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Allgemeine Zeitung, Nr. 102, 12. April 1849.

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[Spaltenumbruch] ten Eifersüchteleien in Collision geriethe. Aber Oesterreich und Bayern --
d. h. zwei Fünftel der deutschen Bevölkerung, abgesehen von Oesterreichs
nichtdeutschen Militärkräften -- seyen offenbar entschlossen es eher auf das
äußerste ankommen zu lassen, als sich einer Gewalt zu unterwerfen deren
Existenz mit der Wiener Bundesacte von 1815 und mit den neuerlichen
Erklärungen des Wiener Hofs in so schreiendem Widerspruch stünde. Und
hinter ihnen stehe Rußland, jetzt mit Oesterreich in offenem und engem
Bündniß, geknüpft durch ihre gemeinsame Feindseligkeit gegen die revolu-
tionären Doctrinen sowie durch ihr gemeinsames Widerstreben gegen die
neuere Politik Preußens, ihres vormaligen Bundesgenossen. Frankreich
sehe die Combination mit Gleichgültigkeit nur darum weil es sie für un-
aussührbar halte; aber das erste Anzeichen einer positiven preußischen Ei-
nigung Westdeutschlands würde dessen ganze Feindseligkeit entzünden. Eng-
land, unbekümmert um die Aenderung selbst, würde doch mit Leidwesen
ein so weites Abgehen von den Grundsätzen des allgemeinen Friedens be-
merken. So würde Preußen durch Annahme der Kaiserkrone sich mit
ganz Europa in Widerspruch setzen. Die Times schließt mit den Wor-
ten: "Ein sehr kühner, kriegerischer und ehrgeiziger Monarch würde diesen
ungleichen Chancen vielleicht getrotzt haben, aber der König von Preußen
besitzt keine dieser Eigenschaften. Er ist ein romantischer Fürst (die
Sage von dem Strauß'schen Büchlein ist auch nach England gedrungen),
nicht ohne warme Ueberzeugungen und ritterliche Anwandlungen, aber le-
bend in einer Phantasiewelt farbiger Schatten, und mehr befähigt sich leb-
haft in Worten als in kühnen Thaten auszudrücken. Er hatte die consti-
tutionelle Wiedergeburt Preußens nach seiner eigenen Art aufgefaßt, und
ward aus seinem Traum aufgeweckt durch eine blutige Revolution vor sei-
nen Palastthoren; er hatte von dem Phantom des deutschen Reichs ge-
träumt, und war dessen Krone zu tragen halb entschlossen; aber, wie Don
Juan bei der Ankunft seines gespenstigen Gastes, bebt er vor der Erschei-
nung zurück. So war's zu erwarten daß ein Mann von unstätem Charak-
ter einer bestimmten Antwort ausweichen würde. Aber mit der eigen-
thümlichen Rede Friedrich Wilhelms an die Frankfurter Deputation ist
die wichtige und schwierige Frage keineswegs gelöst."

Frankreich.

Die Berathung des Gesetzes über die Gerichtsverfassung war seit ei-
nem Monat unterbrochen, gestern wurde endlich doch die Weiterverhand-
lung dieses Gegenstands beschlossen und sofort eine große Anzahl Bestim-
mungen des mittlerweile von der Commission sehr abgekürzten und verein-
fachten Entwurfs genehmigt. Es handelt sich der unsichern Lage in
welcher die Magistratur sich seit einem Jahr befindet, ein Ziel zu setzen
und ihr den Charakter einer neuen und definitiven Institution zu geben.
Außerdem war die gestrige Sitzung mit zwei Zwischenfällen beschäftigt.
Bei Anlaß des Budgets war die Reactivirung drei Philippistischer Prä-
fecten getadelt worden, und als einer von ihnen, der Präfect der Rhone-
mündungen, seine Entlassung anbot, hatte der Minister des Innern, Hr.
L. Faucher, sie nicht angenommen und ihm im Moniteur eine Art Wohl-
verhaltenszeugniß ausgestellt. Dieß wurde ihm von der Linken als ein
Angriff auf die Souveränetät der verfassunggebenden Nationalversamm-
lung ausgelegt. Der zweite Fall war das Gesuch des Commandanten
Tombeur, der beim Juniusaufstand mit einem Bataillon von mehr als
300 Mann auf der Place Royale, die er vertheidigen sollte, als er sich
von allen Seiten umzingelt sah, die Waffen gestreckt und dem der dama-
lige Kriegsminister, General Lamoriciere, deßwegen sein Commando ent-
zogen hatte. Dieser sonst durch rühmliche Vorgänge bekannte Officier ver-
langte eine kriegsgerichtliche Untersuchung, und die Commission glaubte
seinen Wunsch unterstützen zu müssen, die militärischen Autoritäten der
Versammlung vertheidigten jedoch die Competenz der Disciplinargewalt,
und so wurde die Sache durch einfachen Uebergang zur Tagesordnung er-
ledigt. Das gleiche war auch im obigen Fall geschehen, der indeß noch
einmal zur Sprache kommen muß, da eine Commission niedergesetzt ist
um die seit der Februarrevolution geschehenen Pensionirungen von Prä-
fecten, Absetzungen und Wiederanstellungen zu prüfen.


