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Allgemeine Zeitung, Nr. 126, 16. März 1908.

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München, Montag Allgemeine-Zeitung 16. März 1968. Nr. 126.
[Spaltenumbruch] Aeußerungen in dem Plädoyer des Angeklagten Harden
und des Justizrates Bernstein. Die lange Spanne Zeit
zwischen Erstattung der Anzeige und dem heutigen Datum
hat die Neue Gesellschaftliche Korrespondenz veranlaßt, so-
wohl beim Fürsten Eulenburg wie bei Maximilian Harden
anzufragen, wie die Angelegenheit gegenwärtig steht. Herr
Harden hat der Neuen Gesellschaftlichen Korrespondenz ge-
antwortet, er habe bis zum heutigen Tage keine weitere
Nachricht hierüber erhalten. Weder sei ihm eine Anklage
zugestellt, noch sei er vernommen worden. Auf die gleich-
lautende Anfrage an den Fürsten Eulenburg ist, wie die
Nationalzeitung schreibt, der Neuen Gesellschaftlichen Kor-
respondenz von einem Sohne des Fürsten Eulenburg die
folgende Antwort zugegangen:

Liebenberg, 9. März.
In Vertretung meines Vaters, des Fürsten Eulen-
burg, dessen sehr angegriffene Gesundheit ihm nicht ge-
stattet, seine Korrespondenz selbst zu erledigen, gestatte
ich mir Euer Hochwohlgeboren ergebenst mitzuteilen, daß
mir über den augenblicklichen Stand der von Ihnen be-
rührten Angelegenheit nichts Näheres bekannt ist.
Mit vorzüglicher Hochachtung ganz ergebenst
gez. Graf Eulenburg.

Hierzu bemerkt die Neue Gesellschaftliche Korrespon-
denz:

Eine Entscheidung scheint also immer noch nicht ge-
fallen zu sein, denn auch von einer Ablehnung des Straf-
antrages hätte zum mindesten dem Kläger Kenntnis ge-
geben werden müssen. Bisher durfte doch wohl jeder
Staatsbürger, der sich beleidigt fühlte, darauf rechnen,
etwas schneller zu seinem Rechte oder zur Aufklärung über
seinen Irrtum zu gelangen. Es scheint daher im allge-
meinen Interesse zu liegen, auf diese Säumigkeit öffent-
lich aufmerksam zu machen.
Die Feier des 18. März.

10.44 N. (Privattelegramm.)
Zum 18. März d. J. hat die Polizei, wie die Tägliche Rund-
schau schreibt, schon umfassende Vorkehrungen getrof-
fen. Dem Vorgehen der vereinigten Verbände der Berliner Holz-
industrie, die überein gekommen sind, die Arbeiter, welche am
18. März willkürlich feiern, zu entlassen, haben sich zahlreiche
Unternehmer-Organisationen in Berlin und den Vororten an-
geschlossen. Da mehrere Gewerkschaften beschlossen haben, es
ihren Mitgliedern anheim zu stellen, ob sie am 18. März feiern
wollen oder nicht, wird die Arbeitseinstellung voraussichtlich
keine größere Ausdehnung annehmen.

Aufhebung amerikanischer Konsulate in Deutschland.

(Auf deutsch-atlantischem Kabel.)
Der Kongreß-Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten
empfahl die Annahme der Gesetzesvorlage über die Reorgani-
sation des Konsulardienstes.
Dieselbe sieht die Auf-
hebung von 38 Konsulaten
vor, darunter die Konsulate
in Krefeld, Düsseldorf, Glauchau, Freiberg,
Annaberg, Zittau, Bamberg, Mainz
und Eiben-
stock.

Kaiser Franz Joseph unpäßlich.

10.22 N. (Privattelegramm.)
Der Kaiser hat auf Anraten seiner Aerzte heute das Schön-
brunner Schloß nicht verlassen und wird auch morgen nicht in
die Stadt fahren. Deshalb fand das Familiendejeuner
für Großfürst Sergius heute in Schönbrunn statt und
bei dem morgigen Diner in der Hofburg wird Erzherzog
Franz Ferdinand
den Kaiser vertreten. Den Anlaß zu
dieser Abänderung gab ein Schnupfen, von dem man hofft, der
Kaiser werde in wenigen Tagen davon befreit sein. Großfürst
Sergius dejeuniert morgen bei Erzherzog Friedrich und reist
abends nach Rom ab.

Die Lage in Marokko.

8.05 N. (Privattelegramm.)
Fast alle Kabylen um Rabat gingen zu Muley Hafid
über und sandten ihm Hilfstruppen. Der Weg nach Fez ist für
Muley Hafid frei. Abd ul Asis lößt die Rabater Stadttore stark
bewachen, um einen weiteren Uebergang der Rabater zu Muley
Hafid zu verhindern.

Aus Brechar in Süd-Oran wird
gemeldet: Eine Truppenabteilung, die einen Streifzug in das
Gebiet der Saaira unternahm, stieß auf eine Berberschar,
[Spaltenumbruch] mit der sie in ein Gefecht verwickelt wurde. Im Verlaufe des-
selben sollen ein Offizier getötet und zwei Soldaten verwundet
worden sein. Genaue Nachrichten fehlen noch.

4.00 N. (Privattelegramm.)
In dem Beleidigungsprozeß Dr. Karl Peters (vertreten durch
R.-A. Dr. Rosenthal-München) gegen den Redakteur der sozial-
demokratischen Zeitung die Volkswart, Hugo Wolff, wurde der
letztere zu 200 M Geldstrafe, Kostentragung und Urteilsver-
kündung verurteilt.

Hof und Gesellschaft.

-- Prinz Georg, der von der Erkrankung an den Masern
genesen ist, trat heute abend inkognito eine auf mehrere Wochen
berechnete Reise nach Italien an. -- Prinz Heinrich reiste
heute abend nach Meran ab, wo er für einige Zeit Erholungs-
aufenthalt nimmt.

-- Bei dem englischen Ministerresidenten Mr. Cart-
wright
fand heute abend 6 Uhr eine größere Tafel statt,
zu welcher geladen waren: Fürst und Fürstin Oettingen-
Spielberg
mit Tochter, Fürst und Fürstin Wrede, Graf
Buttler, Gräfin Almeida, Graf Sandizell, Baron
und Baronin Fiedler, Gräsin Ella Tattenbach, Gräfin
Wanda Voißky, Graf Hoyos, Baronin Viola Riederer
und andere.

Münchener Stadtanzeiger.

