Allgemeine Zeitung, Nr. 104, 14. April 1849.[Spaltenumbruch]
wieder zu besetzen, wenn ihm nicht bereits die Magyaren aus Therefiopel Wien, 10 April. Wir können es uns nicht länger verber- ^ Wien, 11 April. Die Osterfeiertage hindurch vernahm man ** Wien, 11 April. Trotz der schlechten Nachrichten aus Ungarn ,, Wien, 10 April. Ich theile Ihnen zu beliebiger Benutzung ein Olmütz, 9 April. Der Kaiser hat in einem sehr huldvollen Hand- Oesterreichische Monarchie. 𝜷 Pesth, 9 April. Als ich Ihnen am 5 vom Beginn entscheiden- *) Etwa zwei Stunden von Pesth auf der Straße nach Szegedin. **) Eine Stunde von Pesth auf der Straße nach Szolnok. ***) Etwa sechs Stunden von Pesth, auf der Straße von Erlau, Kaschau
und Eperies. [Spaltenumbruch]
wieder zu beſetzen, wenn ihm nicht bereits die Magyaren aus Therefiopel ⵔ Wien, 10 April. Wir können es uns nicht länger verber- ◬ Wien, 11 April. Die Oſterfeiertage hindurch vernahm man ** Wien, 11 April. Trotz der ſchlechten Nachrichten aus Ungarn ,, Wien, 10 April. Ich theile Ihnen zu beliebiger Benutzung ein Olmütz, 9 April. Der Kaiſer hat in einem ſehr huldvollen Hand- Oeſterreichiſche Monarchie. 𝜷 Peſth, 9 April. Als ich Ihnen am 5 vom Beginn entſcheiden- *) Etwa zwei Stunden von Peſth auf der Straße nach Szegedin. **) Eine Stunde von Peſth auf der Straße nach Szolnok. ***) Etwa ſechs Stunden von Peſth, auf der Straße von Erlau, Kaſchau
und Eperies. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0005" n="1593"/><cb/> wieder zu beſetzen, wenn ihm nicht bereits die Magyaren aus Therefiopel<lb/> zuvorgekommen ſind. Graf Albert Nugent, Sohn des Feldzeugmeiſters,<lb/> war Commandant in Zombor. Er hatte am 30 März dieſen Ort verlaſ-<lb/> ſen, was um ſo unerklärlicher iſt als er über 4000 Mann k. k. Truppen,<lb/> 2000 Serben und 2000 bewaffnete Bacskaer Einwohner verfügen konnte.<lb/> Die Magyaren ſollen blutige Rache an den Serben geübt, und ſchonungs-<lb/> los Männer, Weiber und Kinder geſchlachtet haben. (<hi rendition="#g">Wiener ſtenogr</hi>. C.)</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>ⵔ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 10 April.</dateline><lb/> <p>Wir können es uns nicht länger verber-<lb/> gen — die Operationen unſerer Generale in Ungarn find nicht ſehr<lb/> glücklich. Wir ſtehen nach dreißig Siegesbulletins nicht um einen Zoll<lb/> weiter als am Anfang dieſes Jahrs, wir ſtehen vor Peſth, und das geſtrige<lb/> Bulletin ſagt es in Lapidarſchrift daß für die nächſten Tage alles gethan<lb/> iſt, wenn Peſth behauptet wird. Wir wollen damit niemanden einen<lb/> Vorwurf machen, am allerwenigften dem Soldaten, der ſich in den Theiß-<lb/> ebenen mit derſelben Tapferkeit und Ausdauer ſchlägt wie in den Ebenen<lb/> der Lombardei, ja wir wollen in dieſen Blättern — deren Tendenz der<lb/> Lloyd neulich als ſo berüchtigt darſtellte, während ſie das einzige große<lb/> Organ ſind, das die Sache Oeſterreichs in Deutſchland vertritt — nicht<lb/> einmal dem Beiſpiel des Lloyd und der Preſſe folgen, welche aus dem<lb/> ihnen vom Miniſterium geficherten Hinterhalt gegen den Fürſten Windiſch-<lb/> Grätz die Pfeile ihres Tadels ebenſo leichtfertig ſchleudern, wie ſie früher<lb/> in ihren Huldigungen überſchwenglich waren. Ueber die Taktik des Für-<lb/> ften können wir kein Urtheil fällen — weil wir von Taktik nichts verſtehen<lb/> und weil wir uns darin gerne vom großen Haufen abſchließen, wenn die-<lb/> ſer nach dem bloßen Erfolg urtheilt. Vom allgemeinen Standpunkt aber<lb/> bedauern wir daß der Fürſt, vielleicht durch untergeordnetere Organe, durch<lb/> ſeine Bulletins die öffentliche Kritik zu grell aufruft. Eine Reihe von Ge-<lb/> fechten, welche mit gegenſeitig anerkannter Tapferkeit drei volle Tage dauern,<lb/> wird eine „Recognoscirung“ genannt. Dieß klingt ſeltſam genug, beſonders<lb/> wenn als Reſultat dieſer Recognoscirung alle Stellungen verlaſſen werden<lb/> mußten um einer Defenſion auf ſehr beſchränktem Terrain Platz zu machen.