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Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 12. Januar 1924.

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Allgemeine Zeitung. Nr. 11 Samstag, den 12. Januar 1924.
[Spaltenumbruch]

auch den Umfang ihrer Arbeit ver-
mindert
. Diese Forderung ist freilich auch
aus ganz anderen Gesichtspunkten begrün-
det, und ihre Erfüllung stellt eine Notwen-
digkeit dar, der genügt werden muß, wenn
das Parlament selbst auf der gebotenen
Höhe bleiben oder sie, nachdem es leider
längst von ihr herabgestiegen ist, wieder er-
ringen soll. Die Tätigkeit der deutschen par-
lamentarischen Körperschaften hat zeitlich
und sachlich an Umfang stets zugenommen,
das Ansehen und Interesse ebenso stetig
abgenommen. Hier kann nur durch eine
schärfere Konzentration der Arbeitsmethode
geholfen werden, die es mit sich bringen
würde, das Plenum von geringfügigeren
Angelegenheiten zu entlasten und nur noch
mit wirklich grundlegenden Fragen zu be-
fassen, die anderen in die Ausschüsse zu
verweisen und hierdurch sowie durch eine
Kontingentierung der Beratungen, insbeson-
dere über den Etat, eine Beschränkung der
Einbringung von Interpellationen und klei-
nen Anfragen und endlich eine zweckmäßi-
gere Gruppierung der Zusammenkünfte die
regelmäßige Tätigkeit auf eine kürzere,
möglichst vorher festgelegte Zeit im Jahre
zu begrenzen.

Wie hier der erste tatkräftige Schritt
nicht vom Reich, sondern von den Ländern
ausgegangen ist, so ist es auch bei einer an-
deren Frage der Parlamentsgestaltung der
Fall gewesen. Die Verfassungen von Olden-
burg, Anhalt und Lippe haben nämlich die
Inkompatibilität der Stellung
des Ministers und des Abgeord-
neten
ausgesprochen. Minister, die ein
Landtagsmandat erlangen oder inne haben,
scheiden für die Dauer ihrer Ministeramts-
führung aus dem Landtag dergestalt aus,
daß für diese Zeit die auf der Liste verzeich-
neten nachfolgenden Anwärter an ihre
Stelle treten. Das ist ein durchaus gefunder
Gedanke, der sich in der Praxis sehr be-
währt hat. Er liegt sowohl im Interesse des
Ansehens der Minister wie der Arbeits-
leistung des Parlaments wie endlich der
Vertretung der Wahlkreise und sollte auch
für den Reichstag und die übrigen Länder
ernstlich in Erwägung gezogen werden.

Alle diese Betrachtungen führen freilich
ganz von sebst einen Schritt weiter, nämlich
zu der Erwägung, ob nicht das Wahl-
recht
als solches dringend einer Aenderung
bedarf. Auch wenn man an der verfassungs-
mäßig festgelegten Verhältniswahl trotz der
Mängel, die auch ihr unzweifelhaft anhaf-
ten, nicht rütteln will, so wird man doch
sehr zu überlegen haben, ob man nicht bei
ihrer Durchführung zu den Einzelwahl-
kreisen
zurückkehren sollte. Möglich ist
es, und wünschenswert erscheint es allen
denjenigen, die auf eine engere Fühlung-
nahme zwischen dem Abgeordneten und
seinen Wählern einen entscheidenden Wert
legen. Die Listenwahl hat sich auch für die
Zusammensetzung des Parlaments nichts
weniger als förderlich erwiesen. Ob freilich
dieser Reichstag kurz vor der natürlichen
oder unnatürlichen Beendigung seiner Wir-
kungsdauer noch die Kraft fühlen wird,
einen so entscheidenden Schritt zu tun, er-
scheint mindestens zweifelhaft.

[Spaltenumbruch]
Befriedigende Reichs-Einnah-
men im ersten Januardrittel.

Die Reichsein-
nahmen
aus der ersten Januardekade sind so
befriedigend eingegangen, daß die Reichs-
ausgaben für die nächste Zeit gedeckt sind. Die
Befürchtung, daß ohne die dritte Steuernotver-
ordnung ein Zusammenbruch der Reichsfinanzen
eintreten würde, hat sich also glücklicherweise
nicht bestätigt.

Die Verhandlungen über den Finanzaus-
gleich zwischen Reich und Ländern

wird sich noch einige Zeit hinziehen, da der
Komplex der zur Beratung stehenden Fragen
sich immer mehr erweitert hat.

Der Beamten-Abbau.

Reichsverkehrsminister Oeser hat den Dienst-
stellen folgendes Rundschreiben übermittelt:

"Um Härten zu vermeiden, hat der Reichs-
minister der Finanzen sich damit einverstanden
erklärt, daß die bei der Reichswehr ge-
leistete Dienstzeit
bei Bemessung der
Abfindungssumme für entlassene Beamte berück-
sichtigt werden darf. Die vor dem Krieg im
alten Heere zurückgelegte Dienstzeit muß jedoch
außer Betracht bleiben. Es wurde mir mitge-
teilt, daß von einzelnen Reichsbankdirektionen
bei Entlassung von Eisenbahnbediensteten an-
läßlich der Durchführung des Personalabbaues
in den Entlassungsschreiben als Grund der
Entlassung ungenügende Leistung

angeführt werden. Um den Bediensteten das
Fortkommen nicht zu erschweren, ersuche ich,
von einer derartigen Begründung
in den Entlassungsschreiben abzusehen und
sich mit dem Hinweis auf Artikel 8, § 2 der
Personalabbauverordnung zu begnügen."

Die Gewerkschaften gegen den Ausnahme-
zustand.

Der Gewerkschaftsring
deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamten-
verbände hat gestern einen einstimmigen Vor-
standsbeschluß gefaßt, der die unverzügliche
Aufhebung des militärischen und zivilen
Ausnahmezustandes verlangt. Dieser Beschluß
ist dem Reichskanzler in Gestalt einer eingehend
begründeten Eingabe heute überreicht worden.

Diese Gruppe der Gewerkschaften steht in der
Arbeitnehmerbewegung in der Mitte und ihre
Stellungnahme erscheint daher besonders be-
merkenswert.

Notgeld bedarf der Genehmigung des Reiches.

(Eigenber, der "Allg.
Ztg.") Der Reichsfinanzminister hat
heute an die Regierungen der Länder ein Schrei-
ben gerichtet, worin er erklärt, daß jede Bege-
bung von Scheinen, die als Zahlungsmittel die-
nen könnten, seiner Genehmigung als
Notgeld
bedürfe. Wenn die Länder auch in
der Begebung von Anleihen selbständig seien,
so könne er die Genehmigung nicht erteilen,
wenn mit der Ausgabe Inflationsgefahr
verbunden sei. Die Ausgabe von Schatzanweisun-
gen in kleinen Stücken, die auf Rentenmark
lauten, könne genehmigt werden.

Wiederwahl Casparis zum Stadtverordneten-
Vorsteher von Berlin

Von der Stadtverord-
netenversammlung wurde der bisherige Vorsteher
Caspari (D. Vp.), in der Stichwahl gegen den
sozialdemokratischen Kandidaten mit 100 von
184 gültigen Stimmen wiedergewählt. Der so-
zialdemokratische Kandidat, für den auch die
Kommunisten stimmten, erhielt 94 Stimmen, 17
Zettel waren unbeschrieben.

Friede im Buchdruck- und Zeitungsgewerbe

Die Tarifstreitigkeiten
im deutschen Buchdrucker- und Zeitungsgewerbe
sind heute durch eine Vereinbarung beige-
legt worden. Die wochentarifliche Arbeitszeit be-
trägt 48 Stunden, die auf Anordnung des Ar-
beitgebers bis 53 Stunden, bei Maschinensetzern
bis 51 Stunden verlängert werden kann. Für die
[Spaltenumbruch] Zeit vom 1. Januar bis 1. Februar bleibt es
bei der bisher gültigen Lohnregelung. Die Vor-
stände der Arbeitgeber-Organisation haben sich
bereit erklärt, ihre Mitglieder anzuweisen, die
zum Zwecke der Aussperrung ausgesprochenen
Kündigungen sofort zurückzunehmen.

Die Bluttat in Speyer.

Gestern ist noch eine
der von den Schüssen im "Wittelsbacher Hof"
getroffenen Personen ihren Verletzungen erle-
gen, sodaß sich die Zahl der Toten auf
sech&sr
; erhöht.

Als Sanktion für die Bluttat auf Heinz-
Orbis hat die sogenannte autonome Regierung
die Nachtverkehrssperre von 6 Uhr
abends bis 7 Uhr morgens über die Stadt ver-
hängt.


Die Vertreter der
pfälzischen Städte und der pfälzischen Wirt-
schaftsverbände
sprachen gestern bei Ge-
neral de Metz ihr Bedauern über die Bluttat
aus, erhoben aber gleichzeitig Protest gegen
die sogenannte autonome Regie-
rung
und teilten dem General mit, daß sie heute
in Koblenz bei der Rheinlandskommission ihren
Einspruch wiederholen würden.