V Zu der Bogenhauser Erpressungsaffäre. Das Ge-
rücht, der Bogenhauser Erpresser sei verhaftet worden, ver-
ursachte am Samstag gegen Abend überall große Sensation.
Wie wir auf unsere Erkundigungen erfahren, liegt dem
Gerücht folgender Vorfall zugrunde: Gegen halb 5 Uhr
abends fiel einem Herrn in der Bayerstraße nächst
dem Südbau des Hauptbahnhofes ein Mann auf, auf den
die Beschreibung der Polizei zu passen schien. Er trug einen
-- allerdings steifen -- braunen Hut, hatte ein kleines,
dunkles, nach aufwärts gedrehtes Schnurrbärtchen und an
den beiden Wangen Pockennarben. Der Herr folgte dem
stadteinwärts gehenden Unbekannten, der zunächst ein
Haus an der Schützenstraße betrat, dort bis zum vierten
Stockwerk stieg, dann aber wieder zurückkehrte. Am Stachus
machte der Verfolger den Schutzmannsposten auf den Mann
aufmerksam und ersuchte ihn, an die Polizei zu telepho-
nieren, es möchten Kriminalbeamte entgegengeschickt wer-
den. In der Neuhauserstraße verschwand der Verdächtige
plötzlich wieder in einem Hause. Er hatte sich, wie sich sein
Verfolger überzeugte, in ein im zweiten Stockwerk ge-
legenes Schreibbureau begeben. Als er nach reichlich einer
Viertelstunde wieder aus dem Hause kam, hatten sich be-
reits drei Kriminalschutzleute mit einem Kommissär ein-
gefunden, die den Mann nun weiter verfolgten. Dieser
bog in die Eisenmannstraße ein und hier fiel er einem
zweiten Herrn auf, der sofort einem der ihm persönlich be-
kannten Polizeibeamten zurief: "Das ist der Bogenhauser
Erpresser!" Nun traten zwei der Beamten auf den Unbe-
kannten zu, der sofort, als ihm einer an den Arm langte,
um ihn zu stellen, rief: "Lassen Sie mich los! Was wollen
Sie?" Er beachtete nicht, daß sich die Polizeibeamten legi-
timierten, und begann, laut um Hilfe schreiend, mit den
Armen um sich zu schlagen. Die Polizisten drängten ihn in
einen Hausgang. Hier zogen sie ihm seine Papiere aus
der Brusttasche, er suchte sie ihnen zu entreißen und wollte,
da er inzwischen an beiden Handgelenken die Schließzange
angelegt bekam, mit den Zähnen die Papiere zerfetzen.
Schließlich wurde er in einer Droschke zur Polizei gebracht
und dem Oberregierungsrat Dillmann vorgeführt.
Nachdem sich die Erregung des Festgenommenen einiger-
maßen gelegt, stellte sich heraus, daß er ein 34jähriger Stu-
dent aus Italien sei, der seit mehreren Jahren hier wohnt
und tatsächlich mit der Erpresseraffäre nichts zu tun hat.
Die Personalbeschreibung, die der Dienstmann von seinem
Auftraggeber gab, paßt auch nur sehr oberflächlich auf den
Studenten, der nach einem einstündigen Verhör wieder
entlassen wurde. Die Geschichte hatte sich rasch herum-
gesprochen und es tauchte alsbald ein weiteres Gerücht auf,
es sei der wirkliche Erpresser am Bahnhofplatz verhaftet
[Spaltenumbruch] worden. Diese Erzählung entbehrt aber jeder tatsächlichen
Grundlage. Der Polizei gingen nach der Veröffentlichung
des letzten Steckbriefes eine Reihe von Mitteilungen über
Persönlichkeiten zu, auf die die Signalements stimmen
sollen; alle diese Nachrichten beruhen jedoch auf Ver-
mutungen, und die Angelegenheit ist für die Polizei heute
noch ebenso unaufgeklärt wie von Anfang an.

tz. Zum Streik der Droschkenkutscher und Chausseure.

Be-
kanntlich haben die streikenden Droschkenkutscher und Chauffeure
bei ihrem letzten Streikappell am Freitag beschlossen, den Streik
für beendet zu erklären und die Arbeit ohne Tarifabschluß zu
den alten Bedingungen wieder aufzunehmen. Damit sind jedoch
die Arbeitgeber nicht einverstanden, denn die Lohn-
kutscher-Innung
hat im Einvernehmen mit der Kraft-
droschken-Vereinigung
heute beschlossen, die streiken-
den Kutscher und Chauffeure erst dann einzustellen,
wenn der Gehilfen-Ausschuß die vor dem Einigungs-
amt des Gewerbegerichtes festgelegten provisorischen Tarifver-
einbarungen anerkannt hat und unterzeichnet, was
dieser jedoch verweigert, da die streikenden Kutscher und Chauf-
feure diese provisorischen Tarifvereinbarungen in ihrer Versamm-
lung mit überwiegender Majorität abgelehnt haben. Der Be-
schluß der Arbeitgeber, die streikenden Droschkenkutscher und
Chauffeure vorerst nicht einzustellen, wurde in der Erwägung
gefaßt, daß wahrscheinlich bei der nächsten passenden Gelegenheit,
so bei Beginn der Ausstellung usw., der Streik neuer-
dings ausbrechen würde.
Behufs Anberaumung neuer-
licher Einigungsperhandlungen haben die Arbeitgeber-Organisa-
tionen beschlossen, das Einigungsamt des Gewerbegerichtes an-
zurufen.

* Eine Kundgebung gegen die geplante Erhöhung der
Telephongebühren
wird vom Demokratischen Ver-
ein
am Montag Abend halb 9 Uhr im großen Kollergarten,
Schwanthalerstraße, veranstaltet. Referenten die Herren
Gemeindebevollmächtigter Th. Scholl und Rechtsanwalt
Dr. Ad. Strauß.

Da die geplante Reform des Telephontarifs tief in das
wirtschaftliche Leben und in alle, auch private, Verkehrs-
verhältnisse, insl ondere der Großstadt, einschneidet, ist
eine Klärung der Frage und rechtzeitige Stellungnahme
des interessierten Publikums dringend zu wünschen.

* "In Treue sest."

Die Calderon-Gesellschaft veranstaltet
am Montag, den 16. März, zur Ehrung Sr. kgl. Hoheit des
Prinzregenten eine Aufführung des von Bruno Graf v. Holnstein
aus Bayern verfaßten patriotischen Festspieles "In Treue
fest
", historische Bilder aus Bayerns ruhmvoller Vergangen-
heit, im Festsaal des Hotel Union (Barerstraße 7). Das
Stück wird von Damen und Herren der Gesellschaft aufgeführt.
Hoffchauspieler a. D. Stury hat die Regie, Kunstmaler Graf
Courten die Stellung der lebenden Bilder übernommen. Am
Festabend spielt die Kapelle des Infanterie-Leib-Regiments
unter Leitung des Musikdirektors Högg. Die Einübung der
Reigentänze hat Miß Rice. Karten zu der Festvorstellung
a 4, 3, 2 Mark (Stehplätze a 1 Mark) bei Seyfferth, Amalien-
straße 17; Stuffler, Photographiehandlung, gegenüber der Haupt-
post; Dr. H. Lüneburg (Franz Gais), Buchhandlung, Karl-
straße 4; Fr. Ant. Prantl, kgl. bayer. Hoflieserant, Odeons-
platz 15; beim Portier des Hotel Union und im Theaterbilletten-
Kiosk am Lenbachplatz.