Das Journal le Peuple scheint durch Geldstrafen vernichtet wer-
den zu sollen. Schon früher war der Feuilletonist dieses Blattes, Hr. L.
Menars, wegen eines durch mehrere Nummern fortlaufenden Artikels:
"Prologue d'une Revolution" sowie der Gerant Hr. Duchene in con-
tumaciam
jeder zu 4jährigem Gefängniß und 5000 Fr. Buße verurtheilt
worden. Gestern wurde der Proceß nun contradictorisch verhandelt.
Die Jury hatte 21 Fragen zu beantworten, die sie alle bejahte. Das Ge-
richt erkannte hierauf gegen den Gerant auf 3jähriges Gefängniß (ein
Jahr hat er schon durch eine frühere Verurtheilung) und 10,000 Fr., ge-
gen den Feuilletonisten auf 15 Monate und die gleiche Geldstrafe. Hr.
Proudhon, der sein Blatt von Brüssel aus redigiren will, wird Mühe
haben diese Summe aufzutreiben, und da er ein Mann ist der sich auf Ge-
[Spaltenumbruch] schäfte versteht, so wird er vielleicht etwas gewitzigt seyn. Hr. Lacol-
longe,
Redacteur des Journals l'Organisation du Travail, von Kriegs-
gericht wegen Theilnahme am Juliusaufstand in contumaciam zu 20-
jähriger Einsperrung verurtheilt, ist jetzt auch zur Haft gebracht.


Die Verurtheilten des Attentatsprocesses vom 15 Mai wurden vorge-
stern früh auf der Eisenbahn mittels eines Extrazugs nach Paris gebracht.
Hier wurde Huber abgesetzt, die andern verließen aber den Zellenwagen in
dem sie sich befanden nicht, sondern diesem wurden Pferde vorgespannt
und er nach dem Bahnhof der Nordbahn gefahren. Dann ging es sofort
nach Amiens, und am Abend müssen sie in Doullens, ihrem künftigen
Aufenthaltsort, angekommen seyn. Die zu Zwangsarbeit begnadigten
Mörder des Generals Brea haben ihre Strafe in dem Bagno von Roche-
fort zu erstehen.


Der von General Lamoriciere entworfene Plan einer Wehrverfassung
behält die 7jährige Dienstzeit sowie die jährliche Loosziehung bei, schlägt
aber in Bezug auf das Einsteherwesen folgende Bestimmungen vor: erst-
lich soll man sich durch Einzahlung von 1050 Fr. in den Schatz vor der
Ziehung, und durch eine weit größere Summe nach der Ziehung oder nach
der Einreihung vom Kriegsdienst befreien können; zweitens soll unter dem
Titel einer Militärsteuer (cotisation militaire) eine nach dem Vermögen
sich richtende Auflage auf alle Bürger gelegt werden die in Folge physi-
scher Untüchtigkeit, der Loosziehung oder aus irgendeinem andern Grund
nicht unter die Fahnen kommen. Die so geschöpfte financielle Hülfs-
quelle würde man verwenden um jedem durchs Loos ausgehobenen
Bürger nach Ablauf der gesetzlichen Dienstzeit ein Vermögen von 500 Fr.
auszubezahlen, jedem Freiwilligen aber am Tag seines Eintritts eine Ein-
standsprämie und nach verflossener Dienstzeit ein Vermögen von 1400 Fr.,
endlich ein noch beträchtlicheres Vermögen jedem der nach einer zur Zufrieden-
heit erstandenen Dienstzeit sich zum zweiten- oder drittenmal anwerben läßt.
Auf diese Art hofft der General dem Militärdienst eine große Zahl alter ab-
gehärteter Soldaten zuzuführen, und dadurch nur an Spitalkosten u. dgl.
nicht unbedeutend zu ersparen, während bei dem jetzigen Recrutirungssy-
stem von fünf Soldaten unter den Fahnen nicht vier zum Feldienst brauch-
bar sind. Dazu dann eine Organisation der Reserve und der mobilisirba-
ren Nationalgarde, mit einem Instructionsverfahren das der militärischen
Erziehung genügt und doch erlaubt den Heeresstand beträchtlich zu ver-
mindern. Da die Nationalversammlung vor allem das Budget verklei-
nern will, so ist es nicht unwahrscheinlich daß sie, trotz dem Widerspruch
des Kriegsministers General Rulhieres, wenigstens theilweise auf diesen
Plan eingehen wird.