Weitere Einzelheiten vom Tatort: An der
Längswand des Saales befanden sich eine Reihe
von Kugelspuren. Eine weitere Kugelspur ist am
Boden sichtbar. Daraus läßt sich feststellen, daß
etwa 15 Schüsse im Saale abgegeben wurden.
Als die Täter verschwunden waren und die Ver-
wirrung sich gelegt hatte, erschien ein Herr aus
der Umgebung von Heinz-Orbis, Schmitz-
Epper
und nahm sofort die Untersuchung
auf. Die Untersuchung ergab zunächst noch keine
Anhaltspunkte. Man fand lediglich Revolver
neuesten Systems vor, die von den flüchtigen
Tätern weggeworfen worden waren. Die Täter
selbst entkamen offenbar zu Fuß. Die Leiche von
Heinz Orbis blieb noch längere Zeit im Saale.
Später wurde sie im Regierungsgebäude auf-
gebahrt. Ueber die Beerdigung selbst ist noch
nichts bekannt.


Die katholischen Dekane als
die berufenen Vertreter der katholi-
schen Gesamtgeistlichkeit der Pfalz

erlassen unter dem 6. Januar zur Frage der
Bildung einer sogenannten autonomen Pfalz
im Einverständnis mit dem Bischof der Diözese
Speyer eine Kundgebung, die den Regie-
rungen sämtlichon Staaten dem Vertreter des
Heiligen Stuhles und dem Delegierten der
Rheinlandskommission zugestellt wurde und in
der ihre grundsätzliche Stellung zur
Bildung einer autonomen Pfalz
wie
folgt dargelegt wird:

1. Daß eine gegen den Willen der pfälzischen
Bevölkerung des Reiches und Bayerns voll-
zogene Trennung der Pfalz von Reich und
Bayern nicht der Völkerversöhnung dient,
sondern ständig die Gefahr nationaler
Kämpfe
und kriegerischer Verwicklungen
heraufbeschwört.

2. Daß die sogenannte Regierung der auto-
nomen Pfalz durch Mittel, die das christ-
liche Sittengesetz verbietet
, ihre Macht
zu erlangen versucht und ihre Stellung nur
dadurch behaupten kann, weil das waffen-
lose deutsche Volk nicht in der Lage
ist,
gegenüber den bewaffneten Truppen der
Separatisten seiner Ueberzeugung Geltung zu
verschaffen.

3. Betonen sie, daß das Gebot Gottes, das
Gehorsam gegenüber der rechtmäßigen Obrig-
keit vorschreibt, die Pflicht der Dankbar-
keit gegenüber dem Staate Bayern
,
der seit mehr als einem Jahrhundert ein wohl-
wollender Schützer und Förderer des kirchlichen
und religiösen Lebens in der Pfalz gewesen ist
und die Treue zum Reich die Katholiken
zwinge, die sogenannte autonome Pfalz als für
sie nicht existierend zu betrachten und diesen
ihren Standpunkt auch gegenüber dem Volke zu
vertreten. Sie sehe aus der gegenwärtigen un-
haltbaren Lage keinen Ausweg, als den, es der
rechtmäßigen Regierung zu ermöglichen, ihre
Tätigkeit baldigst in vollem Umfang wieder
aufzunehmen.

[Spaltenumbruch]

Eine entsprechende Kundgebung haben auch
die protestantischen Geistlichen beschlossen.

Freilassung der Geiseln in Zweibrücken.

Die von den Sepa-
ratisten verhafteten Geiseln wurden heute
sämtlich wieder freigelassen. Der Sohn
des Oberlandesgerichtspräsidenten Assessor Bi-
label
wurde wegen Beleidigung der Sepa-
ratisten zur Geldstrafe von 200 Goldmark ver-
urteilt. Die Freigelassenen mußten sich schrift-
lich verpflichten, innerhalb 14 Tagen das Weich-
bild der Stadt nicht zu verlassen.

Ein Kontrollversuch in München.

Zu der am Donnerstag
durch Mitglieder der Interalliierten Militär-
kommission in München vorgenommenen Kon-
trolle wird noch mitgeteilt, daß die Eindring-
linge außer beim Stabe der 7. Division auch
beim Stabe des 1. Bataillons des Infanterie-
Regiments 19 erschienen.

Zum Schutze der Kommission waren Beamte
der Schutzmannschaft abgestellt.



Vermischtes.

Der 14jährige Sohn
des Landwirts Härtl in Matzersreuth
spielte mit einer geladenen Flobertpistole
und hantierte daber so unglücklich, daß ein Schuß
losging, der ihm in den Unterleib drang und
seinen Tod herbeiführte.


Am Montag kam vor
der Strafkammer des Landgerichts die Angele-
genheit des englischen Ehepaares Goldhill zur
Verhandlung, das vom hiesigen Schöffengericht
wegen Beleidigung des Landtagsabgeord-
neten Franz Aenderl zu je einem Tage
Gefängnis und Tragung der Kosten verurteilt
worden war. Abg. Aenderl hatte in einem
D-Zug dem Ehepaar Vorstellungen gemacht, weil
der Mann den Fuß auf die Polsterung setzte,
worauf er mit "german dog" (deutscher Hund)
beschimpft wurde. Der Ehemann wurde freige-
sprochen, während die Frau wegen Beleidigung
zu 250 Goldmark bzw. einer Woche Ge-
fängni&sr
; in Abwesenheit verurteilt wurde. Der
Haftbefehl gegen die Frau bleibt aufrecht-
erhalten.


Im hiesigen Pfarr-
baus erschien bei Nacht ein Mann, der nur
mit Hemd und Strümpfen bekleidet
war. Er gab vor, von zwei Strolchen auf der
Landstraße seiner ganzen Kleider und Barschaft
beraubt worden zu sein und den Weg von
Dillingen bis hierher im Hemd zurückgelegt zu
haben. Dem Burschen wurden Kleider gegeben.
Seither ist er nicht mehr erschienen. Man glaubt,
daß er identisch ist mit einem vorige Woche aus
dem Krankenhaus Dillingen entwichenen 23jähr.
Manne namens Karl Schmid.


Der Mili-
rärbefehlshaber hat über den Landwirt Gottlieb
Layer jun. die Schutzhaft verhängt, weil
er seit Jahren keine Milch in die Sammel-
stelle abliefert. Nachdem sich der Betroffene un-
terschriftlich zu einer täglichen Milchlieferung
verpflichtete, wurde der Vollzug der Haft vor-
läufig unterlassen.


Schwere Schneestürme in
England
. Ganz England ist in den letzten
24 Stunden von schweren Schneestürmen
heimgesucht worden. Auch im Kanal herrschte hef-
tiges Sturmwetter. Viele Schiffe werden in See-
not gemeldet. Der Luftverkehrsdienst liegt voll-
ständig still.


Massenmorde auf den Phi-
lippinen
. Nach einem offiziellen Bericht haben
religiöse Fanatiker 13 Mitglieder der philippini-
schen Schutzmannschaft, darunter zwei Offiziere
in der Nähe von Mindanao ermordet.



Abende der "Allgemeinen Zeitung"
[Spaltenumbruch]

Getreu ihrem Ziel, das kulturelle Leben
Münchens nach Möglichkeit zu fördern und
den wertvollsten Schichten des Volkes zu
dienen, veranstaltet die "Allgemeine
Zeitung" Konzerte und Vor-
tragsabende
in zwangloser Folge.

Diese Abende sollen vor allem dem künst-
lerisch interessierten Mittelstand zugänglich
sein. Für viele bedeutet heute der Kauf
einer Eintrittskarte eine nahezu uner-
schwingliche Ausgabe. Der Eintrittspreis
unserer "Abende für den Mittelstand":
sechzig Pfennige für den Sitzplatz,
dreißig Pfennige für den Stehplatz

ermöglicht auch Minderbemittelten den Be-
such.

In den Konzerten werden nur Kompo-
sitionen aufgeführt, die in den üblichen
Konzertprogrammen nicht erscheinen. Von
frühesten bis zu jüngsten Schöpfungen also
nur solche, die man sonst nicht zu hören
bekommt.

Die "Abende für den Mittelstand" wurden
ermöglicht dank dem hochherzigen Ent-
gegenkommen einer Reihe unserer hervor-
ragendsten Künstler. So werden bei diesen
Veranstaltungen im Programm und
in der Ausführung nur Leistun-
gen ersten Range&sr
; geboten werden.

Neben jenen, denen sie eigentlich zuge-
dacht sind, werden sie auch Freunden nicht
alltäglicher Programme und erstklassiger
Darbietungen willkommen sein.

[Spaltenumbruch]

50 Abonnenten der "Allgemeinen
Zeitung
" werden für jeden "Abend" Ein-
trittskarten unentgeltlich zugestellt.

Eine Plakatierung in größerem
Maßstabe erfolgt nur bei dem ersten
Abend
. Die weiteren Veranstaltungen
werden durch kleine Plakate (in Theater-
zettelgröße) und in der "Allgemeinen
Zeitung
" bekanntgegeben (Inserat
immer auf letzter Seite
!).

Der erste Abend (Konzert) findet
Dienstag 15. Januar, abends
8 Uhr im "Museum" statt
.

Programm siehe Inserat auf Seite 8.

Kartenverkauf (ab heute) bei Alfred
Schmid Nachf., Residenzstraße 7, bei Otto
Halbreiter, Promenadeplatz 16, und an der
Abendkasse.

Marie von Olfers +

Am Dienstag, dem 8. Januar, fand die älteste deut-
sche Dichterin Marie von Olfer&sr; in ihrem
97. Lebensjahre einen tragischen Tod. Am Kamin-
feuer fingen die Kleider der Greisin Feuer und sie
verbrannte in ihrer Wohnung am Schöneberger Ufer
in Berlin.