C. S. Der Todessturz von der Großheffeloher Brücke.

Im
Oestlichen Friedhof wurde heute Samstag nachmittag unter Be-
gleitung der nächsten Verwandten und Bekannten die Leiche des
kgl. Reallehrers a. D. Fritz Rheude beigesetzt. Bekanntlich
suchte der geisteskranke Mann vor ein paar Tagen den Tod, in-
dem er sich von der Brüstung der Großhesseloher Brücke auf die
Kaimauer herabstürzte, wo er zerschmettert liegen blieb. Der
Geistliche widmete dem Verstorbenen einen ehrenden Nachruf,
indem er mit Bedauern hervorhob, daß der früher so fleißige
und strebsame Schulmann die Tat in einem Anfall geistiger
Umnachtung beging. Zahlreiche Kränze zierten Sarg und Grab,
darunter von der Familie v. Ow.

n. Verhaftung einer Diebsgesellschaft.

In der Nacht zum
Samstag versuchten zwei junge Burschen einen Auslagekasten
eines Geschäftes an der Damenstiftstraße zu erbrechen,
während vier andere in der Nähe Spähe standen. Ein Schutz-
mann beobachtete die Diebe und es gelang ihm auch, alle sechs
mit Hilfe einiger weiterer Schutzleute festzunehmen. Die Ver-
hafteten, sämtliche wegen Eigentumsdelikten vorbestraft, haben,
wie bereits festgestellt ist, in den letzten Wochen mehrfach Dieb-
stähle verübt, u. a. ist nachgewiesen, daß sie in hiesigen anrüchigen
Lokalen einen schwunghaften Handel mit gestohlenen Schuhen,
von einem Auslagediebstahl an der Reichenbachstraße her-
rührend, betrieben haben. Auch scheinen sie den in der Nacht zum
Mittwoch bei einem Tändler in der Rosenheimerstraße verübten
Einbruch, bei dem Uhren und Ringe im Werte von mehreren
hundert Mark gestohlen wurden, begangen zu haben.

[Spaltenumbruch]
Heimliche Liebe.
(29)

(Nachdruck verboten.)

Der Sommer ging vorüber, und nachdem Georg von
Helldorf sich wieder eingelebt hatte, begann er plötzlich
einen lebhaften Beschäftigungsdrang zu entwickeln.

Vom frühen Morgen an schon ging er auf seiner Be-
sitzung umher, prüfte, besichtigte und hatte tausend Verbesse-
rungsvorschläge, die dem alten Inspektor Grundmann ein
Kopfschütteln nach dem anderen abnötigten.

Aber diesmal ließ sich sein Herr von ihm nicht beein-
flussen, und der alte Mann mußte wohl oder übel nach-
geben.

"Die Leute müssen menschlicher wohnen," hatte Georg
eines Tages gesagt und dabei auf die beiden langgestreckten,
niedrigen und noch mit Schindeln gedeckten Gesindehäuser
gedeutet, während der Inspektor erstaunt aufhorchte und
beim besten Willen nicht herausfinden konnte, was denn
eigentlich "unmenschlich" an diesen Behausungen sein
sollte.

"Wie der Herr Baron meinen," entgegnete er deshalb
nach einer Pause mit der Resignation, die er sich in den
letzten Wochen angeeignet hatte, "aber" ...

"Kein "Aber", lieber Grundmann," unterbrach ihn
jedoch Georg sofort, "die Stuben sind eng und niedrig,
mangelhaft geheizt im Winter und ohne Lüftung im Som-
mer. ... Allein diese vorsintflutlichen Dächer sind eine
ständige Feuersgefahr."

"Die Leute sind ja auch nicht an Paläste gewöhnt, Herr
Baron."

"Aber wir wollen sie daran gewöhnen, Herr Grund-
mann. Wenn auch nicht an Paläste, so doch an helle, luftige
Zimmer und an ein Heim, in dem sie sich wirklich wohl
fühlen und erholen können nach ihrer schweren Arbeit."

Damit stand sein Entschluß fest, und er ließ sich einen
Baumeister kommen, mit dem er lange Beratungen hatte,
Ausmessungen vornahm und Zeichnungen entwarf.

Dann wurde mit dem Bauen begonnen, als schon der
Winter vor der Tür stand, zu einer Jahreszeit, die -- für
ländliche Verhältnisse -- wenig geeignet dazu war.

[Spaltenumbruch]

Aber die Arbeit schritt rüstig vorwärts; mit den
Löhnen wurde nicht gespart, und Georg überzeugte sich täg-
lich von den Fortschritten. Die Leute waren zufrieden
damit; es gab Arbeit in der sonst so ruhigen Winterzeit,
und ein gutes Stück Geld wurde verdient.

Als die Mauern bereits in Manneshöhe aus der Erde
gewachsen waren, kam ihm ein neuer Gedanke: Helldorf
sollte auch ein Krankenhaus haben -- für die Gutsleute
unentgeltliche Aufnahme und Behandlung, für die übrigen
Dorfbewohner gegen eine möglichst niedrig zu bemessende
Bezahlung.

Es lag etwas Großzügiges in seinen Unternehmungen;
er durchdachte und erwog diese Pläne nicht nur mit dem
Kopfe, sondern auch mit dem Herzen. Und wer ihn arbeiten
und inspizieren sah, mußte zugeben, daß es ihm heiliger
Ernst war und daß es sich bei ihm in der Tat um mehr
handelte als um die bloße Spielerei eines wohlhabenden
Mannes.

Zu Beginn des Frühlings schon wurden die Wohn-
häuser für das Gesinde "gerichtet" und gleichzeitig der
Grundstein für das Krankenhaus gelegt, für das er mitten
im Walde und doch nicht allzuweit vom Dorfe einen Platz
angewiesen hatte.

Nun kamen wieder neue Verhandlungen für ihn mit
dem alten Sanitätsrat aus der nahen Kreisstadt und
dessen jüngerem Kollegen, die sich in Zukunft in die Be-
handlung teilen sollten.

Während dieser ganzen Zeit hatte Georg nur selten,
auf wenige Tage und zumeist in geschäftlichen Angelegen-
heiten Helldorf verlassen.

