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Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 11. Januar 1872.

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Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 11. Donnerstag, 11 Januar 1872.


Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Insertionspreis nach aufliegendem Tarif.



Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.



Uebersicht.
Zur Geschichte der katholischen Reformbestrebungen. (II. Fra Andrea d'Altagene,
ein Verfolgter unter Pius IX) -- Pirkheimer und Scheurl.

Neueste Posten. München: Interpellation wegen der Amberger Vorgänge.
Rom: Sonst und jetzt. Kutscherstrike. Quirinal. Kopenhagen: Zusam-
mentritt des Reichstags.


Telegraphische Berichte.

Anläßlich der Ueberreichung der Beglaubigungsschrei-
ben Gontaut-Birons und Arnims schreibt die "Provincialcorrespondenz": die
Wiederherstellung des frühern diplomatischen Verkehrs zwischen Deutschland und
Frankreich dürfe als ein neuer Beweis dafür gelten daß die beiderseitigen Regie-
rungen nicht bloß den Wunsch, sondern auch die Hoffnung hegen daß es mehr und
mehr gelingen werde auch die Beziehungen zwischen den beiden großen Nachbar-
staaten zu befestigen.

Der "Pesti Naplo" meldet: Graf Ludolf, bisheriger
Gesandter in Rio, ist zum Leiter der Botschaft in Konstantinopel ernannt worden.

(Ohne Quelle.) Graf Arnim hatte gestern nach
Ueberreichung seiner Beglaubigungsschreiben eine lange besondere Unterredung
mit Thiers. Man versichert daß dieselbe herzlich war, und daß unsere Beziehun-
gen zu Preußen so gut seien als es die Lage zuläßt.

Die Präfectur macht bekannt: die Hinzuzählung der
nicht mitgerechneten Stimmen der Militärpersonen habe das Wahlresultat dahin
abgeändert daß Deregnaucourt und Dupont (ersterer republicanisch, letzterer con-
servativ. D. R.) gewählt sind.

Prinzessin Margaretha ist von einem leichten Unwohl-
sein befallen, jedoch schon auf dem Wege der Besserung. Die Senatscommission,
welche mit der Prüfung der Beschwerde gegen den General Medici als Präfecten
Palermo's betraut war, beschloß: derselben sei keine Folge zu geben. Die Ergeb-
nisse der Recrutenaushebung in der Provinz Rom sind sehr zufriedenstellend.

Eröffnungscurse. Oesterr. Creditactien 346
Staatsbahn 4041/2, 1860er L. 92 1/8 , 1882er Amerikaner 96 3/8 , Lombarden 2181/4, Silber-
rente 65, Galizier 265, Spanier 321/4. Tendenz: fest.

Schlußcurse. Bayer. 5proc. Anl. v. 1870
1001/2, bayer. 41/2proc. Anl. 100 1/8 , 4proc. bayer. Präm.-Anl. 1133/4, 41/2proc. bayer.
Ostbahn 1491/2, neue Emission --, mit 40 Proc. Einz. 1281/4, Alsenzbahn 1253/4, bad.
Prämien-Anl. 1113/4, 1882er Amerikaner 961/4, Köln-Mindener-L. 99, österr. Silber-
rente 65, Papierreute 56, 1860er L. 921/2, 1864er L. --, Bankactien 856, Credit-
actien 3483/4, Lombarden 2181/4, Staatsbahn 4061/2 neue 203, Elisabeth 251, Franz-
Joseph Prior. 90, Rudolfsb. Prior. 81, Ungar. Ostbahn Prior. 77, span. 3proc. ausl.
Schuld 32 3/8 , Napoleons 9.181/2, Darmstädter Bank 4451/2, böhm. Westbahn 2711/2,
Nordwestbahn Prior. 901/2, Oregon 751/2. Wechsel: London 1173/4, Paris 91 5/8 , Wien
1013/4. Tendenz: Credit Hausse.

Nachbörse. Oesterr Creditactien 349, Staats-
bahn 4061/2, 1860er L. 921/2, 1882er Amerikaner 96, Lombarden 21[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]1/2, Silberrente 65,
Galizier 265, 3proc. Bankactien 856, span. ausl. Schuld 32 3/8 , neue Staatsbahn --,
ital.-deutsche B. 921/2, Brüsseler B. 1081/2. bayer. Handelsbank 121, Wechslerbank 1071/2,
Antwerpener 1111/2, deutsch-österr. Bank 115. Tendenz: Credithausse.

Schlußnotirungen. (Ergänzungsdepesche.) Staats-
bahn-Prior. 60, Lombarden-Prior. 493/4, Central-Pacific 901/4. 7procent. Chicago --,
5proc. Italiener 67 7/8 .

Abend-Effectensocietät. 1882er Amerikaner Bonds
96, österr. Silberrente 643/4, öst. 1860er L. 92 3/8 , Creditactien 348, Lombarden 2173/4,
Staatsbahnactien 4051/2, Galizische 2691/2, Elisabeth-Westbahn 2503/4, 3proc span. ausl.
Schuld 32, Ital-deutsche 93, Brüsseler 1081/2, Böhmen 2703/4. Tendenz: unbelebt.

Eröffnungscurse. 3proc. Consols 92, 1882er Amerikaner
92 1/8 , Türken 52, Spanier 32.

Schlußcurse. 3proc Consols 92, 1882er Amerikaner
92 1/8 , Türken 52, 3proc. Spanier 32.

Weitere telegraphische Curs- und Handelsberichte s. vierte Seite.


