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Allgemeine Zeitung, Nr. 103, 13. April 1849.

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Die Stadt Kalisch
und deren Umgegend, bisher einem ungeheuern Kriegslager gleichend, sind
seit vorgestern in Folge plötzlich eingetroffener Marschordre fast ganz von
Truppen entblößt: in der Stadt selbst ist nur ein Bataillon als Besatzung
zurückgeblieben, und die Dörfer die bislang mit etwa hundert Mann jedes
bequartiert waren, sind völlig verlassen, nur in den großen Kirchdörfern
befindet sich noch eine Garnison von etwa 20 Mann. Ebenso ist in dem
mit außerordentlichem Kostenaufwande hergestellten, großen Gränzlager
nur eine Besatzung zurückgeblieben, die aber ausreicht das Lager vor dem
Verfall zu bewahren. Auf die Frage wohin die Truppen bestimmt seyen,
weiß niemand eine bestimmte Antwort zu geben; nur so viel ist gewiß daß
der Marsch nach dem Süden eingeschlagen ist, woraus man schließen will
daß die Russen nunmehr Galizien besetzen werden. (?) Die Stadt Kalisch
hat abermals einen herben Verlust erlitten, indem das dortige Obergericht
nun auch plötzlich nach Warschau verlegt worden ist. Die polnischen Zei-
tungen, die in Warschau herauskommen, besprechen jetzt die Angelegenhei-
ten in Deutschland und besonders in Preußen ausführlich: der König
kommt ganz gut dabei weg, aber die zweite Kammer wird als ein revolu-
tionärer Körper geschildert, der die einzige Absicht habe die Reichen zu be-
rauben und dem König die Krone zu entreißen. Die Getreidepreise sind
hier zur Zeit so niedrig, daß für wenige Kopeken ein großes Brod zu kau-
fen ist, was den Armen sehr zu statten kommt; sind letztere arbeitsunfähig,
so müssen sie nach einer neuen Praxis von den katholischen Ortsgeistlichen
ernährt werden, womit die Bauern wohl zufrieden sind. Seit einigen
Tagen sieht man wieder Silbergeld umlaufen, das seit Neujahr völlig ver-
schwunden schien.

Schleswig-Holstein.

Hamburg und noch
mehr Altona haben ganz ihren alten Charakter als friedliche Handelsstädte ver-
loren, und gleichen eher jetzt großen Feldlagern, so sind ihre Gassen mit Trup-
pen aus ganz Deutschland fast angefüllt. Bayerische Jäger, hannöverische
Dragoner, sächsische Artilleristen, badische Scharfschützen, hessische Husaren,
preußische Landwehrmänner von posenschen und westfälischen Regimentern,
alles bunt durcheinander. Sogar die Börse in Hamburg gewährt einen un-
gewohnten Anblick jetzt, denn die vielen neugierigen Besucher in ihren bun-
ten Uniformen verdrängen fast die alten Standgäste in ihren behäbigen
Sackpaletots, die über dieses militärische Treiben oft nicht sehr freundliche
Gesichter machen. Unaufhörlich kommen neue Truppenmassen noch von
Berlin oder über die Elbe von Harburg an, und gehen andere wieder mit
der Eisenbahn in das nördliche Schleswig-Holstein ab, so daß ein stän-
diges Wechseln und Vorrücken stattfindet. Alle Soldaten ohne Ausnahme
sind vom besten Geist beseelt, und hoffen daß der Krieg recht energisch
geführt werde.


Die Dänen haben Hadersleben in der Nacht
vom 6 und 7 verlassen, und sich nach Norden gezogen. Ihr Militär hatte
sich in Hadersleben sehr gut benommen, beim Rückzuge haben sie keine
Bürger oder sonstige Bewohner fortgeschleppt, obgleich der Pöbel viele
denuncirte. Am 7 hat zum erstenmal seit Wiedereröffnung des Kriegs
zwischen den im Sundwitt einander gegenüberstehenden Truppen kein Ge-
fecht stattgefunden. Der Kampf der am 6 im Sundewitt, namentlich in
Ulderup vorfiel, war nicht unbedeutend: 4000 Deutsche gegen 10,000 oder
noch mehr Dänen.


