Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 10. Januar 1872.[Spaltenumbruch]
zicht des Prinzen Leopold sich befriedigt erklärt, Preußen nicht an den Krieg ge- Die "Presse" stellt den Sachverhalt etwas anders dar. Danach habe der Das Kriegsministerium macht bekannt daß ein französischer Officier der im Der "National" bringt folgende Einzelheiten über den Verhaftungsbefehl Das "Univers" veröffentlicht folgenden Brief des bekannten früheren Anti- Jos. L. C., Bischof von Sura." * Paris, 7 Jan. Als Thiers am Jahresschluß das orleanistische Manö- Italien. @ Rom, 5 Jan. Ein römischer Correspondent der "Perseveranza" weiß zu [Spaltenumbruch]
zicht des Prinzen Leopold ſich befriedigt erklärt, Preußen nicht an den Krieg ge- Die „Preſſe“ ſtellt den Sachverhalt etwas anders dar. Danach habe der Das Kriegsminiſterium macht bekannt daß ein franzöſiſcher Officier der im Der „National“ bringt folgende Einzelheiten über den Verhaftungsbefehl Das „Univers“ veröffentlicht folgenden Brief des bekannten früheren Anti- Joſ. L. C., Biſchof von Sura.“ • Paris, 7 Jan. Als Thiers am Jahresſchluß das orleaniſtiſche Manö- Italien.  Rom, 5 Jan. Ein römiſcher Correſpondent der „Perſeveranza“ weiß zu <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0007" n="135"/><cb/> zicht des Prinzen Leopold ſich befriedigt erklärt, Preußen nicht an den Krieg ge-<lb/> dacht hätte. Dieß ergibt ſich namentlich aus dem Buche Benedetti’s, der die Sache<lb/> für beigelegt erachtete, bis er durch neue Informationen Gramonts über deſſen<lb/> wahre Abſichten unterrichtet wurde. Daß der Norddeutſche Bundeskanzler nach<lb/> der Entſagung des Prinzen wegen gewiſſer herausfordernder Aeußerungen der<lb/> franzöſiſchen Miniſter zum Krieg entſchloſſen geweſen ſei, iſt einfach eine Un-<lb/> wahrheit.</p><lb/> <p>Die „Preſſe“ ſtellt den Sachverhalt etwas anders dar. Danach habe der<lb/> Herzog v. Gramont bei ſeiner erſten Vernehmung am 30 Dec. die Ereigniſſe erzählt<lb/> welche bis zum 14 Juli 1870 dem Kriege vorangegangen ſind. Seine Auslaſſun-<lb/> gen waren darauf berechnet glauben zu machen daß die franzöſiſche Regierung<lb/> vom Beginn an eine friedliche Löſung des ſpaniſchen Zwiſchenfalls herbeizuführen<lb/> geſucht habe. Sie ſei von der Idee ausgegangen Preußen ſich direct bei der Zurück-<lb/> nahme der Hohenzollern’ſchen Candidatur betheiligen zu ſehen. Deßhalb habe man<lb/> zuerſt verlangt daß der König dem Prinzen befehle auf ſeine Bewerbung zu ver-<lb/> zichten, während man ſpäter ſich mit einem einfachen Rath des Königs an ſeinen<lb/> Reffen habe begnügen wollen. Auf die förmliche Weigerung des Königs habe<lb/> man Benedetti in Ems angewieſen vom König zu erlangen daß er perſönlich Frank-<lb/> reich die Verzichtleiſtung ſeines Neffen anzeige. Die Regierung hoffte und wünſchte<lb/> in dieſer königlichen Mittheilung eine indirecte Spur jener Mitwirkung zu finden für<lb/> welche ſie vergebens eine klare Kundgebung nachgeſucht hatte. Inzwiſchen trat die<lb/> Verzichtleiſtung in einer Form und unter Umſtänden hervor welche die Hoffnungen<lb/> des franzöſiſchen Cabinets zu nichte machten. Am Abend des 12 Juli hatte die<lb/> Regierung von Preußen noch nichts erlangt, und als ſie die Forderung einer Bürg-<lb/> ſchaft für die Zukunft aufſtellte, geſchah dieß in Folge der eben gedachten Weige-<lb/> rungen, über deren Bedeutung ſie ſich keinem Zweifel hingeben konnte. Wie die<lb/> „Preſſe“ behauptet, ſei es dem Herzog v. Gramont ſchon in ſeiner erſten dreiſtün-<lb/> digen Auseinanderſetzung angeblich gelungen den Nachweis zu führen daß der<lb/> Krieg lange von Berlin ausgegangen ſei ehe er noch von Frankreich erklärt worden<lb/> wäre. Er habe auch die Anſchuldigung, der Commiſſion des geſetzgebenden Körpers<lb/> damals unzuverläſſige und falſche Informationen unterbreitet zu haben, ſiegreich<lb/> zurückgewieſen. Der Herzog v. Gramont habe über die Leitung der militäriſchen<lb/> Vorgänge ſich jeder Erklärung enthalten. Dafür ſei er um ſo ausführlicher geweſen<lb/> in der Aufzählung der Umſtände welche die Regierung in der Nacht vom 14 zum<lb/> 15 Juli