe hatte der Diviſionsgeneral Ayarte ſeit drei Tagen ſein Haupt-
quartier aufgeſchlagen. Die hieſige Garniſon, kaum 3000 Mann ſtark
und meiſt aus Depots verſchiedener Regimenter beſtehend, hatte ſich da-
ſelbſt zurückgezogen, und in größter Eile hatte die Artillerie die Ruinen
des Forts ſo weit geebnet daß ſie eine Platform bildeten auf welcher eine
Batterie von zehn Kanonen errichtet werden konnte. Alle Thore der
Stadt, ſowie die Poſten im Innern waren in den Händen der Bürgergarden
und des bewaffneten Volks. Nur die zwei Hauptſtadtthore, Porta della Lan-
terna und Porta Pila, waren für Bürgerliche während des heutigen Tags
geöffnet. Trotz der allgemeinen Beſorgniß daß der Tag nicht ohne ein
außerordentliches Ereigniß verlaufen werde, hatte das ſchöne Wetter nicht
wenig Spaziergänger zur Stadt hinausgelockt. Die Poſten an den Tho-
ren hatten ſtrenge Weiſung durchaus kein Militär in die Stadt einzulaſ-
ſen. In der Stadt ſelbſt war eine große Bewegung und von Zeit zu Zeit
läuteten die Glocken Sturm. Die Bürgergarden und das bewaffnete Volk
ſchaarten ſich gegen 4 Uhr Nachmittags zu vielen Tauſenden zuſammen,
und richteten ihren Marſch auf die Darſena zu, welche ſie ſogleich angrif-
fen und nach ganz kurzem Widerſtand in Beſitz nahmen. Die ſchon am
Morgen genommenen Kanonen wurden alsbald auf dem Platze Doria,
dem Militärarſenal gegenüber, aufgepflanzt und von einem ſtarken Pelo-
tonfeuer des bewaffneten Volks unterftützt, ſpielten ſie auf das Fort San
Giorgio, von wo aus die königlichen Truppen tapfer antworteten. Das
Feuern, von beiden Seiten ziemlich gleich ſtark, wurde etwa anderthalb
Stunden fortgeſetzt. Während Todte und verwundete Bürger nach dem
Hoſpital gebracht wurden, errichtete man allerwärts Barrikaden, die wegen
der außerordentlichen Enge der Gaſſen in weniger als einer Stunde zu
Stande kamen, und meiſtentheils aus den Seſſeln, Bänken, Beicht-
ſtühlen und anderm groben Geräth der Kirchen beſtanden. In der Stadt
ſelbſt fanden keine Feindſeligkeiten ſtatt, außer in der Straße Balbi, wo
die Carabinieri aus dem königlichen Palaſt auf das Volk feuerten. Unter
dem bewaffneten Volk, welches nach dem Walplatz eilte, bemerkte man
ſelbſt bewaffnete Prieſter und Mönche. Mit einbrechender Nacht hörte das
Feuern von beiden Seiten auf. Alle Fenſter in den Hauptſtraßen waren
ſo zahlreich beleuchtet daß die Straßen faſt ſo hell wie bei Tag waren.