Der heutige Vormittagszug hat nichts
neues vom Kriegsschauplatz gebracht. Nur ein Gerücht daß 20,000 Mann
Schleswig-Holsteiner nach Jütland marschiren, die Reichstruppen aber in
den Herzogthümern bleiben sollen. Ein Flensburger Brief vom gestrigen
Tage sagt daß am 7 im Sundewitt'schen kein Gefecht vorfiel. Die am 6
gemachten 16 dänischen Gefangenen, worunter 2 stark verwundete Offi-
ciere, waren eingetroffen. Deutscherseits seyen keine Gefangenen verloren.
Die Trümmer des Christian VIII brannten, wie Augenzeugen versichern,
gestern noch, obschon die Wellen darüber hinschlugen.

Oesterreich.

Die letzten Vorfälle auf
dem ungarischen Kriegsschauplatz kennen Sie aus den Bulletins, welche
wenigstens die Gewißheit geben daß Fürst Windisch-Grätz nun seinerseits
eine Schlacht vermeiden wollte, und von Gödöllö seine Truppen theils
nach Pesth selbst, theils in den Halbmond zurückzog welchen die Armee von
Soroksar bis zum andern Ufer der Donau gegen Waitzen in einer Entfernung
von nur einer Meile um Pesth bildet; in dieser Stellung will
der Feldmarschall die Verstärkungen abwarten, auf welche jedoch zu harren
vermuthlich Dembinski nicht gesonnen ist. Dieser möchte wohl nicht nach
Pesth -- einen ohne Ofen weder haltbaren noch wichtigen Punkt -- son-
dern nach Waitzen, Comorn und von hier über die Donau nach Ofen vor-
dringen. Der stürmische Angriff der Husaren bei Ischaßegh auf das dort
aufgestellte Armeecorps zeigte die Absicht den Durchgang auf die Waitzener
[Spaltenumbruch] Straße zu forciren. Es ist auffallend daß bei der nicht gar überwiegen-
den Zahl der Insurgenten bei Hatvan (50,000 Mann) und von Szolnok
her (10 bis 15,000), welchen der Feldmarschall 50,000 kaiserliche Truppen
entgegenzustellen hatte, der letztere einer Schlacht auswich. Die Ueber-
macht an leichter Reiterei auf Seite des Feindes kann die einzige Ursache
nicht seyn, ich glaube vielmehr daß der Fürst die Insurgenten hier be-
schäftigen und seine nunmehrige Hauptoperationslinie, die Donau, benützen
will um auf diejenigen Punkte von welchen den Insurgenten ein Rückzug-
über die Theiß abgeschnitten werden kann, die nöthigen Streitkräfte zu
werfen. Es ist möglich daß auch Pesth preisgegeben wird, wie man
heute auf der Börse erzählt, um Waitzen zu decken, denn der Weg nach
Comorn ist die Hauptsache. Dembinski wird ihn erzwingen wollen.
Seit dem 5 April bis Ostersonntag früh hatte kein bedeutendes Gefecht
stattgefunden. An jenem Tage kamen die Majore Graf Pappenheim und
Baron Gablenz, die früher bei Nikolaus-Husaren gedient, in die Nähe
von 4 Schwadronen dieses Regiments welche mit 8 andern Schwadronen
in Schlachtordnung aufgestellt waren. Als sie von den Husaren erblickt
wurden schrieen die ihnen ein Eljen zu; bald kam Feidmarschall-Lieutenant
Fürst Franz Liechtenstein, der einst Obrist dieses Regiments gewesen; da