<lb/> Für rückgängige Bewegungen denen der Feind „<hi rendition="#g">eiligſt folgt</hi>“, hat die<lb/> deutſche Sprache noch immer einen Namen in Bereitſchaft und das Publi-<lb/> cum braucht erſt in keinem Lexikon nachzuſchlagen um ihn herauszufinden.<lb/> Wozu die Zimperlichkeit? Unſere Armee hat ſich einen Namen in Europa<lb/> errungen, der die Wahrheit vertragen kann, und wäre ſie momentan auch<lb/> unangenehm. Eine Umhüllung aber macht tauſend Wahrheiten für die<lb/> Zukunft verdächtig, und Gewalten welche <hi rendition="#g">über</hi> den Maſſen ſtehen, müſſen<lb/> ſich den Glauben derſelben nicht verſcherzen. Wie übrigens die Sachen<lb/> vor Peſth jetzt ſtehen, wiſſen wir nicht. So viel glauben wir aus dem<lb/> Bulletin entnehmen zu können daß bei der augenſcheinlichen Uebermacht<lb/> welche die Magyaren auf allen ihren Angriffspunkten entfalteten, es nur<lb/> der beiſpielloſen Ausdauer unſerer wackern Truppen möglich werden konnte<lb/> einen geordneten Rückzug auszuführen und eine Stellung einzunehmen, in<lb/> welcher ſie weiteren Angriffen ſo lange widerſtehen können bis die Ver-<lb/> ſtärkungen welche von allen Seiten gegen den Kriegsſchauplatz marſchi-<lb/> ren, an <hi rendition="#g">Ort</hi> und Stelle find. Mit Einſchluß der Regimenter, welche<lb/> von der italieniſchen Armee nach Ungarn abgegangen ſind, dürften ſich<lb/> dieſe Verſtärkungen auf nicht weniger als 40,000 Mann belaufen, und der<lb/> Zufluß findet noch immer aus allen Provinzen ſtatt. So ging erſt heute<lb/> Mittag wieder ein Bataillon Gränzer von hier mittels Dampfſchiff nach<lb/> Comorn und bot uns ein in Wien nie geſehenes Schauſpiel, indem ſie<lb/> in Reih und Glied, croatiſche Abſchiedslieder fingend, durch die Straßen<lb/> zogen. Wenn übrigens hier noch immer von der Uebertragung des Com-<lb/> mando an Welden oder Heß die Rede iſt, ſo ſind dieß einſtweilen noch<lb/><hi rendition="#aq">pia disideria,</hi> welche die Armee in vollem Maße theilt. Beide Generale<lb/> aber wollten das Commando nur unter der Bedingung annehmen daß<lb/> ihnen zugleich die ausgedehnten Vollmachten des Fürſten Windiſch-Grätz<lb/> übertragen würden. Zu einem ſolchen auffallenden Schritt kann man ſich<lb/> jedoch bei <hi rendition="#g">Hof</hi> nicht ſo ſchnell verſtehen, und unſere Miniſter, denen in ge-<lb/> wiſſen Zweigen der Verwaltung die Hände ziemlich gebunden ſind, ſchieben<lb/> die „Preſſe“ vor um gegen den Fürſten Partei zu machen. Der neubeför-<lb/> derte Generalmajor Benedek, welcher mittels Telegraphen nach Olmütz<lb/> berufen iſt, wird nicht, wie man glaubt, nach Ungarn gehen, ſondern ſoll<lb/> für das Commando in Galizien beſtimmt ſeyn. Geſtern Abend erſchien<lb/> ein Placat welches das Tragen rother Halsbinden und Bänder von<lb/> dieſer Farbe verbietet. Dieſe Verordnung erregte hier ſchon deßwegen<lb/> Verwunderung weil ſeit langer Zeit niemand dergleichen Toilette-Varia-<lb/> tionen bemerkt haben will. Der Entſchädigungsbetrag für die im October<lb/> dem Militär in den Caſernen durch die Mobilgarden zugefügten Beſchädi-<lb/> gungen beläuft ſich auf 86,514 fl. und wird vorläufig vom Staatsſchatz<lb/> zur Einhändigung an die Beſchädigten vorgeſchoſſen, mit Vorbehalt des<lb/> Schadenerſatzes durch die Schuldtragenden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>◬ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 11 April.