veranlaßt hätten die friedlichen Entſchließungen, welche noch am 14 Abends<lb/> gefaßt worden waren, aufzugeben, und am folgenden Tage mit der Forderung die<lb/> Reſerve einzuberufen vor die Kammer zu treten. — Nach dem „Gaulois“ ſei der<lb/> Herzog in der zweiten Sitzung mit einem dicken Manuſcript erſchienen. In dieſer<lb/> Sitzung habe es ſich darum gehandelt die Commiſſionsmitglieder glauben zu machen<lb/> daß Frankreich nicht leichtſinnig ſich in den Krieg geſtürzt habe, ſondern auf die<lb/> Allianz mehrerer Cabinete hätte rechnen dürfen. Auf die Frage nach der nähern<lb/> Bezeichnung dieſer Cabinete blieb indeß Hr. v. Gramont die Antwort ſchuldig.<lb/> Er erklärte zwar daß die Beweismittel für dieſe Allianzen, reſp. für ihre reelle Exi-<lb/> ſtenz, vorhanden ſeien, fügte aber hinzu: daß ihre Vorzeigung unnütz wäre, weil<lb/> ganz Europa wiſſe was es davon zu halten habe. Er proteſtirt übrigens gegen die<lb/> Theorie welche neuerdings in Frankreich Eingang gefunden, und nach welcher Bot-<lb/> ſchafter und Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten, wenn ſie ihren Poſten ver-<lb/> ließen, allerhand Actenſtücke und Documente mit ſich fortnehmen könnten um ſie<lb/> zu ſelbſtiſchen Zwecken zu veröffentlichen. Der Herzog v. Gramont habe ſogar aus-<lb/> gerufen: daß ſeine Reſerve die Zukunft im Auge habe, und daß ſie für die Zukunft<lb/> Frankreich Allianzen ſichere.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Das Kriegsminiſterium macht bekannt daß ein franzöſiſcher Officier der im<lb/> Mai aus der Gefangenſchaft zurückkehrte, und deſſen Namen nicht aufgefunden wer-<lb/> den konnte, in der Gegend der Station Mengede bei Köln auf der Eiſenbahn eine<lb/> goldene Uhr fallen ließ, welche durch Zufall erſt jetzt entdeckt wurde. Der betref-<lb/> fende Officier wird aufgefordert ſich auf dem Kriegsminiſterium zu melden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Der „National“ bringt folgende Einzelheiten über den Verhaftungsbefehl<lb/> welcher gegen den bekannten Ex-General Cremer erlaſſen worden iſt: <cit><quote>„Während<lb/> des Kriegs hatte Gambetta in Tours einen Hrn. v. Serre im Kriegsminiſterium<lb/> angeſtellt. Dieſer gab dem General Cremer Befehl einen ehrſamen Gewürzhänd-<lb/> ler von Dijon, Namens Arbinet, unter der Anklage des Hochverraths und der<lb/> Spionage, ſowie des Einverſtändniſſes mit den Preußen, zu verhaften. Der arme<lb/> Teufel wurde auch ſofort durch General Cremer ſtandrechtlich erſchoſſen. Die Fa-<lb/> milie des Unglücklichen hat ſich dabei nicht beruhigt und eine Unterſuchung über<lb/> die Urſachen dieſer Hinrichtung veranlaßt. Hr. v. Serre iſt flüchtig und befindet<lb/> ſich in der Schweiz, von der man wahrſcheinlich ſeine Auslieferung verlangen wird,<lb/> und der General Cremer ſoll ſeinerſeits den Gerichten die nöthigen Aufklärungen<lb/> über dieſen Vorfall geben.“</quote></cit></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Das „Univers“ veröffentlicht folgenden Brief des bekannten früheren Anti-<lb/> infallibiliſten, Mſgr. Maret, Biſchofs von Sura, an den Erzbiſchof von Paris:</p><lb/> <cit> <bibl> <date>„<hi rendition="#g">Paris,</hi> 27 Dec. 1871.</date> </bibl> <quote><lb/> Die ſchmerzvollen Ereigniſſe, deren Schauplatz Paris<lb/> in den vergangenen Jahren geweſen, haben den Profeſſoren der theologiſchen Facultät<lb/> ſeit dem Concil nicht geſtattet ſich in einer Generalverſammlung zu vereinigen. Dieſe<lb/> letztere hat am 27 Dec. ſtattgefunden behufs Aufſtellung eines Programms und Orga-<lb/> niſirung der Curſe. Es iſt beſchloſſen worden daß der erſte Act der Facultät von der<lb/> Wiederaufnahme ihrer Arbeiten darin beſtehen ſolle: in den Acten ihrer Berathungen die<lb/> Zuſtimmung ihrer Mitglieder zu den Decreten des vaticaniſchen Concils, und namentlich zu<lb/> dem Lehrſatze <hi rendition="#aq">Pastoraeternus</hi> bezüglich der doctrinalen Unfehlbarkeit des römiſchen Papſtes<lb/> zu verzeichnen. Die Facultät hat Mſgr. den Dekan erſucht von dieſem Theil ihres Pro-<lb/> tokolls Mſgr. dem Erzbiſchof von Paris Mittheilung zu machen. Der Dekan der theo-<lb/> logiſchen Facultät, † </quote> <bibl>Joſ. L. C., Biſchof von Sura.