ertönte ein donnerndes "Eljen Herczeg Liktenstein!" Als diese Herren
nun näher ritten, und den Husaren vorstellten wie schmachvoll es wäre für
Kossuth zu dienen und gegen ihren König zu fechten, antworteten diesel-
ben daß sie nicht für Kossuth kämpfen, der sie gar nichts angehe, sondern für
ihren König Ferdinand V, der den Ungarn ihre kostbarsten Freiheiten ge-
geben habe, und daher von den Slaven gefangen und des Thrones beraubt
worden sey. Alle Erklärungen daß diese Gefangennehmung eine Erdich-
tung sey halfen nichts. Endlich kam auch Graf Niclas Török, einst Ober-
lieutenant bei demselben Regiment, und fing die Husaren ungarisch zu
haranguiren an. Da entflammte ihr Zorn: "ez magyar es eken ünk
harczol, vagjuk le
(der ist ein Ungar und kämpft gegen uns, hauen wir
ihn nieder)!" schrieen sie und griffen mit Wuth die gegenüberstehenden
Ciwallart-Uhlanen und Kreß-Chevaulegers an, mit welchen sich die genann-
ten Officiere schnell vereinigten und die Husaren mit starkem Verlust zu-
rückwarfen. Sie sehen daß der monarchische Sinn der Magyaren von den
Demagogen sehr listig ausgebeutet wird. In Pesth herrscht die größte
Aufregung, doch wurde die Ruhe noch nicht einen Augenblick gestört.
Die ungarischen Ministerialhüte, rothe Federn und Halstücher kommen
hie und da zum Vorschein, auf den Gassen wogen die Massen auf und ab,
welche sich mit den verschiedensten Gerüchten unterhalten. Die fast un-
ausweichlichen Requisitionen der Truppen lassen bei dem gemeinen Volke
keine bessere Stimmung aufkeimen, welche jedoch hauptsächlich gegen die
Croaten gerichtet ist, die in der That häufige Excesse begehen. Der Bauer
bekümmert sich nicht viel um politische Sympathien, aber er haßt denjeni-
gen der ihm seine Pferde oder Ochsen nimmt. Kossuth hat sie wenigstens
mit rothen Zetteln bezahlt, die Croaten, meint er, nehmen sie umsonst.
Die Israeliten schachern fortwährend mit diesem Papier; letzthin zahlten
sie für 100 fl. 85 fl. in österreichischen Banknoten. Für die 22 unterwor-
senen Comitate wurde eine Recrutirung von 25,000 Mann zur Ergänzung
der kaiserlichen Truppen, aber im Wege der freien Werbung mit einem
Handgeld von 12 fl. ausgeschrieben. Nachdem die Insurgenten früher
schon zweimal Recruten gefaßt, ist es natürlich daß eine freie Werbung
ohne Erfolg und die betreffenden Gemeinden zur Stellung derselben um
theures Geld gezwungen seyn werden, welches Verfahren zu vielen Miß-
bräuchen und Bereicherung geldgieriger Beamten Anlaß gibt. Viel zweck-
mäßiger wäre es gewesen die Recrutenstellung mit der gewohnten Loosung
vorzunehmen. Die Verwaltung des Landes mit königlichen Commissären
scheint etwas kostspielig zu seyn; der königliche Commissär im Barser Co-
mitat, Baron Ladislas Majthenyi, hat bis jetzt 5000 fl. an Diäten er-
halten.