Er vernachlässigte sich sogar in seinem Aeußeren jetzt
ein wenig, trug schwere, plumpe Stiefel, derbe, rauhe An-
züge und aß sein Frühstück oftmals "aus der bloßen Faust",
auf dem "Bau", zwischen den Maurern und Handwerkern,
oder gar im Dorfkrug in Gesellschaft des Bauführers, den
er, gut gelaunt, immer wieder zur Eile antrieb.

Frau von Helldorf sah diesem Treiben ruhig zu und
ließ es geschehen, ohne jemals einen ernstlichen Einspruch zu
erheben.

Sie verstand ihren Sohn nicht ganz, hatte seine Pläne
im Anfang nur für eine -- etwas kostspielige -- Laune an-
gesehen und mußte ihm schließlich doch stillschweigend dieses
Unrecht abbitten, als sie sah, daß in der Tat "etwas daraus
[Spaltenumbruch] wurde" und daß sein Eifer trotz der langen Zeit und trotz
mancherlei Schwierigkeiten nicht erlahmte.

Aber Georg ruhte noch immer nicht; seine Leute sollten
sich in jeder Beziehung als freie, selbständige Menschen füh-
len und die Abhängigkeit von ihm als Gutsherrn so wenig
wie möglich empfinden. Er richtete eine Sparkasse und in
Verbindung damit eine Darlehenskasse ein, zu der er selbst
ein kleines Kapital als Grundlage stiftete. Gegen einen
geringen Beitrag und zu niedrig bemessenen Zinsen konnte
jeder eine Summe leihen, falls einmal notwendige und un-
vorhergesehene Ausgaben es erforderten; die Rückzahlung
geschah in kleinen Raten, den Lohnverhältnissen des ein-
zelnen entsprechend.

Allmählich wurden die Gutsnachbarn aufmerksam, und
einer nach dem anderen kamen sie, um die "Wunder" in
Helldorf zu besichtigen und zu kritisieren. Allerlei Urteile
wurden laut: vorsichtig-skeptische, gutmütig-spöttische, auf-
richtig bewundernde und hin und wieder auch einmal ein
unzarter, höhnischer Scherz.

Georg achtete nicht darauf; er ging seinen Weg, unbe-
kümmert um die Meinung der Leute, und zog sich nur noch
immer mehr in sein eigenes Inneres zurück.

Da war eines Tages Herr von Halbach aus Gatow ge-
kommen, hatte sich von Georg umherführen lassen und alles
eingehend besichtigt mit seinen klugen, hellen Augen, hatte
die Stirn in tausend Falten gezogen und "Hm, hm -- ei, ei
und so, so" gesagt zu allem, was er sah und hörte.

Und endlich, als er mit Georg im Wohnzimmer bei
einem wohlschmeckenden Frühstück und einer Flasche Rot-
wein saß, hatte er gefragt:

"Sagen Sie mal, lieber Georg -- wenn man fragen
darf: was hat Sie, zum Teufel, zu all diesen Dingen ver-
anlaßt, die -- wenn ich ehrlich sein soll -- wirklich eine
recht tüchtige und achtenswerte Leistung sind?"

Georg lächelte ein wenig verlegen. Dem alten Herrn
konnte und durfte er eine solche Frage nicht übelnehmen.

"Ja, lieber Herr von Halbach" -- entgegnete er des-
halb freundlich -- "ich denke, wir haben schon einmal da-
von gesprochen. Entsinnen Sie sich noch, bei meinem ersten
Besuche, den ich Ihnen seinerzeit machte, als ich aus Ame-
rika zurückgekommen war und Sie mich einen "Leute-
beglücker" und Gott weiß was sonst noch nannten? ...
Nun "beglücke ich eben meine Leute" ... sieht die Sache

München, Montag Allgemeine-Zeitung 16. März 1968. Nr. 126.
[Spaltenumbruch] Aeußerungen in dem Plädoyer des Angeklagten Harden
und des Juſtizrates Bernſtein. Die lange Spanne Zeit
zwiſchen Erſtattung der Anzeige und dem heutigen Datum
hat die Neue Geſellſchaftliche Korreſpondenz veranlaßt, ſo-
wohl beim Fürſten Eulenburg wie bei Maximilian Harden
anzufragen, wie die Angelegenheit gegenwärtig ſteht. Herr
Harden hat der Neuen Geſellſchaftlichen Korreſpondenz ge-
antwortet, er habe bis zum heutigen Tage keine weitere
Nachricht hierüber erhalten. Weder ſei ihm eine Anklage
zugeſtellt, noch ſei er vernommen worden. Auf die gleich-
lautende Anfrage an den Fürſten Eulenburg iſt, wie die
Nationalzeitung ſchreibt, der Neuen Geſellſchaftlichen Kor-
reſpondenz von einem Sohne des Fürſten Eulenburg die
folgende Antwort zugegangen:

Liebenberg, 9. März.
In Vertretung meines Vaters, des Fürſten Eulen-
burg, deſſen ſehr angegriffene Geſundheit ihm nicht ge-
ſtattet, ſeine Korreſpondenz ſelbſt zu erledigen, geſtatte
ich mir Euer Hochwohlgeboren ergebenſt mitzuteilen, daß
mir über den augenblicklichen Stand der von Ihnen be-
rührten Angelegenheit nichts Näheres bekannt iſt.
Mit vorzüglicher Hochachtung ganz ergebenſt
gez. Graf Eulenburg.

Hierzu bemerkt die Neue Geſellſchaftliche Korreſpon-
denz:

Eine Entſcheidung ſcheint alſo immer noch nicht ge-
fallen zu ſein, denn auch von einer Ablehnung des Straf-
antrages hätte zum mindeſten dem Kläger Kenntnis ge-
geben werden müſſen. Bisher durfte doch wohl jeder
Staatsbürger, der ſich beleidigt fühlte, darauf rechnen,
etwas ſchneller zu ſeinem Rechte oder zur Aufklärung über
ſeinen Irrtum zu gelangen. Es ſcheint daher im allge-
meinen Intereſſe zu liegen, auf dieſe Säumigkeit öffent-
lich aufmerkſam zu machen.
Die Feier des 18. März.

10.44 N. (Privattelegramm.)
Zum 18. März d. J. hat die Polizei, wie die Tägliche Rund-
ſchau ſchreibt, ſchon umfaſſende Vorkehrungen getrof-
fen. Dem Vorgehen der vereinigten Verbände der Berliner Holz-
induſtrie, die überein gekommen ſind, die Arbeiter, welche am
18. März willkürlich feiern, zu entlaſſen, haben ſich zahlreiche
Unternehmer-Organiſationen in Berlin und den Vororten an-
geſchloſſen. Da mehrere Gewerkſchaften beſchloſſen haben, es
ihren Mitgliedern anheim zu ſtellen, ob ſie am 18. März feiern
wollen oder nicht, wird die Arbeitseinſtellung vorausſichtlich
keine größere Ausdehnung annehmen.