Es muß den Politikern des J. des Debats schwer geworden seyn
sich in die deutsche Verfassungsfrage hineinzustudiren, endlich erscheint ein
Premier Paris, mehr Abhandlung als Zeitungsartikel, der wenig-
stens auch für deutsche Leser als Curiosität von einigem Interesse ist. Was
man eigentlich vorher wußte, daß man in Frankreich von den Einheits-
bestrebungen in Deutschland keinen Begriff hat, findet hier seine volle Be-
stätigung. Man erkennt nur ein sächsisches und ein schwäbisches(?),
ein katholisches und protestantisches Deutschland, man fürchtet ein an-
deres als das zerstückelte Deutschland zu sehr als daß man sich nicht
gerne überredet eine einheitliche Neugestaltung sey gar nicht mög-
lich. Alles in Frankfurt bis jetzt geschehene ist dieser politischen
Schule nichts als "gelehrter Patriotismus," das Werk "doctrinärer Phan-
tasiemenschen," und das J. des Debats erschöpft sich in einem Bombast
von Synonymen um seine Geringschätzung über die Beschlüsse des deut-
schen Parlaments auszudrücken. Es spricht von der souveränen Gnade
politischer Fictionen durch die man den unveränderlichen alten Grund der
Dinge geglaubt habe umzuwandeln, von einer verzweifelten Energie schö-
ner Theorien die nichts gegen die Wirklichkeit vermögen, von Ueberspannt-
heiten, Träumereien der Desperaten in Frankfurt, es findet daß das Aner-
bieten einer solchen Kaiserkrone nur eine sehr mittelmäßige Versuchung
heißen könne, und daß es sich kaum der Mühe verlohne zu rufen: "Zurück,
Satanas!" Denn was wären die Folgen einer unbedingten Annahme?
Der unmittelbare Bruch mit Oesterreich, eine noch innigere Allianz
Oesterreichs mit Rußland, verdoppelte Widerwärtigkeiten von Seiten Dä-
nemarks und Schwedens, Störrigkeit, vielleicht Isolirung von Seiten
Bayerns, Württembergs, Hannovers, selbst Sachsens! Man werde zwar
sagen, meint es, dieß seyen Einwendungen der Börsenpartei, der Partei
der Geldsäcke, des Friedens um jeden Preis, aber gerade die Auffassung
von diesem Standpunkt scheint ihm hochwichtig, wiewohl nicht einzusehen
ist was seine Friedenspolitik dabei verlieren kann, wenn auch ein Theil
jener Gefahren einträfe die auf offenbar kolossal übertriebenen Vorausse-
tzungen beruhen. Daher ist es mit der ausweichenden Antwort des Kö-
nigs von Preußen sehr zufrieden, und es schmeichelt sich mit der Hoffnung
daß das ganze Verfassungswerk, sofern es nur durch eine Vereinbarung
der Fürsten zu Stande kommen soll, auf die deutschen Calenden vertagt