Die von mehreren Journalen wiedergege-
bene Nachricht daß Feldmarschall-Lieutenant Haynau aus Italien mit
einem Corps von 30,000 Mann nach Ungarn marschiren soll, kann ich
Ihnen als ungegründet bezeichnen. Hingegen sind drei Cavallerieregi-
menter (zwei Uhlanen- und ein Chevaulegersregiment) aus Italien dahin
bereits auf dem Marsch; ebenso sollen 22 Schwadronen von Galizien
kommen.


Der Lloyd vom 10 April sagt nach den letzten Vorgängen über das
deutsche Parlament: "Sie (die Versammlung) wollte keine Vereinbarung
mit den Regierungen; jetzt können die Regierungen keine Vereinbarung
mit ihr wollen. Oesterreich wird von jetzt an die Frankfurter National-
versammlung nicht mehr kennen und anerkennen. Oesterreich will ein ein-
heitliches Deutschland, ein Deutschland aus dem keine Gewalt es zum
Weichen bringen soll, ein Deutschland in dem es verbündet mit allen
deutschen Staaten, aber keinem deutschen Staat oder Fürsten unterthan,

[Spaltenumbruch]

Die Stadt Kaliſch
und deren Umgegend, bisher einem ungeheuern Kriegslager gleichend, ſind
ſeit vorgeſtern in Folge plötzlich eingetroffener Marſchordre faſt ganz von
Truppen entblößt: in der Stadt ſelbſt iſt nur ein Bataillon als Beſatzung
zurückgeblieben, und die Dörfer die bislang mit etwa hundert Mann jedes
bequartiert waren, ſind völlig verlaſſen, nur in den großen Kirchdörfern
befindet ſich noch eine Garniſon von etwa 20 Mann. Ebenſo iſt in dem
mit außerordentlichem Koſtenaufwande hergeſtellten, großen Gränzlager
nur eine Beſatzung zurückgeblieben, die aber ausreicht das Lager vor dem
Verfall zu bewahren. Auf die Frage wohin die Truppen beſtimmt ſeyen,
weiß niemand eine beſtimmte Antwort zu geben; nur ſo viel iſt gewiß daß
der Marſch nach dem Süden eingeſchlagen iſt, woraus man ſchließen will
daß die Ruſſen nunmehr Galizien beſetzen werden. (?) Die Stadt Kaliſch
hat abermals einen herben Verluſt erlitten, indem das dortige Obergericht
nun auch plötzlich nach Warſchau verlegt worden iſt. Die polniſchen Zei-
tungen, die in Warſchau herauskommen, beſprechen jetzt die Angelegenhei-
ten in Deutſchland und beſonders in Preußen ausführlich: der König
kommt ganz gut dabei weg, aber die zweite Kammer wird als ein revolu-
tionärer Körper geſchildert, der die einzige Abſicht habe die Reichen zu be-
rauben und dem König die Krone zu entreißen. Die Getreidepreiſe ſind
hier zur Zeit ſo niedrig, daß für wenige Kopeken ein großes Brod zu kau-
fen iſt, was den Armen ſehr zu ſtatten kommt; ſind letztere arbeitsunfähig,
ſo müſſen ſie nach einer neuen Praxis von den katholiſchen Ortsgeiſtlichen
ernährt werden, womit die Bauern wohl zufrieden ſind. Seit einigen
Tagen ſieht man wieder Silbergeld umlaufen, das ſeit Neujahr völlig ver-
ſchwunden ſchien.

Schleswig-Holſtein.

Hamburg und noch
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loren, und gleichen eher jetzt großen Feldlagern, ſo ſind ihre Gaſſen mit Trup-
pen aus ganz Deutſchland faſt angefüllt. Bayeriſche Jäger, hannöveriſche
Dragoner, ſächſiſche Artilleriſten, badiſche Scharfſchützen, heſſiſche Huſaren,
preußiſche Landwehrmänner von poſenſchen und weſtfäliſchen Regimentern,
alles bunt durcheinander. Sogar die Börſe in Hamburg gewährt einen un-
gewohnten Anblick jetzt, denn die vielen neugierigen Beſucher in ihren bun-
ten Uniformen verdrängen faſt die alten Standgäſte in ihren behäbigen
Sackpaletots, die über dieſes militäriſche Treiben oft nicht ſehr freundliche
Geſichter machen. Unaufhörlich kommen neue Truppenmaſſen noch von
Berlin oder über die Elbe von Harburg an, und gehen andere wieder mit
der Eiſenbahn in das nördliche Schleswig-Holſtein ab, ſo daß ein ſtän-
diges Wechſeln und Vorrücken ſtattfindet. Alle Soldaten ohne Ausnahme
ſind vom beſten Geiſt beſeelt, und hoffen daß der Krieg recht energiſch
geführt werde.


Die Dänen haben Hadersleben in der Nacht
vom 6 und 7 verlaſſen, und ſich nach Norden gezogen. Ihr Militär hatte
ſich in Hadersleben ſehr gut benommen, beim Rückzuge haben ſie keine
Bürger oder ſonſtige Bewohner fortgeſchleppt, obgleich der Pöbel viele
denuncirte. Am 7 hat zum erſtenmal ſeit Wiedereröffnung des Kriegs
zwiſchen den im Sundwitt einander gegenüberſtehenden Truppen kein Ge-
fecht ſtattgefunden. Der Kampf der am 6 im Sundewitt, namentlich in
Ulderup vorfiel, war nicht unbedeutend: 4000 Deutſche gegen 10,000 oder
noch mehr Dänen.


Der heutige Vormittagszug hat nichts
neues vom Kriegsſchauplatz gebracht. Nur ein Gerücht daß 20,000 Mann
Schleswig-Holſteiner nach Jütland marſchiren, die Reichstruppen aber in
den Herzogthümern bleiben ſollen. Ein Flensburger Brief vom geſtrigen
Tage ſagt daß am 7 im Sundewitt’ſchen kein Gefecht vorfiel. Die am 6
gemachten 16 däniſchen Gefangenen, worunter 2 ſtark verwundete Offi-
ciere, waren eingetroffen. Deutſcherſeits ſeyen keine Gefangenen verloren.
Die Trümmer des Chriſtian VIII brannten, wie Augenzeugen verſichern,
geſtern noch, obſchon die Wellen darüber hinſchlugen.

Oeſterreich.