“</bibl> </cit> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>• <hi rendition="#b">Paris,</hi> 7 Jan.</dateline><lb/> <p>Als Thiers am Jahresſchluß das orleaniſtiſche Manö-<lb/> ver in der Bankfrage hintertrieb, war die Bank, angeſichts der Erſchöpfung ihrer<lb/> Notenreſerve, bereits genöthigt geweſen für 30 Mill. Frcs. franzöſiſche Goldſtücke<lb/> in Deutſchland und England nicht ohne beträchtliche Opfer aufzukaufen. Ein<lb/> neues, nicht minder bedrohliches Manöver wird für übermorgen angeſagt. Dieß-<lb/> mal wird es von einem mit jeder ausſchweifenden Reaction befreundeten Legitimi-<lb/> ſten, Benoiſt d’Azy, und weiters von dem Orleaniſten Laſteyrie geleitet. Die Mit-<lb/> glieder der Rechten und des rechten Centrums laſſen es ſich angelegen ſein die Ent-<lb/> ſcheidung der wichtigſten Angelegenheiten zu verſchleppen, um alle Intereſſe gegen<lb/> die beſtehende Ordnung einzunehmen. Der Budgetausſchuß erſindet täglich einen<lb/> neuen Vorwand um ſeine Arbeiten unfruchtbar zu verlängern. Dieſelben Intri-<lb/> guen beherrſchen die Ausſchüſſe für die Heeresorganiſation, für das Transport-<lb/> weſen, für die Richterordnung, für die Preßjury, für die Wahlordnung. Obige<lb/> Coalition ſieht in dem Unterrichtsgeſetz vorzüglich eine Gelegenheit den Unterrichts-<lb/> miniſter zu ſtürzen und zu den politiſchen Parteileidenſchaften den kirchlichen Fa-<lb/><cb/> natismus zu fügen. Der Budgetausſchuß hatte ſich Monate lang die Zeit mit<lb/> Projecten der Beſteuerung verſchiedenartiger Einkommensquellen vertrieben, und<lb/> ſchließlich dem Finanzminiſter die Couponſteuer angeboten. Nachdem die Kam-<lb/> mer in Folge einer Rede des Hrn. Thiers die allgemeine Einkommenſteuer verworfen<lb/> hatte, warf der Budgetausſchuß alle ſeine Erſindungen diverſer Einkommen-<lb/> ſteuern ebenfalls über Bord. Eine Verſtändigung mit dem Miniſter wurde dahin<lb/> angebahnt daß, mittelſt Zuſatzcentimen zu den beſtehenden directen Abgaben,<lb/> es ermöglicht werde die inländiſchen und die ausländiſchen Actien und Obli-<lb/> gationen, ferner die Einfuhr von Rohſtoffen mit großer Mäßigung und<lb/> Schonung zu taxiren. Das Uebereinkommen war ſchon durch die Nothwendigkeit<lb/> geboten das Votum der Finanzgeſetze endlich zu beſchleunigen, um den Staatsſchatz,<lb/> den Staatscredit und die geſammte Nationalwirthſchaft einer verderblichen und<lb/> überaus koſtſpieligen Ungewißheit zu entreißen. Im letzten Augenblick machte die<lb/> Mehrheit des Budgetausſchuſſes eine überraſchende Wendung. Sie verwirft die<lb/> Couponſteuer, ſie tritt den Tarifanſichten des Finanzminiſters entgegen, welcher<lb/> das Erträgniß ſeiner Tarifreform auf 170 Millionen Frcs. ſchätzt. Wenn dem<lb/> Finanzminiſter dieſe 170 Millionen und die 60 Millionen aus der Beſteuerung des<lb/> in Werthpapieren angelegten Vermögens entgehen, und nachdem die allgemeine<lb/> Einkommenſteuer verworfen worden, bleibt allerdings nichts mehr übrig als eine<lb/> höchſt unpopuläre Erhöhung der directen Abgaben — eine Ueberbelaſtung welche<lb/> die monarchiſch - klerikale Coalition insbeſondere auch auf alle Verbrauchs-<lb/> abgaben auszudehnen gedenkt. Der überliſtete Finanzminiſter bietet ſeine Dimiſſion<lb/> an, offenbar ein ſchweres Ereigniß, da ein neuer Budgetentwurf für das laufende<lb/> Jahr vorzulegen wäre. Thiers ſcheint entſchloſſen zu ſein Hrn. Pouyer-Quertier<lb/> nicht fallen zu laſſen, ſondern ebenfalls und ſehr ernſthaft ſeine Dimiſſion anzubie-<lb/> ten. Darauf rechnet die Coalition; mit blinder Zuverſicht rechnet ſie auf den<lb/> Sturz des, wie ſie ſagt, proviſoriſchen Präſidenten einer proviſoriſchen Republik.