Aufhebung amerikaniſcher Konſulate in Deutſchland.

(Auf deutſch-atlantiſchem Kabel.)
Der Kongreß-Ausſchuß für die auswärtigen Angelegenheiten
empfahl die Annahme der Geſetzesvorlage über die Reorgani-
ſation des Konſulardienſtes.
Dieſelbe ſieht die Auf-
hebung von 38 Konſulaten
vor, darunter die Konſulate
in Krefeld, Düſſeldorf, Glauchau, Freiberg,
Annaberg, Zittau, Bamberg, Mainz
und Eiben-
ſtock.

Kaiſer Franz Joſeph unpäßlich.

10.22 N. (Privattelegramm.)
Der Kaiſer hat auf Anraten ſeiner Aerzte heute das Schön-
brunner Schloß nicht verlaſſen und wird auch morgen nicht in
die Stadt fahren. Deshalb fand das Familiendejeuner
für Großfürſt Sergius heute in Schönbrunn ſtatt und
bei dem morgigen Diner in der Hofburg wird Erzherzog
Franz Ferdinand
den Kaiſer vertreten. Den Anlaß zu
dieſer Abänderung gab ein Schnupfen, von dem man hofft, der
Kaiſer werde in wenigen Tagen davon befreit ſein. Großfürſt
Sergius dejeuniert morgen bei Erzherzog Friedrich und reiſt
abends nach Rom ab.

Die Lage in Marokko.

8.05 N. (Privattelegramm.)
Faſt alle Kabylen um Rabat gingen zu Muley Hafid
über und ſandten ihm Hilfstruppen. Der Weg nach Fez iſt für
Muley Hafid frei. Abd ul Aſis lößt die Rabater Stadttore ſtark
bewachen, um einen weiteren Uebergang der Rabater zu Muley
Hafid zu verhindern.

Aus Brechar in Süd-Oran wird
gemeldet: Eine Truppenabteilung, die einen Streifzug in das
Gebiet der Saaira unternahm, ſtieß auf eine Berberſchar,
[Spaltenumbruch] mit der ſie in ein Gefecht verwickelt wurde. Im Verlaufe des-
ſelben ſollen ein Offizier getötet und zwei Soldaten verwundet
worden ſein. Genaue Nachrichten fehlen noch.

4.00 N. (Privattelegramm.)
In dem Beleidigungsprozeß Dr. Karl Peters (vertreten durch
R.-A. Dr. Roſenthal-München) gegen den Redakteur der ſozial-
demokratiſchen Zeitung die Volkswart, Hugo Wolff, wurde der
letztere zu 200 M Geldſtrafe, Koſtentragung und Urteilsver-
kündung verurteilt.

Hof und Geſellſchaft.

Prinz Georg, der von der Erkrankung an den Maſern
geneſen iſt, trat heute abend inkognito eine auf mehrere Wochen
berechnete Reiſe nach Italien an. — Prinz Heinrich reiſte
heute abend nach Meran ab, wo er für einige Zeit Erholungs-
aufenthalt nimmt.

— Bei dem engliſchen Miniſterreſidenten Mr. Cart-
wright
fand heute abend 6 Uhr eine größere Tafel ſtatt,
zu welcher geladen waren: Fürſt und Fürſtin Oettingen-
Spielberg
mit Tochter, Fürſt und Fürſtin Wrede, Graf
Buttler, Gräfin Almeida, Graf Sandizell, Baron
und Baronin Fiedler, Gräſin Ella Tattenbach, Gräfin
Wanda Voißky, Graf Hoyos, Baronin Viola Riederer
und andere.

Münchener Stadtanzeiger.

V Zu der Bogenhauſer Erpreſſungsaffäre. Das Ge-
rücht, der Bogenhauſer Erpreſſer ſei verhaftet worden, ver-
urſachte am Samstag gegen Abend überall große Senſation.
Wie wir auf unſere Erkundigungen erfahren, liegt dem
Gerücht folgender Vorfall zugrunde: Gegen halb 5 Uhr
abends fiel einem Herrn in der Bayerſtraße nächſt
dem Südbau des Hauptbahnhofes ein Mann auf, auf den
die Beſchreibung der Polizei zu paſſen ſchien. Er trug einen
— allerdings ſteifen — braunen Hut, hatte ein kleines,
dunkles, nach aufwärts gedrehtes Schnurrbärtchen und an
den beiden Wangen Pockennarben. Der Herr folgte dem
ſtadteinwärts gehenden Unbekannten, der zunächſt ein
Haus an der Schützenſtraße betrat, dort bis zum vierten
Stockwerk ſtieg, dann aber wieder zurückkehrte. Am Stachus
machte der Verfolger den Schutzmannspoſten auf den Mann
aufmerkſam und erſuchte ihn, an die Polizei zu telepho-
nieren, es möchten Kriminalbeamte entgegengeſchickt wer-
den. In der Neuhauſerſtraße verſchwand der Verdächtige
plötzlich wieder in einem Hauſe. Er hatte ſich, wie ſich ſein
Verfolger überzeugte, in ein im zweiten Stockwerk ge-
legenes Schreibbureau begeben. Als er nach reichlich einer
Viertelſtunde wieder aus dem Hauſe kam, hatten ſich be-
reits drei Kriminalſchutzleute mit einem Kommiſſär ein-
gefunden, die den Mann nun weiter verfolgten. Dieſer
bog in die Eiſenmannſtraße ein und hier fiel er einem
zweiten Herrn auf, der ſofort einem der ihm perſönlich be-
kannten Polizeibeamten zurief: „Das iſt der Bogenhauſer
Erpreſſer!“ Nun traten zwei der Beamten auf den Unbe-
kannten zu, der ſofort, als ihm einer an den Arm langte,
um ihn zu ſtellen, rief: „Laſſen Sie mich los! Was wollen
Sie?“ Er beachtete nicht, daß ſich die Polizeibeamten legi-
timierten, und begann, laut um Hilfe ſchreiend, mit den
Armen um ſich zu ſchlagen. Die Poliziſten drängten ihn in
einen Hausgang. Hier zogen ſie ihm ſeine Papiere aus
der Bruſttaſche, er ſuchte ſie ihnen zu entreißen und wollte,
da er inzwiſchen an beiden Handgelenken die Schließzange
angelegt bekam, mit den Zähnen die Papiere zerfetzen.
Schließlich wurde er in einer Droſchke zur Polizei gebracht
und dem Oberregierungsrat Dillmann vorgeführt.
Nachdem ſich die Erregung des Feſtgenommenen einiger-
maßen gelegt, ſtellte ſich heraus, daß er ein 34jähriger Stu-
dent aus Italien ſei, der ſeit mehreren Jahren hier wohnt
und tatſächlich mit der Erpreſſeraffäre nichts zu tun hat.
Die Perſonalbeſchreibung, die der Dienſtmann von ſeinem
Auftraggeber gab, paßt auch nur ſehr oberflächlich auf den
Studenten, der nach einem einſtündigen Verhör wieder
entlaſſen wurde. Die Geſchichte hatte ſich raſch herum-
geſprochen und es tauchte alsbald ein weiteres Gerücht auf,
es ſei der wirkliche Erpreſſer am Bahnhofplatz verhaftet
[Spaltenumbruch] worden. Dieſe Erzählung entbehrt aber jeder tatſächlichen
Grundlage. Der Polizei gingen nach der Veröffentlichung
des letzten Steckbriefes eine Reihe von Mitteilungen über
Perſönlichkeiten zu, auf die die Signalements ſtimmen
ſollen; alle dieſe Nachrichten beruhen jedoch auf Ver-
mutungen, und die Angelegenheit iſt für die Polizei heute
noch ebenſo unaufgeklärt wie von Anfang an.

