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Allgemeine Zeitung, Nr. 102, 12. April 1849.

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[Spaltenumbruch] wunschdeputationen zu seinem Geburtstag in Bellerue am 15 Oct. empfing,
und zum Erstaunen des Ministeriums wie der Deputationen von dem Glück
eines Volkes sprach das noch einen König von Gottes Gnaden habe. Er
glaubte das ganze Volk, das sich nach Erlösung vom Terrorismus der Wüh-
ler und Bummler sehnte, verlange nur nach dem gottbegnadigten König-
thum zurück. Die Freisinnigen von sonst, die sich wieder dem Throne nä-
herten, konnte der Thron und die ihm zunächst standen sich nicht anders
erklären, als es wären solche die zu besserer Erkenntniß gekommen, und nun
ihren Irrthum bereuten. Einem solchen Munde (er war eines sehr Hoch-
gestellten) entfloh einmal die Aeußerung: er begreife nicht warum man
noch noch immer gegen Metternich schmähe, denn es sey doch jedem klar
daß es weit besser unter ihm gewesen, als jetzt! In wiefern der Thron in
letzter Zeit wieder von jenen Stockpreußen umringt wird, lasse ich dahin
gestellt. Während der Schreckenszeit war es sehr leer um ihn, es waren
nur Gespenster, nur Hauche aus der realen Welt, die sich ihm näherten.
Wir, die wir uns freuten als das Ministerium der rettenden That muthig
fortschritt, zuerst kräftig eingreifend und fördernd das was die Zeit for-
derte, hofften daß statt der Gespenster wirkliche Männer sich um den Thron
stellen würden. Was sich dahin gestellt ist im Dunkeln, und nur gewiß
daß das Stockpreußenthum glaubt der Thron sey durch seine Anhänger
aufgerichtet, der Thron ruhe auf ihm, der Thron sey nur ihm Dank schul-
dig. Von dorther ward wiederholentlich und mit vollem Bewußtseyn die
Forderung ausgesprochen, daß jeder dem Feinde ganz oder ihnen auch ganz
angehören müsse, daß es keine Mittelpartei in dem Kampfe der sich vorbe-
reite, geben dürfe. Damit war, in ihrem Sinne, die deutsche Central-
partei von vornherein außer Gesetz gestellt, vogelfrei erklärt. Das speci-
fische oder Stockpreußenthum, wie es aus den Strudeln der Revolution
hervorgegangen, enthält allerdings zwei sehr verschiedenartige Elemente
(nachdem ich das rein bureaukratische als ausgeschieden annehme), das mi-
litärische und das pietistisch fromme; beide aber kommen in dem Spruch
überein: "Wer nicht für mich ist, der ist wider mich." Letzteres, für das
Stahl (wissenschaftlich) und v. Gerlach, in praktischer Naktheit in den Kam-
mern das Wort führen, ist voller Gottvertrauen daß der König der Kö-
nige ein Königthum nicht könne untergehen lassen, welches, wenigstens in
letzter Zeit, so viel für den orthodoxen evangelischen Glauben gethan, und
dem wenigstens drei Könige hintereinander folgend so streng angehangen.
Daß es vorher Könige und Fürsten gegeben die diesen Glaubensweg nicht
eingeschlagen hatten, die vielmehr in recht praktischer Weise die Zeit und
den Vortheil genutzt der ihnen begegnete, verschlägt ihnen nichts. Friedrich
war ihnen nur eine Ausnahme, dessen gottlose Auswüchse durch die gott-
gefällige Gesinnung seiner Nachkommen wieder ausgeglichen wurden.
Wenn Preußen wieder zum reinen lutherischen Christenthum zurückkehre,
müsse auch sein Königthum wieder unbefleckt und in aller Glorie sich erheben,
ist ihre stille Ueberzeugung. Diese stimmt wohl im Ziele, aber durchaus nicht
in den Motiven mit den militärischen Altpreußen überein. Letztere meinen
man dürfe sich nur im Helm und Waffenrock schütteln und dem Feind keine
Nachgiebigkeit zeigen, so sey er schon überwältigt. Gewachsen zu einer
Macht wäre er nur weil man sich vor ihm gefürchtet und es ihm habe
merken lassen. Jetzt ist er nach ihrer Meinung allein durch die Waffen-
gewalt, durch das Heer überwunden; wenn man dieses in Zucht, Ehren
und Ansehen halte, könne man allen Gefahren die noch etwa aus der Re-
volution vorbrächen, getrost entgegensehen. Für diese Partei ist das Preu-
ßen von heut noch dasselbe vom Jahr 1813 und vom siebenjährigen Krieg.