<lb/> In der That dürfte ſie niemals eine günſtigere Gelegenheit finden. Die Einwen-<lb/> dungen gegen eine den Capitalienmarkt und Verkehr beſchränkende Taxe ſind nicht<lb/> minder ſtichhaltig, als die Oppoſition gegen die ſchutzöllneriſchen Tendenzen der<lb/> HH. Thiers und Pouyer-Quertier berechtigt iſt. Der Budgetausſchuß verſtößt<lb/> hierin kaum gegen die öffentliche Meinung, und er kommt den mächtigen Frei-<lb/> handelsintereſſen entgegen. Freilich iſt es notoriſch und augenſcheinlich daß<lb/> er hauptſächlich und wohl ausſchließlich ein politiſches, dynaſtiſches Manöver<lb/> beabſichtigt, um durch eine Regierungskriſis zu einem parlamentariſchen Staats-<lb/> ſtreich, von Falloux und Dupanloup inſpirirt, zu gelangen. Thiers hingegen be-<lb/> wahrt ſeine Ueberlegenheit, indem er die neuen royaliſtiſchen, bonapartiſtiſchen und<lb/> klerikalen Machinationen dem Lande denunciirt, und die Unmacht der Coalition<lb/> demonſtrirt an die Stelle ſeiner Regierung anderes zu ſetzen als die Auflöſung der<lb/> Regierung und der Nationalverſammlung, die Anarchie, den finanziellen Ruin, den<lb/> Bürgerkrieg und die feindliche Invaſion hinter neuen Kataſtrophen. Indem Thiers<lb/> an das Ehrgefühl der Nationalverſammlung und an den Patriotismus außerhalb<lb/> derſelben appellirt, wird er allerdings das Manöver vereiteln, jedoch ſeine Autori-<lb/> tät wie ſeine Kräfte abnützen, freilich bedeutend weniger als die Entwurzelung der<lb/> Nationalverſammlung in der öffentlichen Meinung. Unmittelbar danach wird<lb/> dieſelbe Kriſis ſich in der Frage der Rückkehr nach Paris wiederholen, ſie kann in<lb/> der Unterrichtsfrage nicht ausbleiben. Berechnet man die faſt allgemeine Unpopu-<lb/> larität der Nationalverſammlung und hingegen die Einſtimmigkeit womit, bloß<lb/> einige Departements ausgenommen, Thiers abermals als Präſident der Republik<lb/> aus allgemeinen Abgeordnetenwahlen hervorgehen würde, ſo muß man voraus-<lb/> ſehen; der Präſident der Republik werde dieſe Nationalverſammlung bald überleben.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline> <hi rendition="#b">Rom,</hi> 5 Jan.</dateline><lb/> <p>Ein römiſcher Correſpondent der „Perſeveranza“ weiß zu<lb/> erzählen daß das Erſcheinen des mit der Beſtellung der königl. Neujahrswünſche be-<lb/> trauten Generals Pralormo im Vatican noch größern Eindruck gemacht habe als im<lb/> vergangenen Juni die Sendung des Generals Bertole-Viale, der im Namen des<lb/> Königs den Papſt beglückwünſchte zur 25jährigen Feier ſeines Pontificatsantrittes.<lb/> Damals habe es ſich um eine ganz außerordentliche Veranlaſſung gehandelt, dieß-<lb/> mal aber um eine jedes Jahr wiederkehrende Gelegenheit. Pius <hi rendition="#aq">IX</hi> habe das Be-<lb/> nehmen des Königs ſehr rückſichtsvoll gefunden, und von Victor Emmanuel in<lb/> höchſt wohlwollenden Ausdrücken geſprochen. „Er iſt ein guter Junge“ (<hi rendition="#aq">è un<lb/> buon figliuolo</hi>), ſolle er geſagt haben. Um ſo größer ſei die Wuth geweſen in der<lb/> Umgebung des Papſtes über die Heuchelei und den Machiavellismus der Italiener.<lb/> „Die haben’s dick hinter den Ohren“ (<hi rendition="#aq">la sanno lunga</hi>), habe ein italieniſcher Prälat<lb/> ausgerufen; zumal aber Mſgr. de Merode habe ſeinen Zorn nicht zu bezähmen ge-<lb/> wußt. Wie viel oder wie wenig an dieſem Bericht wahr iſt, weiß ich natürlich<lb/> nicht. Sehr möglich hat der wohlgeſinnte Correſpondent das alles erfunden. Es<lb/> gehört zur Komödie die alle Welt hier ſpielt, immerfort von den verſöhnlichen Ge-<lb/> fühlen des guten Papſtes zu reden, und alle Schuld dafür daß er nicht dieſen Ge-<lb/> fühlen entſprechend handelt, der Bosheit ſeiner Rathgeber aufzubürden. Der<lb/> Text zu dem neueſten Act der Komödie findet ſich in einem heutigen Leitartikel der<lb/> „Opinione,“ worin den unmanierlichen Rüpeln, welche an der Sendung des Gene-<lb/> rals Pralormo etwas auszuſetzen haben, eine Lection über feine Lebensart ertheilt<lb/> wird. Der König, heißt es da, würde die einfachſte Pflicht eines wohlerzogenen<lb/> Gentleman verletzt haben, wenn er dem Papſte nicht am Neujahrstage ſeine<lb/> Glückwünſche dargebracht hätte; dieſe ſeien, ſo drückt ſich der officiöſe Euphemismus<lb/> aus, in der durch die gegenwärtigen Umſtände allein geſtatteten Form aufgenom-<lb/> men worden. <cit><quote>„Sicher wäre es beſſer wenn Se. Majeſtät dem Papſt ihre perſön-<lb/> liche Aufwartung machen könnte, und zumal auch wenn bei dieſer oder einer an-<lb/> dern