Zur Geschichte der katholischen Reformbestrebungen.
II. *)

* Blickt man in die Geschichte der Reformationsbestrebungen zurück, so sind
es nur selten hohe Würdenträger der Kirche welche dieselben begünstigten: fast immer
haben einfache Laien, arme und niedrige Geistliche, großentheils aus dem Mönchs-
stande, und Männer der Wissenschaft dieselben hervorgerufen und weiter geführt.
Es war entweder die Entrüstung des sittlich-religiösen Gewissens oder die klare
Erkenntniß der Unwahrheit und des Unrechts welche den Impuls zu diesen Unter-
nehmungen gaben. So ist es zur Zeit auch in Italien neben dem gelehrten Passa-
glia nur noch ein unscheinbarer Capuciner-Mönch welcher die Uebelstände in der
Kirche laut und nachdrücklich rügt, und die Forderung nach einer durchgreifenden
Reformation muthig erhebt. Paolo Panzani, mit seinem Klosternamen Fra An-
drea geheißen, sandte dem Münchener Congreß einen warmen Gruß, und ermahnte
ihn zur Ausdauer auf der eingeschlagenen Bahn. "Die deutsche Erhebung gegen
die vaticanischen Irrthümer," schrieb er uns, "ist eine um die katholische Kirche und
das Christenthum überhaupt hochverdiente That, welche es verhindert daß die gottlose
Meinung des Vaticans schon für eine erledigte Sache gilt, und welche den verkehr-
ten Decreten keine Herrschaft, nicht einmal die Präscription eines Tages gestattet.
Die Welt lacht über die Absurdität dieses Dogma's, und in Rom selbst lacht die
Masse des Volkes, lachen die Priester, Fratres, Pfarrer, Monsignori, Bischöfe und
Cardinäle darüber. Der Jesuitismus und die Curie wissen es, aber sie heucheln
die allgemeine Annahme. Solange bis nicht ein energischer und vereinter Protest
und ein Widerstand wie der des Münchener Congresses sich kundgibt, wird die Curie
sich rühmen daß ihre ketzerischen Dogmen feststehen. Ihr aber, deutsche Katholiken,
habt das Beispiel gegeben wie man gegen die hereinbrechende Häresie vorgehen
muß; möge es nicht unwirksam sein, und von allen welche die religiöse Idee aus
ihrem Herzen noch nicht getilgt haben nachgeahmt werden. Ein solch offener Wi-
derstand gegen die Beschlüsse des Papstes und der Bischöfe ist eine religiöse Pflicht,
und keineswegs ein kirchliches Schisma; denn sonst wären alle Propheten welche
gegen die Idololatrie in Jerusalem kämpften Schismatiker gewesen. Das Papstthum
ist gegenwärtig vacant! Und vacant sind die Stühle aller der Bischöfe welche der
vaticanischen Häresie anhängen, da Papst und Bischöfe wegen derselben ihre Würde
und jede Jurisdiction über die Gläubigen verloren haben.... Wenn der reli-
giöse Indifferentismus es nicht hinderte, wären Papst und Bischöfe längst ersetzt,
wie die thatkräftigen Armenier ihren bestechlichen Patriarchen ersetzt haben."

Paolo Panzani wurde in dem kleinen Landstrich Altagene, gelegen auf den
Bergen Corsica's, am 5 Mai 1820 geboren. Seinen Eltern fehlten alle Mittel
ihm einen tüchtigen Unterricht zu verschaffen, Kummer und Entbehrung begleiteten
ihn von Anfang seines Lebens bis jetzt. Mit 20 Jahren, nachdem er nur die Ele-
mentarkenntnisse des Lesens, Schreibens und Rechnens sich angeeignet hatte, kam
er nach Rom, nahm daselbst am 11 Jan. 1841 das Ordenskleid der Capuciner,
und erhielt den Namen Fra Andrea. Am 10 Mai 1842 wurde er ohne jede an-
dere wissenschaftliche Vorbildung zu dem Studium der Philosophie zugelassen und
am 23 Dec. 1843 zugleich mit einem ältern Bruder, welcher jetzt Pfarrer in Cor-
sica ist, zum Priester geweiht. Aus dem Mangel humanistischer Bildung erklärt
sich die Naturwüchsigkeit und der etwas derbe Charakter seines Styls und seiner
Argumentationen; doch hat er als Autodidakt die wissenschaftlichen Versäumnisse
seiner Jugend möglichst hereinzubringen gesucht. Erst i. J. 1846 kam Fra Andrea
zum Studium der Theologie, und nachdem er einen dreijährigen Cursus in dersel-
ben durchgemacht hatte, betrieb er zwei Jahre die kirchliche Beredsamkeit. Vom Jahr
1851 an verlegte er sich mit Eifer auf das Predigtamt, und wirkte in demselben
gegen 9 Jahre lang mit großem Erfolg. Aber in dieser Thätigkeit und durch die
Seelsorge lernte er mit Schrecken die tiefen moralischen Schäden und den Verfall
der christlichen Ueberzeugung unter dem Volke, welches ihm mit vollstem Vertrauen
entgegenkam, kennen, und konnte sich nicht verhehlen daß die Regierung der Kirche
und die Verwaltung der christlichen Lehre eine große Schuld daran trügen. So
sehr er sich auch anfangs gegen diese Ueberzeugung sträuben mochte, schließlich wurde
er doch von ihr übermannt, und war nun fortan entschlossen sie trotz aller Verfol-
gungen auszusprechen und standhaft zu behaupten. "Mit Schmerz," so schrieb er
jüngst an Pere Hyacinthe, "nahm ich wahr daß die Religion Christi viele Feinde
habe, ich verlegte mich daher mit Eifer auf das Studium um sie zu vertheidigen.
Indem ich aber über die Mittel zu dieser Vertheidigung nachdachte, wurde mir
offenbar daß die Feindschaft gegen die christliche Religion vielfach von der römi-
schen Prälatur und vor allem von der Curie verschuldet sei. Große Traurigkeit
bemächtigte sich meiner, welche in dem Grade wuchs als ich die Menge der Vor-
urtheile, die zahllosen Schwierigkeiten und das morsche, aber noch tief eingewur-
zelte System ins Auge faßte. Von einem allgemeinen Concil hoffte ich Rettung,
und flehte darum zu Gott um dasselbe. Der Schmerz nagte an meiner Gesund-
heit, ich hatte keinen Freund um mein Herz auszuschütten."

Die Anklage welche Fra Andrea gegen die Curie erhebt, ist von vielen edlen
Männern erhoben worden. "Ich bin wüthend," schreibt einmal Massimo d'Azeglio,
"daß ich sehe wie der katholische Glaube durch die Hände seiner Häupter nie-
dergerissen wird." In Rom und in Italien herrscht unter dem Namen der christ-
lichen Religion ein neues Heidenthum, und der Wirklichkeit gemäß berichtet Chauncy
Langdon, wenn er schreibt: "Der Romanismus hat nur noch einen Halt unter den
unwissendsten Classen; es ist derselbe Einfluß welchen die alten heidnischen Prie-
ster auf das niedrige Volk ausübten. Sie haben die Namen gewechselt, aber ich
kann keinen Unterschied im Princip und Erfolg zwischen dem mythologischen Aber-
glauben der modernen und dem der alten Italiener wahrnehmen."