Sie getrauen sich noch jetzt -- was viel ist -- ohne einen Friedrich auf
ihrer und ohne die verrotteten Verhältnisse der europäischen Staaten auf der
andern Seite, ähnlichen diplomatischen Combinationen die Spitze bieten zu
können! Sie brauchen kein Kaiserthum, sie wollen keine Vergrößerung,
sie sind in spröder Selbstzufriedenheit sich selbst genug. Es ist selbst-
redend daß dieß so combinirte Altpreußenthum auf die Dauer in sich
selbst zerfallen müßte, an derselben Krankheit an der unser Staat seit der
Restauration chronisch leidet. Dem altpreußischen rationellen Vorwärts-
marsch im Corporaltact hatte man die romantisch religiöse Gewissenhaf-
tigkeit aufgeimpft. Ein doppeltes Rädersystem operirte gegen einander,
und ohne den zähen administrativen Organismus (der durch sein Bestehen
übrigens den Beweis geliefert daß er immer noch der relativ beste war),
ohne die militärische Dressur, den militärischen Respect und die militärische
Intelligenz, endlich den Rest von Glauben und Liebe für die guten Werke
der Hohenzollern, wäre die Maschine längst auseinandergegangen. Daß
diese Factoren aus der alten Zeit sich noch so lebenskräftig erwiesen, gibt
der Partei von heute den Glauben an die Hand daß das noch lange so fort-
gehen könne, daß, wenn das Chaos einbricht, Preußen die Arche Noä
seyn werde, welche mit zugefesteten Klappen in Fluthen und Sturm fort-
schwimmt, bis die Taube mit dem Oelzweig kommt. Sie übersehen daß
nicht alle welche die alte Maschine hielten, es aus Liebe und Ueberzeugung
thun, daß die Mehrzahl nur aus Noth und Verzweiflung half die ins
[Spaltenumbruch] Stocken gerathenen Räder weiter zu schieben. Diese kurzsichtige, sonst
ehrliche Partei hat unzweifelhaft in letzter Zeit, wenn nicht an Bedeutung,
doch an eigenem Selbstgefühl gewonnen. Sie hätte es gern auf einen
Versuch ankommen lassen, auf ein Biegen oder Brechen, um mit Ehren zu
fallen oder zu steigen. Sie glaubte das letztere. Das ist gut altpreußisch,
aber sie übersieht immer dabei ihre Allianz mit der Romantik, die es dazu
nicht kommen lassen will und darf. Sie hätte am liebsten den Versuch ge-
rade bei der deutschen Frage gewagt. Ihre Kreuzzeitung ging als Ban-
nerträger voran; da kommt der Hemmschuh; brauch ich zu sagen von wo?
Friedrich Wilhelms Gemüth, Geist, Phantasie lebt im einigen Deutsch-
land, es ist die letzte realisirbare Phantasie die ihm geblieben, er will es
heute noch, wie er es ehegestern wollte; und als er gestern die Antwort
gab, wollte er es auch, nur in anderer Weise. Er versuchte noch einmal
als romantischer Doctrinär die Sendboten zu überzeugen daß seine Weise
die rechte sey. Daß die Gnade, die Majestas, nicht mehr einschlug, ist nur
eine bittere Enttäuschung für ihn selbst, nicht für uns andere, wenn wir
es uns recht überlegen. Und so werden auch die Frankfurter wahrschein-
lich die Sache anders auffassen als ihre Deputation. Als die schulmeister-
liche Bewegung mit dem von Huld umwundenen Scepter nicht ihre Wirkung
hat, verwandelte sich bei der Mahlzeit in Charlottenburg die Majestas
in ben liebenswürdigen Menschen, in den launigen Wirth. Daß der
Laune ein Beigeschmack von Bitterkeit geblieben nach jener Enttäuschung,
wer wundert sich darüber? Viele jener kurzen Zwiegespräche zwischen dem
König und den Deputirten sind vollständig mißverstanden worden. Er
sprach ironisch; die Deputirten aber waren nicht in der Laune die Ironie
zu verstehen. Das ist auch begreiflich. Die Partei hatte ihrerseits frei-
lich alles gethan um den ersten Eindruck den die Deputation in Berlin em-
pfing, zu einem niederschlagenden zu machen, sie präparirte eine Stim-
mung, in welcher die Antwort als eine ablehnende aufgenommen werden
mußte. Die Kreuzzeitung hatte vorgeläutet, wie sie jetzt nachläutet. Daß
sie dabei, sehr vorsichtig auftretend, ihre eigene Unsicherheit verrieth, ent-
ging der Mehrzahl. Die demokratische Presse hatte sie als ein Regie-
rungsorgan verschrieen. Ich gebe Ihnen dagegen als Factum daß eine