Gelegenheit ſich der Friede durch eine gutes Feſtmahl beſiegeln ließe. In-<lb/> deſſen beſſer etwas als nichts; es iſt immerhin erfreulich wahrzunehmen daß die<lb/> Zwiſtigkeiten zwiſchen Quirinal und Vatican noch nicht jenen äußerſten Grad er-<lb/> reicht haben der die Vornahme jener Handlungen unmöglich machte welche alle<lb/> wohlgeſitteten Perſonen ſich unter einander ſchuldig zu ſein glauben. Uebrigens<lb/> iſt’s im Sinne der Politik die wir uns vorgeſetzt haben als wir Rom betraten,“</quote></cit><lb/> und nun folgt die übliche Abhandlung über die freie Kirche im freien Staat, über<lb/> die dem Papſt als Oberhaupt der Kirche gebührende Ehrfurcht, über die Nicht-<lb/> antaſtung der Religion. Uebrigens muß man nicht dieſe Haltung der italieniſchen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [135/0007]
zicht des Prinzen Leopold ſich befriedigt erklärt, Preußen nicht an den Krieg ge-
dacht hätte. Dieß ergibt ſich namentlich aus dem Buche Benedetti’s, der die Sache
für beigelegt erachtete, bis er durch neue Informationen Gramonts über deſſen
wahre Abſichten unterrichtet wurde. Daß der Norddeutſche Bundeskanzler nach
der Entſagung des Prinzen wegen gewiſſer herausfordernder Aeußerungen der
franzöſiſchen Miniſter zum Krieg entſchloſſen geweſen ſei, iſt einfach eine Un-
wahrheit.
Die „Preſſe“ ſtellt den Sachverhalt etwas anders dar. Danach habe der
Herzog v. Gramont bei ſeiner erſten Vernehmung am 30 Dec. die Ereigniſſe erzählt
welche bis zum 14 Juli 1870 dem Kriege vorangegangen ſind. Seine Auslaſſun-
gen waren darauf berechnet glauben zu machen daß die franzöſiſche Regierung
vom Beginn an eine friedliche Löſung des ſpaniſchen Zwiſchenfalls herbeizuführen
geſucht habe. Sie ſei von der Idee ausgegangen Preußen ſich direct bei der Zurück-
nahme der Hohenzollern’ſchen Candidatur betheiligen zu ſehen. Deßhalb habe man
zuerſt verlangt daß der König dem Prinzen befehle auf ſeine Bewerbung zu ver-
zichten, während man ſpäter ſich mit einem einfachen Rath des Königs an ſeinen
Reffen habe begnügen wollen. Auf die förmliche Weigerung des Königs habe
man Benedetti in Ems angewieſen vom König zu erlangen daß er perſönlich Frank-
reich die Verzichtleiſtung ſeines Neffen anzeige. Die Regierung hoffte und wünſchte
in dieſer königlichen Mittheilung eine indirecte Spur jener Mitwirkung zu finden für
welche ſie vergebens eine klare Kundgebung nachgeſucht hatte. Inzwiſchen trat die
Verzichtleiſtung in einer Form und unter Umſtänden hervor welche die Hoffnungen
des franzöſiſchen Cabinets zu nichte machten. Am Abend des 12 Juli hatte die
Regierung von Preußen noch nichts erlangt, und als ſie die Forderung einer Bürg-
ſchaft für die Zukunft aufſtellte, geſchah dieß in Folge der eben gedachten Weige-
rungen, über deren Bedeutung ſie ſich keinem Zweifel hingeben konnte. Wie die
„Preſſe“ behauptet, ſei es dem Herzog v. Gramont ſchon in ſeiner erſten dreiſtün-
digen Auseinanderſetzung angeblich gelungen den Nachweis zu führen daß der
Krieg lange von Berlin ausgegangen ſei ehe er noch von Frankreich erklärt worden
wäre. Er habe auch die Anſchuldigung, der Commiſſion des geſetzgebenden Körpers
damals unzuverläſſige und falſche Informationen unterbreitet zu haben, ſiegreich
zurückgewieſen. Der Herzog v. Gramont habe über die Leitung der militäriſchen
Vorgänge ſich jeder Erklärung enthalten. Dafür ſei er um ſo ausführlicher geweſen
in der Aufzählung der Umſtände welche die Regierung in der Nacht vom 14 zum
15 Juli veranlaßt hätten die friedlichen Entſchließungen, welche noch am 14 Abends
gefaßt worden waren, aufzugeben, und am folgenden Tage mit der Forderung die
Reſerve einzuberufen vor die Kammer zu treten. — Nach dem „Gaulois“ ſei der
Herzog in der zweiten Sitzung mit einem dicken Manuſcript erſchienen. In dieſer
Sitzung habe es ſich darum gehandelt die Commiſſionsmitglieder glauben zu machen
daß Frankreich nicht leichtſinnig ſich in den Krieg geſtürzt habe, ſondern auf die
Allianz mehrerer Cabinete hätte rechnen dürfen. Auf die Frage nach der nähern
Bezeichnung dieſer Cabinete blieb indeß Hr. v. Gramont die Antwort ſchuldig.