Der Abend verging ohne Feindſeligkeiten; das bewaffnete Volk verhielt
ſich ruhig hinter den Barrikaden, die durch Fiſcherkähne und Gondelboote
verſtärkt wurden, welche das Volk vom Hafen herbeiſchleppten. Das Läu-
ten der Sturmglocken dauert jedoch bis zur Stunde ununterbrochen fort,
obgleich es nahe an Mitternacht iſt. Morgen früh ſollen die Feindſelig-

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[1547/0007] Der bekannte Hr. Dosne, Generaleinnehmer des Norddepartements, Regent der Bank, Schwiegervater des Hrn. Thiers, iſt in Paris an der Cholera geſtorben. In der Nationalverſammlung wurden heute zuerſt mehrere Geſchäfte von untergeordnetem Intereſſe, ſpäter die zweite Berathung des organi- ſchen Geſetzes über die Gerichtsverfaſſung vorgenommen. Es ſcheint je- doch daß man nicht über die Vorfrage hinauskommen werde: ob man nicht dieſen Gegenſtand lieber vertagen, d. h. der künftigen geſetzgebenden Verſammlung überlaſſen wolle? In dieſem Sinn äußerten ſich mehrere Stimmen. Bei Abgang der Poſt war noch kein Beſchluß gefaßt. ⊤ Paris, 6 April. Die Cholera fängt an ernſter aufzutreten. Nach den officiellen Angaben, denen man übrigens nicht traut, kamen in letzterer Zeit in den Hoſpitälern täglich 17 Fälle vor; im ganzen bis jetzt 1009, wovon 563 der Seuche unterlagen. Am furchtbarſten wüthet ſie in der Salpetrière, unter Greiſen, Gebrechlichen, Irren gleich ſtark, ſelbſt die Wärter erliegen und mehrere der jüngern Hülfsärzte waren dem Tode nahe. In dieſem Gebäude allein find auf 419 Erkrankte 279 verſtorben, und da die Krankheit mehr und mehr um ſich greift und in den beiden letz- ten Tagen noch 89 Bewohner dieſes Spitals befallen wurden, ſoll es gänzlich geräumt werden, und den Vertriebenen vor der Hand fünfzehn Sous täg- licher Unterſtützung vergütet werden. Aber auch in höhern Regionen greift die Seuche um ſich. In der Nationalverſammlung herrſcht größte Beſtürzung. Außer den drei erſten hinweggerafften Abgeordneten, deren Tod an der Cholera beſtändig geläugnet worden war, erfährt man daß mehrere andere davon befallen, und ſeit geſtern 15 Mitglieder der Verſammlung an plötzlicher Erkrankung darniederliegen. Die Urſache eines ſo uner- warteten Ausbruchs im Schooß der Volksvertretung wird theils der ſchlechten Einrichtung und Lüftung des Sitzungsſaals zugeſchrieben, theils auch den heftigen Gemüthsbewegungen welche die Debatten erzeugen. Für viele würde es eine große Beruhigung ſeyn, wenn die Seuche etwas weniger die Berghöhen lichten und womöglich den Socialismus hinwegraffen wollte; ſie thut das bis jetzt aber leider noch nicht, ſondern ſcheint den Thälern nachgehen zu wollen. Vorgeſtern verſtarb nach kurzem Kranken- lager Abbé Fayet, Biſchof von Orleans, geſtern Oberſt Fr. Culmann aus Anweiler, beide Mitglieder der Nationalverſammlung. Dieſer ge- hörte zur freiſinnigen Partei, jener früher zu den Erzlegitimiſten; ein Mann von eigenthümlichem Geiſt und witzigen Einfällen, die ihn ſogar auf ſeinem Sterbelager nicht verließen. Als er nämlich ſeinen Collegen in der Kammer, den proteſtantiſchen Prediger Coquerel, zum Beſuch ein- treten ſah, reichte er, der allein ſeligmachenden Kirche Biſchof, dem Ein- tretenden die Hand mit den Worten: „Zum letztenmal, denn drüben wer- den wir uns wohl nicht wiederſehen!“ Auch dem General Changarnier, dem man das ungeheure Unrecht angethan von ſeinen drei Gehalten einen zu ſtreichen, wird ein nicht übles Witzwort zugeſchrieben. Die Abſtim- mung über den ihn betreffenden Paſſus war in ſeiner Abweſenheit ge- ſchehen. Als er ſpäter eintrat und ſeinen Platz einnahm, neigte ſich ein Rother zu ihm hernieder vom hohen Olymp mit den Worten: „Nun, Ge- neral, wir haben Euch ſo eben demolirt!