sehr hochstehende Prinzessin neulich ihrer Hofdame es verwies zur Unter-
stützung einer Zeitung beizutragen welche durchaus nicht als im Interesse
des königlichen Hauses redend zu betrachten sey. Vom alten Wrangel er-
wartet doch niemand Sympathien für die deutsche Sache; er ist ein Cha-
rakter, aber gewiß kein politischer. Wenn er das Aufziehen deutscher Fah-
nen bei der Ankunft der Deputation verbot, so ist das freilich eine äußerst
ungeschickte Handlung, aber sie kann schwerlich seiner Gesinnung angerech-
net werden. Er verstand es nicht. Wenn er wirklich geäußert hätte: "Er
würde die Deputirten, wenn er der König wäre, gar nicht vorlassen," so
ist das eine Aeußerung die sich selbst richtet, aus der man aber, wenn man
den Gesichtskreis eines alten preußischen Soldaten erwägt, keine Conse-
quenzen ziehen darf. An seiner Tafel fragte allerdings ein anderer preu-
ßischer General einen preußischen Deputirten aus Frankfurt: ob er denn
glaube daß man Gagern trauen könne? Der Deputirte erwiederte: er
könne nur das bedauern daß im intelligenten Berlin die factischen Verhält-
nisse so wenig bekannt wären, daß man solche Fragen aus dem Munde in-
telligenter Männer höre! Das sind allerdings Symbole einer Parteistim-
mung, aber nicht Beweise dafür daß diese Partei die herrschende, daß sie
gefährlich, daß sie diejenige sey auf welche die Regierung sich allein stützen
zu dürfen je dem Glauben Raum geben könnte. Wie es selbst am Hofe
und in der nächsten Nähe des Thrones andere Stimmungen und Ansichten
gibt, brauche ich hier nicht auszusprechen. Bemerkt doch die Kreuzzeitung
mit einiger Bosheit daß die Prinzessin von Preußen einigen der Frank-
furter Deputirten den Thee mit eigener Hand credenzt habe. Die nicht
gedruckten Angriffe gegen die Prinzessin gehen noch weiter. Gestern machte
diese selbe Zeitung über einige Unfälle der Reichstruppen in Schleswig
sich lustig, und erinnerte an die Reichsarmee bei Roßbach. Eine Partei
die zu solchen Mitteln greift, gibt ihr Spiel selbst verloren. Die gesammte
Berliner Presse hat sich wie ein Mann in dieser Sache erhoben, das dürfte
nicht ohne Eindruck geblieben seyn, und was anfänglich als eine Nieder-
lage erschien, hat jetzt schon ein ganz anderes Ansehen. Vielleicht daß
selbst die Frankfurter Deputation mit andern Ansichten in Frankfurt an-
kam als sie aus Berlin ausging. Camphausen kam aus Frankfurt an;
eben spricht man bestimmt von einem Ministerwechsel, gewiß wenigstens
daß Arnim abtritt. Die Minister sind übrigens vielleicht die schuldlose-
sten. Da steht aber noch ein Schreckbild vor den Berlinern! Hält man
Prokesch-Osten für einen Zauberer, der mit einem Ruthenschlag schwarz-
roth-gold in schwarz-gelb verwandeln könne?

Schleswig-Holstein.

Sieg, Sieg! unerwarte-
ter, über alles Verhoffen glänzender Sieg! Man erfuhr hier gestern im
Laufe des Nachmittags daß mehrere große dänische Kriegsschiffe unsere
Strandbatterien im Hafen von Eckernförde (vier Meilen von hier) ange-

[Spaltenumbruch] wunſchdeputationen zu ſeinem Geburtstag in Bellerue am 15 Oct. empfing,
und zum Erſtaunen des Miniſteriums wie der Deputationen von dem Glück
eines Volkes ſprach das noch einen König von Gottes Gnaden habe. Er
glaubte das ganze Volk, das ſich nach Erlöſung vom Terrorismus der Wüh-
ler und Bummler ſehnte, verlange nur nach dem gottbegnadigten König-
thum zurück. Die Freiſinnigen von ſonſt, die ſich wieder dem Throne nä-
herten, konnte der Thron und die ihm zunächſt ſtanden ſich nicht anders
erklären, als es wären ſolche die zu beſſerer Erkenntniß gekommen, und nun
ihren Irrthum bereuten. Einem ſolchen Munde (er war eines ſehr Hoch-
geſtellten) entfloh einmal die Aeußerung: er begreife nicht warum man
noch noch immer gegen Metternich ſchmähe, denn es ſey doch jedem klar
daß es weit beſſer unter ihm geweſen, als jetzt! In wiefern der Thron in
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geſtellt. Während der Schreckenszeit war es ſehr leer um ihn, es waren
nur Geſpenſter, nur Hauche aus der realen Welt, die ſich ihm näherten.