</dateline><lb/> <p>Die Oſterfeiertage hindurch vernahm man<lb/> in Peſth fortwährenden Kanonendonner, am 8 April nach Mittag hörte<lb/><cb/> derſelbe gegen Sorocſar zu<note place="foot" n="*)">Etwa zwei Stunden von Peſth auf der Straße nach Szegedin.</note> auf, und das Gerücht verbreitete ſich daß<lb/> die Inſurgenten ſich auf dieſer Seite zurückgezogen hätten. Doch hefti-<lb/> ger wurde das Geſchützfeuer bei Kerestur<note place="foot" n="**)">Eine Stunde von Peſth auf der Straße nach Szolnok.</note> und es ſchien daß Dembinski<lb/> hier die kaiſerlichen Truppen mit concentrirten Kräften angreife um die<lb/> Straße gegen Dunakezi nach Waitzen zu gewinnen. Die Hauptſtärke der<lb/> kaiſerlichen Armee war auf dem hiſtoriſchen Felde Rakos (dem einſtigen<lb/> Verſammlungsort der zum Landtag herbeiſtrömenden Edelleute, die zu<lb/> Pferde und bewaffnet erſchienen) vereinigt, welche Stellung ſie auch be-<lb/> hauptete. Während jedoch um Peſth dieſe Gefechte ſtattfanden, ſcheint<lb/> Görgey von Gödöllö<note place="foot" n="***)">Etwa ſechs Stunden von Peſth, auf der Straße von Erlau, Kaſchau<lb/> und Eperies.</note> <hi rendition="#g">direct gegen Waitzen</hi> und mit einem Theil<lb/> ſeines Corps über die Berge gegen Retſchag — zwiſchen Gran und Wai-<lb/> tzen — vorgerückt und ſo die kaiſerliche Armee umgangen zu haben, denn<lb/> nach ziemlich glaubwürdigen Nachrichten hat man von Gran und Waitzen<lb/> auf den Höhen die Wachtfeuer der Inſurgenten erblickt, wodurch meine<lb/> Vermuthung ſich beſtätigt daß ihre Operationen nicht der Stadt Peſth,<lb/> ſondern Comorn gelten. Indeſſen ſollen heute in Wagujhely (Neuhäuſel<lb/> bei Leopoldſtadt) 18,000 Mann kaiſerliche Truppen ſchon angekommen<lb/> ſeyn, um die Inſurgenten auf dieſer Seite zurückzuwerfen und dann mit<lb/> dem Feldmarſchall ſich zu vereinigen. Die Comorner Beſatzung verſuchte<lb/> vorgeſtern einen Ausfall, wurde aber mit bedeutendem Verluſt zurück-<lb/> geſchlagen. Bem, der durch die Beſetzung des Rothenthurmpaſſes ſich<lb/> gegen den Einmarſch der Truppen von der Walachei aus gedeckt wähnt,<lb/> hat ſich wirklich dem Banat zugewendet, plötzlich aber theils auf Wägen,<lb/> theils in Eilmärſchen ſich mit 20,000 Mann dem Peſther Comitat ge-<lb/> nähert, und ſoll bei Kalotſcha ſeyn um bei Földvar den Uebergang über die<lb/> Donau zu forciren. Fünf Dampfſchiffe brachten kaiſerliche Truppen auf<lb/> den bedrohten und meiner Meinung nach gefährlichſten Punkt, da wenn<lb/> Bem in das Comitat Stuhlweißenburg einbrechen und den Landfturm<lb/> organifiren kann, Ofen vom Rücken bedroht und die Verproviantirung<lb/> der Armee gefährdet iſt. Szenttamas, dieſes ſo oft geſtürmte und nicht<lb/> genommene Lager der Serben, iſt den 4 April von den Inſurgenten erobert<lb/> worden, 3000 Serben ſollen gefallen ſeyn. Von Jazygien, Cumanien, den<lb/> Heveſcher und Borſchoder Comitaten trieben die Inſurgenten alle wehr-<lb/> haften Männer zu Pferd und zu Fuß mit ſich gegen Peſth zu, um mit die-<lb/> ſen Maſſen zu imponiren, aber es kann dieſen Leuten ſchlecht ergehen,<lb/> wenn die Linie der ſie deckenden Huſaren durchbrochen wird und das kaiſer-<lb/> liche Geſchütz auf ſie zu feuern beginnt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>** <hi rendition="#b">Wien,</hi> 11 April.