tz. Zum Streik der Droſchkenkutſcher und Chauſſeure.

Be-
kanntlich haben die ſtreikenden Droſchkenkutſcher und Chauffeure
bei ihrem letzten Streikappell am Freitag beſchloſſen, den Streik
für beendet zu erklären und die Arbeit ohne Tarifabſchluß zu
den alten Bedingungen wieder aufzunehmen. Damit ſind jedoch
die Arbeitgeber nicht einverſtanden, denn die Lohn-
kutſcher-Innung
hat im Einvernehmen mit der Kraft-
droſchken-Vereinigung
heute beſchloſſen, die ſtreiken-
den Kutſcher und Chauffeure erſt dann einzuſtellen,
wenn der Gehilfen-Ausſchuß die vor dem Einigungs-
amt des Gewerbegerichtes feſtgelegten proviſoriſchen Tarifver-
einbarungen anerkannt hat und unterzeichnet, was
dieſer jedoch verweigert, da die ſtreikenden Kutſcher und Chauf-
feure dieſe proviſoriſchen Tarifvereinbarungen in ihrer Verſamm-
lung mit überwiegender Majorität abgelehnt haben. Der Be-
ſchluß der Arbeitgeber, die ſtreikenden Droſchkenkutſcher und
Chauffeure vorerſt nicht einzuſtellen, wurde in der Erwägung
gefaßt, daß wahrſcheinlich bei der nächſten paſſenden Gelegenheit,
ſo bei Beginn der Ausſtellung uſw., der Streik neuer-
dings ausbrechen würde.
Behufs Anberaumung neuer-
licher Einigungsperhandlungen haben die Arbeitgeber-Organiſa-
tionen beſchloſſen, das Einigungsamt des Gewerbegerichtes an-
zurufen.

* Eine Kundgebung gegen die geplante Erhöhung der
Telephongebühren
wird vom Demokratiſchen Ver-
ein
am Montag Abend halb 9 Uhr im großen Kollergarten,
Schwanthalerſtraße, veranſtaltet. Referenten die Herren
Gemeindebevollmächtigter Th. Scholl und Rechtsanwalt
Dr. Ad. Strauß.

Da die geplante Reform des Telephontarifs tief in das
wirtſchaftliche Leben und in alle, auch private, Verkehrs-
verhältniſſe, insl ondere der Großſtadt, einſchneidet, iſt
eine Klärung der Frage und rechtzeitige Stellungnahme
des intereſſierten Publikums dringend zu wünſchen.

* „In Treue ſeſt.“

Die Calderon-Geſellſchaft veranſtaltet
am Montag, den 16. März, zur Ehrung Sr. kgl. Hoheit des
Prinzregenten eine Aufführung des von Bruno Graf v. Holnſtein
aus Bayern verfaßten patriotiſchen Feſtſpieles „In Treue
feſt
“, hiſtoriſche Bilder aus Bayerns ruhmvoller Vergangen-
heit, im Feſtſaal des Hotel Union (Barerſtraße 7). Das
Stück wird von Damen und Herren der Geſellſchaft aufgeführt.
Hoffchauſpieler a. D. Stury hat die Regie, Kunſtmaler Graf
Courten die Stellung der lebenden Bilder übernommen. Am
Feſtabend ſpielt die Kapelle des Infanterie-Leib-Regiments
unter Leitung des Muſikdirektors Högg. Die Einübung der
Reigentänze hat Miß Rice. Karten zu der Feſtvorſtellung
à 4, 3, 2 Mark (Stehplätze à 1 Mark) bei Seyfferth, Amalien-
ſtraße 17; Stuffler, Photographiehandlung, gegenüber der Haupt-
poſt; Dr. H. Lüneburg (Franz Gais), Buchhandlung, Karl-
ſtraße 4; Fr. Ant. Prantl, kgl. bayer. Hoflieſerant, Odeons-
platz 15; beim Portier des Hotel Union und im Theaterbilletten-
Kiosk am Lenbachplatz.

C. S. Der Todesſturz von der Großheffeloher Brücke.

Im
Oeſtlichen Friedhof wurde heute Samstag nachmittag unter Be-
gleitung der nächſten Verwandten und Bekannten die Leiche des
kgl. Reallehrers a. D. Fritz Rheude beigeſetzt. Bekanntlich
ſuchte der geiſteskranke Mann vor ein paar Tagen den Tod, in-
dem er ſich von der Brüſtung der Großheſſeloher Brücke auf die
Kaimauer herabſtürzte, wo er zerſchmettert liegen blieb. Der
Geiſtliche widmete dem Verſtorbenen einen ehrenden Nachruf,
indem er mit Bedauern hervorhob, daß der früher ſo fleißige
und ſtrebſame Schulmann die Tat in einem Anfall geiſtiger
Umnachtung beging. Zahlreiche Kränze zierten Sarg und Grab,
darunter von der Familie v. Ow.

ν. Verhaftung einer Diebsgeſellſchaft.

In der Nacht zum
Samstag verſuchten zwei junge Burſchen einen Auslagekaſten
eines Geſchäftes an der Damenſtiftſtraße zu erbrechen,
während vier andere in der Nähe Spähe ſtanden. Ein Schutz-
mann beobachtete die Diebe und es gelang ihm auch, alle ſechs
mit Hilfe einiger weiterer Schutzleute feſtzunehmen. Die Ver-
hafteten, ſämtliche wegen Eigentumsdelikten vorbeſtraft, haben,
wie bereits feſtgeſtellt iſt, in den letzten Wochen mehrfach Dieb-
ſtähle verübt, u. a. iſt nachgewieſen, daß ſie in hieſigen anrüchigen
Lokalen einen ſchwunghaften Handel mit geſtohlenen Schuhen,
von einem Auslagediebſtahl an der Reichenbachſtraße her-
rührend, betrieben haben. Auch ſcheinen ſie den in der Nacht zum
Mittwoch bei einem Tändler in der Roſenheimerſtraße verübten
Einbruch, bei dem Uhren und Ringe im Werte von mehreren
hundert Mark geſtohlen wurden, begangen zu haben.