Diese alles überwuchernde Mythologie, in Rom macht es deutschen Gemü-
thern schwer dort religiös ergriffen zu werden. Wo die erhabene und weihevolle
Würde der Kirchenhallen zu andächtiger Stimmung einladen könnte, hemmt
äußerlicher Pomp und die sich überall breit machende Superstition dieselbe. St.
Peter ist von einer überwältigenden Pracht, aber es ist nicht der Ort wo
man im Hause Gottes zu sein glaubt. Noch gedenke ich lebhaft des Un-
muths welchen ich mit meinem Reisegefährten empfand, als wir hier den einen
und andern Cardinal mit aller Ostentation dem Herrn einen Nachmittags-
besuch abstatten sahen, oder als wir gewahrten wie an der großen Zehe
der Petersstatue der eine Geistliche sich die Nase, der andere die Glatze rieb,
wahrscheinlich in der Meinung daß eine wunderbare Heilkraft davon ausgehe. --
Hier in St. Peter, in der Capelle della Pieta, befindet sich eine Säule, welche laut
ihrer Inschrift aus dem Tempel Salomons genommen sein, und woran sich Jesus
gestützt haben soll als er in demselben predigte. Die in der Apsis, gegenüber der
Hauptpforte angebrachte, von vier Kirchenlehrern getragene und von Engeln über-
schwebte Cathedra Petri soll die Kanzel sein auf welcher Petrus in Rom gepredigt
hat. In der Basilica Santa Croce hat man ein großes Stück Holz, einen Theil
des Kreuzes an dem Christus starb. Obgleich von demselben schon ganze Schiffs-
lasten weggenommen worden sind, wird es doch nicht kleiner. -- In Pietro
in vinooli
werden die Ketten gezeigt mit welchen Petrus in Jerusa-

*) S. "Allg. Zig." Nr. 6, Beil.

Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 11. Donnerſtag, 11 Januar 1872.


Correspondenzen ſind an die Redaction, Inſerate an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Insertionspreis nach aufliegendem Tarif.



Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen.



Ueberſicht.
Zur Geſchichte der katholiſchen Reformbeſtrebungen. (II. Fra Andrea d’Altagene,
ein Verfolgter unter Pius IX) — Pirkheimer und Scheurl.

Neueſte Poſten. München: Interpellation wegen der Amberger Vorgänge.
Rom: Sonſt und jetzt. Kutſcherſtrike. Quirinal. Kopenhagen: Zuſam-
mentritt des Reichstags.


Telegraphiſche Berichte.

Anläßlich der Ueberreichung der Beglaubigungsſchrei-
ben Gontaut-Birons und Arnims ſchreibt die „Provincialcorreſpondenz“: die
Wiederherſtellung des frühern diplomatiſchen Verkehrs zwiſchen Deutſchland und
Frankreich dürfe als ein neuer Beweis dafür gelten daß die beiderſeitigen Regie-
rungen nicht bloß den Wunſch, ſondern auch die Hoffnung hegen daß es mehr und
mehr gelingen werde auch die Beziehungen zwiſchen den beiden großen Nachbar-
ſtaaten zu befeſtigen.

Der „Peſti Naplo“ meldet: Graf Ludolf, bisheriger
Geſandter in Rio, iſt zum Leiter der Botſchaft in Konſtantinopel ernannt worden.

(Ohne Quelle.) Graf Arnim hatte geſtern nach
Ueberreichung ſeiner Beglaubigungsſchreiben eine lange beſondere Unterredung
mit Thiers. Man verſichert daß dieſelbe herzlich war, und daß unſere Beziehun-
gen zu Preußen ſo gut ſeien als es die Lage zuläßt.

Die Präfectur macht bekannt: die Hinzuzählung der
nicht mitgerechneten Stimmen der Militärperſonen habe das Wahlreſultat dahin
abgeändert daß Deregnaucourt und Dupont (erſterer republicaniſch, letzterer con-
ſervativ. D. R.) gewählt ſind.

Prinzeſſin Margaretha iſt von einem leichten Unwohl-
ſein befallen, jedoch ſchon auf dem Wege der Beſſerung. Die Senatscommiſſion,
welche mit der Prüfung der Beſchwerde gegen den General Medici als Präfecten
Palermo’s betraut war, beſchloß: derſelben ſei keine Folge zu geben. Die Ergeb-
niſſe der Recrutenaushebung in der Provinz Rom ſind ſehr zufriedenſtellend.

Eröffnungscurſe. Oeſterr. Creditactien 346
Staatsbahn 404½, 1860er L. 92⅛, 1882er Amerikaner 96⅜, Lombarden 218¼, Silber-
rente 65, Galizier 265, Spanier 32¼. Tendenz: feſt.

Schlußcurſe. Bayer. 5proc. Anl. v. 1870
100½, bayer. 4½proc. Anl. 100⅛, 4proc. bayer. Präm.-Anl. 113¾, 4½proc. bayer.
Oſtbahn 149½, neue Emiſſion —, mit 40 Proc. Einz. 128¼, Alſenzbahn 125¾, bad.
Prämien-Anl. 111¾, 1882er Amerikaner 96¼, Köln-Mindener-L. 99, öſterr. Silber-
rente 65, Papierreute 56, 1860er L. 92½, 1864er L. —, Bankactien 856, Credit-
actien 348¾, Lombarden 218¼, Staatsbahn 406½ neue 203, Eliſabeth 251, Franz-
Joſeph Prior. 90, Rudolfsb. Prior. 81, Ungar. Oſtbahn Prior. 77, ſpan. 3proc. ausl.
Schuld 32⅜, Napoleons 9.18½, Darmſtädter Bank 445½, böhm. Weſtbahn 271½,
Nordweſtbahn Prior. 90½, Oregon 75½. Wechſel: London 117¾, Paris 91⅝, Wien
101¾. Tendenz: Credit Hauſſe.