“ „Ich rathe den Eueren dennoch nicht auf die Straße hinabzuſteigen, denn ich ſtriegle Euch jetzt gratis, aber deßhalb nicht minder tüchtig.“ Die Subſcription zum Erſatz ſeines geſtrichenen Einkommens hat ſich der General verbeten. Verſtändig ge- nug, denn ſie annehmen wäre nicht eben ehrenvoll geweſen, und dann würde ſie auch ſchwerlich zu Stande gekommen ſeyn. Das Journal Le Pays, welches die Idee zuerſt aufgebracht hatte, war ein ſchlechter Schildträger. § Bourges, 5 April. Im Laufe des geſtrigen Tages und dieſen Morgen haben ſämmtliche Geſchworne, die Zeugen, ſowie die Mitglieder des Staatsgerichtshof Bourges verlaſſen. Jeder Geſchworne erhielt an Vergütigung 10 Fr. täglich, die Zeugen 4 Fr., die fünf Richter und der Generalprocurator 25 Fr. und der Präſident 30 Fr. Außerdem wird ih- nen noch eine Reiſe-Entſchädigung bewilligt. Das bei der Berechnung der letztern befolgte Syſtem iſt ſo originell daß ich es anführen will: man berechnet nämlich die Entfernung nicht etwa nach einer Poſtkarte, ſondern mißt mit einem Zirkel die beiden Punkte, z. B. Bourges und den Ort wohin man geht. Kurz die gerade Linie dient als Maßſtab. Wie ich höre, betragen die ſämmtlichen Gerichtskoſten des Proceſſes an 200,000 Fr., wobei allein 30,000 Fr. für die Polizei entfallen. Da die Verurtheilten die Koſten be- zahlen müſſen, ſo kann ſich der General Courtais doppelt glückwünſchen daß er freigeſprochen worden iſt, denn ſonſt hätte er außer der Freiheit auch noch ſein Vermögen (das zwiſchen 30 bis 40,000 Fr. Renten abwirft) verloren. Man ſagt Bethmont habe für ſeine Vertheidigung 10,000 Fr. erhalten. Der größte Theil der hier ſtationirten Gendarmen hat Befehl bekommen ſich dieſe Nacht marſchfertig zu halten da die Verurtheilten ab- geführt werden ſollen. Barbès und Albert, die zur Deportation verurtheilt ſind, bleiben noch hier. Das was man Reaction nennt, und was natürlich ein ſehr elaſtiſcher Begriff iſt, entwickelt ſich in den Provinzen, namentlich hier, immer ſtärker, und es ſcheint als habe man in dem über die Angeklagten des 15 Mai ausgeſprochenen Verdict neue Elemente und Stützen dafür gefunden. So wurden geſtern unter an- dern bei 20 hieſigen Einwohnern, die für ziemlich „roth“ gelten, Haus- ſuchungen gehalten und Papiere mit Beſchlag belegt. Die conſervative Strömung ſetzt ſo ſtark ein daß ich glaube die bevorſtehenden Wahlen wer- den ſo übermäßig vortrefflich werden daß es den Repräſentanten wie den alten Auguren gehen wird, und daß ſie ſich nicht ohne Lächeln als Repu- blicaner anſehen werden. Dieſe Uebermäßigkeit würde deßhalb zu beklagen ſeyn, weil dadurch dem Socialismus in die Hände gearbeitet wird, und dieß iſt zur Zeit ein noch zu wüſter Begriff als daß eine gebildete Geſellſchaft dar- in die politiſche Norm ihres Daſeyns finden könnte. Als Zeichen der hieſigen Stimmung führe ich die ſo eben erfolgte Abſetzung des Generaladvocaten Millevoye (Sohn des bekannten Dichters) an, er hatte neulich in einer Privatgeſellſchaft, beim Eintritt des Oberſten de Goyon, der Dame des Hauſes bemerkt: „ce Monsieur a manqué sa vocation, au lieu d’étre colonel, il devrait être bourreau.