Wir, die wir uns freuten als das Miniſterium der rettenden That muthig
fortſchritt, zuerſt kräftig eingreifend und fördernd das was die Zeit for-
derte, hofften daß ſtatt der Geſpenſter wirkliche Männer ſich um den Thron
ſtellen würden. Was ſich dahin geſtellt iſt im Dunkeln, und nur gewiß
daß das Stockpreußenthum glaubt der Thron ſey durch ſeine Anhänger
aufgerichtet, der Thron ruhe auf ihm, der Thron ſey nur ihm Dank ſchul-
dig. Von dorther ward wiederholentlich und mit vollem Bewußtſeyn die
Forderung ausgeſprochen, daß jeder dem Feinde ganz oder ihnen auch ganz
angehören müſſe, daß es keine Mittelpartei in dem Kampfe der ſich vorbe-
reite, geben dürfe. Damit war, in ihrem Sinne, die deutſche Central-
partei von vornherein außer Geſetz geſtellt, vogelfrei erklärt. Das ſpeci-
fiſche oder Stockpreußenthum, wie es aus den Strudeln der Revolution
hervorgegangen, enthält allerdings zwei ſehr verſchiedenartige Elemente
(nachdem ich das rein bureaukratiſche als ausgeſchieden annehme), das mi-
litäriſche und das pietiſtiſch fromme; beide aber kommen in dem Spruch
überein: „Wer nicht für mich iſt, der iſt wider mich.“ Letzteres, für das
Stahl (wiſſenſchaftlich) und v. Gerlach, in praktiſcher Naktheit in den Kam-
mern das Wort führen, iſt voller Gottvertrauen daß der König der Kö-
nige ein Königthum nicht könne untergehen laſſen, welches, wenigſtens in
letzter Zeit, ſo viel für den orthodoxen evangeliſchen Glauben gethan, und
dem wenigſtens drei Könige hintereinander folgend ſo ſtreng angehangen.
Daß es vorher Könige und Fürſten gegeben die dieſen Glaubensweg nicht
eingeſchlagen hatten, die vielmehr in recht praktiſcher Weiſe die Zeit und
den Vortheil genutzt der ihnen begegnete, verſchlägt ihnen nichts. Friedrich
war ihnen nur eine Ausnahme, deſſen gottloſe Auswüchſe durch die gott-
gefällige Geſinnung ſeiner Nachkommen wieder ausgeglichen wurden.
Wenn Preußen wieder zum reinen lutheriſchen Chriſtenthum zurückkehre,
müſſe auch ſein Königthum wieder unbefleckt und in aller Glorie ſich erheben,
iſt ihre ſtille Ueberzeugung. Dieſe ſtimmt wohl im Ziele, aber durchaus nicht
in den Motiven mit den militäriſchen Altpreußen überein. Letztere meinen
man dürfe ſich nur im Helm und Waffenrock ſchütteln und dem Feind keine
Nachgiebigkeit zeigen, ſo ſey er ſchon überwältigt. Gewachſen zu einer
Macht wäre er nur weil man ſich vor ihm gefürchtet und es ihm habe
merken laſſen. Jetzt iſt er nach ihrer Meinung allein durch die Waffen-
gewalt, durch das Heer überwunden; wenn man dieſes in Zucht, Ehren
und Anſehen halte, könne man allen Gefahren die noch etwa aus der Re-
volution vorbrächen, getroſt entgegenſehen. Für dieſe Partei iſt das Preu-
ßen von heut noch dasſelbe vom Jahr 1813 und vom ſiebenjährigen Krieg.
Sie getrauen ſich noch jetzt — was viel iſt — ohne einen Friedrich auf
ihrer und ohne die verrotteten Verhältniſſe der europäiſchen Staaten auf der
andern Seite, ähnlichen diplomatiſchen Combinationen die Spitze bieten zu
können! Sie brauchen kein Kaiſerthum, ſie wollen keine Vergrößerung,
ſie ſind in ſpröder Selbſtzufriedenheit ſich ſelbſt genug. Es iſt ſelbſt-
redend daß dieß ſo combinirte Altpreußenthum auf die Dauer in ſich
ſelbſt zerfallen müßte, an derſelben Krankheit an der unſer Staat ſeit der
Reſtauration chroniſch leidet. Dem altpreußiſchen rationellen Vorwärts-
marſch im Corporaltact hatte man die romantiſch religiöſe Gewiſſenhaf-
tigkeit aufgeimpft. Ein doppeltes Räderſyſtem operirte gegen einander,
und ohne den zähen adminiſtrativen Organismus (der durch ſein Beſtehen
übrigens den Beweis geliefert daß er immer noch der relativ beſte war),
ohne die militäriſche Dreſſur, den militäriſchen Reſpect und die militäriſche
Intelligenz, endlich den Reſt von Glauben und Liebe für die guten Werke
der Hohenzollern, wäre die Maſchine längſt auseinandergegangen. Daß
dieſe Factoren aus der alten Zeit ſich noch ſo lebenskräftig erwieſen, gibt
der Partei von heute den Glauben an die Hand daß das noch lange ſo fort-
gehen könne, daß, wenn das Chaos einbricht, Preußen die Arche Noä
ſeyn werde, welche mit zugefeſteten Klappen in Fluthen und Sturm fort-
ſchwimmt, bis die Taube mit dem Oelzweig kommt. Sie überſehen daß
nicht alle welche die alte Maſchine hielten, es aus Liebe und Ueberzeugung
thun, daß die Mehrzahl nur aus Noth und Verzweiflung half die ins
[Spaltenumbruch] Stocken gerathenen Räder weiter zu ſchieben. Dieſe kurzſichtige, ſonſt
ehrliche Partei hat unzweifelhaft in letzter Zeit, wenn nicht an Bedeutung,
doch an eigenem Selbſtgefühl gewonnen. Sie hätte es gern auf einen
Verſuch ankommen laſſen, auf ein Biegen oder Brechen, um mit Ehren zu
fallen oder zu ſteigen. Sie glaubte das letztere. Das iſt gut altpreußiſch,
aber ſie überſieht immer dabei ihre Allianz mit der Romantik, die es dazu
nicht kommen laſſen will und darf. Sie hätte am liebſten den Verſuch ge-
rade bei der deutſchen Frage gewagt. Ihre Kreuzzeitung ging als Ban-
nerträger voran; da kommt der Hemmſchuh; brauch ich zu ſagen von wo?