</dateline><lb/> <p>Trotz der ſchlechten Nachrichten aus Ungarn<lb/> befindet ſich die Börſe guten Muthes. Ein unficheres Gerücht als wären<lb/> die Inſurgenten in der Nähe von Waitzen geſchlagen worden, trieb die<lb/> Staatsfonds in die Höhe, die 5proc. Met. um ein ganzes Procent. Das<lb/> erwartete Bulletin erſchien bis jetzt nicht; ich höre, es ſoll noch herauskom-<lb/> men, aber bloß berichten daß ein Ausfall der Beſatzung von Comorn glück-<lb/> lich zurückgeſchlagen worden ſey.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>,, <hi rendition="#b">Wien,</hi> 10 April.</dateline><lb/> <p>Ich theile Ihnen zu beliebiger Benutzung ein<lb/> Gerücht mit, welches ich heute von mehreren Seiten höre: Stadion ſoll<lb/> abgetreten, und der ehemalige Staatsrath Pipitz mit interimiftiſcher Lei-<lb/> tung der Geſchäfte beauftragt worden ſeyn. Nach einigen ſoll Stadions (al-<lb/> lerdings <hi rendition="#g">ſehr</hi> angegriffene) Geſundheit, nach andern die ruſſiſche Frage die<lb/> Folge ſeines Austrittes ſeyn, da er ſich mit ſeinen Collegen nicht habe<lb/> einigen können. Ich halte die Sache übrigens für ſehr unwahrſcheinlich.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Olmütz,</hi> 9 April.</dateline><lb/> <p>Der Kaiſer hat in einem ſehr huldvollen Hand-<lb/> ſchreiben den Banus aufgefordert Anträge zu ſtellen wie den Gränzern<lb/> eine <hi rendition="#g">ſelbſtändige Gemeindeverfaſſung</hi> zu gewähren ſey. Ebenſo<lb/> ſchenkt er den Gränzern rückſtändige Vorſchüfſe im Betrag von 1,424,440 fl.<lb/> (Morgen die Actenſtücke ſelbſt.)</p> </div> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreichiſche Monarchie.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>&#x1D737; <hi rendition="#b">Peſth,</hi> 9 April.</dateline><lb/> <p>Als ich Ihnen am 5 vom Beginn entſcheiden-<lb/> der Kriegsoperationen berichtete, hoffte ich in den nächſten Tagen ſchon<lb/> Ihnen von großen Erfolgen erzählen zu können. Aber es ſind vier Tage<lb/> unter fortdauernden Neckereien beider feindlichen Heere verfloſſen, und un-<lb/> terdeſſen hat ſich der Kampf bis vor die Thore von Peſth gewälzt, und von<lb/> der Feſtung Ofen aus ſehen wir auch ohne Fernrohr das Glitzern der Ba-<lb/> jonnette und die Wachtfeuer des öſterreichiſchen Lagers, welches vom Ufer<lb/> der Donau in langer Linie nach Norden ſich ausdehnt, und kaum zwei<lb/> Stunden von Peſth entfernt ſteht, ſo daß die Reſerven hart vor den Linien<lb/> campiren, unermeßliche Bagage aber nach Peſth und Ofen hereingefahren<lb/> kam. Das letztere erregte allenthalben Furcht — und Triumph. Die<lb/> einen ſahen Rückzug, die andern gar die Trümmer eines geſchlagenen Hee-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1593/0005]
wieder zu beſetzen, wenn ihm nicht bereits die Magyaren aus Therefiopel
zuvorgekommen ſind. Graf Albert Nugent, Sohn des Feldzeugmeiſters,
war Commandant in Zombor. Er hatte am 30 März dieſen Ort verlaſ-
ſen, was um ſo unerklärlicher iſt als er über 4000 Mann k. k. Truppen,
2000 Serben und 2000 bewaffnete Bacskaer Einwohner verfügen konnte.
Die Magyaren ſollen blutige Rache an den Serben geübt, und ſchonungs-
los Männer, Weiber und Kinder geſchlachtet haben. (Wiener ſtenogr. C.)