Mit Marie von Olfers ist wieder ein Stück jenes
alten, den Fremden so ganz unbekannten Berlins
dahingegangen. Die Atmosphäre, die um sie und ihr
Haus webte, war der Geist des alten Fontaneschen
Berlin. Jahrzehntelang war ihr kleiner altmodischer
Salon ein Zentrum des Geistes und altvornehmer Ge-
selligkeit. Hermann Grimm, Wildenbruch und andere
Dichter lasen hier zuerst ihre Werke vor und wohl-
gepflegte, alte Damen tranken Tee und machten Hand-
arbeiten beim Scheine der mildleuchtenden Lampen.

[Spaltenumbruch]

Ihr Vater war der oberste Leiter der Berliner
Kunstsammlungen und sammelte um sich in der ersten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts das künstlerische und
geistige Berlin. In dieser Umgebung wuchs Marie
v. Olfers mit ihren beiden Schwestern auf und
pflegte diese Traditionen ihrer Familie bis in ihre
letzten Tage.

Sie war sowohl Schriftstellerin als auch Malerin.
Ihre kleinen Erzählungen waren erfüllt von Lebens-
bejahung und einer leisen Ironie, die die Erfahrun-
gen ihres reichen Lebens ihr gebracht hatte. Noch
lange fortleben werden ihre Kinderbücher, die sie selbst
mit Illustrationen versah.

Eine Neuigkeit, die vielleicht nicht wahr ist.

Die "Tribüne de Geneve" erzählt: Prinz Mahud
Ali, der Bruder des Königs von Afghanistan, befindet
sich jetzt in Berlin. Ja, was macht er den ganzen
Tag? Er befindet sich in seinem Hotelzimmer. Ist er
krank? Nicht im geringsten. Es geht ihm ausgezeichnet.
Er verbringt die Stunden damit, daß er Bücher liest
und einige Besucher empfängt, die in die Intimität
jenes Schlafzimmers, das nicht gerade königlich ist, zu-
gelassen sind. Die Möglichkeit, daß er aufsteht, gibt
es nicht. Ja warum denn nicht? Ist es ihm ver-
boten? Ist das bei ihm eine unglaubliche Faulheit?
Nein, all das stimmt nicht. Seine Königliche Hoheit
Mahud Ali hat durch Diebstahl seine ganze Garderobe
eingebüßt. Schon bei der ersten Nacht seiner Ankunft
in Berlin haben die Diebe mit unglaublicher Frechheit
es fertig gebracht, ihm seine gesamte Garderobe zu
stehlen. Man denke, der Prinz hat sie gesehen, er hat
versucht, einzuschreiten, er konnte den Diebstahl nicht
verhindern. Seine reichen Anzüge mit den Goldsticke-
reien, alles ist verschwunden. Mahud All blieb nur
mit seinem Hemde. Er hat nicht einen Augenblick
gezögert über das, was er tun sollte. Soll er sich
eurapäisch kleiden? Niemals. Was dann? Er wartet
mit Geduld, ja mit Resignation darauf, daß sein Kurier
aus Kaboul zurückkehrt, der ihm eine ganze Garderobe
bringen wird. Das bedeutet ebensoviel als einen Monat
im Bette bleiben. Aber die Dignität des perfekten
Orientalen bleibt.

[Spaltenumbruch]
Berlins neue Oper.

Die alte Kroll-Bühne -- der Berliner sagte "bei
Kroll" --, die einst Zentrum des Berliner Lebens
war, ist umgebaut worden. Oskar Kaufmann, der
Erbauer der Berliner "Volksbühne", hat sie zur "Oper
am Königsplatz" umgestaltet. Mit viel Geschmack
und Geschick, sehr einfach, mit Beigabe etwas spieleri-
scher Ornamentik. So hätte nun Berlin vier Opern-
häuser. Doch das alte Opernhaus bleibt nach wie vor
das einzige, das allen Forderungen gerecht wird. Bei
den beiden bisherigen Nebenopern fehlt ausreichende
Bühne dem Theater des Westens, eigentlicher Opern-
raum dem Deutschen Opernhaus.

Die neue "Oper am Königsplatz", sie geht als "die
Kroll-Oper", bietet den Aufführungen gewisse Gren-
zen, die in dem gegebenen Grundriß wohl ihre Haupt-
ursache haben: für große Opern langt anscheinend der
Orchesterraum nicht. Und auch die Akustik scheint
-- soweit sich bei einem Neubau überhaupt über
Akustik etwas sagen läßt -- mangelhaft: Gesang,
Orchester bleibt überdeutlich für sich allein, verschmilzt
nicht zum Gesamtklang. So daß das Arbeiten in
der Kroll-Oper also eine recht diffizile Sache werden
dürfte.

Eine Meistersinger-Aufführung unter Kleiber er-
öffnete den Spielplan dieser neuen Filiale der Staats-
oper. Sie ist ein Nebeninstitut, von der Staatsoper
künstlerisch versorgt, als Volksbühne gedacht;
der Umbau ist aus Mitteln des Vereins "Volksbühne"
bestritten worden.


Ein unbekanntes Raffael gefunden.
Der römische Korespondent des "B. T." meldet:
In der Villa Marchese Ferragiano unweit Savona
wurde bei Bauarbeiten ein 2 Meter breites,
1 Meter hohes Gemälde von Raffael und Giulio
Romano entdeckt. Das Gemälde, das über hundert
Figuren darstellt, zählt zu den großartigsten
Schöpfungen des Meisters. Auf der rechten Seite
des Bildes befindet sich auch ein Selbstporträt
Raffaels und darunter deutlich sichtbar sein Mono-
gramm. Das Bild wurde auf Bestellung des
Papstes Julius II. angefertigt, um dessen Palast
in Savona zu schmücken.

Allgemeine Zeitung. Nr. 11 Samstag, den 12. Januar 1924.
[Spaltenumbruch]

auch den Umfang ihrer Arbeit ver-
mindert
. Dieſe Forderung iſt freilich auch
aus ganz anderen Geſichtspunkten begrün-
det, und ihre Erfüllung ſtellt eine Notwen-
digkeit dar, der genügt werden muß, wenn
das Parlament ſelbſt auf der gebotenen
Höhe bleiben oder ſie, nachdem es leider
längſt von ihr herabgeſtiegen iſt, wieder er-
ringen ſoll. Die Tätigkeit der deutſchen par-
lamentariſchen Körperſchaften hat zeitlich
und ſachlich an Umfang ſtets zugenommen,
das Anſehen und Intereſſe ebenſo ſtetig
abgenommen. Hier kann nur durch eine
ſchärfere Konzentration der Arbeitsmethode
geholfen werden, die es mit ſich bringen
würde, das Plenum von geringfügigeren
Angelegenheiten zu entlaſten und nur noch
mit wirklich grundlegenden Fragen zu be-
faſſen, die anderen in die Ausſchüſſe zu
verweiſen und hierdurch ſowie durch eine
Kontingentierung der Beratungen, insbeſon-
dere über den Etat, eine Beſchränkung der
Einbringung von Interpellationen und klei-
nen Anfragen und endlich eine zweckmäßi-
gere Gruppierung der Zuſammenkünfte die
regelmäßige Tätigkeit auf eine kürzere,
möglichſt vorher feſtgelegte Zeit im Jahre
zu begrenzen.

Wie hier der erſte tatkräftige Schritt
nicht vom Reich, ſondern von den Ländern
ausgegangen iſt, ſo iſt es auch bei einer an-
deren Frage der Parlamentsgeſtaltung der
Fall geweſen. Die Verfaſſungen von Olden-
burg, Anhalt und Lippe haben nämlich die
Inkompatibilität der Stellung
des Miniſters und des Abgeord-
neten
ausgeſprochen. Miniſter, die ein
Landtagsmandat erlangen oder inne haben,
ſcheiden für die Dauer ihrer Miniſteramts-
führung aus dem Landtag dergeſtalt aus,
daß für dieſe Zeit die auf der Liſte verzeich-
neten nachfolgenden Anwärter an ihre
Stelle treten. Das iſt ein durchaus gefunder
Gedanke, der ſich in der Praxis ſehr be-
währt hat. Er liegt ſowohl im Intereſſe des
Anſehens der Miniſter wie der Arbeits-
leiſtung des Parlaments wie endlich der
Vertretung der Wahlkreiſe und ſollte auch
für den Reichstag und die übrigen Länder
ernſtlich in Erwägung gezogen werden.

Alle dieſe Betrachtungen führen freilich
ganz von ſebſt einen Schritt weiter, nämlich
zu der Erwägung, ob nicht das Wahl-
recht
als ſolches dringend einer Aenderung
bedarf. Auch wenn man an der verfaſſungs-
mäßig feſtgelegten Verhältniswahl trotz der
Mängel, die auch ihr unzweifelhaft anhaf-
ten, nicht rütteln will, ſo wird man doch
ſehr zu überlegen haben, ob man nicht bei
ihrer Durchführung zu den Einzelwahl-
kreiſen
zurückkehren ſollte. Möglich iſt
es, und wünſchenswert erſcheint es allen
denjenigen, die auf eine engere Fühlung-
nahme zwiſchen dem Abgeordneten und
ſeinen Wählern einen entſcheidenden Wert
legen. Die Liſtenwahl hat ſich auch für die
Zuſammenſetzung des Parlaments nichts
weniger als förderlich erwieſen. Ob freilich
dieſer Reichstag kurz vor der natürlichen
oder unnatürlichen Beendigung ſeiner Wir-
kungsdauer noch die Kraft fühlen wird,
einen ſo entſcheidenden Schritt zu tun, er-
ſcheint mindeſtens zweifelhaft.

[Spaltenumbruch]
Befriedigende Reichs-Einnah-
men im erſten Januardrittel.