Er erklärte zwar daß die Beweismittel für dieſe Allianzen, reſp. für ihre reelle Exi-
ſtenz, vorhanden ſeien, fügte aber hinzu: daß ihre Vorzeigung unnütz wäre, weil
ganz Europa wiſſe was es davon zu halten habe. Er proteſtirt übrigens gegen die
Theorie welche neuerdings in Frankreich Eingang gefunden, und nach welcher Bot-
ſchafter und Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten, wenn ſie ihren Poſten ver-
ließen, allerhand Actenſtücke und Documente mit ſich fortnehmen könnten um ſie
zu ſelbſtiſchen Zwecken zu veröffentlichen. Der Herzog v. Gramont habe ſogar aus-
gerufen: daß ſeine Reſerve die Zukunft im Auge habe, und daß ſie für die Zukunft
Frankreich Allianzen ſichere.
Das Kriegsminiſterium macht bekannt daß ein franzöſiſcher Officier der im
Mai aus der Gefangenſchaft zurückkehrte, und deſſen Namen nicht aufgefunden wer-
den konnte, in der Gegend der Station Mengede bei Köln auf der Eiſenbahn eine
goldene Uhr fallen ließ, welche durch Zufall erſt jetzt entdeckt wurde. Der betref-
fende Officier wird aufgefordert ſich auf dem Kriegsminiſterium zu melden.
Der „National“ bringt folgende Einzelheiten über den Verhaftungsbefehl
welcher gegen den bekannten Ex-General Cremer erlaſſen worden iſt: „Während
des Kriegs hatte Gambetta in Tours einen Hrn. v. Serre im Kriegsminiſterium
angeſtellt. Dieſer gab dem General Cremer Befehl einen ehrſamen Gewürzhänd-
ler von Dijon, Namens Arbinet, unter der Anklage des Hochverraths und der
Spionage, ſowie des Einverſtändniſſes mit den Preußen, zu verhaften. Der arme
Teufel wurde auch ſofort durch General Cremer ſtandrechtlich erſchoſſen. Die Fa-
milie des Unglücklichen hat ſich dabei nicht beruhigt und eine Unterſuchung über
die Urſachen dieſer Hinrichtung veranlaßt. Hr. v. Serre iſt flüchtig und befindet
ſich in der Schweiz, von der man wahrſcheinlich ſeine Auslieferung verlangen wird,
und der General Cremer ſoll ſeinerſeits den Gerichten die nöthigen Aufklärungen
über dieſen Vorfall geben.“
Das „Univers“ veröffentlicht folgenden Brief des bekannten früheren Anti-
infallibiliſten, Mſgr. Maret, Biſchofs von Sura, an den Erzbiſchof von Paris:
„Paris, 27 Dec. 1871.
Die ſchmerzvollen Ereigniſſe, deren Schauplatz Paris
in den vergangenen Jahren geweſen, haben den Profeſſoren der theologiſchen Facultät
ſeit dem Concil nicht geſtattet ſich in einer Generalverſammlung zu vereinigen. Dieſe
letztere hat am 27 Dec. ſtattgefunden behufs Aufſtellung eines Programms und Orga-
niſirung der Curſe. Es iſt beſchloſſen worden daß der erſte Act der Facultät von der
Wiederaufnahme ihrer Arbeiten darin beſtehen ſolle: in den Acten ihrer Berathungen die
Zuſtimmung ihrer Mitglieder zu den Decreten des vaticaniſchen Concils, und namentlich zu
dem Lehrſatze Pastoraeternus bezüglich der doctrinalen Unfehlbarkeit des römiſchen Papſtes
zu verzeichnen. Die Facultät hat Mſgr. den Dekan erſucht von dieſem Theil ihres Pro-
tokolls Mſgr. dem Erzbiſchof von Paris Mittheilung zu machen. Der Dekan der theo-
logiſchen Facultät, † Joſ. L. C., Biſchof von Sura.“
• Paris, 7 Jan.