“ Zum Verſtändniß dieſer Aeuße- rung muß ich bemerken daß der Oberſt de Goyon, im Attentatsproceß als Zeuge vorgeladen, mit der größten Kaltblütigkeit erklärte daß, als am 15 Mai vorigen Jahrs Sobrier ihm zur Obhut übergeben worden ſey, er zwei Dragoner mit geladenen Piſtolen zu deſſen Bewachung aufgeſtellt habe, mit dem Befehl bei der geringſten Bewegung oder irgendeinem Verſuche zur Flucht ihn niederzuſchießen. In dieſer furchtbaren Perſpective mit zwei auf ſeinen Kopf gerichteten Piſtolenmündungen hatte Sobrier 36 Stunden verbringen müſſen. Die obige Aeußerung hatte ihren Weg nach Paris gefunden und darauf erfolgte die Abſetzung. Italien. ᔕ Genua, 1 April Nachts. Der Palmenſonntag 1849 wird für Genua ſowie für ganz Italien von unberechenbarer Bedeutung ſeyn. Heute hat Genua ſeine Trennung von der ſavoyiſchen Dynaſtie durch offene Revolution angekündigt. Schon früh am Tag bemächtigte ſich das Volk mehrerer Kanonen die einzeln an mehrern Orten des Hafens aufge- ſtellt waren. Alle öffentlichen Gebäude, mit Ausnahme des Hafenzeug hau- ſes (Darsena) und des Militärzeughauſes nebſt der daranſtoßenden Ar- tilleriecaſerne und den Ruinen des Forts San Giorgio, befanden ſich be- reits ſeit zwei Tagen in den Händen der Bürgergarden. Im Militär- Zeughauſe hatte der Diviſionsgeneral Ayarte ſeit drei Tagen ſein Haupt- quartier aufgeſchlagen. Die hieſige Garniſon, kaum 3000 Mann ſtark und meiſt aus Depots verſchiedener Regimenter beſtehend, hatte ſich da- ſelbſt zurückgezogen, und in größter Eile hatte die Artillerie die Ruinen des Forts ſo weit geebnet daß ſie eine Platform bildeten auf welcher eine Batterie von zehn Kanonen errichtet werden konnte. Alle Thore der Stadt, ſowie die Poſten im Innern waren in den Händen der Bürgergarden und des bewaffneten Volks. Nur die zwei Hauptſtadtthore, Porta della Lan- terna und Porta Pila, waren für Bürgerliche während des heutigen Tags geöffnet. Trotz der allgemeinen Beſorgniß daß der Tag nicht ohne ein außerordentliches Ereigniß verlaufen werde, hatte das ſchöne Wetter nicht wenig Spaziergänger zur Stadt hinausgelockt. Die Poſten an den Tho- ren hatten ſtrenge Weiſung durchaus kein Militär in die Stadt einzulaſ- ſen. In der Stadt ſelbſt war eine große Bewegung und von Zeit zu Zeit läuteten die Glocken Sturm. Die Bürgergarden und das bewaffnete Volk ſchaarten ſich gegen 4 Uhr Nachmittags zu vielen Tauſenden zuſammen, und richteten ihren Marſch auf die Darſena zu, welche ſie ſogleich angrif- fen und nach ganz kurzem Widerſtand in Beſitz nahmen. Die ſchon am Morgen genommenen Kanonen wurden alsbald auf dem Platze Doria, dem Militärarſenal gegenüber, aufgepflanzt und von einem ſtarken Pelo- tonfeuer des bewaffneten Volks unterftützt, ſpielten ſie auf das Fort San Giorgio, von wo aus die königlichen Truppen tapfer antworteten. Das Feuern, von beiden Seiten ziemlich gleich ſtark, wurde etwa anderthalb Stunden fortgeſetzt. Während Todte und verwundete Bürger nach dem Hoſpital gebracht wurden, errichtete man allerwärts Barrikaden, die wegen der außerordentlichen Enge der Gaſſen in weniger als einer Stunde zu Stande kamen, und meiſtentheils aus den Seſſeln, Bänken, Beicht- ſtühlen und anderm groben Geräth der Kirchen beſtanden. In der Stadt ſelbſt fanden keine Feindſeligkeiten ſtatt, außer in der Straße Balbi, wo die Carabinieri aus dem königlichen Palaſt auf das Volk feuerten. Unter dem bewaffneten Volk, welches nach dem Walplatz eilte, bemerkte man ſelbſt bewaffnete Prieſter und Mönche. Mit einbrechender Nacht hörte das Feuern von beiden Seiten auf. Alle Fenſter in den Hauptſtraßen waren ſo zahlreich beleuchtet daß die Straßen faſt ſo hell wie bei Tag waren. Der Abend verging ohne Feindſeligkeiten; das bewaffnete Volk verhielt ſich ruhig hinter den Barrikaden, die durch Fiſcherkähne und Gondelboote verſtärkt wurden, welche das Volk vom Hafen herbeiſchleppten. Das Läu- ten der Sturmglocken dauert jedoch bis zur Stunde ununterbrochen fort, obgleich es nahe an Mitternacht iſt. Morgen früh ſollen die Feindſelig-

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 101, 11. April 1849, S. 1547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine101_1849/7>, abgerufen am 21.11.2024.