[Spaltenumbruch]
Heimliche Liebe.
(29)

(Nachdruck verboten.)

Der Sommer ging vorüber, und nachdem Georg von
Helldorf ſich wieder eingelebt hatte, begann er plötzlich
einen lebhaften Beſchäftigungsdrang zu entwickeln.

Vom frühen Morgen an ſchon ging er auf ſeiner Be-
ſitzung umher, prüfte, beſichtigte und hatte tauſend Verbeſſe-
rungsvorſchläge, die dem alten Inſpektor Grundmann ein
Kopfſchütteln nach dem anderen abnötigten.

Aber diesmal ließ ſich ſein Herr von ihm nicht beein-
fluſſen, und der alte Mann mußte wohl oder übel nach-
geben.

„Die Leute müſſen menſchlicher wohnen,“ hatte Georg
eines Tages geſagt und dabei auf die beiden langgeſtreckten,
niedrigen und noch mit Schindeln gedeckten Geſindehäuſer
gedeutet, während der Inſpektor erſtaunt aufhorchte und
beim beſten Willen nicht herausfinden konnte, was denn
eigentlich „unmenſchlich“ an dieſen Behauſungen ſein
ſollte.

„Wie der Herr Baron meinen,“ entgegnete er deshalb
nach einer Pauſe mit der Reſignation, die er ſich in den
letzten Wochen angeeignet hatte, „aber“ ...

„Kein „Aber“, lieber Grundmann,“ unterbrach ihn
jedoch Georg ſofort, „die Stuben ſind eng und niedrig,
mangelhaft geheizt im Winter und ohne Lüftung im Som-
mer. ... Allein dieſe vorſintflutlichen Dächer ſind eine
ſtändige Feuersgefahr.“

„Die Leute ſind ja auch nicht an Paläſte gewöhnt, Herr
Baron.“

„Aber wir wollen ſie daran gewöhnen, Herr Grund-
mann. Wenn auch nicht an Paläſte, ſo doch an helle, luftige
Zimmer und an ein Heim, in dem ſie ſich wirklich wohl
fühlen und erholen können nach ihrer ſchweren Arbeit.“

Damit ſtand ſein Entſchluß feſt, und er ließ ſich einen
Baumeiſter kommen, mit dem er lange Beratungen hatte,
Ausmeſſungen vornahm und Zeichnungen entwarf.

Dann wurde mit dem Bauen begonnen, als ſchon der
Winter vor der Tür ſtand, zu einer Jahreszeit, die — für
ländliche Verhältniſſe — wenig geeignet dazu war.

[Spaltenumbruch]

Aber die Arbeit ſchritt rüſtig vorwärts; mit den
Löhnen wurde nicht geſpart, und Georg überzeugte ſich täg-
lich von den Fortſchritten. Die Leute waren zufrieden
damit; es gab Arbeit in der ſonſt ſo ruhigen Winterzeit,
und ein gutes Stück Geld wurde verdient.

Als die Mauern bereits in Manneshöhe aus der Erde
gewachſen waren, kam ihm ein neuer Gedanke: Helldorf
ſollte auch ein Krankenhaus haben — für die Gutsleute
unentgeltliche Aufnahme und Behandlung, für die übrigen
Dorfbewohner gegen eine möglichſt niedrig zu bemeſſende
Bezahlung.

Es lag etwas Großzügiges in ſeinen Unternehmungen;
er durchdachte und erwog dieſe Pläne nicht nur mit dem
Kopfe, ſondern auch mit dem Herzen. Und wer ihn arbeiten
und inſpizieren ſah, mußte zugeben, daß es ihm heiliger
Ernſt war und daß es ſich bei ihm in der Tat um mehr
handelte als um die bloße Spielerei eines wohlhabenden
Mannes.

Zu Beginn des Frühlings ſchon wurden die Wohn-
häuſer für das Geſinde „gerichtet“ und gleichzeitig der
Grundſtein für das Krankenhaus gelegt, für das er mitten
im Walde und doch nicht allzuweit vom Dorfe einen Platz
angewieſen hatte.

Nun kamen wieder neue Verhandlungen für ihn mit
dem alten Sanitätsrat aus der nahen Kreisſtadt und
deſſen jüngerem Kollegen, die ſich in Zukunft in die Be-
handlung teilen ſollten.

Während dieſer ganzen Zeit hatte Georg nur ſelten,
auf wenige Tage und zumeiſt in geſchäftlichen Angelegen-
heiten Helldorf verlaſſen.

Er vernachläſſigte ſich ſogar in ſeinem Aeußeren jetzt
ein wenig, trug ſchwere, plumpe Stiefel, derbe, rauhe An-
züge und aß ſein Frühſtück oftmals „aus der bloßen Fauſt“,
auf dem „Bau“, zwiſchen den Maurern und Handwerkern,
oder gar im Dorfkrug in Geſellſchaft des Bauführers, den
er, gut gelaunt, immer wieder zur Eile antrieb.

Frau von Helldorf ſah dieſem Treiben ruhig zu und
ließ es geſchehen, ohne jemals einen ernſtlichen Einſpruch zu
erheben.

Sie verſtand ihren Sohn nicht ganz, hatte ſeine Pläne
im Anfang nur für eine — etwas koſtſpielige — Laune an-
geſehen und mußte ihm ſchließlich doch ſtillſchweigend dieſes
Unrecht abbitten, als ſie ſah, daß in der Tat „etwas daraus
[Spaltenumbruch] wurde“ und daß ſein Eifer trotz der langen Zeit und trotz
mancherlei Schwierigkeiten nicht erlahmte.

Aber Georg ruhte noch immer nicht; ſeine Leute ſollten
ſich in jeder Beziehung als freie, ſelbſtändige Menſchen füh-
len und die Abhängigkeit von ihm als Gutsherrn ſo wenig
wie möglich empfinden. Er richtete eine Sparkaſſe und in
Verbindung damit eine Darlehenskaſſe ein, zu der er ſelbſt
ein kleines Kapital als Grundlage ſtiftete. Gegen einen
geringen Beitrag und zu niedrig bemeſſenen Zinſen konnte
jeder eine Summe leihen, falls einmal notwendige und un-
vorhergeſehene Ausgaben es erforderten; die Rückzahlung
geſchah in kleinen Raten, den Lohnverhältniſſen des ein-
zelnen entſprechend.