[Spaltenumbruch] ten Eiferſüchteleien in Colliſion geriethe. Aber Oeſterreich und Bayern —
d. h. zwei Fünftel der deutſchen Bevölkerung, abgeſehen von Oeſterreichs
nichtdeutſchen Militärkräften — ſeyen offenbar entſchloſſen es eher auf das
äußerſte ankommen zu laſſen, als ſich einer Gewalt zu unterwerfen deren
Exiſtenz mit der Wiener Bundesacte von 1815 und mit den neuerlichen
Erklärungen des Wiener Hofs in ſo ſchreiendem Widerſpruch ſtünde. Und
hinter ihnen ſtehe Rußland, jetzt mit Oeſterreich in offenem und engem
Bündniß, geknüpft durch ihre gemeinſame Feindſeligkeit gegen die revolu-
tionären Doctrinen ſowie durch ihr gemeinſames Widerſtreben gegen die
neuere Politik Preußens, ihres vormaligen Bundesgenoſſen. Frankreich
ſehe die Combination mit Gleichgültigkeit nur darum weil es ſie für un-
ausſührbar halte; aber das erſte Anzeichen einer poſitiven preußiſchen Ei-
nigung Weſtdeutſchlands würde deſſen ganze Feindſeligkeit entzünden. Eng-
land, unbekümmert um die Aenderung ſelbſt, würde doch mit Leidweſen
ein ſo weites Abgehen von den Grundſätzen des allgemeinen Friedens be-
merken. So würde Preußen durch Annahme der Kaiſerkrone ſich mit
ganz Europa in Widerſpruch ſetzen. Die Times ſchließt mit den Wor-
ten: „Ein ſehr kühner, kriegeriſcher und ehrgeiziger Monarch würde dieſen
ungleichen Chancen vielleicht getrotzt haben, aber der König von Preußen
beſitzt keine dieſer Eigenſchaften. Er iſt ein romantiſcher Fürſt (die
Sage von dem Strauß’ſchen Büchlein iſt auch nach England gedrungen),
nicht ohne warme Ueberzeugungen und ritterliche Anwandlungen, aber le-
bend in einer Phantaſiewelt farbiger Schatten, und mehr befähigt ſich leb-
haft in Worten als in kühnen Thaten auszudrücken. Er hatte die conſti-
tutionelle Wiedergeburt Preußens nach ſeiner eigenen Art aufgefaßt, und
ward aus ſeinem Traum aufgeweckt durch eine blutige Revolution vor ſei-
nen Palaſtthoren; er hatte von dem Phantom des deutſchen Reichs ge-
träumt, und war deſſen Krone zu tragen halb entſchloſſen; aber, wie Don
Juan bei der Ankunft ſeines geſpenſtigen Gaſtes, bebt er vor der Erſchei-
nung zurück. So war’s zu erwarten daß ein Mann von unſtätem Charak-
ter einer beſtimmten Antwort ausweichen würde. Aber mit der eigen-
thümlichen Rede Friedrich Wilhelms an die Frankfurter Deputation iſt
die wichtige und ſchwierige Frage keineswegs gelöst.“

Frankreich.

Die Berathung des Geſetzes über die Gerichtsverfaſſung war ſeit ei-
nem Monat unterbrochen, geſtern wurde endlich doch die Weiterverhand-
lung dieſes Gegenſtands beſchloſſen und ſofort eine große Anzahl Beſtim-
mungen des mittlerweile von der Commiſſion ſehr abgekürzten und verein-
fachten Entwurfs genehmigt. Es handelt ſich der unſichern Lage in
welcher die Magiſtratur ſich ſeit einem Jahr befindet, ein Ziel zu ſetzen
und ihr den Charakter einer neuen und definitiven Inſtitution zu geben.
Außerdem war die geſtrige Sitzung mit zwei Zwiſchenfällen beſchäftigt.
Bei Anlaß des Budgets war die Reactivirung drei Philippiſtiſcher Prä-
fecten getadelt worden, und als einer von ihnen, der Präfect der Rhone-
mündungen, ſeine Entlaſſung anbot, hatte der Miniſter des Innern, Hr.
L. Faucher, ſie nicht angenommen und ihm im Moniteur eine Art Wohl-
verhaltenszeugniß ausgeſtellt. Dieß wurde ihm von der Linken als ein
Angriff auf die Souveränetät der verfaſſunggebenden Nationalverſamm-
lung ausgelegt. Der zweite Fall war das Geſuch des Commandanten
Tombeur, der beim Juniusaufſtand mit einem Bataillon von mehr als
300 Mann auf der Place Royale, die er vertheidigen ſollte, als er ſich
von allen Seiten umzingelt ſah, die Waffen geſtreckt und dem der dama-
lige Kriegsminiſter, General Lamoriciere, deßwegen ſein Commando ent-
zogen hatte. Dieſer ſonſt durch rühmliche Vorgänge bekannte Officier ver-
langte eine kriegsgerichtliche Unterſuchung, und die Commiſſion glaubte
ſeinen Wunſch unterſtützen zu müſſen, die militäriſchen Autoritäten der
Verſammlung vertheidigten jedoch die Competenz der Disciplinargewalt,
und ſo wurde die Sache durch einfachen Uebergang zur Tagesordnung er-
ledigt. Das gleiche war auch im obigen Fall geſchehen, der indeß noch
einmal zur Sprache kommen muß, da eine Commiſſion niedergeſetzt iſt
um die ſeit der Februarrevolution geſchehenen Penſionirungen von Prä-
fecten, Abſetzungen und Wiederanſtellungen zu prüfen.