Die Reichsein-
nahmen
aus der erſten Januardekade ſind ſo
befriedigend eingegangen, daß die Reichs-
ausgaben für die nächſte Zeit gedeckt ſind. Die
Befürchtung, daß ohne die dritte Steuernotver-
ordnung ein Zuſammenbruch der Reichsfinanzen
eintreten würde, hat ſich alſo glücklicherweiſe
nicht beſtätigt.

Die Verhandlungen über den Finanzaus-
gleich zwiſchen Reich und Ländern

wird ſich noch einige Zeit hinziehen, da der
Komplex der zur Beratung ſtehenden Fragen
ſich immer mehr erweitert hat.

Der Beamten-Abbau.

Reichsverkehrsminiſter Oeſer hat den Dienſt-
ſtellen folgendes Rundſchreiben übermittelt:

„Um Härten zu vermeiden, hat der Reichs-
miniſter der Finanzen ſich damit einverſtanden
erklärt, daß die bei der Reichswehr ge-
leiſtete Dienſtzeit
bei Bemeſſung der
Abfindungsſumme für entlaſſene Beamte berück-
ſichtigt werden darf. Die vor dem Krieg im
alten Heere zurückgelegte Dienſtzeit muß jedoch
außer Betracht bleiben. Es wurde mir mitge-
teilt, daß von einzelnen Reichsbankdirektionen
bei Entlaſſung von Eiſenbahnbedienſteten an-
läßlich der Durchführung des Perſonalabbaues
in den Entlaſſungsſchreiben als Grund der
Entlaſſung ungenügende Leiſtung

angeführt werden. Um den Bedienſteten das
Fortkommen nicht zu erſchweren, erſuche ich,
von einer derartigen Begründung
in den Entlaſſungsſchreiben abzuſehen und
ſich mit dem Hinweis auf Artikel 8, § 2 der
Perſonalabbauverordnung zu begnügen.“

Die Gewerkſchaften gegen den Ausnahme-
zuſtand.

Der Gewerkſchaftsring
deutſcher Arbeiter-, Angeſtellten- und Beamten-
verbände hat geſtern einen einſtimmigen Vor-
ſtandsbeſchluß gefaßt, der die unverzügliche
Aufhebung des militäriſchen und zivilen
Ausnahmezuſtandes verlangt. Dieſer Beſchluß
iſt dem Reichskanzler in Geſtalt einer eingehend
begründeten Eingabe heute überreicht worden.

Dieſe Gruppe der Gewerkſchaften ſteht in der
Arbeitnehmerbewegung in der Mitte und ihre
Stellungnahme erſcheint daher beſonders be-
merkenswert.

Notgeld bedarf der Genehmigung des Reiches.

(Eigenber, der „Allg.
Ztg.“) Der Reichsfinanzminiſter hat
heute an die Regierungen der Länder ein Schrei-
ben gerichtet, worin er erklärt, daß jede Bege-
bung von Scheinen, die als Zahlungsmittel die-
nen könnten, ſeiner Genehmigung als
Notgeld
bedürfe. Wenn die Länder auch in
der Begebung von Anleihen ſelbſtändig ſeien,
ſo könne er die Genehmigung nicht erteilen,
wenn mit der Ausgabe Inflationsgefahr
verbunden ſei. Die Ausgabe von Schatzanweiſun-
gen in kleinen Stücken, die auf Rentenmark
lauten, könne genehmigt werden.

Wiederwahl Caſparis zum Stadtverordneten-
Vorſteher von Berlin

Von der Stadtverord-
netenverſammlung wurde der bisherige Vorſteher
Caſpari (D. Vp.), in der Stichwahl gegen den
ſozialdemokratiſchen Kandidaten mit 100 von
184 gültigen Stimmen wiedergewählt. Der ſo-
zialdemokratiſche Kandidat, für den auch die
Kommuniſten ſtimmten, erhielt 94 Stimmen, 17
Zettel waren unbeſchrieben.

Friede im Buchdruck- und Zeitungsgewerbe

Die Tarifſtreitigkeiten
im deutſchen Buchdrucker- und Zeitungsgewerbe
ſind heute durch eine Vereinbarung beige-
legt worden. Die wochentarifliche Arbeitszeit be-
trägt 48 Stunden, die auf Anordnung des Ar-
beitgebers bis 53 Stunden, bei Maſchinenſetzern
bis 51 Stunden verlängert werden kann. Für die
[Spaltenumbruch] Zeit vom 1. Januar bis 1. Februar bleibt es
bei der bisher gültigen Lohnregelung. Die Vor-
ſtände der Arbeitgeber-Organiſation haben ſich
bereit erklärt, ihre Mitglieder anzuweiſen, die
zum Zwecke der Ausſperrung ausgeſprochenen
Kündigungen ſofort zurückzunehmen.

Die Bluttat in Speyer.

Geſtern iſt noch eine
der von den Schüſſen im „Wittelsbacher Hof“
getroffenen Perſonen ihren Verletzungen erle-
gen, ſodaß ſich die Zahl der Toten auf
ſech&ſr
; erhöht.

Als Sanktion für die Bluttat auf Heinz-
Orbis hat die ſogenannte autonome Regierung
die Nachtverkehrsſperre von 6 Uhr
abends bis 7 Uhr morgens über die Stadt ver-
hängt.


Die Vertreter der
pfälziſchen Städte und der pfälziſchen Wirt-
ſchaftsverbände
ſprachen geſtern bei Ge-
neral de Metz ihr Bedauern über die Bluttat
aus, erhoben aber gleichzeitig Proteſt gegen
die ſogenannte autonome Regie-
rung
und teilten dem General mit, daß ſie heute
in Koblenz bei der Rheinlandskommiſſion ihren
Einſpruch wiederholen würden.

Weitere Einzelheiten vom Tatort: An der
Längswand des Saales befanden ſich eine Reihe
von Kugelſpuren. Eine weitere Kugelſpur iſt am
Boden ſichtbar. Daraus läßt ſich feſtſtellen, daß
etwa 15 Schüſſe im Saale abgegeben wurden.
Als die Täter verſchwunden waren und die Ver-
wirrung ſich gelegt hatte, erſchien ein Herr aus
der Umgebung von Heinz-Orbis, Schmitz-
Epper
und nahm ſofort die Unterſuchung
auf. Die Unterſuchung ergab zunächſt noch keine
Anhaltspunkte. Man fand lediglich Revolver
neueſten Syſtems vor, die von den flüchtigen
Tätern weggeworfen worden waren. Die Täter
ſelbſt entkamen offenbar zu Fuß. Die Leiche von
Heinz Orbis blieb noch längere Zeit im Saale.
Später wurde ſie im Regierungsgebäude auf-
gebahrt. Ueber die Beerdigung ſelbſt iſt noch
nichts bekannt.


Die katholiſchen Dekane als
die berufenen Vertreter der katholi-
ſchen Geſamtgeiſtlichkeit der Pfalz

erlaſſen unter dem 6. Januar zur Frage der
Bildung einer ſogenannten autonomen Pfalz
im Einverſtändnis mit dem Biſchof der Diözeſe
Speyer eine Kundgebung, die den Regie-
rungen ſämtlichon Staaten dem Vertreter des
Heiligen Stuhles und dem Delegierten der
Rheinlandskommiſſion zugeſtellt wurde und in
der ihre grundſätzliche Stellung zur
Bildung einer autonomen Pfalz
wie
folgt dargelegt wird:

1. Daß eine gegen den Willen der pfälziſchen
Bevölkerung des Reiches und Bayerns voll-
zogene Trennung der Pfalz von Reich und
Bayern nicht der Völkerverſöhnung dient,
ſondern ſtändig die Gefahr nationaler
Kämpfe
und kriegeriſcher Verwicklungen
heraufbeſchwört.

2. Daß die ſogenannte Regierung der auto-
nomen Pfalz durch Mittel, die das chriſt-
liche Sittengeſetz verbietet
, ihre Macht
zu erlangen verſucht und ihre Stellung nur
dadurch behaupten kann, weil das waffen-
loſe deutſche Volk nicht in der Lage
iſt,
gegenüber den bewaffneten Truppen der
Separatiſten ſeiner Ueberzeugung Geltung zu
verſchaffen.

3. Betonen ſie, daß das Gebot Gottes, das
Gehorſam gegenüber der rechtmäßigen Obrig-
keit vorſchreibt, die Pflicht der Dankbar-
keit gegenüber dem Staate Bayern
,
der ſeit mehr als einem Jahrhundert ein wohl-
wollender Schützer und Förderer des kirchlichen
und religiöſen Lebens in der Pfalz geweſen iſt
und die Treue zum Reich die Katholiken
zwinge, die ſogenannte autonome Pfalz als für
ſie nicht exiſtierend zu betrachten und dieſen
ihren Standpunkt auch gegenüber dem Volke zu
vertreten. Sie ſehe aus der gegenwärtigen un-
haltbaren Lage keinen Ausweg, als den, es der
rechtmäßigen Regierung zu ermöglichen, ihre
Tätigkeit baldigſt in vollem Umfang wieder
aufzunehmen.

[Spaltenumbruch]

Eine entſprechende Kundgebung haben auch
die proteſtantiſchen Geiſtlichen beſchloſſen.

Freilaſſung der Geiſeln in Zweibrücken.