Die letzten Vorfälle auf
dem ungariſchen Kriegsſchauplatz kennen Sie aus den Bulletins, welche
wenigſtens die Gewißheit geben daß Fürſt Windiſch-Grätz nun ſeinerſeits
eine Schlacht vermeiden wollte, und von Gödöllö ſeine Truppen theils
nach Peſth ſelbſt, theils in den Halbmond zurückzog welchen die Armee von
Sorokſar bis zum andern Ufer der Donau gegen Waitzen in einer Entfernung
von nur einer Meile um Peſth bildet; in dieſer Stellung will
der Feldmarſchall die Verſtärkungen abwarten, auf welche jedoch zu harren
vermuthlich Dembinski nicht geſonnen iſt. Dieſer möchte wohl nicht nach
Peſth — einen ohne Ofen weder haltbaren noch wichtigen Punkt — ſon-
dern nach Waitzen, Comorn und von hier über die Donau nach Ofen vor-
dringen. Der ſtürmiſche Angriff der Huſaren bei Iſchaſzegh auf das dort
aufgeſtellte Armeecorps zeigte die Abſicht den Durchgang auf die Waitzener
[Spaltenumbruch] Straße zu forciren. Es iſt auffallend daß bei der nicht gar überwiegen-
den Zahl der Inſurgenten bei Hatvan (50,000 Mann) und von Szolnok
her (10 bis 15,000), welchen der Feldmarſchall 50,000 kaiſerliche Truppen
entgegenzuſtellen hatte, der letztere einer Schlacht auswich. Die Ueber-
macht an leichter Reiterei auf Seite des Feindes kann die einzige Urſache
nicht ſeyn, ich glaube vielmehr daß der Fürſt die Inſurgenten hier be-
ſchäftigen und ſeine nunmehrige Hauptoperationslinie, die Donau, benützen
will um auf diejenigen Punkte von welchen den Inſurgenten ein Rückzug-
über die Theiß abgeſchnitten werden kann, die nöthigen Streitkräfte zu
werfen. Es iſt möglich daß auch Peſth preisgegeben wird, wie man
heute auf der Börſe erzählt, um Waitzen zu decken, denn der Weg nach
Comorn iſt die Hauptſache. Dembinski wird ihn erzwingen wollen.
Seit dem 5 April bis Oſterſonntag früh hatte kein bedeutendes Gefecht
ſtattgefunden. An jenem Tage kamen die Majore Graf Pappenheim und
Baron Gablenz, die früher bei Nikolaus-Huſaren gedient, in die Nähe
von 4 Schwadronen dieſes Regiments welche mit 8 andern Schwadronen
in Schlachtordnung aufgeſtellt waren. Als ſie von den Huſaren erblickt
wurden ſchrieen die ihnen ein Eljen zu; bald kam Feidmarſchall-Lieutenant
Fürſt Franz Liechtenſtein, der einſt Obriſt dieſes Regiments geweſen; da
ertönte ein donnerndes »Éljen Herczeg Liktenstein!« Als dieſe Herren
nun näher ritten, und den Huſaren vorſtellten wie ſchmachvoll es wäre für
Koſſuth zu dienen und gegen ihren König zu fechten, antworteten dieſel-
ben daß ſie nicht für Koſſuth kämpfen, der ſie gar nichts angehe, ſondern für
ihren König Ferdinand V, der den Ungarn ihre koſtbarſten Freiheiten ge-
geben habe, und daher von den Slaven gefangen und des Thrones beraubt
worden ſey. Alle Erklärungen daß dieſe Gefangennehmung eine Erdich-
tung ſey halfen nichts. Endlich kam auch Graf Niclas Török, einſt Ober-
lieutenant bei demſelben Regiment, und fing die Huſaren ungariſch zu
haranguiren an. Da entflammte ihr Zorn: »ez magyar és eken ünk
harczol, vágjuk le
(der iſt ein Ungar und kämpft gegen uns, hauen wir
ihn nieder)!“ ſchrieen ſie und griffen mit Wuth die gegenüberſtehenden
Ciwallart-Uhlanen und Kreß-Chevaulegers an, mit welchen ſich die genann-
ten Officiere ſchnell vereinigten und die Huſaren mit ſtarkem Verluſt zu-
rückwarfen. Sie ſehen daß der monarchiſche Sinn der Magyaren von den
Demagogen ſehr liſtig ausgebeutet wird. In Peſth herrſcht die größte
Aufregung, doch wurde die Ruhe noch nicht einen Augenblick geſtört.
Die ungariſchen Miniſterialhüte, rothe Federn und Halstücher kommen
hie und da zum Vorſchein, auf den Gaſſen wogen die Maſſen auf und ab,
welche ſich mit den verſchiedenſten Gerüchten unterhalten. Die faſt un-
ausweichlichen Requiſitionen der Truppen laſſen bei dem gemeinen Volke
keine beſſere Stimmung aufkeimen, welche jedoch hauptſächlich gegen die
Croaten gerichtet iſt, die in der That häufige Exceſſe begehen. Der Bauer
bekümmert ſich nicht viel um politiſche Sympathien, aber er haßt denjeni-
gen der ihm ſeine Pferde oder Ochſen nimmt. Koſſuth hat ſie wenigſtens
mit rothen Zetteln bezahlt, die Croaten, meint er, nehmen ſie umſonſt.
Die Iſraeliten ſchachern fortwährend mit dieſem Papier; letzthin zahlten
ſie für 100 fl. 85 fl. in öſterreichiſchen Banknoten. Für die 22 unterwor-
ſenen Comitate wurde eine Recrutirung von 25,000 Mann zur Ergänzung
der kaiſerlichen Truppen, aber im Wege der freien Werbung mit einem
Handgeld von 12 fl. ausgeſchrieben. Nachdem die Inſurgenten früher
ſchon zweimal Recruten gefaßt, iſt es natürlich daß eine freie Werbung
ohne Erfolg und die betreffenden Gemeinden zur Stellung derſelben um
theures Geld gezwungen ſeyn werden, welches Verfahren zu vielen Miß-
bräuchen und Bereicherung geldgieriger Beamten Anlaß gibt. Viel zweck-
mäßiger wäre es geweſen die Recrutenſtellung mit der gewohnten Looſung
vorzunehmen. Die Verwaltung des Landes mit königlichen Commiſſären
ſcheint etwas koſtſpielig zu ſeyn; der königliche Commiſſär im Barſer Co-
mitat, Baron Ladislas Majthenyi, hat bis jetzt 5000 fl. an Diäten er-
halten.