Nachbörſe. Oeſterr Creditactien 349, Staats-
bahn 406½, 1860er L. 92½, 1882er Amerikaner 96, Lombarden 21[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]½, Silberrente 65,
Galizier 265, 3proc. Bankactien 856, ſpan. ausl. Schuld 32⅜, neue Staatsbahn —,
ital.-deutſche B. 92½, Brüſſeler B. 108½. bayer. Handelsbank 121, Wechslerbank 107½,
Antwerpener 111½, deutſch-öſterr. Bank 115. Tendenz: Credithauſſe.

Schlußnotirungen. (Ergänzungsdepeſche.) Staats-
bahn-Prior. 60, Lombarden-Prior. 49¾, Central-Pacific 90¼. 7procent. Chicago —,
5proc. Italiener 67⅞.

Abend-Effectenſocietät. 1882er Amerikaner Bonds
96, öſterr. Silberrente 64¾, öſt. 1860er L. 92⅜, Creditactien 348, Lombarden 217¾,
Staatsbahnactien 405½, Galiziſche 269½, Eliſabeth-Weſtbahn 250¾, 3proc ſpan. ausl.
Schuld 32, Ital-deutſche 93, Brüſſeler 108½, Böhmen 270¾. Tendenz: unbelebt.

Eröffnungscurſe. 3proc. Conſols 92, 1882er Amerikaner
92⅛, Türken 52, Spanier 32.

Schlußcurſe. 3proc Conſols 92, 1882er Amerikaner
92⅛, Türken 52, 3proc. Spanier 32.

Weitere telegraphiſche Curs- und Handelsberichte ſ. vierte Seite.


Zur Geſchichte der katholiſchen Reformbeſtrebungen.
II. *)

* Blickt man in die Geſchichte der Reformationsbeſtrebungen zurück, ſo ſind
es nur ſelten hohe Würdenträger der Kirche welche dieſelben begünſtigten: faſt immer
haben einfache Laien, arme und niedrige Geiſtliche, großentheils aus dem Mönchs-
ſtande, und Männer der Wiſſenſchaft dieſelben hervorgerufen und weiter geführt.
Es war entweder die Entrüſtung des ſittlich-religiöſen Gewiſſens oder die klare
Erkenntniß der Unwahrheit und des Unrechts welche den Impuls zu dieſen Unter-
nehmungen gaben. So iſt es zur Zeit auch in Italien neben dem gelehrten Paſſa-
glia nur noch ein unſcheinbarer Capuciner-Mönch welcher die Uebelſtände in der
Kirche laut und nachdrücklich rügt, und die Forderung nach einer durchgreifenden
Reformation muthig erhebt. Paolo Panzani, mit ſeinem Kloſternamen Fra An-
drea geheißen, ſandte dem Münchener Congreß einen warmen Gruß, und ermahnte
ihn zur Ausdauer auf der eingeſchlagenen Bahn. „Die deutſche Erhebung gegen
die vaticaniſchen Irrthümer,“ ſchrieb er uns, „iſt eine um die katholiſche Kirche und
das Chriſtenthum überhaupt hochverdiente That, welche es verhindert daß die gottloſe
Meinung des Vaticans ſchon für eine erledigte Sache gilt, und welche den verkehr-
ten Decreten keine Herrſchaft, nicht einmal die Präſcription eines Tages geſtattet.
Die Welt lacht über die Abſurdität dieſes Dogma’s, und in Rom ſelbſt lacht die
Maſſe des Volkes, lachen die Prieſter, Fratres, Pfarrer, Monſignori, Biſchöfe und
Cardinäle darüber. Der Jeſuitismus und die Curie wiſſen es, aber ſie heucheln
die allgemeine Annahme. Solange bis nicht ein energiſcher und vereinter Proteſt
und ein Widerſtand wie der des Münchener Congreſſes ſich kundgibt, wird die Curie
ſich rühmen daß ihre ketzeriſchen Dogmen feſtſtehen. Ihr aber, deutſche Katholiken,
habt das Beiſpiel gegeben wie man gegen die hereinbrechende Häreſie vorgehen
muß; möge es nicht unwirkſam ſein, und von allen welche die religiöſe Idee aus
ihrem Herzen noch nicht getilgt haben nachgeahmt werden. Ein ſolch offener Wi-
derſtand gegen die Beſchlüſſe des Papſtes und der Biſchöfe iſt eine religiöſe Pflicht,
und keineswegs ein kirchliches Schisma; denn ſonſt wären alle Propheten welche
gegen die Idololatrie in Jeruſalem kämpften Schismatiker geweſen. Das Papſtthum
iſt gegenwärtig vacant! Und vacant ſind die Stühle aller der Biſchöfe welche der
vaticaniſchen Häreſie anhängen, da Papſt und Biſchöfe wegen derſelben ihre Würde
und jede Jurisdiction über die Gläubigen verloren haben.... Wenn der reli-
giöſe Indifferentismus es nicht hinderte, wären Papſt und Biſchöfe längſt erſetzt,
wie die thatkräftigen Armenier ihren beſtechlichen Patriarchen erſetzt haben.“