Das Journal le Peuple ſcheint durch Geldſtrafen vernichtet wer-
den zu ſollen. Schon früher war der Feuilletoniſt dieſes Blattes, Hr. L.
Menars, wegen eines durch mehrere Nummern fortlaufenden Artikels:
»Prologue d’une Révolution« ſowie der Gerant Hr. Duchêne in con-
tumaciam
jeder zu 4jährigem Gefängniß und 5000 Fr. Buße verurtheilt
worden. Geſtern wurde der Proceß nun contradictoriſch verhandelt.
Die Jury hatte 21 Fragen zu beantworten, die ſie alle bejahte. Das Ge-
richt erkannte hierauf gegen den Gerant auf 3jähriges Gefängniß (ein
Jahr hat er ſchon durch eine frühere Verurtheilung) und 10,000 Fr., ge-
gen den Feuilletoniſten auf 15 Monate und die gleiche Geldſtrafe. Hr.
Proudhon, der ſein Blatt von Brüſſel aus redigiren will, wird Mühe
haben dieſe Summe aufzutreiben, und da er ein Mann iſt der ſich auf Ge-
[Spaltenumbruch] ſchäfte verſteht, ſo wird er vielleicht etwas gewitzigt ſeyn. Hr. Lacol-
longe,
Redacteur des Journals l’Organiſation du Travail, von Kriegs-
gericht wegen Theilnahme am Juliusaufſtand in contumaciam zu 20-
jähriger Einſperrung verurtheilt, iſt jetzt auch zur Haft gebracht.


Die Verurtheilten des Attentatsproceſſes vom 15 Mai wurden vorge-
ſtern früh auf der Eiſenbahn mittels eines Extrazugs nach Paris gebracht.
Hier wurde Huber abgeſetzt, die andern verließen aber den Zellenwagen in
dem ſie ſich befanden nicht, ſondern dieſem wurden Pferde vorgeſpannt
und er nach dem Bahnhof der Nordbahn gefahren. Dann ging es ſofort
nach Amiens, und am Abend müſſen ſie in Doullens, ihrem künftigen
Aufenthaltsort, angekommen ſeyn. Die zu Zwangsarbeit begnadigten
Mörder des Generals Brea haben ihre Strafe in dem Bagno von Roche-
fort zu erſtehen.