Friedrich Wilhelms Gemüth, Geiſt, Phantaſie lebt im einigen Deutſch-
land, es iſt die letzte realiſirbare Phantaſie die ihm geblieben, er will es
heute noch, wie er es ehegeſtern wollte; und als er geſtern die Antwort
gab, wollte er es auch, nur in anderer Weiſe. Er verſuchte noch einmal
als romantiſcher Doctrinär die Sendboten zu überzeugen daß ſeine Weiſe
die rechte ſey. Daß die Gnade, die Majeſtas, nicht mehr einſchlug, iſt nur
eine bittere Enttäuſchung für ihn ſelbſt, nicht für uns andere, wenn wir
es uns recht überlegen. Und ſo werden auch die Frankfurter wahrſchein-
lich die Sache anders auffaſſen als ihre Deputation. Als die ſchulmeiſter-
liche Bewegung mit dem von Huld umwundenen Scepter nicht ihre Wirkung
hat, verwandelte ſich bei der Mahlzeit in Charlottenburg die Majeſtas
in ben liebenswürdigen Menſchen, in den launigen Wirth. Daß der
Laune ein Beigeſchmack von Bitterkeit geblieben nach jener Enttäuſchung,
wer wundert ſich darüber? Viele jener kurzen Zwiegeſpräche zwiſchen dem
König und den Deputirten ſind vollſtändig mißverſtanden worden. Er
ſprach ironiſch; die Deputirten aber waren nicht in der Laune die Ironie
zu verſtehen. Das iſt auch begreiflich. Die Partei hatte ihrerſeits frei-
lich alles gethan um den erſten Eindruck den die Deputation in Berlin em-
pfing, zu einem niederſchlagenden zu machen, ſie präparirte eine Stim-
mung, in welcher die Antwort als eine ablehnende aufgenommen werden
mußte. Die Kreuzzeitung hatte vorgeläutet, wie ſie jetzt nachläutet. Daß
ſie dabei, ſehr vorſichtig auftretend, ihre eigene Unſicherheit verrieth, ent-
ging der Mehrzahl. Die demokratiſche Preſſe hatte ſie als ein Regie-
rungsorgan verſchrieen. Ich gebe Ihnen dagegen als Factum daß eine
ſehr hochſtehende Prinzeſſin neulich ihrer Hofdame es verwies zur Unter-
ſtützung einer Zeitung beizutragen welche durchaus nicht als im Intereſſe
des königlichen Hauſes redend zu betrachten ſey. Vom alten Wrangel er-
wartet doch niemand Sympathien für die deutſche Sache; er iſt ein Cha-
rakter, aber gewiß kein politiſcher. Wenn er das Aufziehen deutſcher Fah-
nen bei der Ankunft der Deputation verbot, ſo iſt das freilich eine äußerſt
ungeſchickte Handlung, aber ſie kann ſchwerlich ſeiner Geſinnung angerech-
net werden. Er verſtand es nicht. Wenn er wirklich geäußert hätte: „Er
würde die Deputirten, wenn er der König wäre, gar nicht vorlaſſen,“ ſo
iſt das eine Aeußerung die ſich ſelbſt richtet, aus der man aber, wenn man
den Geſichtskreis eines alten preußiſchen Soldaten erwägt, keine Conſe-
quenzen ziehen darf. An ſeiner Tafel fragte allerdings ein anderer preu-
ßiſcher General einen preußiſchen Deputirten aus Frankfurt: ob er denn
glaube daß man Gagern trauen könne? Der Deputirte erwiederte: er
könne nur das bedauern daß im intelligenten Berlin die factiſchen Verhält-
niſſe ſo wenig bekannt wären, daß man ſolche Fragen aus dem Munde in-
telligenter Männer höre! Das ſind allerdings Symbole einer Parteiſtim-
mung, aber nicht Beweiſe dafür daß dieſe Partei die herrſchende, daß ſie
gefährlich, daß ſie diejenige ſey auf welche die Regierung ſich allein ſtützen
zu dürfen je dem Glauben Raum geben könnte. Wie es ſelbſt am Hofe
und in der nächſten Nähe des Thrones andere Stimmungen und Anſichten
gibt, brauche ich hier nicht auszuſprechen. Bemerkt doch die Kreuzzeitung
mit einiger Bosheit daß die Prinzeſſin von Preußen einigen der Frank-
furter Deputirten den Thee mit eigener Hand credenzt habe. Die nicht
gedruckten Angriffe gegen die Prinzeſſin gehen noch weiter. Geſtern machte
dieſe ſelbe Zeitung über einige Unfälle der Reichstruppen in Schleswig
ſich luſtig, und erinnerte an die Reichsarmee bei Roßbach. Eine Partei
die zu ſolchen Mitteln greift, gibt ihr Spiel ſelbſt verloren. Die geſammte
Berliner Preſſe hat ſich wie ein Mann in dieſer Sache erhoben, das dürfte
nicht ohne Eindruck geblieben ſeyn, und was anfänglich als eine Nieder-
lage erſchien, hat jetzt ſchon ein ganz anderes Anſehen. Vielleicht daß
ſelbſt die Frankfurter Deputation mit andern Anſichten in Frankfurt an-
kam als ſie aus Berlin ausging. Camphauſen kam aus Frankfurt an;
eben ſpricht man beſtimmt von einem Miniſterwechſel, gewiß wenigſtens
daß Arnim abtritt. Die Miniſter ſind übrigens vielleicht die ſchuldloſe-
ſten. Da ſteht aber noch ein Schreckbild vor den Berlinern! Hält man
Prokeſch-Oſten für einen Zauberer, der mit einem Ruthenſchlag ſchwarz-
roth-gold in ſchwarz-gelb verwandeln könne?