Paolo Panzani wurde in dem kleinen Landſtrich Altagene, gelegen auf den
Bergen Corſica’s, am 5 Mai 1820 geboren. Seinen Eltern fehlten alle Mittel
ihm einen tüchtigen Unterricht zu verſchaffen, Kummer und Entbehrung begleiteten
ihn von Anfang ſeines Lebens bis jetzt. Mit 20 Jahren, nachdem er nur die Ele-
mentarkenntniſſe des Leſens, Schreibens und Rechnens ſich angeeignet hatte, kam
er nach Rom, nahm daſelbſt am 11 Jan. 1841 das Ordenskleid der Capuciner,
und erhielt den Namen Fra Andrea. Am 10 Mai 1842 wurde er ohne jede an-
dere wiſſenſchaftliche Vorbildung zu dem Studium der Philoſophie zugelaſſen und
am 23 Dec. 1843 zugleich mit einem ältern Bruder, welcher jetzt Pfarrer in Cor-
ſica iſt, zum Prieſter geweiht. Aus dem Mangel humaniſtiſcher Bildung erklärt
ſich die Naturwüchſigkeit und der etwas derbe Charakter ſeines Styls und ſeiner
Argumentationen; doch hat er als Autodidakt die wiſſenſchaftlichen Verſäumniſſe
ſeiner Jugend möglichſt hereinzubringen geſucht. Erſt i. J. 1846 kam Fra Andrea
zum Studium der Theologie, und nachdem er einen dreijährigen Curſus in derſel-
ben durchgemacht hatte, betrieb er zwei Jahre die kirchliche Beredſamkeit. Vom Jahr
1851 an verlegte er ſich mit Eifer auf das Predigtamt, und wirkte in demſelben
gegen 9 Jahre lang mit großem Erfolg. Aber in dieſer Thätigkeit und durch die
Seelſorge lernte er mit Schrecken die tiefen moraliſchen Schäden und den Verfall
der chriſtlichen Ueberzeugung unter dem Volke, welches ihm mit vollſtem Vertrauen
entgegenkam, kennen, und konnte ſich nicht verhehlen daß die Regierung der Kirche
und die Verwaltung der chriſtlichen Lehre eine große Schuld daran trügen. So
ſehr er ſich auch anfangs gegen dieſe Ueberzeugung ſträuben mochte, ſchließlich wurde
er doch von ihr übermannt, und war nun fortan entſchloſſen ſie trotz aller Verfol-
gungen auszuſprechen und ſtandhaft zu behaupten. „Mit Schmerz,“ ſo ſchrieb er
jüngſt an Père Hyacinthe, „nahm ich wahr daß die Religion Chriſti viele Feinde
habe, ich verlegte mich daher mit Eifer auf das Studium um ſie zu vertheidigen.
Indem ich aber über die Mittel zu dieſer Vertheidigung nachdachte, wurde mir
offenbar daß die Feindſchaft gegen die chriſtliche Religion vielfach von der römi-
ſchen Prälatur und vor allem von der Curie verſchuldet ſei. Große Traurigkeit
bemächtigte ſich meiner, welche in dem Grade wuchs als ich die Menge der Vor-
urtheile, die zahlloſen Schwierigkeiten und das morſche, aber noch tief eingewur-
zelte Syſtem ins Auge faßte. Von einem allgemeinen Concil hoffte ich Rettung,
und flehte darum zu Gott um dasſelbe. Der Schmerz nagte an meiner Geſund-
heit, ich hatte keinen Freund um mein Herz auszuſchütten.“

Die Anklage welche Fra Andrea gegen die Curie erhebt, iſt von vielen edlen
Männern erhoben worden. „Ich bin wüthend,“ ſchreibt einmal Maſſimo d’Azeglio,
„daß ich ſehe wie der katholiſche Glaube durch die Hände ſeiner Häupter nie-
dergeriſſen wird.“ In Rom und in Italien herrſcht unter dem Namen der chriſt-
lichen Religion ein neues Heidenthum, und der Wirklichkeit gemäß berichtet Chauncy
Langdon, wenn er ſchreibt: „Der Romanismus hat nur noch einen Halt unter den
unwiſſendſten Claſſen; es iſt derſelbe Einfluß welchen die alten heidniſchen Prie-
ſter auf das niedrige Volk ausübten. Sie haben die Namen gewechſelt, aber ich
kann keinen Unterſchied im Princip und Erfolg zwiſchen dem mythologiſchen Aber-
glauben der modernen und dem der alten Italiener wahrnehmen.“

Dieſe alles überwuchernde Mythologie, in Rom macht es deutſchen Gemü-
thern ſchwer dort religiös ergriffen zu werden. Wo die erhabene und weihevolle
Würde der Kirchenhallen zu andächtiger Stimmung einladen könnte, hemmt
äußerlicher Pomp und die ſich überall breit machende Superſtition dieſelbe. St.
Peter iſt von einer überwältigenden Pracht, aber es iſt nicht der Ort wo
man im Hauſe Gottes zu ſein glaubt. Noch gedenke ich lebhaft des Un-
muths welchen ich mit meinem Reiſegefährten empfand, als wir hier den einen
und andern Cardinal mit aller Oſtentation dem Herrn einen Nachmittags-
beſuch abſtatten ſahen, oder als wir gewahrten wie an der großen Zehe
der Petersſtatue der eine Geiſtliche ſich die Naſe, der andere die Glatze rieb,
wahrſcheinlich in der Meinung daß eine wunderbare Heilkraft davon ausgehe. —
Hier in St. Peter, in der Capelle della Pietà, befindet ſich eine Säule, welche laut
ihrer Inſchrift aus dem Tempel Salomons genommen ſein, und woran ſich Jeſus
geſtützt haben ſoll als er in demſelben predigte. Die in der Apſis, gegenüber der
Hauptpforte angebrachte, von vier Kirchenlehrern getragene und von Engeln über-
ſchwebte Cathedra Petri ſoll die Kanzel ſein auf welcher Petrus in Rom gepredigt
hat. In der Baſilica Santa Croce hat man ein großes Stück Holz, einen Theil
des Kreuzes an dem Chriſtus ſtarb. Obgleich von demſelben ſchon ganze Schiffs-
laſten weggenommen worden ſind, wird es doch nicht kleiner. — In Pietro
in vinooli
werden die Ketten gezeigt mit welchen Petrus in Jeruſa-