ⵔ Wien, 10 April.
Wir können es uns nicht länger verber-
gen — die Operationen unſerer Generale in Ungarn find nicht ſehr
glücklich. Wir ſtehen nach dreißig Siegesbulletins nicht um einen Zoll
weiter als am Anfang dieſes Jahrs, wir ſtehen vor Peſth, und das geſtrige
Bulletin ſagt es in Lapidarſchrift daß für die nächſten Tage alles gethan
iſt, wenn Peſth behauptet wird. Wir wollen damit niemanden einen
Vorwurf machen, am allerwenigften dem Soldaten, der ſich in den Theiß-
ebenen mit derſelben Tapferkeit und Ausdauer ſchlägt wie in den Ebenen
der Lombardei, ja wir wollen in dieſen Blättern — deren Tendenz der
Lloyd neulich als ſo berüchtigt darſtellte, während ſie das einzige große
Organ ſind, das die Sache Oeſterreichs in Deutſchland vertritt — nicht
einmal dem Beiſpiel des Lloyd und der Preſſe folgen, welche aus dem
ihnen vom Miniſterium geficherten Hinterhalt gegen den Fürſten Windiſch-
Grätz die Pfeile ihres Tadels ebenſo leichtfertig ſchleudern, wie ſie früher
in ihren Huldigungen überſchwenglich waren. Ueber die Taktik des Für-
ften können wir kein Urtheil fällen — weil wir von Taktik nichts verſtehen
und weil wir uns darin gerne vom großen Haufen abſchließen, wenn die-
ſer nach dem bloßen Erfolg urtheilt. Vom allgemeinen Standpunkt aber
bedauern wir daß der Fürſt, vielleicht durch untergeordnetere Organe, durch
ſeine Bulletins die öffentliche Kritik zu grell aufruft. Eine Reihe von Ge-
fechten, welche mit gegenſeitig anerkannter Tapferkeit drei volle Tage dauern,
wird eine „Recognoscirung“ genannt. Dieß klingt ſeltſam genug, beſonders
wenn als Reſultat dieſer Recognoscirung alle Stellungen verlaſſen werden
mußten um einer Defenſion auf ſehr beſchränktem Terrain Platz zu machen.
Für rückgängige Bewegungen denen der Feind „eiligſt folgt“, hat die
deutſche Sprache noch immer einen Namen in Bereitſchaft und das Publi-
cum braucht erſt in keinem Lexikon nachzuſchlagen um ihn herauszufinden.
Wozu die Zimperlichkeit? Unſere Armee hat ſich einen Namen in Europa
errungen, der die Wahrheit vertragen kann, und wäre ſie momentan auch
unangenehm. Eine Umhüllung aber macht tauſend Wahrheiten für die
Zukunft verdächtig, und Gewalten welche über den Maſſen ſtehen, müſſen
ſich den Glauben derſelben nicht verſcherzen. Wie übrigens die Sachen
vor Peſth jetzt ſtehen, wiſſen wir nicht. So viel glauben wir aus dem
Bulletin entnehmen zu können daß bei der augenſcheinlichen Uebermacht
welche die Magyaren auf allen ihren Angriffspunkten entfalteten, es nur
der beiſpielloſen Ausdauer unſerer wackern Truppen möglich werden konnte
einen geordneten Rückzug auszuführen und eine Stellung einzunehmen, in
welcher ſie weiteren Angriffen ſo lange widerſtehen können bis die Ver-
ſtärkungen welche von allen Seiten gegen den Kriegsſchauplatz marſchi-
ren, an Ort und Stelle find. Mit Einſchluß der Regimenter, welche
von der italieniſchen Armee nach Ungarn abgegangen ſind, dürften ſich
dieſe Verſtärkungen auf nicht weniger als 40,000 Mann belaufen, und der
Zufluß findet noch immer aus allen Provinzen ſtatt. So ging erſt heute
Mittag wieder ein Bataillon Gränzer von hier mittels Dampfſchiff nach
Comorn und bot uns ein in Wien nie geſehenes Schauſpiel, indem ſie
in Reih und Glied, croatiſche Abſchiedslieder fingend, durch die Straßen
zogen. Wenn übrigens hier noch immer von der Uebertragung des Com-
mando an Welden oder Heß die Rede iſt, ſo ſind dieß einſtweilen noch
pia disideria, welche die Armee in vollem Maße theilt. Beide Generale
aber wollten das Commando nur unter der Bedingung annehmen daß
ihnen zugleich die ausgedehnten Vollmachten des Fürſten Windiſch-Grätz
übertragen würden. Zu einem ſolchen auffallenden Schritt kann man ſich