Die von den Sepa-
ratiſten verhafteten Geiſeln wurden heute
ſämtlich wieder freigelaſſen. Der Sohn
des Oberlandesgerichtspräſidenten Aſſeſſor Bi-
label
wurde wegen Beleidigung der Sepa-
ratiſten zur Geldſtrafe von 200 Goldmark ver-
urteilt. Die Freigelaſſenen mußten ſich ſchrift-
lich verpflichten, innerhalb 14 Tagen das Weich-
bild der Stadt nicht zu verlaſſen.

Ein Kontrollverſuch in München.

Zu der am Donnerstag
durch Mitglieder der Interalliierten Militär-
kommiſſion in München vorgenommenen Kon-
trolle wird noch mitgeteilt, daß die Eindring-
linge außer beim Stabe der 7. Diviſion auch
beim Stabe des 1. Bataillons des Infanterie-
Regiments 19 erſchienen.

Zum Schutze der Kommiſſion waren Beamte
der Schutzmannſchaft abgeſtellt.



Vermiſchtes.

Der 14jährige Sohn
des Landwirts Härtl in Matzersreuth
ſpielte mit einer geladenen Flobertpiſtole
und hantierte daber ſo unglücklich, daß ein Schuß
losging, der ihm in den Unterleib drang und
ſeinen Tod herbeiführte.


Am Montag kam vor
der Strafkammer des Landgerichts die Angele-
genheit des engliſchen Ehepaares Goldhill zur
Verhandlung, das vom hieſigen Schöffengericht
wegen Beleidigung des Landtagsabgeord-
neten Franz Aenderl zu je einem Tage
Gefängnis und Tragung der Koſten verurteilt
worden war. Abg. Aenderl hatte in einem
D-Zug dem Ehepaar Vorſtellungen gemacht, weil
der Mann den Fuß auf die Polſterung ſetzte,
worauf er mit „german dog“ (deutſcher Hund)
beſchimpft wurde. Der Ehemann wurde freige-
ſprochen, während die Frau wegen Beleidigung
zu 250 Goldmark bzw. einer Woche Ge-
fängni&ſr
; in Abweſenheit verurteilt wurde. Der
Haftbefehl gegen die Frau bleibt aufrecht-
erhalten.


Im hieſigen Pfarr-
baus erſchien bei Nacht ein Mann, der nur
mit Hemd und Strümpfen bekleidet
war. Er gab vor, von zwei Strolchen auf der
Landſtraße ſeiner ganzen Kleider und Barſchaft
beraubt worden zu ſein und den Weg von
Dillingen bis hierher im Hemd zurückgelegt zu
haben. Dem Burſchen wurden Kleider gegeben.
Seither iſt er nicht mehr erſchienen. Man glaubt,
daß er identiſch iſt mit einem vorige Woche aus
dem Krankenhaus Dillingen entwichenen 23jähr.
Manne namens Karl Schmid.


Der Mili-
rärbefehlshaber hat über den Landwirt Gottlieb
Layer jun. die Schutzhaft verhängt, weil
er ſeit Jahren keine Milch in die Sammel-
ſtelle abliefert. Nachdem ſich der Betroffene un-
terſchriftlich zu einer täglichen Milchlieferung
verpflichtete, wurde der Vollzug der Haft vor-
läufig unterlaſſen.


Schwere Schneeſtürme in
England
. Ganz England iſt in den letzten
24 Stunden von ſchweren Schneeſtürmen
heimgeſucht worden. Auch im Kanal herrſchte hef-
tiges Sturmwetter. Viele Schiffe werden in See-
not gemeldet. Der Luftverkehrsdienſt liegt voll-
ſtändig ſtill.


Maſſenmorde auf den Phi-
lippinen
. Nach einem offiziellen Bericht haben
religiöſe Fanatiker 13 Mitglieder der philippini-
ſchen Schutzmannſchaft, darunter zwei Offiziere
in der Nähe von Mindanao ermordet.



Abende der „Allgemeinen Zeitung“
[Spaltenumbruch]

Getreu ihrem Ziel, das kulturelle Leben
Münchens nach Möglichkeit zu fördern und
den wertvollſten Schichten des Volkes zu
dienen, veranſtaltet die „Allgemeine
Zeitung“ Konzerte und Vor-
tragsabende
in zwangloſer Folge.

Dieſe Abende ſollen vor allem dem künſt-
leriſch intereſſierten Mittelſtand zugänglich
ſein. Für viele bedeutet heute der Kauf
einer Eintrittskarte eine nahezu uner-
ſchwingliche Ausgabe. Der Eintrittspreis
unſerer „Abende für den Mittelſtand“:
ſechzig Pfennige für den Sitzplatz,
dreißig Pfennige für den Stehplatz

ermöglicht auch Minderbemittelten den Be-
ſuch.

In den Konzerten werden nur Kompo-
ſitionen aufgeführt, die in den üblichen
Konzertprogrammen nicht erſcheinen. Von
früheſten bis zu jüngſten Schöpfungen alſo
nur ſolche, die man ſonſt nicht zu hören
bekommt.

Die „Abende für den Mittelſtand“ wurden
ermöglicht dank dem hochherzigen Ent-
gegenkommen einer Reihe unſerer hervor-
ragendſten Künſtler. So werden bei dieſen
Veranſtaltungen im Programm und
in der Ausführung nur Leiſtun-
gen erſten Range&ſr
; geboten werden.

Neben jenen, denen ſie eigentlich zuge-
dacht ſind, werden ſie auch Freunden nicht
alltäglicher Programme und erſtklaſſiger
Darbietungen willkommen ſein.

[Spaltenumbruch]

50 Abonnenten der „Allgemeinen
Zeitung
“ werden für jeden „Abend“ Ein-
trittskarten unentgeltlich zugeſtellt.

Eine Plakatierung in größerem
Maßſtabe erfolgt nur bei dem erſten
Abend
. Die weiteren Veranſtaltungen
werden durch kleine Plakate (in Theater-
zettelgröße) und in der „Allgemeinen
Zeitung
“ bekanntgegeben (Inſerat
immer auf letzter Seite
!).

Der erſte Abend (Konzert) findet
Dienstag 15. Januar, abends
8 Uhr im „Muſeum“ ſtatt
.

Programm ſiehe Inſerat auf Seite 8.

Kartenverkauf (ab heute) bei Alfred
Schmid Nachf., Reſidenzſtraße 7, bei Otto
Halbreiter, Promenadeplatz 16, und an der
Abendkaſſe.

Marie von Olfers †

Am Dienstag, dem 8. Januar, fand die älteſte deut-
ſche Dichterin Marie von Olfer&ſr; in ihrem
97. Lebensjahre einen tragiſchen Tod. Am Kamin-
feuer fingen die Kleider der Greiſin Feuer und ſie
verbrannte in ihrer Wohnung am Schöneberger Ufer
in Berlin.

Mit Marie von Olfers iſt wieder ein Stück jenes
alten, den Fremden ſo ganz unbekannten Berlins
dahingegangen. Die Atmoſphäre, die um ſie und ihr
Haus webte, war der Geiſt des alten Fontaneſchen
Berlin. Jahrzehntelang war ihr kleiner altmodiſcher
Salon ein Zentrum des Geiſtes und altvornehmer Ge-
ſelligkeit. Hermann Grimm, Wildenbruch und andere
Dichter laſen hier zuerſt ihre Werke vor und wohl-
gepflegte, alte Damen tranken Tee und machten Hand-
arbeiten beim Scheine der mildleuchtenden Lampen.

[Spaltenumbruch]

Ihr Vater war der oberſte Leiter der Berliner
Kunſtſammlungen und ſammelte um ſich in der erſten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts das künſtleriſche und
geiſtige Berlin. In dieſer Umgebung wuchs Marie
v. Olfers mit ihren beiden Schweſtern auf und
pflegte dieſe Traditionen ihrer Familie bis in ihre
letzten Tage.

Sie war ſowohl Schriftſtellerin als auch Malerin.
Ihre kleinen Erzählungen waren erfüllt von Lebens-
bejahung und einer leiſen Ironie, die die Erfahrun-
gen ihres reichen Lebens ihr gebracht hatte. Noch
lange fortleben werden ihre Kinderbücher, die ſie ſelbſt
mit Illuſtrationen verſah.

Eine Neuigkeit, die vielleicht nicht wahr iſt.

Die „Tribüne de Genéve“ erzählt: Prinz Mahud
Ali, der Bruder des Königs von Afghaniſtan, befindet
ſich jetzt in Berlin. Ja, was macht er den ganzen
Tag? Er befindet ſich in ſeinem Hotelzimmer. Iſt er
krank? Nicht im geringſten. Es geht ihm ausgezeichnet.
Er verbringt die Stunden damit, daß er Bücher lieſt
und einige Beſucher empfängt, die in die Intimität
jenes Schlafzimmers, das nicht gerade königlich iſt, zu-
gelaſſen ſind. Die Möglichkeit, daß er aufſteht, gibt
es nicht. Ja warum denn nicht? Iſt es ihm ver-
boten? Iſt das bei ihm eine unglaubliche Faulheit?
Nein, all das ſtimmt nicht. Seine Königliche Hoheit
Mahud Ali hat durch Diebſtahl ſeine ganze Garderobe
eingebüßt. Schon bei der erſten Nacht ſeiner Ankunft
in Berlin haben die Diebe mit unglaublicher Frechheit
es fertig gebracht, ihm ſeine geſamte Garderobe zu
ſtehlen. Man denke, der Prinz hat ſie geſehen, er hat
verſucht, einzuſchreiten, er konnte den Diebſtahl nicht
verhindern. Seine reichen Anzüge mit den Goldſticke-
reien, alles iſt verſchwunden. Mahud All blieb nur
mit ſeinem Hemde. Er hat nicht einen Augenblick
gezögert über das, was er tun ſollte. Soll er ſich
eurapäiſch kleiden? Niemals. Was dann? Er wartet
mit Geduld, ja mit Reſignation darauf, daß ſein Kurier
aus Kaboul zurückkehrt, der ihm eine ganze Garderobe
bringen wird. Das bedeutet ebenſoviel als einen Monat
im Bette bleiben. Aber die Dignität des perfekten
Orientalen bleibt.