*) S. „Allg. Zig.“ Nr. 6, Beil.
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Meinung des Vaticans &#x017F;chon für eine erledigte Sache gilt, und welche den verkehr-<lb/>
ten Decreten keine Herr&#x017F;chaft, nicht einmal die Prä&#x017F;cription <hi rendition="#g">eines</hi> Tages ge&#x017F;tattet.<lb/>
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Cardinäle darüber. Der Je&#x017F;uitismus und die Curie wi&#x017F;&#x017F;en es, aber &#x017F;ie heucheln<lb/>
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&#x017F;ich rühmen daß ihre ketzeri&#x017F;chen Dogmen fe&#x017F;t&#x017F;tehen. Ihr aber, deut&#x017F;che Katholiken,<lb/>
habt das Bei&#x017F;piel gegeben wie man gegen die hereinbrechende Häre&#x017F;ie vorgehen<lb/>
muß; möge es nicht unwirk&#x017F;am &#x017F;ein, und von allen welche die religiö&#x017F;e Idee aus<lb/>
ihrem Herzen noch nicht getilgt haben nachgeahmt werden. Ein &#x017F;olch offener Wi-<lb/>
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und keineswegs ein kirchliches Schisma; denn &#x017F;on&#x017F;t wären alle Propheten welche<lb/>
gegen die Idololatrie in Jeru&#x017F;alem kämpften Schismatiker gewe&#x017F;en. Das Pap&#x017F;tthum<lb/>
i&#x017F;t gegenwärtig vacant! Und vacant &#x017F;ind die Stühle aller der Bi&#x017F;chöfe welche der<lb/>
vaticani&#x017F;chen Häre&#x017F;ie anhängen, da Pap&#x017F;t und Bi&#x017F;chöfe wegen der&#x017F;elben ihre Würde<lb/>
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                  <p>Paolo Panzani wurde in dem kleinen Land&#x017F;trich Altagene, gelegen auf den<lb/>
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er nach Rom, nahm da&#x017F;elb&#x017F;t am 11 Jan. 1841 das Ordenskleid der Capuciner,<lb/>
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&#x017F;ich die Naturwüch&#x017F;igkeit und der etwas derbe Charakter &#x017F;eines Styls und &#x017F;einer<lb/>
Argumentationen; doch hat er als Autodidakt die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Ver&#x017F;äumni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
&#x017F;einer Jugend möglich&#x017F;t hereinzubringen ge&#x017F;ucht. Er&#x017F;t i. J. 1846 kam Fra Andrea<lb/>
zum Studium der Theologie, und nachdem er einen dreijährigen Cur&#x017F;us in der&#x017F;el-<lb/>
ben durchgemacht hatte, betrieb er zwei Jahre die kirchliche Bered&#x017F;amkeit. Vom Jahr<lb/>
1851 an verlegte er &#x017F;ich mit Eifer auf das Predigtamt, und wirkte in dem&#x017F;elben<lb/>
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Seel&#x017F;orge lernte er mit Schrecken die tiefen morali&#x017F;chen Schäden und den Verfall<lb/>
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&#x017F;ehr er &#x017F;ich auch anfangs gegen die&#x017F;e Ueberzeugung &#x017F;träuben mochte, &#x017F;chließlich wurde<lb/>
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&#x017F;ter auf das niedrige Volk ausübten. Sie haben die Namen gewech&#x017F;elt, aber ich<lb/>
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[0009] Beilage zur Allgemeinen Zeitung. Nr. 11. Donnerſtag, 11 Januar 1872. Correspondenzen ſind an die Redaction, Inſerate an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Insertionspreis nach aufliegendem Tarif. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen. Ueberſicht. Zur Geſchichte der katholiſchen Reformbeſtrebungen. (II. Fra Andrea d’Altagene, ein Verfolgter unter Pius IX) — Pirkheimer und Scheurl. Neueſte Poſten. München: Interpellation wegen der Amberger Vorgänge. Rom: Sonſt und jetzt. Kutſcherſtrike. Quirinal. Kopenhagen: Zuſam- mentritt des Reichstags. Telegraphiſche Berichte. * Berlin, 10 Jan. Anläßlich der Ueberreichung der Beglaubigungsſchrei- ben Gontaut-Birons und Arnims ſchreibt die „Provincialcorreſpondenz“: die Wiederherſtellung des frühern diplomatiſchen Verkehrs zwiſchen Deutſchland und Frankreich dürfe als ein neuer Beweis dafür gelten daß die beiderſeitigen Regie- rungen nicht bloß den Wunſch, ſondern auch die Hoffnung hegen daß es mehr und mehr gelingen werde auch die Beziehungen zwiſchen den beiden großen Nachbar- ſtaaten zu befeſtigen. * Peſt, 10 Jan. Der „Peſti Naplo“ meldet: Graf Ludolf, bisheriger Geſandter in Rio, iſt zum Leiter der Botſchaft in Konſtantinopel ernannt worden. (*) Verſailles, 10 Jan. (Ohne Quelle.) Graf Arnim hatte geſtern nach Ueberreichung ſeiner Beglaubigungsſchreiben eine lange beſondere Unterredung mit Thiers. Man verſichert daß dieſelbe herzlich war, und daß unſere Beziehun- gen zu Preußen ſo gut ſeien als es die Lage zuläßt. * Lille, 10 Jan. Die Präfectur macht bekannt: die Hinzuzählung der nicht mitgerechneten Stimmen der Militärperſonen habe das Wahlreſultat dahin abgeändert daß Deregnaucourt und Dupont (erſterer republicaniſch, letzterer con- ſervativ. D. R.) gewählt ſind. * Rom, 10 Jan. Prinzeſſin Margaretha iſt von einem leichten Unwohl- ſein befallen, jedoch ſchon auf dem Wege der Beſſerung. Die Senatscommiſſion, welche mit der Prüfung der Beſchwerde gegen den General Medici als Präfecten Palermo’s betraut war, beſchloß: derſelben ſei keine Folge zu geben. Die Ergeb- niſſe der Recrutenaushebung in der Provinz Rom ſind ſehr zufriedenſtellend. * Frankfurt a. M., 10 Jan. Eröffnungscurſe. Oeſterr. Creditactien 346 Staatsbahn 404½, 1860er L. 92⅛, 1882er Amerikaner 96⅜, Lombarden 218¼, Silber- rente 65[FORMEL], Galizier 265, Spanier 32¼. Tendenz: feſt. (*) Frankfurt a. M., 10 Jan. Schlußcurſe. Bayer. 