Schleswig-Holſtein.

Sieg, Sieg! unerwarte-
ter, über alles Verhoffen glänzender Sieg! Man erfuhr hier geſtern im
Laufe des Nachmittags daß mehrere große däniſche Kriegsſchiffe unſere
Strandbatterien im Hafen von Eckernförde (vier Meilen von hier) ange-

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[1560/0004] wunſchdeputationen zu ſeinem Geburtstag in Bellerue am 15 Oct. empfing, und zum Erſtaunen des Miniſteriums wie der Deputationen von dem Glück eines Volkes ſprach das noch einen König von Gottes Gnaden habe. Er glaubte das ganze Volk, das ſich nach Erlöſung vom Terrorismus der Wüh- ler und Bummler ſehnte, verlange nur nach dem gottbegnadigten König- thum zurück. Die Freiſinnigen von ſonſt, die ſich wieder dem Throne nä- herten, konnte der Thron und die ihm zunächſt ſtanden ſich nicht anders erklären, als es wären ſolche die zu beſſerer Erkenntniß gekommen, und nun ihren Irrthum bereuten. Einem ſolchen Munde (er war eines ſehr Hoch- geſtellten) entfloh einmal die Aeußerung: er begreife nicht warum man noch noch immer gegen Metternich ſchmähe, denn es ſey doch jedem klar daß es weit beſſer unter ihm geweſen, als jetzt! In wiefern der Thron in letzter Zeit wieder von jenen Stockpreußen umringt wird, laſſe ich dahin geſtellt. Während der Schreckenszeit war es ſehr leer um ihn, es waren nur Geſpenſter, nur Hauche aus der realen Welt, die ſich ihm näherten. Wir, die wir uns freuten als das Miniſterium der rettenden That muthig fortſchritt, zuerſt kräftig eingreifend und fördernd das was die Zeit for- derte, hofften daß ſtatt der Geſpenſter wirkliche Männer ſich um den Thron ſtellen würden. Was ſich dahin geſtellt iſt im Dunkeln, und nur gewiß daß das Stockpreußenthum glaubt der Thron ſey durch ſeine Anhänger aufgerichtet, der Thron ruhe auf ihm, der Thron ſey nur ihm Dank ſchul- dig. Von dorther ward wiederholentlich und mit vollem Bewußtſeyn die Forderung ausgeſprochen, daß jeder dem Feinde ganz oder ihnen auch ganz angehören müſſe, daß es keine Mittelpartei in dem Kampfe der ſich vorbe- reite, geben dürfe. Damit war, in ihrem Sinne, die deutſche Central- partei von vornherein außer Geſetz geſtellt, vogelfrei erklärt. Das ſpeci- fiſche oder Stockpreußenthum, wie es aus den Strudeln der Revolution hervorgegangen, enthält allerdings zwei ſehr verſchiedenartige Elemente (nachdem ich das rein bureaukratiſche als ausgeſchieden annehme), das mi- litäriſche und das pietiſtiſch fromme; beide aber kommen in dem Spruch überein: „Wer nicht für mich iſt, der iſt wider mich.“ Letzteres, für das Stahl (wiſſenſchaftlich) und v. Gerlach, in praktiſcher Naktheit in den Kam- mern das Wort führen, iſt voller Gottvertrauen daß der König der Kö- nige ein Königthum nicht könne untergehen laſſen, welches, wenigſtens in letzter Zeit, ſo viel für den orthodoxen evangeliſchen Glauben gethan, und dem wenigſtens drei Könige hintereinander folgend ſo ſtreng angehangen. Daß es vorher Könige und Fürſten gegeben die dieſen Glaubensweg nicht eingeſchlagen hatten, die vielmehr in recht praktiſcher Weiſe die Zeit und den Vortheil genutzt der ihnen begegnete, verſchlägt ihnen nichts. Friedrich war ihnen nur eine Ausnahme, deſſen gottloſe Auswüchſe durch die gott- gefällige Geſinnung ſeiner Nachkommen wieder ausgeglichen wurden. Wenn Preußen wieder zum reinen lutheriſchen Chriſtenthum zurückkehre, müſſe auch ſein Königthum wieder unbefleckt und in aller Glorie ſich erheben, iſt ihre ſtille Ueberzeugung. Dieſe ſtimmt wohl im Ziele, aber durchaus nicht in den Motiven mit den militäriſchen Altpreußen überein. Letztere meinen man dürfe ſich nur im Helm und Waffenrock ſchütteln und dem Feind keine Nachgiebigkeit zeigen, ſo ſey er ſchon überwältigt. Gewachſen zu einer Macht wäre er nur weil man ſich vor ihm gefürchtet und