[Spaltenumbruch]
Berlins neue Oper.

Die alte Kroll-Bühne — der Berliner ſagte „bei
Kroll“ —, die einſt Zentrum des Berliner Lebens
war, iſt umgebaut worden. Oskar Kaufmann, der
Erbauer der Berliner „Volksbühne“, hat ſie zur „Oper
am Königsplatz“ umgeſtaltet. Mit viel Geſchmack
und Geſchick, ſehr einfach, mit Beigabe etwas ſpieleri-
ſcher Ornamentik. So hätte nun Berlin vier Opern-
häuſer. Doch das alte Opernhaus bleibt nach wie vor
das einzige, das allen Forderungen gerecht wird. Bei
den beiden bisherigen Nebenopern fehlt ausreichende
Bühne dem Theater des Weſtens, eigentlicher Opern-
raum dem Deutſchen Opernhaus.

Die neue „Oper am Königsplatz“, ſie geht als „die
Kroll-Oper“, bietet den Aufführungen gewiſſe Gren-
zen, die in dem gegebenen Grundriß wohl ihre Haupt-
urſache haben: für große Opern langt anſcheinend der
Orcheſterraum nicht. Und auch die Akuſtik ſcheint
— ſoweit ſich bei einem Neubau überhaupt über
Akuſtik etwas ſagen läßt — mangelhaft: Geſang,
Orcheſter bleibt überdeutlich für ſich allein, verſchmilzt
nicht zum Geſamtklang. So daß das Arbeiten in
der Kroll-Oper alſo eine recht diffizile Sache werden
dürfte.

Eine Meiſterſinger-Aufführung unter Kleiber er-
öffnete den Spielplan dieſer neuen Filiale der Staats-
oper. Sie iſt ein Nebeninſtitut, von der Staatsoper
künſtleriſch verſorgt, als Volksbühne gedacht;
der Umbau iſt aus Mitteln des Vereins „Volksbühne“
beſtritten worden.


Ein unbekanntes Raffael gefunden.
Der römiſche Koreſpondent des „B. T.“ meldet:
In der Villa Marcheſe Ferragiano unweit Savona
wurde bei Bauarbeiten ein 2 Meter breites,
1 Meter hohes Gemälde von Raffael und Giulio
Romano entdeckt. Das Gemälde, das über hundert
Figuren darſtellt, zählt zu den großartigſten
Schöpfungen des Meiſters. Auf der rechten Seite
des Bildes befindet ſich auch ein Selbſtporträt
Raffaels und darunter deutlich ſichtbar ſein Mono-
gramm. Das Bild wurde auf Beſtellung des
Papſtes Julius II. angefertigt, um deſſen Palaſt
in Savona zu ſchmücken.