Die von mehreren Journalen wiedergege-
bene Nachricht daß Feldmarſchall-Lieutenant Haynau aus Italien mit
einem Corps von 30,000 Mann nach Ungarn marſchiren ſoll, kann ich
Ihnen als ungegründet bezeichnen. Hingegen ſind drei Cavallerieregi-
menter (zwei Uhlanen- und ein Chevaulegersregiment) aus Italien dahin
bereits auf dem Marſch; ebenſo ſollen 22 Schwadronen von Galizien
kommen.


Der Lloyd vom 10 April ſagt nach den letzten Vorgängen über das
deutſche Parlament: „Sie (die Verſammlung) wollte keine Vereinbarung
mit den Regierungen; jetzt können die Regierungen keine Vereinbarung
mit ihr wollen. Oeſterreich wird von jetzt an die Frankfurter National-
verſammlung nicht mehr kennen und anerkennen. Oeſterreich will ein ein-
heitliches Deutſchland, ein Deutſchland aus dem keine Gewalt es zum
Weichen bringen ſoll, ein Deutſchland in dem es verbündet mit allen
deutſchen Staaten, aber keinem deutſchen Staat oder Fürſten unterthan,

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[1576/0004] * Von der polniſchen Gränze, 7 April. Die Stadt Kaliſch und deren Umgegend, bisher einem ungeheuern Kriegslager gleichend, ſind ſeit vorgeſtern in Folge plötzlich eingetroffener Marſchordre faſt ganz von Truppen entblößt: in der Stadt ſelbſt iſt nur ein Bataillon als Beſatzung zurückgeblieben, und die Dörfer die bislang mit etwa hundert Mann jedes bequartiert waren, ſind völlig verlaſſen, nur in den großen Kirchdörfern befindet ſich noch eine Garniſon von etwa 20 Mann. Ebenſo iſt in dem mit außerordentlichem Koſtenaufwande hergeſtellten, großen Gränzlager nur eine Beſatzung zurückgeblieben, die aber ausreicht das Lager vor dem Verfall zu bewahren. Auf die Frage wohin die Truppen beſtimmt ſeyen, weiß niemand eine beſtimmte Antwort zu geben; nur ſo viel iſt gewiß daß der Marſch nach dem Süden eingeſchlagen iſt, woraus man ſchließen will daß die Ruſſen nunmehr Galizien beſetzen werden. (?) Die Stadt Kaliſch hat abermals einen herben Verluſt erlitten, indem das dortige Obergericht nun auch plötzlich nach Warſchau verlegt worden iſt. Die polniſchen Zei- tungen, die in Warſchau herauskommen, beſprechen jetzt die Angelegenhei- ten in Deutſchland und beſonders in Preußen ausführlich: der König kommt ganz gut dabei weg, aber die zweite Kammer wird als ein revolu- tionärer Körper geſchildert, der die einzige Abſicht habe die Reichen zu be- rauben und dem König die Krone zu entreißen. Die Getreidepreiſe ſind hier zur Zeit ſo niedrig, daß für wenige Kopeken ein großes Brod zu kau- fen iſt, was den Armen ſehr zu ſtatten kommt; ſind letztere arbeitsunfähig, ſo müſſen ſie nach einer neuen Praxis von den katholiſchen Ortsgeiſtlichen ernährt werden, womit die Bauern wohl zufrieden ſind. Seit einigen Tagen ſieht man wieder Silbergeld umlaufen, das ſeit Neujahr völlig ver- ſchwunden ſchien. Schleswig-Holſtein. I Altona, 6 April. Hamburg und noch mehr Altona haben ganz ihren alten Charakter als friedliche Handelsſtädte ver- loren, und gleichen eher jetzt großen Feldlagern, ſo ſind ihre Gaſſen mit Trup- pen aus ganz Deutſchland faſt angefüllt. Bayeriſche Jäger, hannöveriſche Dragoner, ſächſiſche