Der von General Lamoricière entworfene Plan einer Wehrverfaſſung
behält die 7jährige Dienſtzeit ſowie die jährliche Loosziehung bei, ſchlägt
aber in Bezug auf das Einſteherweſen folgende Beſtimmungen vor: erſt-
lich ſoll man ſich durch Einzahlung von 1050 Fr. in den Schatz vor der
Ziehung, und durch eine weit größere Summe nach der Ziehung oder nach
der Einreihung vom Kriegsdienſt befreien können; zweitens ſoll unter dem
Titel einer Militärſteuer (cotisation militaire) eine nach dem Vermögen
ſich richtende Auflage auf alle Bürger gelegt werden die in Folge phyſi-
ſcher Untüchtigkeit, der Loosziehung oder aus irgendeinem andern Grund
nicht unter die Fahnen kommen. Die ſo geſchöpfte financielle Hülfs-
quelle würde man verwenden um jedem durchs Loos ausgehobenen
Bürger nach Ablauf der geſetzlichen Dienſtzeit ein Vermögen von 500 Fr.
auszubezahlen, jedem Freiwilligen aber am Tag ſeines Eintritts eine Ein-
ſtandsprämie und nach verfloſſener Dienſtzeit ein Vermögen von 1400 Fr.,
endlich ein noch beträchtlicheres Vermögen jedem der nach einer zur Zufrieden-
heit erſtandenen Dienſtzeit ſich zum zweiten- oder drittenmal anwerben läßt.
Auf dieſe Art hofft der General dem Militärdienſt eine große Zahl alter ab-
gehärteter Soldaten zuzuführen, und dadurch nur an Spitalkoſten u. dgl.
nicht unbedeutend zu erſparen, während bei dem jetzigen Recrutirungsſy-
ſtem von fünf Soldaten unter den Fahnen nicht vier zum Feldienſt brauch-
bar ſind. Dazu dann eine Organiſation der Reſerve und der mobiliſirba-
ren Nationalgarde, mit einem Inſtructionsverfahren das der militäriſchen
Erziehung genügt und doch erlaubt den Heeresſtand beträchtlich zu ver-
mindern. Da die Nationalverſammlung vor allem das Budget verklei-
nern will, ſo iſt es nicht unwahrſcheinlich daß ſie, trotz dem Widerſpruch
des Kriegsminiſters General Rulhieres, wenigſtens theilweiſe auf dieſen
Plan eingehen wird.


Es muß den Politikern des J. des Débats ſchwer geworden ſeyn
ſich in die deutſche Verfaſſungsfrage hineinzuſtudiren, endlich erſcheint ein
Premier Paris, mehr Abhandlung als Zeitungsartikel, der wenig-
ſtens auch für deutſche Leſer als Curioſität von einigem Intereſſe iſt. Was
man eigentlich vorher wußte, daß man in Frankreich von den Einheits-
beſtrebungen in Deutſchland keinen Begriff hat, findet hier ſeine volle Be-
ſtätigung. Man erkennt nur ein ſächſiſches und ein ſchwäbiſches(?),
ein katholiſches und proteſtantiſches Deutſchland, man fürchtet ein an-
deres als das zerſtückelte Deutſchland zu ſehr als daß man ſich nicht
gerne überredet eine einheitliche Neugeſtaltung ſey gar nicht mög-
lich. Alles in Frankfurt bis jetzt geſchehene iſt dieſer politiſchen
Schule nichts als „gelehrter Patriotismus,“ das Werk „doctrinärer Phan-
taſiemenſchen,“ und das J. des Débats erſchöpft ſich in einem Bombaſt
von Synonymen um ſeine Geringſchätzung über die Beſchlüſſe des deut-
ſchen Parlaments auszudrücken. Es ſpricht von der ſouveränen Gnade
politiſcher Fictionen durch die man den unveränderlichen alten Grund der
Dinge geglaubt habe umzuwandeln, von einer verzweifelten Energie ſchö-
ner Theorien die nichts gegen die Wirklichkeit vermögen, von Ueberſpannt-
heiten, Träumereien der Deſperaten in Frankfurt, es findet daß das Aner-
bieten einer ſolchen Kaiſerkrone nur eine ſehr mittelmäßige Verſuchung
heißen könne, und daß es ſich kaum der Mühe verlohne zu rufen: „Zurück,
Satanas!“ Denn was wären die Folgen einer unbedingten Annahme?
Der unmittelbare Bruch mit Oeſterreich, eine noch innigere Allianz
Oeſterreichs mit Rußland, verdoppelte Widerwärtigkeiten von Seiten Dä-
nemarks und Schwedens, Störrigkeit, vielleicht Iſolirung von Seiten
Bayerns, Württembergs, Hannovers, ſelbſt Sachſens! Man werde zwar
ſagen, meint es, dieß ſeyen Einwendungen der Börſenpartei, der Partei
der Geldſäcke, des Friedens um jeden Preis, aber gerade die Auffaſſung
von dieſem Standpunkt ſcheint ihm hochwichtig, wiewohl nicht einzuſehen
iſt was ſeine Friedenspolitik dabei verlieren kann, wenn auch ein Theil
jener Gefahren einträfe die auf offenbar koloſſal übertriebenen Vorausſe-
tzungen beruhen. Daher iſt es mit der ausweichenden Antwort des Kö-
nigs von Preußen ſehr zufrieden, und es ſchmeichelt ſich mit der Hoffnung
daß das ganze Verfaſſungswerk, ſofern es nur durch eine Vereinbarung
der Fürſten zu Stande kommen ſoll, auf die deutſchen Calenden vertagt