jedoch bei Hof nicht ſo ſchnell verſtehen, und unſere Miniſter, denen in ge-
wiſſen Zweigen der Verwaltung die Hände ziemlich gebunden ſind, ſchieben
die „Preſſe“ vor um gegen den Fürſten Partei zu machen. Der neubeför-
derte Generalmajor Benedek, welcher mittels Telegraphen nach Olmütz
berufen iſt, wird nicht, wie man glaubt, nach Ungarn gehen, ſondern ſoll
für das Commando in Galizien beſtimmt ſeyn. Geſtern Abend erſchien
ein Placat welches das Tragen rother Halsbinden und Bänder von
dieſer Farbe verbietet. Dieſe Verordnung erregte hier ſchon deßwegen
Verwunderung weil ſeit langer Zeit niemand dergleichen Toilette-Varia-
tionen bemerkt haben will. Der Entſchädigungsbetrag für die im October
dem Militär in den Caſernen durch die Mobilgarden zugefügten Beſchädi-
gungen beläuft ſich auf 86,514 fl. und wird vorläufig vom Staatsſchatz
zur Einhändigung an die Beſchädigten vorgeſchoſſen, mit Vorbehalt des
Schadenerſatzes durch die Schuldtragenden.
◬ Wien, 11 April.
Die Oſterfeiertage hindurch vernahm man
in Peſth fortwährenden Kanonendonner, am 8 April nach Mittag hörte
derſelbe gegen Sorocſar zu *) auf, und das Gerücht verbreitete ſich daß
die Inſurgenten ſich auf dieſer Seite zurückgezogen hätten. Doch hefti-
ger wurde das Geſchützfeuer bei Kerestur **) und es ſchien daß Dembinski
hier die kaiſerlichen Truppen mit concentrirten Kräften angreife um die
Straße gegen Dunakezi nach Waitzen zu gewinnen. Die Hauptſtärke der
kaiſerlichen Armee war auf dem hiſtoriſchen Felde Rakos (dem einſtigen
Verſammlungsort der zum Landtag herbeiſtrömenden Edelleute, die zu
Pferde und bewaffnet erſchienen) vereinigt, welche Stellung ſie auch be-
hauptete. Während jedoch um Peſth dieſe Gefechte ſtattfanden, ſcheint
Görgey von Gödöllö ***) direct gegen Waitzen und mit einem Theil
ſeines Corps über die Berge gegen Retſchag — zwiſchen Gran und Wai-
tzen — vorgerückt und ſo die kaiſerliche Armee umgangen zu haben, denn
nach ziemlich glaubwürdigen Nachrichten hat man von Gran und Waitzen
auf den Höhen die Wachtfeuer der Inſurgenten erblickt, wodurch meine
Vermuthung ſich beſtätigt daß ihre Operationen nicht der Stadt Peſth,
ſondern Comorn gelten. Indeſſen ſollen heute in Wagujhely (Neuhäuſel
bei Leopoldſtadt) 18,000 Mann kaiſerliche Truppen ſchon angekommen
ſeyn, um die Inſurgenten auf dieſer Seite zurückzuwerfen und dann mit
dem Feldmarſchall ſich zu vereinigen. Die Comorner Beſatzung verſuchte
vorgeſtern einen Ausfall, wurde aber mit bedeutendem Verluſt zurück-
geſchlagen. Bem, der durch die Beſetzung des Rothenthurmpaſſes ſich
gegen den Einmarſch der Truppen von der Walachei aus gedeckt wähnt,
hat ſich wirklich dem Banat zugewendet, plötzlich aber theils auf Wägen,
theils in Eilmärſchen ſich mit 20,000 Mann dem Peſther Comitat ge-
nähert, und ſoll bei Kalotſcha ſeyn um bei Földvar den Uebergang über die
Donau zu forciren. Fünf Dampfſchiffe brachten kaiſerliche Truppen auf
den bedrohten und meiner Meinung nach gefährlichſten Punkt, da wenn
Bem in das Comitat Stuhlweißenburg einbrechen und den Landfturm
organifiren kann, Ofen vom Rücken bedroht und die Verproviantirung
der Armee gefährdet iſt. Szenttamas, dieſes ſo oft geſtürmte und nicht
genommene Lager der Serben, iſt den 4 April von den Inſurgenten erobert
worden, 3000 Serben ſollen gefallen ſeyn. Von Jazygien, Cumanien, den
Heveſcher und Borſchoder Comitaten trieben die Inſurgenten alle wehr-
haften Männer zu Pferd und zu Fuß mit ſich gegen Peſth zu, um mit die-
ſen Maſſen zu imponiren, aber es kann dieſen Leuten ſchlecht ergehen,
wenn die Linie der ſie deckenden Huſaren durchbrochen wird und das kaiſer-
liche Geſchütz auf ſie zu feuern beginnt.