Als Thiers am Jahresſchluß das orleaniſtiſche Manö-
ver in der Bankfrage hintertrieb, war die Bank, angeſichts der Erſchöpfung ihrer
Notenreſerve, bereits genöthigt geweſen für 30 Mill. Frcs. franzöſiſche Goldſtücke
in Deutſchland und England nicht ohne beträchtliche Opfer aufzukaufen. Ein
neues, nicht minder bedrohliches Manöver wird für übermorgen angeſagt. Dieß-
mal wird es von einem mit jeder ausſchweifenden Reaction befreundeten Legitimi-
ſten, Benoiſt d’Azy, und weiters von dem Orleaniſten Laſteyrie geleitet. Die Mit-
glieder der Rechten und des rechten Centrums laſſen es ſich angelegen ſein die Ent-
ſcheidung der wichtigſten Angelegenheiten zu verſchleppen, um alle Intereſſe gegen
die beſtehende Ordnung einzunehmen. Der Budgetausſchuß erſindet täglich einen
neuen Vorwand um ſeine Arbeiten unfruchtbar zu verlängern. Dieſelben Intri-
guen beherrſchen die Ausſchüſſe für die Heeresorganiſation, für das Transport-
weſen, für die Richterordnung, für die Preßjury, für die Wahlordnung. Obige
Coalition ſieht in dem Unterrichtsgeſetz vorzüglich eine Gelegenheit den Unterrichts-
miniſter zu ſtürzen und zu den politiſchen Parteileidenſchaften den kirchlichen Fa-
natismus zu fügen. Der Budgetausſchuß hatte ſich Monate lang die Zeit mit
Projecten der Beſteuerung verſchiedenartiger Einkommensquellen vertrieben, und
ſchließlich dem Finanzminiſter die Couponſteuer angeboten. Nachdem die Kam-
mer in Folge einer Rede des Hrn. Thiers die allgemeine Einkommenſteuer verworfen
hatte, warf der Budgetausſchuß alle ſeine Erſindungen diverſer Einkommen-
ſteuern ebenfalls über Bord. Eine Verſtändigung mit dem Miniſter wurde dahin
angebahnt daß, mittelſt Zuſatzcentimen zu den beſtehenden directen Abgaben,
es ermöglicht werde die inländiſchen und die ausländiſchen Actien und Obli-
gationen, ferner die Einfuhr von Rohſtoffen mit großer Mäßigung und
Schonung zu taxiren. Das Uebereinkommen war ſchon durch die Nothwendigkeit
geboten das Votum der Finanzgeſetze endlich zu beſchleunigen, um den Staatsſchatz,
den Staatscredit und die geſammte Nationalwirthſchaft einer verderblichen und
überaus koſtſpieligen Ungewißheit zu entreißen. Im letzten Augenblick machte die
Mehrheit des Budgetausſchuſſes eine überraſchende Wendung. Sie verwirft die
Couponſteuer, ſie tritt den Tarifanſichten des Finanzminiſters entgegen, welcher
das Erträgniß ſeiner Tarifreform auf 170 Millionen Frcs. ſchätzt. Wenn dem
Finanzminiſter dieſe 170 Millionen und die 60 Millionen aus der Beſteuerung des
in Werthpapieren angelegten Vermögens entgehen, und nachdem die allgemeine
Einkommenſteuer verworfen worden, bleibt allerdings nichts mehr übrig als eine
höchſt unpopuläre Erhöhung der directen Abgaben — eine Ueberbelaſtung welche
die monarchiſch - klerikale Coalition insbeſondere auch auf alle Verbrauchs-
abgaben auszudehnen gedenkt. Der überliſtete Finanzminiſter bietet ſeine Dimiſſion
an, offenbar ein ſchweres Ereigniß, da ein neuer Budgetentwurf für das laufende
Jahr vorzulegen wäre. Thiers ſcheint entſchloſſen zu ſein Hrn. Pouyer-Quertier
nicht fallen zu laſſen, ſondern ebenfalls und ſehr ernſthaft ſeine Dimiſſion anzubie-
ten. Darauf rechnet die Coalition; mit blinder Zuverſicht rechnet ſie auf den
Sturz des, wie ſie ſagt, proviſoriſchen Präſidenten einer proviſoriſchen Republik.