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[1563/0007] ten Eiferſüchteleien in Colliſion geriethe. Aber Oeſterreich und Bayern — d. h. zwei Fünftel der deutſchen Bevölkerung, abgeſehen von Oeſterreichs nichtdeutſchen Militärkräften — ſeyen offenbar entſchloſſen es eher auf das äußerſte ankommen zu laſſen, als ſich einer Gewalt zu unterwerfen deren Exiſtenz mit der Wiener Bundesacte von 1815 und mit den neuerlichen Erklärungen des Wiener Hofs in ſo ſchreiendem Widerſpruch ſtünde. Und hinter ihnen ſtehe Rußland, jetzt mit Oeſterreich in offenem und engem Bündniß, geknüpft durch ihre gemeinſame Feindſeligkeit gegen die revolu- tionären Doctrinen ſowie durch ihr gemeinſames Widerſtreben gegen die neuere Politik Preußens, ihres vormaligen Bundesgenoſſen. Frankreich ſehe die Combination mit Gleichgültigkeit nur darum weil es ſie für un- ausſührbar halte; aber das erſte Anzeichen einer poſitiven preußiſchen Ei- nigung Weſtdeutſchlands würde deſſen ganze Feindſeligkeit entzünden. Eng- land, unbekümmert um die Aenderung ſelbſt, würde doch mit Leidweſen ein ſo weites Abgehen von den Grundſätzen des allgemeinen Friedens be- merken. So würde Preußen durch Annahme der Kaiſerkrone ſich mit ganz Europa in Widerſpruch ſetzen. Die Times ſchließt mit den Wor- ten: „Ein ſehr kühner, kriegeriſcher und ehrgeiziger Monarch würde dieſen ungleichen Chancen vielleicht getrotzt haben, aber der König von Preußen beſitzt keine dieſer Eigenſchaften. Er iſt ein romantiſcher Fürſt (die Sage von dem Strauß’ſchen Büchlein iſt auch nach England gedrungen), nicht ohne warme Ueberzeugungen und ritterliche Anwandlungen, aber le- bend in einer Phantaſiewelt farbiger Schatten, und mehr befähigt ſich leb- haft in Worten als in kühnen Thaten auszudrücken. 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Es handelt ſich der unſichern Lage in welcher die Magiſtratur ſich ſeit einem Jahr befindet, ein Ziel zu ſetzen und ihr den Charakter einer neuen und definitiven Inſtitution zu geben. Außerdem war die geſtrige Sitzung mit zwei Zwiſchenfällen beſchäftigt. Bei Anlaß des Budgets war die Reactivirung drei Philippiſtiſcher Prä- fecten getadelt worden, und als einer von ihnen, der Präfect der Rhone- mündungen, ſeine Entlaſſung anbot, hatte der Miniſter des Innern, Hr. L. Faucher, ſie nicht angenommen und ihm im Moniteur eine Art Wohl- verhaltenszeugniß ausgeſtellt. Dieß wurde ihm von der Linken als ein Angriff auf die Souveränetät der verfaſſunggebenden Nationalverſamm- lung ausgelegt. Der zweite Fall war das Geſuch des Commandanten Tombeur, der beim Juniusaufſtand mit einem Bataillon von mehr als 300 Mann auf der Place Royale, die er vertheidigen ſollte, als er ſich von allen Seiten umzingelt ſah, die Waffen geſtreckt und dem der dama- lige Kriegsminiſter, General Lamoriciere, deßwegen ſein Commando ent- zogen hatte. Dieſer ſonſt durch rühmliche Vorgänge bekannte Officier ver- langte eine kriegsgerichtliche Unterſuchung, und die Commiſſion glaubte ſeinen Wunſch unterſtützen zu müſſen, die militäriſchen Autoritäten der Verſammlung vertheidigten jedoch die Competenz der Disciplinargewalt, und ſo wurde die Sache durch einfachen Uebergang zur Tagesordnung er- ledigt. Das gleiche war auch im obigen Fall geſchehen, der indeß noch einmal zur Sprache kommen muß, da eine Commiſſion niedergeſetzt iſt um die ſeit der Februarrevolution geſchehenen Penſionirungen von Prä- fecten, Abſetzungen und Wiederanſtellungen zu prüfen. 