Artilleriſten, badiſche Scharfſchützen, heſſiſche Huſaren, preußiſche Landwehrmänner von poſenſchen und weſtfäliſchen Regimentern, alles bunt durcheinander. Sogar die Börſe in Hamburg gewährt einen un- gewohnten Anblick jetzt, denn die vielen neugierigen Beſucher in ihren bun- ten Uniformen verdrängen faſt die alten Standgäſte in ihren behäbigen Sackpaletots, die über dieſes militäriſche Treiben oft nicht ſehr freundliche Geſichter machen. Unaufhörlich kommen neue Truppenmaſſen noch von Berlin oder über die Elbe von Harburg an, und gehen andere wieder mit der Eiſenbahn in das nördliche Schleswig-Holſtein ab, ſo daß ein ſtän- diges Wechſeln und Vorrücken ſtattfindet. Alle Soldaten ohne Ausnahme ſind vom beſten Geiſt beſeelt, und hoffen daß der Krieg recht energiſch geführt werde. Altona, 9 April. Die Dänen haben Hadersleben in der Nacht vom 6 und 7 verlaſſen, und ſich nach Norden gezogen. Ihr Militär hatte ſich in Hadersleben ſehr gut benommen, beim Rückzuge haben ſie keine Bürger oder ſonſtige Bewohner fortgeſchleppt, obgleich der Pöbel viele denuncirte. Am 7 hat zum erſtenmal ſeit Wiedereröffnung des Kriegs zwiſchen den im Sundwitt einander gegenüberſtehenden Truppen kein Ge- fecht ſtattgefunden. Der Kampf der am 6 im Sundewitt, namentlich in Ulderup vorfiel, war nicht unbedeutend: 4000 Deutſche gegen 10,000 oder noch mehr Dänen. . Hamburg, 9 April. Der heutige Vormittagszug hat nichts neues vom Kriegsſchauplatz gebracht. Nur ein Gerücht daß 20,000 Mann Schleswig-Holſteiner nach Jütland marſchiren, die Reichstruppen aber in den Herzogthümern bleiben ſollen. Ein Flensburger Brief vom geſtrigen Tage ſagt daß am 7 im Sundewitt’ſchen kein Gefecht vorfiel. Die am 6 gemachten 16 däniſchen Gefangenen, worunter 2 ſtark verwundete Offi- ciere, waren eingetroffen. Deutſcherſeits ſeyen keine Gefangenen verloren. Die Trümmer des Chriſtian VIII brannten, wie Augenzeugen verſichern, geſtern noch, obſchon die Wellen darüber hinſchlugen. Oeſterreich. &#x1D42C; Wien, 10 April. Die letzten Vorfälle auf dem ungariſchen Kriegsſchauplatz kennen Sie aus den Bulletins, welche wenigſtens die Gewißheit geben daß Fürſt Windiſch-Grätz nun ſeinerſeits eine Schlacht vermeiden wollte, und von Gödöllö ſeine Truppen theils nach Peſth ſelbſt, theils in den Halbmond zurückzog welchen die Armee von Sorokſar bis zum andern Ufer der Donau gegen Waitzen in einer Entfernung von nur einer Meile um Peſth bildet; in dieſer Stellung will der Feldmarſchall die Verſtärkungen abwarten, auf welche jedoch zu harren vermuthlich Dembinski nicht geſonnen iſt. Dieſer möchte wohl nicht nach Peſth — einen ohne Ofen weder haltbaren noch wichtigen Punkt — ſon- dern nach Waitzen, Comorn und von hier über die Donau nach Ofen vor- dringen. Der ſtürmiſche Angriff der Huſaren bei Iſchaſzegh auf das dort aufgeſtellte Armeecorps zeigte die Abſicht den Durchgang auf die Waitzener Straße zu forciren. Es iſt auffallend daß bei der nicht gar überwiegen- den Zahl der Inſurgenten bei Hatvan (50,000 Mann) und von Szolnok her (10 bis 15,000), welchen der Feldmarſchall 50,000 kaiſerliche Truppen entgegenzuſtellen hatte, der letztere einer