In der That dürfte ſie niemals eine günſtigere Gelegenheit finden. Die Einwen-
dungen gegen eine den Capitalienmarkt und Verkehr beſchränkende Taxe ſind nicht
minder ſtichhaltig, als die Oppoſition gegen die ſchutzöllneriſchen Tendenzen der
HH. Thiers und Pouyer-Quertier berechtigt iſt. Der Budgetausſchuß verſtößt
hierin kaum gegen die öffentliche Meinung, und er kommt den mächtigen Frei-
handelsintereſſen entgegen. Freilich iſt es notoriſch und augenſcheinlich daß
er hauptſächlich und wohl ausſchließlich ein politiſches, dynaſtiſches Manöver
beabſichtigt, um durch eine Regierungskriſis zu einem parlamentariſchen Staats-
ſtreich, von Falloux und Dupanloup inſpirirt, zu gelangen. Thiers hingegen be-
wahrt ſeine Ueberlegenheit, indem er die neuen royaliſtiſchen, bonapartiſtiſchen und
klerikalen Machinationen dem Lande denunciirt, und die Unmacht der Coalition
demonſtrirt an die Stelle ſeiner Regierung anderes zu ſetzen als die Auflöſung der
Regierung und der Nationalverſammlung, die Anarchie, den finanziellen Ruin, den
Bürgerkrieg und die feindliche Invaſion hinter neuen Kataſtrophen. Indem Thiers
an das Ehrgefühl der Nationalverſammlung und an den Patriotismus außerhalb
derſelben appellirt, wird er allerdings das Manöver vereiteln, jedoch ſeine Autori-
tät wie ſeine Kräfte abnützen, freilich bedeutend weniger als die Entwurzelung der
Nationalverſammlung in der öffentlichen Meinung. Unmittelbar danach wird
dieſelbe Kriſis ſich in der Frage der Rückkehr nach Paris wiederholen, ſie kann in
der Unterrichtsfrage nicht ausbleiben. Berechnet man die faſt allgemeine Unpopu-
larität der Nationalverſammlung und hingegen die Einſtimmigkeit womit, bloß
einige Departements ausgenommen, Thiers abermals als Präſident der Republik
aus allgemeinen Abgeordnetenwahlen hervorgehen würde, ſo muß man voraus-
ſehen; der Präſident der Republik werde dieſe Nationalverſammlung bald überleben.
Italien.
 Rom, 5 Jan.
Ein römiſcher Correſpondent der „Perſeveranza“ weiß zu
erzählen daß das Erſcheinen des mit der Beſtellung der königl. Neujahrswünſche be-
trauten Generals Pralormo im Vatican noch größern Eindruck gemacht habe als im
vergangenen Juni die Sendung des Generals Bertole-Viale, der im Namen des
Königs den Papſt beglückwünſchte zur 25jährigen Feier ſeines Pontificatsantrittes.
Damals habe es ſich um eine ganz außerordentliche Veranlaſſung gehandelt, dieß-
mal aber um eine jedes Jahr wiederkehrende Gelegenheit. Pius IX habe das Be-
nehmen des Königs ſehr rückſichtsvoll gefunden, und von Victor Emmanuel in
höchſt wohlwollenden Ausdrücken geſprochen. „Er iſt ein guter Junge“ (è un
buon figliuolo), ſolle er geſagt haben. Um ſo größer ſei die Wuth geweſen in der
Umgebung des Papſtes über die Heuchelei und den Machiavellismus der Italiener.
„Die haben’s dick hinter den Ohren“ (la sanno lunga), habe ein italieniſcher Prälat
ausgerufen; zumal aber Mſgr. de Merode habe ſeinen Zorn nicht zu bezähmen ge-
wußt. Wie viel oder wie wenig an dieſem Bericht wahr iſt, weiß ich natürlich
nicht. Sehr möglich hat der wohlgeſinnte Correſpondent das alles erfunden. Es
gehört zur Komödie die alle Welt hier ſpielt, immerfort von den verſöhnlichen Ge-
fühlen des guten Papſtes zu reden, und alle Schuld dafür daß er nicht dieſen Ge-
fühlen entſprechend handelt, der Bosheit ſeiner Rathgeber aufzubürden. Der
Text zu dem neueſten Act der Komödie findet ſich in einem heutigen Leitartikel der
„Opinione,“ worin den unmanierlichen Rüpeln, welche an der Sendung des Gene-
rals Pralormo etwas auszuſetzen haben, eine Lection über feine Lebensart ertheilt
wird. Der König, heißt es da, würde die einfachſte Pflicht eines wohlerzogenen
Gentleman verletzt haben, wenn er dem Papſte nicht am Neujahrstage ſeine
Glückwünſche dargebracht hätte; dieſe ſeien, ſo drückt ſich der officiöſe Euphemismus
aus, in der durch die gegenwärtigen Umſtände allein geſtatteten Form aufgenom-
men worden. „Sicher wäre es beſſer wenn Se. Majeſtät dem Papſt ihre perſön-
liche Aufwartung machen könnte, und zumal auch wenn bei dieſer oder einer an-
dern Gelegenheit ſich der Friede durch eine gutes Feſtmahl beſiegeln ließe. In-
deſſen beſſer etwas als nichts; es iſt immerhin erfreulich wahrzunehmen daß die
Zwiſtigkeiten zwiſchen Quirinal und Vatican noch nicht jenen äußerſten Grad er-
reicht haben der die Vornahme jener Handlungen unmöglich machte welche alle
wohlgeſitteten Perſonen ſich unter einander ſchuldig zu ſein glauben. Uebrigens
iſt’s im Sinne der Politik die wir uns vorgeſetzt haben als wir Rom betraten,“
und nun folgt die übliche Abhandlung über die freie Kirche im freien Staat, über
die dem Papſt als Oberhaupt der Kirche gebührende Ehrfurcht, über die Nicht-
antaſtung der Religion. Uebrigens muß man nicht dieſe Haltung der italieniſchen
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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