es ihm habe merken laſſen. Jetzt iſt er nach ihrer Meinung allein durch die Waffen- gewalt, durch das Heer überwunden; wenn man dieſes in Zucht, Ehren und Anſehen halte, könne man allen Gefahren die noch etwa aus der Re- volution vorbrächen, getroſt entgegenſehen. Für dieſe Partei iſt das Preu- ßen von heut noch dasſelbe vom Jahr 1813 und vom ſiebenjährigen Krieg. Sie getrauen ſich noch jetzt — was viel iſt — ohne einen Friedrich auf ihrer und ohne die verrotteten Verhältniſſe der europäiſchen Staaten auf der andern Seite, ähnlichen diplomatiſchen Combinationen die Spitze bieten zu können! Sie brauchen kein Kaiſerthum, ſie wollen keine Vergrößerung, ſie ſind in ſpröder Selbſtzufriedenheit ſich ſelbſt genug. Es iſt ſelbſt- redend daß dieß ſo combinirte Altpreußenthum auf die Dauer in ſich ſelbſt zerfallen müßte, an derſelben Krankheit an der unſer Staat ſeit der Reſtauration chroniſch leidet. Dem altpreußiſchen rationellen Vorwärts- marſch im Corporaltact hatte man die romantiſch religiöſe Gewiſſenhaf- tigkeit aufgeimpft. Ein doppeltes Räderſyſtem operirte gegen einander, und ohne den zähen adminiſtrativen Organismus (der durch ſein Beſtehen übrigens den Beweis geliefert daß er immer noch der relativ beſte war), ohne die militäriſche Dreſſur, den militäriſchen Reſpect und die militäriſche Intelligenz, endlich den Reſt von Glauben und Liebe für die guten Werke der Hohenzollern, wäre die Maſchine längſt auseinandergegangen. Daß dieſe Factoren aus der alten Zeit ſich noch ſo lebenskräftig erwieſen, gibt der Partei von heute den Glauben an die Hand daß das noch lange ſo fort- gehen könne, daß, wenn das Chaos einbricht, Preußen die Arche Noä ſeyn werde, welche mit zugefeſteten Klappen in Fluthen und Sturm fort- ſchwimmt, bis die Taube mit dem Oelzweig kommt. Sie überſehen daß nicht alle welche die alte Maſchine hielten, es aus Liebe und Ueberzeugung thun, daß die Mehrzahl nur aus Noth und Verzweiflung half die ins Stocken gerathenen Räder weiter zu ſchieben. Dieſe kurzſichtige, ſonſt ehrliche Partei hat unzweifelhaft in letzter Zeit, wenn nicht an Bedeutung, doch an eigenem Selbſtgefühl gewonnen. Sie hätte es gern auf einen Verſuch ankommen laſſen, auf ein Biegen oder Brechen, um mit Ehren zu fallen oder zu ſteigen. Sie glaubte das letztere. Das iſt gut altpreußiſch, aber ſie überſieht immer dabei ihre Allianz mit der Romantik, die es dazu nicht kommen laſſen will und darf. Sie hätte am liebſten den Verſuch ge- rade bei der deutſchen Frage gewagt. Ihre Kreuzzeitung ging als Ban- nerträger voran; da kommt der Hemmſchuh; brauch ich zu ſagen von wo? Friedrich Wilhelms Gemüth, Geiſt, Phantaſie lebt im einigen Deutſch- land, es iſt die letzte realiſirbare Phantaſie die ihm geblieben, er will es heute noch, wie er es ehegeſtern wollte; und als er geſtern die Antwort gab, wollte er es auch, nur in anderer Weiſe. Er verſuchte noch einmal als romantiſcher Doctrinär die Sendboten zu überzeugen daß ſeine Weiſe die rechte ſey. Daß die Gnade, die Majeſtas, nicht mehr einſchlug, iſt nur eine bittere Enttäuſchung für ihn ſelbſt, nicht für uns andere, wenn wir es uns recht überlegen. Und ſo werden auch die Frankfurter wahrſchein- lich die Sache anders auffaſſen als ihre Deputation. Als die ſchulmeiſter- liche Bewegung mit dem von Huld umwundenen Scepter nicht ihre Wirkung hat, verwandelte ſich bei der Mahlzeit in Charlottenburg die Majeſtas in ben liebenswürdigen Menſchen, in den launigen Wirth. Daß der Laune ein Beigeſchmack von Bitterkeit geblieben nach jener Enttäuſchung, wer wundert ſich darüber? Viele jener kurzen Zwiegeſpräche zwiſchen dem König und den Deputirten ſind vollſtändig mißverſtanden worden. Er ſprach ironiſch; die Deputirten aber waren nicht in der Laune die Ironie zu verſtehen. Das iſt auch