Schlacht auswich. Die Ueber- macht an leichter Reiterei auf Seite des Feindes kann die einzige Urſache nicht ſeyn, ich glaube vielmehr daß der Fürſt die Inſurgenten hier be- ſchäftigen und ſeine nunmehrige Hauptoperationslinie, die Donau, benützen will um auf diejenigen Punkte von welchen den Inſurgenten ein Rückzug- über die Theiß abgeſchnitten werden kann, die nöthigen Streitkräfte zu werfen. Es iſt möglich daß auch Peſth preisgegeben wird, wie man heute auf der Börſe erzählt, um Waitzen zu decken, denn der Weg nach Comorn iſt die Hauptſache. Dembinski wird ihn erzwingen wollen. Seit dem 5 April bis Oſterſonntag früh hatte kein bedeutendes Gefecht ſtattgefunden. An jenem Tage kamen die Majore Graf Pappenheim und Baron Gablenz, die früher bei Nikolaus-Huſaren gedient, in die Nähe von 4 Schwadronen dieſes Regiments welche mit 8 andern Schwadronen in Schlachtordnung aufgeſtellt waren. Als ſie von den Huſaren erblickt wurden ſchrieen die ihnen ein Eljen zu; bald kam Feidmarſchall-Lieutenant Fürſt Franz Liechtenſtein, der einſt Obriſt dieſes Regiments geweſen; da ertönte ein donnerndes »Éljen Herczeg Liktenstein!« Als dieſe Herren nun näher ritten, und den Huſaren vorſtellten wie ſchmachvoll es wäre für Koſſuth zu dienen und gegen ihren König zu fechten, antworteten dieſel- ben daß ſie nicht für Koſſuth kämpfen, der ſie gar nichts angehe, ſondern für ihren König Ferdinand V, der den Ungarn ihre koſtbarſten Freiheiten ge- geben habe, und daher von den Slaven gefangen und des Thrones beraubt worden ſey. Alle Erklärungen daß dieſe Gefangennehmung eine Erdich- tung ſey halfen nichts. Endlich kam auch Graf Niclas Török, einſt Ober- lieutenant bei demſelben Regiment, und fing die Huſaren ungariſch zu haranguiren an. 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Die Verwaltung des Landes mit königlichen Commiſſären ſcheint etwas koſtſpielig zu ſeyn; der königliche Commiſſär im Barſer Co- mitat, Baron Ladislas Majthenyi, hat bis jetzt 5000 fl. an Diäten er- halten. § Wien, 10 April. Die von mehreren Journalen wiedergege- bene Nachricht daß Feldmarſchall-Lieutenant Haynau aus Italien mit einem Corps von 30,000 Mann nach Ungarn marſchiren ſoll, kann ich Ihnen als ungegründet bezeichnen. Hingegen ſind drei Cavallerieregi- menter (zwei Uhlanen- und ein Chevaulegersregiment) aus Italien dahin bereits auf dem Marſch; ebenſo ſollen 22 Schwadronen von Galizien kommen. Der Lloyd vom 10 April ſagt nach den letzten Vorgängen über das deutſche Parlament: „Sie (die Verſammlung) wollte keine Vereinbarung mit den Regierungen; jetzt können die Regierungen keine Vereinbarung mit ihr wollen. Oeſterreich wird von jetzt an die Frankfurter National- verſammlung nicht mehr kennen und anerkennen. Oeſterreich will ein ein- heitliches Deutſchland, ein Deutſchland aus dem keine Gewalt es zum Weichen bringen ſoll, ein Deutſchland in dem es verbündet mit allen deutſchen Staaten, aber keinem deutſchen Staat oder Fürſten unterthan,

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 103, 13. April 1849, S. 1576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine103_1849/4>, abgerufen am 03.12.2024.