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Lacol- longe, Redacteur des Journals l’Organiſation du Travail, von Kriegs- gericht wegen Theilnahme am Juliusaufſtand in contumaciam zu 20- jähriger Einſperrung verurtheilt, iſt jetzt auch zur Haft gebracht. Die Verurtheilten des Attentatsproceſſes vom 15 Mai wurden vorge- ſtern früh auf der Eiſenbahn mittels eines Extrazugs nach Paris gebracht. Hier wurde Huber abgeſetzt, die andern verließen aber den Zellenwagen in dem ſie ſich befanden nicht, ſondern dieſem wurden Pferde vorgeſpannt und er nach dem Bahnhof der Nordbahn gefahren. Dann ging es ſofort nach Amiens, und am Abend müſſen ſie in Doullens, ihrem künftigen Aufenthaltsort, angekommen ſeyn. Die zu Zwangsarbeit begnadigten Mörder des Generals Brea haben ihre Strafe in dem Bagno von Roche- fort zu erſtehen. Der von General Lamoricière entworfene Plan einer Wehrverfaſſung behält die 7jährige Dienſtzeit ſowie die jährliche Loosziehung bei, ſchlägt aber in Bezug auf das Einſteherweſen folgende Beſtimmungen vor: erſt- lich ſoll man ſich durch Einzahlung von 1050 Fr. in den Schatz vor der Ziehung, und durch eine weit größere Summe nach der Ziehung oder nach der Einreihung vom Kriegsdienſt befreien können; zweitens ſoll unter dem Titel einer Militärſteuer (cotisation militaire) eine nach dem Vermögen ſich richtende Auflage auf alle Bürger gelegt werden die in Folge phyſi- ſcher Untüchtigkeit, der Loosziehung oder aus irgendeinem andern Grund nicht unter die Fahnen kommen. Die ſo geſchöpfte financielle Hülfs- quelle würde man verwenden um jedem durchs Loos ausgehobenen Bürger nach Ablauf der geſetzlichen Dienſtzeit ein Vermögen von 500 Fr. auszubezahlen, jedem Freiwilligen aber am Tag ſeines Eintritts eine Ein- ſtandsprämie und nach verfloſſener Dienſtzeit ein Vermögen von 1400 Fr., endlich ein noch beträchtlicheres Vermögen jedem der nach einer zur Zufrieden- heit erſtandenen Dienſtzeit ſich zum zweiten- oder drittenmal anwerben läßt. Auf dieſe Art hofft der General dem Militärdienſt eine große Zahl alter ab- gehärteter Soldaten zuzuführen, und dadurch nur an Spitalkoſten u. dgl. nicht unbedeutend zu erſparen, während bei dem jetzigen Recrutirungsſy- ſtem von fünf Soldaten unter den Fahnen nicht vier zum Feldienſt brauch- bar ſind. Dazu dann eine Organiſation der Reſerve und der mobiliſirba- ren Nationalgarde, mit einem Inſtructionsverfahren das der militäriſchen Erziehung genügt und doch erlaubt den Heeresſtand beträchtlich zu ver- mindern. Da die Nationalverſammlung vor allem das Budget verklei- nern will, ſo iſt es nicht unwahrſcheinlich daß ſie, trotz dem Widerſpruch des Kriegsminiſters General Rulhieres, wenigſtens theilweiſe auf dieſen Plan eingehen wird. Es muß den Politikern des J. des Débats ſchwer geworden ſeyn ſich in die deutſche Verfaſſungsfrage hineinzuſtudiren, endlich erſcheint ein Premier Paris, mehr Abhandlung als Zeitungsartikel, der wenig- ſtens auch für deutſche Leſer als Curioſität von einigem Intereſſe iſt. Was man eigentlich vorher wußte, daß man in Frankreich von den Einheits- beſtrebungen in Deutſchland keinen Begriff hat, findet hier ſeine volle Be- ſtätigung. Man erkennt nur ein ſächſiſches und ein ſchwäbiſches(?), ein katholiſches und proteſtantiſches Deutſchland, man fürchtet ein an- deres als das zerſtückelte Deutſchland zu ſehr als daß man ſich nicht gerne überredet eine einheitliche Neugeſtaltung ſey gar nicht mög- lich. 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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 102, 12. April 1849, S. 1563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine102_1849/7>, abgerufen am 14.06.2024.