5proc. Anl. v. 1870 100½, bayer. 4½proc. Anl. 100⅛, 4proc. bayer. Präm.-Anl. 113¾, 4½proc. bayer. Oſtbahn 149½, neue Emiſſion —, mit 40 Proc. Einz. 128¼, Alſenzbahn 125¾, bad. Prämien-Anl. 111¾, 1882er Amerikaner 96¼, Köln-Mindener-L. 99, öſterr. Silber- rente 65, Papierreute 56, 1860er L. 92½, 1864er L. —, Bankactien 856, Credit- actien 348¾, Lombarden 218¼, Staatsbahn 406½ neue 203, Eliſabeth 251, Franz- Joſeph Prior. 90, Rudolfsb. Prior. 81, Ungar. Oſtbahn Prior. 77, ſpan. 3proc. ausl. Schuld 32⅜, Napoleons 9.18½, Darmſtädter Bank 445½, böhm. Weſtbahn 271½, Nordweſtbahn Prior. 90½, Oregon 75½. Wechſel: London 117¾, Paris 91⅝, Wien 101¾. Tendenz: Credit Hauſſe. (*) Frankfurt a. M., 10 Jan. Nachbörſe. Oeſterr Creditactien 349, Staats- bahn 406½, 1860er L. 92½, 1882er Amerikaner 96[FORMEL], Lombarden 21_½, Silberrente 65, Galizier 265, 3proc. Bankactien 856, ſpan. ausl. Schuld 32⅜, neue Staatsbahn —, ital.-deutſche B. 92½, Brüſſeler B. 108½. bayer. Handelsbank 121, Wechslerbank 107½, Antwerpener 111½, deutſch-öſterr. Bank 115. Tendenz: Credithauſſe. * Frankfurt a. M., 10 Jan. Schlußnotirungen. (Ergänzungsdepeſche.) Staats- bahn-Prior. 60, Lombarden-Prior. 49¾, Central-Pacific 90¼. 7procent. Chicago —, 5proc. Italiener 67⅞. * Frankfurt a. M., 10 Jan. Abend-Effectenſocietät. 1882er Amerikaner Bonds 96[FORMEL], öſterr. Silberrente 64¾, öſt. 1860er L. 92⅜, Creditactien 348, Lombarden 217¾, Staatsbahnactien 405½, Galiziſche 269½, Eliſabeth-Weſtbahn 250¾, 3proc ſpan. ausl. Schuld 32[FORMEL], Ital-deutſche 93, Brüſſeler 108½, Böhmen 270¾. Tendenz: unbelebt. * London, 10 Jan. Eröffnungscurſe. 3proc. Conſols 92[FORMEL], 1882er Amerikaner 92⅛, Türken 52[FORMEL], Spanier 32[FORMEL]. * London, 9 Jan. Schlußcurſe. 3proc Conſols 92[FORMEL], 1882er Amerikaner 92⅛, Türken 52[FORMEL], 3proc. Spanier 32[FORMEL]. Weitere telegraphiſche Curs- und Handelsberichte ſ. vierte Seite. Zur Geſchichte der katholiſchen Reformbeſtrebungen. II. *) Fra Andrea d’Altagene, ein Verfolgter unter Pius IX. * Blickt man in die Geſchichte der Reformationsbeſtrebungen zurück, ſo ſind es nur ſelten hohe Würdenträger der Kirche welche dieſelben begünſtigten: faſt immer haben einfache Laien, arme und niedrige Geiſtliche, großentheils aus dem Mönchs- ſtande, und Männer der Wiſſenſchaft dieſelben hervorgerufen und weiter geführt. Es war entweder die Entrüſtung des ſittlich-religiöſen Gewiſſens oder die klare Erkenntniß der Unwahrheit und des Unrechts welche den Impuls zu dieſen Unter- nehmungen gaben. So iſt es zur Zeit auch in Italien neben dem gelehrten Paſſa- glia nur noch ein unſcheinbarer Capuciner-Mönch welcher die Uebelſtände in der Kirche laut und nachdrücklich rügt, und die Forderung nach einer durchgreifenden Reformation muthig erhebt. Paolo Panzani, mit ſeinem Kloſternamen Fra An- drea geheißen, ſandte dem Münchener Congreß einen warmen Gruß, und ermahnte ihn zur Ausdauer auf der eingeſchlagenen Bahn. „Die deutſche Erhebung gegen die vaticaniſchen Irrthümer,“ ſchrieb er uns, „iſt eine um die katholiſche Kirche und das Chriſtenthum überhaupt hochverdiente That, welche es verhindert daß die gottloſe Meinung des Vaticans ſchon für eine erledigte Sache gilt, und welche den verkehr- ten Decreten keine Herrſchaft, nicht einmal die Präſcription eines Tages geſtattet. Die Welt lacht über die Abſurdität dieſes Dogma’s, und in Rom ſelbſt lacht die Maſſe des Volkes, lachen die Prieſter, Fratres, Pfarrer, Monſignori, Biſchöfe und Cardinäle darüber. Der Jeſuitismus und die Curie wiſſen es, aber ſie heucheln die allgemeine Annahme. Solange bis nicht ein energiſcher und vereinter Proteſt und ein Widerſtand wie der des Münchener Congreſſes ſich kundgibt, wird die Curie ſich rühmen daß ihre ketzeriſchen Dogmen feſtſtehen. Ihr aber, deutſche Katholiken, habt das Beiſpiel gegeben wie man gegen die hereinbrechende Häreſie vorgehen muß; möge es nicht unwirkſam ſein, und von allen welche die religiöſe Idee aus ihrem Herzen noch nicht getilgt haben nachgeahmt werden. Ein ſolch offener Wi- derſtand gegen die Beſchlüſſe des Papſtes und der Biſchöfe iſt eine religiöſe Pflicht, und keineswegs ein kirchliches Schisma; denn ſonſt wären alle Propheten welche gegen die Idololatrie in Jeruſalem kämpften Schismatiker geweſen. Das Papſtthum iſt gegenwärtig vacant! Und vacant ſind die Stühle aller der Biſchöfe welche der vaticaniſchen Häreſie anhängen, da Papſt und Biſchöfe wegen derſelben ihre Würde und jede Jurisdiction über die Gläubigen verloren haben.... Wenn der reli- giöſe Indifferentismus es nicht hinderte, wären Papſt und Biſchöfe längſt erſetzt, wie die thatkräftigen Armenier ihren beſtechlichen Patriarchen erſetzt haben.