begreiflich. Die Partei hatte ihrerſeits frei- lich alles gethan um den erſten Eindruck den die Deputation in Berlin em- pfing, zu einem niederſchlagenden zu machen, ſie präparirte eine Stim- mung, in welcher die Antwort als eine ablehnende aufgenommen werden mußte. Die Kreuzzeitung hatte vorgeläutet, wie ſie jetzt nachläutet. Daß ſie dabei, ſehr vorſichtig auftretend, ihre eigene Unſicherheit verrieth, ent- ging der Mehrzahl. Die demokratiſche Preſſe hatte ſie als ein Regie- rungsorgan verſchrieen. Ich gebe Ihnen dagegen als Factum daß eine ſehr hochſtehende Prinzeſſin neulich ihrer Hofdame es verwies zur Unter- ſtützung einer Zeitung beizutragen welche durchaus nicht als im Intereſſe des königlichen Hauſes redend zu betrachten ſey. Vom alten Wrangel er- wartet doch niemand Sympathien für die deutſche Sache; er iſt ein Cha- rakter, aber gewiß kein politiſcher. Wenn er das Aufziehen deutſcher Fah- nen bei der Ankunft der Deputation verbot, ſo iſt das freilich eine äußerſt ungeſchickte Handlung, aber ſie kann ſchwerlich ſeiner Geſinnung angerech- net werden. Er verſtand es nicht. Wenn er wirklich geäußert hätte: „Er würde die Deputirten, wenn er der König wäre, gar nicht vorlaſſen,“ ſo iſt das eine Aeußerung die ſich ſelbſt richtet, aus der man aber, wenn man den Geſichtskreis eines alten preußiſchen Soldaten erwägt, keine Conſe- quenzen ziehen darf. An ſeiner Tafel fragte allerdings ein anderer preu- ßiſcher General einen preußiſchen Deputirten aus Frankfurt: ob er denn glaube daß man Gagern trauen könne? Der Deputirte erwiederte: er könne nur das bedauern daß im intelligenten Berlin die factiſchen Verhält- niſſe ſo wenig bekannt wären, daß man ſolche Fragen aus dem Munde in- telligenter Männer höre! Das ſind allerdings Symbole einer Parteiſtim- mung, aber nicht Beweiſe dafür daß dieſe Partei die herrſchende, daß ſie gefährlich, daß ſie diejenige ſey auf welche die Regierung ſich allein ſtützen zu dürfen je dem Glauben Raum geben könnte. Wie es ſelbſt am Hofe und in der nächſten Nähe des Thrones andere Stimmungen und Anſichten gibt, brauche ich hier nicht auszuſprechen. Bemerkt doch die Kreuzzeitung mit einiger Bosheit daß die Prinzeſſin von Preußen einigen der Frank- furter Deputirten den Thee mit eigener Hand credenzt habe. Die nicht gedruckten Angriffe gegen die Prinzeſſin gehen noch weiter. Geſtern machte dieſe ſelbe Zeitung über einige Unfälle der Reichstruppen in Schleswig ſich luſtig, und erinnerte an die Reichsarmee bei Roßbach. Eine Partei die zu ſolchen Mitteln greift, gibt ihr Spiel ſelbſt verloren. Die geſammte Berliner Preſſe hat ſich wie ein Mann in dieſer Sache erhoben, das dürfte nicht ohne Eindruck geblieben ſeyn, und was anfänglich als eine Nieder- lage erſchien, hat jetzt ſchon ein ganz anderes Anſehen. Vielleicht daß ſelbſt die Frankfurter Deputation mit andern Anſichten in Frankfurt an- kam als ſie aus Berlin ausging. Camphauſen kam aus Frankfurt an; eben ſpricht man beſtimmt von einem Miniſterwechſel, gewiß wenigſtens daß Arnim abtritt. Die Miniſter ſind übrigens vielleicht die ſchuldloſe- ſten. Da ſteht aber noch ein Schreckbild vor den Berlinern! Hält man Prokeſch-Oſten für einen Zauberer, der mit einem Ruthenſchlag ſchwarz- roth-gold in ſchwarz-gelb verwandeln könne? Schleswig-Holſtein. r Kiel, 6 April. Sieg, Sieg! unerwarte- ter, über alles Verhoffen glänzender Sieg! Man erfuhr hier geſtern im Laufe des Nachmittags daß mehrere große däniſche Kriegsſchiffe unſere Strandbatterien im Hafen von Eckernförde (vier Meilen von hier) ange-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-09-09T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 102, 12. April 1849, S. 1560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine102_1849/4>, abgerufen am 01.06.2024.