** Wien, 11 April.
Trotz der ſchlechten Nachrichten aus Ungarn
befindet ſich die Börſe guten Muthes. Ein unficheres Gerücht als wären
die Inſurgenten in der Nähe von Waitzen geſchlagen worden, trieb die
Staatsfonds in die Höhe, die 5proc. Met. um ein ganzes Procent. Das
erwartete Bulletin erſchien bis jetzt nicht; ich höre, es ſoll noch herauskom-
men, aber bloß berichten daß ein Ausfall der Beſatzung von Comorn glück-
lich zurückgeſchlagen worden ſey.
,, Wien, 10 April.
Ich theile Ihnen zu beliebiger Benutzung ein
Gerücht mit, welches ich heute von mehreren Seiten höre: Stadion ſoll
abgetreten, und der ehemalige Staatsrath Pipitz mit interimiftiſcher Lei-
tung der Geſchäfte beauftragt worden ſeyn. Nach einigen ſoll Stadions (al-
lerdings ſehr angegriffene) Geſundheit, nach andern die ruſſiſche Frage die
Folge ſeines Austrittes ſeyn, da er ſich mit ſeinen Collegen nicht habe
einigen können. Ich halte die Sache übrigens für ſehr unwahrſcheinlich.
Olmütz, 9 April.
Der Kaiſer hat in einem ſehr huldvollen Hand-
ſchreiben den Banus aufgefordert Anträge zu ſtellen wie den Gränzern
eine ſelbſtändige Gemeindeverfaſſung zu gewähren ſey. Ebenſo
ſchenkt er den Gränzern rückſtändige Vorſchüfſe im Betrag von 1,424,440 fl.
(Morgen die Actenſtücke ſelbſt.)
Oeſterreichiſche Monarchie.
𝜷 Peſth, 9 April.
Als ich Ihnen am 5 vom Beginn entſcheiden-
der Kriegsoperationen berichtete, hoffte ich in den nächſten Tagen ſchon
Ihnen von großen Erfolgen erzählen zu können. Aber es ſind vier Tage
unter fortdauernden Neckereien beider feindlichen Heere verfloſſen, und un-
terdeſſen hat ſich der Kampf bis vor die Thore von Peſth gewälzt, und von
der Feſtung Ofen aus ſehen wir auch ohne Fernrohr das Glitzern der Ba-
jonnette und die Wachtfeuer des öſterreichiſchen Lagers, welches vom Ufer
der Donau in langer Linie nach Norden ſich ausdehnt, und kaum zwei
Stunden von Peſth entfernt ſteht, ſo daß die Reſerven hart vor den Linien
campiren, unermeßliche Bagage aber nach Peſth und Ofen hereingefahren
kam. Das letztere erregte allenthalben Furcht — und Triumph. Die
einen ſahen Rückzug, die andern gar die Trümmer eines geſchlagenen Hee-
*) Etwa zwei Stunden von Peſth auf der Straße nach Szegedin.
**) Eine Stunde von Peſth auf der Straße nach Szolnok.
***) Etwa ſechs Stunden von Peſth, auf der Straße von Erlau, Kaſchau
und Eperies.
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(2022-09-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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