“ Paolo Panzani wurde in dem kleinen Landſtrich Altagene, gelegen auf den Bergen Corſica’s, am 5 Mai 1820 geboren. Seinen Eltern fehlten alle Mittel ihm einen tüchtigen Unterricht zu verſchaffen, Kummer und Entbehrung begleiteten ihn von Anfang ſeines Lebens bis jetzt. Mit 20 Jahren, nachdem er nur die Ele- mentarkenntniſſe des Leſens, Schreibens und Rechnens ſich angeeignet hatte, kam er nach Rom, nahm daſelbſt am 11 Jan. 1841 das Ordenskleid der Capuciner, und erhielt den Namen Fra Andrea. Am 10 Mai 1842 wurde er ohne jede an- dere wiſſenſchaftliche Vorbildung zu dem Studium der Philoſophie zugelaſſen und am 23 Dec. 1843 zugleich mit einem ältern Bruder, welcher jetzt Pfarrer in Cor- ſica iſt, zum Prieſter geweiht. Aus dem Mangel humaniſtiſcher Bildung erklärt ſich die Naturwüchſigkeit und der etwas derbe Charakter ſeines Styls und ſeiner Argumentationen; doch hat er als Autodidakt die wiſſenſchaftlichen Verſäumniſſe ſeiner Jugend möglichſt hereinzubringen geſucht. Erſt i. J. 1846 kam Fra Andrea zum Studium der Theologie, und nachdem er einen dreijährigen Curſus in derſel- ben durchgemacht hatte, betrieb er zwei Jahre die kirchliche Beredſamkeit. Vom Jahr 1851 an verlegte er ſich mit Eifer auf das Predigtamt, und wirkte in demſelben gegen 9 Jahre lang mit großem Erfolg. Aber in dieſer Thätigkeit und durch die Seelſorge lernte er mit Schrecken die tiefen moraliſchen Schäden und den Verfall der chriſtlichen Ueberzeugung unter dem Volke, welches ihm mit vollſtem Vertrauen entgegenkam, kennen, und konnte ſich nicht verhehlen daß die Regierung der Kirche und die Verwaltung der chriſtlichen Lehre eine große Schuld daran trügen. So ſehr er ſich auch anfangs gegen dieſe Ueberzeugung ſträuben mochte, ſchließlich wurde er doch von ihr übermannt, und war nun fortan entſchloſſen ſie trotz aller Verfol- gungen auszuſprechen und ſtandhaft zu behaupten. „Mit Schmerz,“ ſo ſchrieb er jüngſt an Père Hyacinthe, „nahm ich wahr daß die Religion Chriſti viele Feinde habe, ich verlegte mich daher mit Eifer auf das Studium um ſie zu vertheidigen. Indem ich aber über die Mittel zu dieſer Vertheidigung nachdachte, wurde mir offenbar daß die Feindſchaft gegen die chriſtliche Religion vielfach von der römi- ſchen Prälatur und vor allem von der Curie verſchuldet ſei. Große Traurigkeit bemächtigte ſich meiner, welche in dem Grade wuchs als ich die Menge der Vor- urtheile, die zahlloſen Schwierigkeiten und das morſche, aber noch tief eingewur- zelte Syſtem ins Auge faßte. Von einem allgemeinen Concil hoffte ich Rettung, und flehte darum zu Gott um dasſelbe. Der Schmerz nagte an meiner Geſund- heit, ich hatte keinen Freund um mein Herz auszuſchütten.“ Die Anklage welche Fra Andrea gegen die Curie erhebt, iſt von vielen edlen Männern erhoben worden. „Ich bin wüthend,“ ſchreibt einmal Maſſimo d’Azeglio, „daß ich ſehe wie der katholiſche Glaube durch die Hände ſeiner Häupter nie- dergeriſſen wird.“ In Rom und in Italien herrſcht unter dem Namen der chriſt- lichen Religion ein neues Heidenthum, und der Wirklichkeit gemäß berichtet Chauncy Langdon, wenn er ſchreibt: „Der Romanismus hat nur noch einen Halt unter den unwiſſendſten Claſſen; es iſt derſelbe Einfluß welchen die alten heidniſchen Prie- ſter auf das niedrige Volk ausübten. Sie haben die Namen gewechſelt, aber ich kann keinen Unterſchied im Princip und Erfolg zwiſchen dem mythologiſchen Aber- glauben der modernen und dem der alten Italiener wahrnehmen.“ Dieſe alles überwuchernde Mythologie, in Rom macht es deutſchen Gemü- thern ſchwer dort religiös ergriffen zu werden. Wo die erhabene und weihevolle Würde der Kirchenhallen zu andächtiger Stimmung einladen könnte, hemmt äußerlicher Pomp und die ſich überall breit machende Superſtition dieſelbe. St. Peter iſt von einer überwältigenden Pracht, aber es iſt nicht der Ort wo man im Hauſe Gottes zu ſein glaubt. Noch gedenke ich lebhaft des Un- muths welchen ich mit meinem Reiſegefährten empfand, als wir hier den einen und andern Cardinal mit aller Oſtentation dem Herrn einen Nachmittags- beſuch abſtatten ſahen, oder als wir gewahrten wie an der großen Zehe der Petersſtatue der eine Geiſtliche ſich die Naſe, der andere die Glatze rieb, wahrſcheinlich in der Meinung daß eine wunderbare Heilkraft davon ausgehe. — Hier in St. Peter, in der Capelle della Pietà, befindet ſich eine Säule, welche laut ihrer Inſchrift aus dem Tempel Salomons genommen ſein, und woran ſich Jeſus geſtützt haben ſoll als er in demſelben predigte. Die in der Apſis, gegenüber der Hauptpforte angebrachte, von vier Kirchenlehrern getragene und von Engeln über- ſchwebte Cathedra Petri ſoll die Kanzel ſein auf welcher Petrus in Rom gepredigt hat. In der Baſilica Santa Croce hat man ein großes Stück Holz, einen Theil des Kreuzes an dem Chriſtus ſtarb. Obgleich von demſelben ſchon ganze Schiffs- laſten weggenommen worden ſind, wird es doch nicht kleiner. — In Pietro in vinooli werden die Ketten gezeigt mit welchen Petrus in Jeruſa- *) S. „Allg. Zig.“ Nr. 6, Beil.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 11. Januar 1872, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine11_1872/9>, abgerufen am 21.11.2024.