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[2/0002] Allgemeine Zeitung. Nr. 11 Samstag, den 12. Januar 1924. auch den Umfang ihrer Arbeit ver- mindert. Dieſe Forderung iſt freilich auch aus ganz anderen Geſichtspunkten begrün- det, und ihre Erfüllung ſtellt eine Notwen- digkeit dar, der genügt werden muß, wenn das Parlament ſelbſt auf der gebotenen Höhe bleiben oder ſie, nachdem es leider längſt von ihr herabgeſtiegen iſt, wieder er- ringen ſoll. Die Tätigkeit der deutſchen par- lamentariſchen Körperſchaften hat zeitlich und ſachlich an Umfang ſtets zugenommen, das Anſehen und Intereſſe ebenſo ſtetig abgenommen. Hier kann nur durch eine ſchärfere Konzentration der Arbeitsmethode geholfen werden, die es mit ſich bringen würde, das Plenum von geringfügigeren Angelegenheiten zu entlaſten und nur noch mit wirklich grundlegenden Fragen zu be- faſſen, die anderen in die Ausſchüſſe zu verweiſen und hierdurch ſowie durch eine Kontingentierung der Beratungen, insbeſon- dere über den Etat, eine Beſchränkung der Einbringung von Interpellationen und klei- nen Anfragen und endlich eine zweckmäßi- gere Gruppierung der Zuſammenkünfte die regelmäßige Tätigkeit auf eine kürzere, möglichſt vorher feſtgelegte Zeit im Jahre zu begrenzen. Wie hier der erſte tatkräftige Schritt nicht vom Reich, ſondern von den Ländern ausgegangen iſt, ſo iſt es auch bei einer an- deren Frage der Parlamentsgeſtaltung der Fall geweſen. Die Verfaſſungen von Olden- burg, Anhalt und Lippe haben nämlich die Inkompatibilität der Stellung des Miniſters und des Abgeord- neten ausgeſprochen. Miniſter, die ein Landtagsmandat erlangen oder inne haben, ſcheiden für die Dauer ihrer Miniſteramts- führung aus dem Landtag dergeſtalt aus, daß für dieſe Zeit die auf der Liſte verzeich- neten nachfolgenden Anwärter an ihre Stelle treten. Das iſt ein durchaus gefunder Gedanke, der ſich in der Praxis ſehr be- währt hat. Er liegt ſowohl im Intereſſe des Anſehens der Miniſter wie der Arbeits- leiſtung des Parlaments wie endlich der Vertretung der Wahlkreiſe und ſollte auch für den Reichstag und die übrigen Länder ernſtlich in Erwägung gezogen werden. Alle dieſe Betrachtungen führen freilich ganz von ſebſt einen Schritt weiter, nämlich zu der Erwägung, ob nicht das Wahl- recht als ſolches dringend einer Aenderung bedarf. Auch wenn man an der verfaſſungs- mäßig feſtgelegten Verhältniswahl trotz der Mängel, die auch ihr unzweifelhaft anhaf- ten, nicht rütteln will, ſo wird man doch ſehr zu überlegen haben, ob man nicht bei ihrer Durchführung zu den Einzelwahl- kreiſen zurückkehren ſollte. Möglich iſt es, und wünſchenswert erſcheint es allen denjenigen, die auf eine engere Fühlung- nahme zwiſchen dem Abgeordneten und ſeinen Wählern einen entſcheidenden Wert legen. Die Liſtenwahl hat ſich auch für die Zuſammenſetzung des Parlaments nichts weniger als förderlich erwieſen. Ob freilich dieſer Reichstag kurz vor der natürlichen oder unnatürlichen Beendigung ſeiner Wir- kungsdauer noch die Kraft fühlen wird, einen ſo entſcheidenden Schritt zu tun, er- ſcheint mindeſtens zweifelhaft. Befriedigende Reichs-Einnah- men im erſten Januardrittel. * Berlin, 11. Jan. Die Reichsein- nahmen aus der erſten Januardekade ſind ſo befriedigend eingegangen, daß die Reichs- ausgaben für die nächſte Zeit gedeckt ſind. Die Befürchtung, daß ohne die dritte Steuernotver- ordnung ein Zuſammenbruch der Reichsfinanzen eintreten würde, hat ſich alſo glücklicherweiſe nicht beſtätigt. Die Verhandlungen über den Finanzaus- gleich zwiſchen Reich und Ländern wird ſich noch einige Zeit hinziehen, da der Komplex der zur Beratung ſtehenden Fragen ſich immer mehr erweitert hat. Der Beamten-Abbau. Reichsverkehrsminiſter Oeſer hat den Dienſt- ſtellen folgendes Rundſchreiben übermittelt: „Um Härten zu vermeiden, hat der Reichs- miniſter der Finanzen ſich damit einverſtanden erklärt, daß die bei der Reichswehr ge- leiſtete Dienſtzeit bei Bemeſſung der Abfindungsſumme für entlaſſene Beamte berück- ſichtigt werden darf. Die vor dem Krieg im alten Heere zurückgelegte Dienſtzeit muß jedoch außer Betracht bleiben. Es wurde mir mitge- teilt, daß von einzelnen Reichsbankdirektionen bei Entlaſſung von Eiſenbahnbedienſteten an- läßlich der Durchführung des Perſonalabbaues in den Entlaſſungsſchreiben als Grund der Entlaſſung ungenügende Leiſtung angeführt werden. Um den Bedienſteten das Fortkommen nicht zu erſchweren, erſuche ich, von einer derartigen Begründung in den Entlaſſungsſchreiben abzuſehen und ſich mit dem Hinweis auf Artikel 8, § 2 der Perſonalabbauverordnung zu begnügen.“ Die Gewerkſchaften gegen den Ausnahme- zuſtand. Berlin, 10. Januar. Der Gewerkſchaftsring deutſcher Arbeiter-, Angeſtellten- und Beamten- verbände hat geſtern einen einſtimmigen Vor- ſtandsbeſchluß gefaßt, der die unverzügliche Aufhebung des militäriſchen und zivilen Ausnahmezuſtandes verlangt. Dieſer Beſchluß iſt dem Reichskanzler in Geſtalt einer eingehend begründeten Eingabe heute überreicht worden. Dieſe Gruppe der Gewerkſchaften ſteht in der Arbeitnehmerbewegung in der Mitte und ihre Stellungnahme erſcheint daher beſonders be- merkenswert. Notgeld bedarf der Genehmigung des Reiches. * Berlin, 11. Januar. (Eigenber, der „Allg. Ztg.“) Der Reichsfinanzminiſter hat heute an die Regierungen der Länder ein Schrei- ben gerichtet, worin er erklärt, daß jede Bege- bung von Scheinen, die als Zahlungsmittel die- nen könnten, ſeiner Genehmigung als Notgeld bedürfe. Wenn die Länder auch in der Begebung von Anleihen ſelbſtändig ſeien, ſo könne er die Genehmigung nicht erteilen, wenn mit der Ausgabe Inflationsgefahr verbunden ſei. Die Ausgabe von Schatzanweiſun- gen in kleinen Stücken, die auf Rentenmark lauten, könne genehmigt werden. Wiederwahl Caſparis zum Stadtverordneten- Vorſteher von Berlin Berlin, 11. Januar. Von der Stadtverord- netenverſammlung wurde der bisherige Vorſteher Caſpari (D. Vp.), in der Stichwahl gegen den ſozialdemokratiſchen Kandidaten mit 100 von 184 gültigen Stimmen wiedergewählt. Der ſo- zialdemokratiſche Kandidat, für den auch die Kommuniſten ſtimmten, erhielt 94 Stimmen, 17 Zettel waren unbeſchrieben. Friede im Buchdruck- und Zeitungsgewerbe Berlin, 11. Januar. Die Tarifſtreitigkeiten im deutſchen Buchdrucker- und Zeitungsgewerbe ſind heute durch eine Vereinbarung beige- legt worden. Die wochentarifliche Arbeitszeit be- trägt 48 Stunden, die auf Anordnung des Ar- beitgebers bis 53 Stunden, bei Maſchinenſetzern bis 51 Stunden verlängert werden kann. Für die Zeit vom 1. Januar bis 1. Februar bleibt es bei der bisher gültigen Lohnregelung. Die Vor- ſtände der Arbeitgeber-Organiſation haben ſich bereit erklärt, ihre Mitglieder anzuweiſen, die zum Zwecke der Ausſperrung ausgeſprochenen Kündigungen ſofort zurückzunehmen. Die Bluttat in Speyer. Speyer, 11. Januar. Geſtern iſt noch eine der von den Schüſſen im „Wittelsbacher Hof“ getroffenen Perſonen ihren Verletzungen erle- gen, ſodaß ſich die Zahl der Toten auf ſech&ſr; erhöht. Als Sanktion für die Bluttat auf Heinz- Orbis hat die ſogenannte autonome Regierung die Nachtverkehrsſperre von 6 Uhr abends bis 7 Uhr morgens über die Stadt ver- hängt. Speyer, 11. Januar. Die Vertreter der pfälziſchen Städte und der pfälziſchen Wirt- ſchaftsverbände ſprachen geſtern bei Ge- neral de Metz ihr Bedauern über die Bluttat aus, erhoben aber gleichzeitig Proteſt gegen die ſogenannte autonome Regie- rung und teilten dem General mit, daß ſie heute in Koblenz bei der Rheinlandskommiſſion ihren Einſpruch wiederholen würden. Weitere Einzelheiten vom Tatort: An der Längswand des Saales befanden ſich eine Reihe von Kugelſpuren. Eine weitere Kugelſpur iſt am Boden ſichtbar. Daraus läßt ſich feſtſtellen, daß etwa 15 Schüſſe im Saale abgegeben wurden. Als die Täter verſchwunden waren und die Ver- wirrung ſich gelegt hatte, erſchien ein Herr aus der Umgebung von Heinz-Orbis, Schmitz- Epper und nahm ſofort die Unterſuchung auf. Die Unterſuchung ergab zunächſt noch keine Anhaltspunkte. Man fand lediglich Revolver neueſten Syſtems vor, die von den flüchtigen Tätern weggeworfen worden waren. Die Täter ſelbſt entkamen offenbar zu Fuß. Die Leiche von Heinz Orbis blieb noch längere Zeit im Saale. Später wurde ſie im Regierungsgebäude auf- gebahrt. Ueber die Beerdigung ſelbſt iſt noch nichts bekannt. Speyer, 11. Jan. Die katholiſchen Dekane als die berufenen Vertreter der katholi- ſchen Geſamtgeiſtlichkeit der Pfalz erlaſſen unter dem 6. Januar zur Frage der Bildung einer ſogenannten autonomen Pfalz im Einverſtändnis mit dem Biſchof der Diözeſe Speyer eine Kundgebung, die den Regie- rungen ſämtlichon Staaten dem Vertreter des Heiligen Stuhles und dem Delegierten der Rheinlandskommiſſion zugeſtellt wurde und in der ihre grundſätzliche Stellung zur Bildung einer autonomen Pfalz wie folgt dargelegt wird: 1. Daß eine gegen den Willen der pfälziſchen Bevölkerung des Reiches und Bayerns voll- zogene Trennung der Pfalz von Reich und Bayern nicht der Völkerverſöhnung dient, ſondern ſtändig die Gefahr nationaler Kämpfe und kriegeriſcher Verwicklungen heraufbeſchwört. 2. Daß die ſogenannte Regierung der auto- nomen Pfalz durch Mittel, die das chriſt- liche Sittengeſetz verbietet, ihre Macht zu erlangen verſucht und ihre Stellung nur dadurch behaupten kann, weil das waffen- loſe deutſche Volk nicht in der Lage iſt, gegenüber den bewaffneten Truppen der Separatiſten ſeiner Ueberzeugung Geltung zu verſchaffen. 3. Betonen ſie, daß das Gebot Gottes, das Gehorſam gegenüber der rechtmäßigen Obrig- keit vorſchreibt, die Pflicht der Dankbar- keit gegenüber dem Staate Bayern, der ſeit mehr als einem Jahrhundert ein wohl- wollender Schützer und Förderer des kirchlichen und religiöſen Lebens in der Pfalz geweſen iſt und die Treue zum Reich die Katholiken zwinge, die ſogenannte autonome Pfalz als für ſie nicht exiſtierend zu betrachten und dieſen ihren Standpunkt auch gegenüber dem Volke zu vertreten. Sie ſehe aus der gegenwärtigen un- haltbaren Lage keinen Ausweg, als den, es der rechtmäßigen Regierung zu ermöglichen, ihre Tätigkeit baldigſt in vollem Umfang wieder aufzunehmen. Eine entſprechende Kundgebung haben auch die proteſtantiſchen Geiſtlichen beſchloſſen. Freilaſſung der Geiſeln in Zweibrücken. * Zweibrücken, 11. Jan. Die von den Sepa- ratiſten verhafteten Geiſeln wurden heute ſämtlich wieder freigelaſſen. Der Sohn des Oberlandesgerichtspräſidenten Aſſeſſor Bi- label wurde wegen Beleidigung der Sepa- ratiſten zur Geldſtrafe von 200 Goldmark ver- urteilt. Die Freigelaſſenen mußten ſich ſchrift- lich verpflichten, innerhalb 14 Tagen das Weich- bild der Stadt nicht zu verlaſſen. Ein Kontrollverſuch in München. * München, 11. Jan. Zu der am Donnerstag durch Mitglieder der Interalliierten Militär- kommiſſion in München vorgenommenen Kon- trolle wird noch mitgeteilt, daß die Eindring- linge außer beim Stabe der 7. Diviſion auch beim Stabe des 1. Bataillons des Infanterie- Regiments 19 erſchienen. Zum Schutze der Kommiſſion waren Beamte der Schutzmannſchaft abgeſtellt. Vermiſchtes. Bogtareuth, 11. Januar. Der 14jährige Sohn des Landwirts Härtl in Matzersreuth ſpielte mit einer geladenen Flobertpiſtole und hantierte daber ſo unglücklich, daß ein Schuß losging, der ihm in den Unterleib drang und ſeinen Tod herbeiführte. Bamberg, 11. Januar. Am Montag kam vor der Strafkammer des Landgerichts die Angele- genheit des engliſchen Ehepaares Goldhill zur Verhandlung, das vom hieſigen Schöffengericht wegen Beleidigung des Landtagsabgeord- neten Franz Aenderl zu je einem Tage Gefängnis und Tragung der Koſten verurteilt worden war. Abg. Aenderl hatte in einem D-Zug dem Ehepaar Vorſtellungen gemacht, weil der Mann den Fuß auf die Polſterung ſetzte, worauf er mit „german dog“ (deutſcher Hund) beſchimpft wurde. Der Ehemann wurde freige- ſprochen, während die Frau wegen Beleidigung zu 250 Goldmark bzw. einer Woche Ge- fängni&ſr; in Abweſenheit verurteilt wurde. Der Haftbefehl gegen die Frau bleibt aufrecht- erhalten. Hoppingen, 11. Januar. Im hieſigen Pfarr- baus erſchien bei Nacht ein Mann, der nur mit Hemd und Strümpfen bekleidet war. Er gab vor, von zwei Strolchen auf der Landſtraße ſeiner ganzen Kleider und Barſchaft beraubt worden zu ſein und den Weg von Dillingen bis hierher im Hemd zurückgelegt zu haben. Dem Burſchen wurden Kleider gegeben. Seither iſt er nicht mehr erſchienen. Man glaubt, daß er identiſch iſt mit einem vorige Woche aus dem Krankenhaus Dillingen entwichenen 23jähr. Manne namens Karl Schmid. Beutelsbuch (Wttbg.), 11. Januar. Der Mili- rärbefehlshaber hat über den Landwirt Gottlieb Layer jun. die Schutzhaft verhängt, weil er ſeit Jahren keine Milch in die Sammel- ſtelle abliefert. Nachdem ſich der Betroffene un- terſchriftlich zu einer täglichen Milchlieferung verpflichtete, wurde der Vollzug der Haft vor- läufig unterlaſſen. London. Schwere Schneeſtürme in England. Ganz England iſt in den letzten 24 Stunden von ſchweren Schneeſtürmen heimgeſucht worden. Auch im Kanal herrſchte hef- tiges Sturmwetter. Viele Schiffe werden in See- not gemeldet. Der Luftverkehrsdienſt liegt voll- ſtändig ſtill. Manila. Maſſenmorde auf den Phi- lippinen. Nach einem offiziellen Bericht haben religiöſe Fanatiker 13 Mitglieder der philippini- ſchen Schutzmannſchaft, darunter zwei Offiziere in der Nähe von Mindanao ermordet. Abende der „Allgemeinen Zeitung“ Getreu ihrem Ziel, das kulturelle Leben Münchens nach Möglichkeit zu fördern und den wertvollſten Schichten des Volkes zu dienen, veranſtaltet die „Allgemeine Zeitung“ Konzerte und Vor- tragsabende in zwangloſer Folge. Dieſe Abende ſollen vor allem dem künſt- leriſch intereſſierten Mittelſtand zugänglich ſein. Für viele bedeutet heute der Kauf einer Eintrittskarte eine nahezu uner- ſchwingliche Ausgabe. Der Eintrittspreis unſerer „Abende für den Mittelſtand“: ſechzig Pfennige für den Sitzplatz, dreißig Pfennige für den Stehplatz ermöglicht auch Minderbemittelten den Be- ſuch. In den Konzerten werden nur Kompo- ſitionen aufgeführt, die in den üblichen Konzertprogrammen nicht erſcheinen. Von früheſten bis zu jüngſten Schöpfungen alſo nur ſolche, die man ſonſt nicht zu hören bekommt. Die „Abende für den Mittelſtand“ wurden ermöglicht dank dem hochherzigen Ent- gegenkommen einer Reihe unſerer hervor- ragendſten Künſtler. So werden bei dieſen Veranſtaltungen im Programm und in der Ausführung nur Leiſtun- gen erſten Range&ſr; geboten werden. Neben jenen, denen ſie eigentlich zuge- dacht ſind, werden ſie auch Freunden nicht alltäglicher Programme und erſtklaſſiger Darbietungen willkommen ſein. 50 Abonnenten der „Allgemeinen Zeitung“ werden für jeden „Abend“ Ein- trittskarten unentgeltlich zugeſtellt. Eine Plakatierung in größerem Maßſtabe erfolgt nur bei dem erſten Abend. Die weiteren Veranſtaltungen werden durch kleine Plakate (in Theater- zettelgröße) und in der „Allgemeinen Zeitung“ bekanntgegeben (Inſerat immer auf letzter Seite!). Der erſte Abend (Konzert) findet Dienstag 15. Januar, abends 8 Uhr im „Muſeum“ ſtatt. Programm ſiehe Inſerat auf Seite 8. Kartenverkauf (ab heute) bei Alfred Schmid Nachf., Reſidenzſtraße 7, bei Otto Halbreiter, Promenadeplatz 16, und an der Abendkaſſe. Marie von Olfers † Am Dienstag, dem 8. Januar, fand die älteſte deut- ſche Dichterin Marie von Olfer&ſr; in ihrem 97. Lebensjahre einen tragiſchen Tod. Am Kamin- feuer fingen die Kleider der Greiſin Feuer und ſie verbrannte in ihrer Wohnung am Schöneberger Ufer in Berlin. Mit Marie von Olfers iſt wieder ein Stück jenes alten, den Fremden ſo ganz unbekannten Berlins dahingegangen. Die Atmoſphäre, die um ſie und ihr Haus webte, war der Geiſt des alten Fontaneſchen Berlin. Jahrzehntelang war ihr kleiner altmodiſcher Salon ein Zentrum des Geiſtes und altvornehmer Ge- ſelligkeit. Hermann Grimm, Wildenbruch und andere Dichter laſen hier zuerſt ihre Werke vor und wohl- gepflegte, alte Damen tranken Tee und machten Hand- arbeiten beim Scheine der mildleuchtenden Lampen. Ihr Vater war der oberſte Leiter der Berliner Kunſtſammlungen und ſammelte um ſich in der erſten Hälfte des vorigen Jahrhunderts das künſtleriſche und geiſtige Berlin. In dieſer Umgebung wuchs Marie v. Olfers mit ihren beiden Schweſtern auf und pflegte dieſe Traditionen ihrer Familie bis in ihre letzten Tage. Sie war ſowohl Schriftſtellerin als auch Malerin. Ihre kleinen Erzählungen waren erfüllt von Lebens- bejahung und einer leiſen Ironie, die die Erfahrun- gen ihres reichen Lebens ihr gebracht hatte. Noch lange fortleben werden ihre Kinderbücher, die ſie ſelbſt mit Illuſtrationen verſah. Eine Neuigkeit, die vielleicht nicht wahr iſt. Die „Tribüne de Genéve“ erzählt: Prinz Mahud Ali, der Bruder des Königs von Afghaniſtan, befindet ſich jetzt in Berlin. Ja, was macht er den ganzen Tag? Er befindet ſich in ſeinem Hotelzimmer. Iſt er krank? Nicht im geringſten. Es geht ihm ausgezeichnet. Er verbringt die Stunden damit, daß er Bücher lieſt und einige Beſucher empfängt, die in die Intimität jenes Schlafzimmers, das nicht gerade königlich iſt, zu- gelaſſen ſind. Die Möglichkeit, daß er aufſteht, gibt es nicht. Ja warum denn nicht? Iſt es ihm ver- boten? Iſt das bei ihm eine unglaubliche Faulheit? Nein, all das ſtimmt nicht. Seine Königliche Hoheit Mahud Ali hat durch Diebſtahl ſeine ganze Garderobe eingebüßt. Schon bei der erſten Nacht ſeiner Ankunft in Berlin haben die Diebe mit unglaublicher Frechheit es fertig gebracht, ihm ſeine geſamte Garderobe zu ſtehlen. Man denke, der Prinz hat ſie geſehen, er hat verſucht, einzuſchreiten, er konnte den Diebſtahl nicht verhindern. Seine reichen Anzüge mit den Goldſticke- reien, alles iſt verſchwunden. Mahud All blieb nur mit ſeinem Hemde. Er hat nicht einen Augenblick gezögert über das, was er tun ſollte. Soll er ſich eurapäiſch kleiden? Niemals. Was dann? Er wartet mit Geduld, ja mit Reſignation darauf, daß ſein Kurier aus Kaboul zurückkehrt, der ihm eine ganze Garderobe bringen wird. Das bedeutet ebenſoviel als einen Monat im Bette bleiben. Aber die Dignität des perfekten Orientalen bleibt. Berlins neue Oper. Die alte Kroll-Bühne — der Berliner ſagte „bei Kroll“ —, die einſt Zentrum des Berliner Lebens war, iſt umgebaut worden. Oskar Kaufmann, der Erbauer der Berliner „Volksbühne“, hat ſie zur „Oper am Königsplatz“ umgeſtaltet. Mit viel Geſchmack und Geſchick, ſehr einfach, mit Beigabe etwas ſpieleri- ſcher Ornamentik. So hätte nun Berlin vier Opern- häuſer. Doch das alte Opernhaus bleibt nach wie vor das einzige, das allen Forderungen gerecht wird. Bei den beiden bisherigen Nebenopern fehlt ausreichende Bühne dem Theater des Weſtens, eigentlicher Opern- raum dem Deutſchen Opernhaus. Die neue „Oper am Königsplatz“, ſie geht als „die Kroll-Oper“, bietet den Aufführungen gewiſſe Gren- zen, die in dem gegebenen Grundriß wohl ihre Haupt- urſache haben: für große Opern langt anſcheinend der Orcheſterraum nicht. Und auch die Akuſtik ſcheint — ſoweit ſich bei einem Neubau überhaupt über Akuſtik etwas ſagen läßt — mangelhaft: Geſang, Orcheſter bleibt überdeutlich für ſich allein, verſchmilzt nicht zum Geſamtklang. So daß das Arbeiten in der Kroll-Oper alſo eine recht diffizile Sache werden dürfte. Eine Meiſterſinger-Aufführung unter Kleiber er- öffnete den Spielplan dieſer neuen Filiale der Staats- oper. Sie iſt ein Nebeninſtitut, von der Staatsoper künſtleriſch verſorgt, als Volksbühne gedacht; der Umbau iſt aus Mitteln des Vereins „Volksbühne“ beſtritten worden. Ein unbekanntes Raffael gefunden. Der römiſche Koreſpondent des „B. T.“ meldet: In der Villa Marcheſe Ferragiano unweit Savona wurde bei Bauarbeiten ein 2 Meter breites, 1 Meter hohes Gemälde von Raffael und Giulio Romano entdeckt. Das Gemälde, das über hundert Figuren darſtellt, zählt zu den großartigſten Schöpfungen des Meiſters. Auf der rechten Seite des Bildes befindet ſich auch ein Selbſtporträt Raffaels und darunter deutlich ſichtbar ſein Mono- gramm. Das Bild wurde auf Beſtellung des Papſtes Julius II. angefertigt, um deſſen Palaſt in Savona zu ſchmücken.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-12-19T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 12. Januar 1924, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine11_1924/2>, abgerufen am 01.06.2024.