Allmählich wurden die Gutsnachbarn aufmerkſam, und
einer nach dem anderen kamen ſie, um die „Wunder“ in
Helldorf zu beſichtigen und zu kritiſieren. Allerlei Urteile
wurden laut: vorſichtig-ſkeptiſche, gutmütig-ſpöttiſche, auf-
richtig bewundernde und hin und wieder auch einmal ein
unzarter, höhniſcher Scherz.

Georg achtete nicht darauf; er ging ſeinen Weg, unbe-
kümmert um die Meinung der Leute, und zog ſich nur noch
immer mehr in ſein eigenes Inneres zurück.

Da war eines Tages Herr von Halbach aus Gatow ge-
kommen, hatte ſich von Georg umherführen laſſen und alles
eingehend beſichtigt mit ſeinen klugen, hellen Augen, hatte
die Stirn in tauſend Falten gezogen und „Hm, hm — ei, ei
und ſo, ſo“ geſagt zu allem, was er ſah und hörte.

Und endlich, als er mit Georg im Wohnzimmer bei
einem wohlſchmeckenden Frühſtück und einer Flaſche Rot-
wein ſaß, hatte er gefragt:

„Sagen Sie mal, lieber Georg — wenn man fragen
darf: was hat Sie, zum Teufel, zu all dieſen Dingen ver-
anlaßt, die — wenn ich ehrlich ſein ſoll — wirklich eine
recht tüchtige und achtenswerte Leiſtung ſind?“

Georg lächelte ein wenig verlegen. Dem alten Herrn
konnte und durfte er eine ſolche Frage nicht übelnehmen.

„Ja, lieber Herr von Halbach“ — entgegnete er des-
halb freundlich — „ich denke, wir haben ſchon einmal da-
von geſprochen. Entſinnen Sie ſich noch, bei meinem erſten
Beſuche, den ich Ihnen ſeinerzeit machte, als ich aus Ame-
rika zurückgekommen war und Sie mich einen „Leute-
beglücker“ und Gott weiß was ſonſt noch nannten? ...
Nun „beglücke ich eben meine Leute“ ... ſieht die Sache

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[2/0002] München, Montag Allgemeine-Zeitung 16. März 1968. Nr. 126. Aeußerungen in dem Plädoyer des Angeklagten Harden und des Juſtizrates Bernſtein. Die lange Spanne Zeit zwiſchen Erſtattung der Anzeige und dem heutigen Datum hat die Neue Geſellſchaftliche Korreſpondenz veranlaßt, ſo- wohl beim Fürſten Eulenburg wie bei Maximilian Harden anzufragen, wie die Angelegenheit gegenwärtig ſteht. Herr Harden hat der Neuen Geſellſchaftlichen Korreſpondenz ge- antwortet, er habe bis zum heutigen Tage keine weitere Nachricht hierüber erhalten. Weder ſei ihm eine Anklage zugeſtellt, noch ſei er vernommen worden. Auf die gleich- lautende Anfrage an den Fürſten Eulenburg iſt, wie die Nationalzeitung ſchreibt, der Neuen Geſellſchaftlichen Kor- reſpondenz von einem Sohne des Fürſten Eulenburg die folgende Antwort zugegangen: Liebenberg, 9. März. In Vertretung meines Vaters, des Fürſten Eulen- burg, deſſen ſehr angegriffene Geſundheit ihm nicht ge- ſtattet, ſeine Korreſpondenz ſelbſt zu erledigen, geſtatte ich mir Euer Hochwohlgeboren ergebenſt mitzuteilen, daß mir über den augenblicklichen Stand der von Ihnen be- rührten Angelegenheit nichts Näheres bekannt iſt. Mit vorzüglicher Hochachtung ganz ergebenſt gez. Graf Eulenburg. Hierzu bemerkt die Neue Geſellſchaftliche Korreſpon- denz: Eine Entſcheidung ſcheint alſo immer noch nicht ge- fallen zu ſein, denn auch von einer Ablehnung des Straf- antrages hätte zum mindeſten dem Kläger Kenntnis ge- geben werden müſſen. Bisher durfte doch wohl jeder Staatsbürger, der ſich beleidigt fühlte, darauf rechnen, etwas ſchneller zu ſeinem Rechte oder zur Aufklärung über ſeinen Irrtum zu gelangen. Es ſcheint daher im allge- meinen Intereſſe zu liegen, auf dieſe Säumigkeit öffent- lich aufmerkſam zu machen. Die Feier des 18. März. n. Berlin, 14. März. 10.44 N. (Privattelegramm.) Zum 18. März d. J. hat die Polizei, wie die Tägliche Rund- ſchau ſchreibt, ſchon umfaſſende Vorkehrungen getrof- fen. Dem Vorgehen der vereinigten Verbände der Berliner Holz- induſtrie, die überein gekommen ſind, die Arbeiter, welche am 18. März willkürlich feiern, zu entlaſſen, haben ſich zahlreiche Unternehmer-Organiſationen in Berlin und den Vororten an- geſchloſſen. Da mehrere Gewerkſchaften beſchloſſen haben, es ihren Mitgliedern anheim zu ſtellen, ob ſie am 18. März feiern wollen oder nicht, wird die Arbeitseinſtellung vorausſichtlich keine größere Ausdehnung annehmen. Aufhebung amerikaniſcher Konſulate in Deutſchland. * Waſhington, 14. März. (Auf deutſch-atlantiſchem Kabel.) Der Kongreß-Ausſchuß für die auswärtigen Angelegenheiten empfahl die Annahme der Geſetzesvorlage über die Reorgani- ſation des Konſulardienſtes. Dieſelbe ſieht die Auf- hebung von 38 Konſulaten vor, darunter die Konſulate in Krefeld, Düſſeldorf, Glauchau, Freiberg, Annaberg, Zittau, Bamberg, Mainz und Eiben- ſtock. Kaiſer Franz Joſeph unpäßlich. n. Wien, 14. März. 10.22 N. (Privattelegramm.) Der Kaiſer hat auf Anraten ſeiner Aerzte heute das Schön- brunner Schloß nicht verlaſſen und wird auch morgen nicht in die Stadt fahren. Deshalb fand das Familiendejeuner für Großfürſt Sergius heute in Schönbrunn ſtatt und bei dem morgigen Diner in der Hofburg wird Erzherzog Franz Ferdinand den Kaiſer vertreten. Den Anlaß zu dieſer Abänderung gab ein Schnupfen, von dem man hofft, der Kaiſer werde in wenigen Tagen davon befreit ſein. Großfürſt Sergius dejeuniert morgen bei Erzherzog Friedrich und reiſt abends nach Rom ab. Die Lage in Marokko. k. Tanger, 14. März. 8.05 N. (Privattelegramm.) Faſt alle Kabylen um Rabat gingen zu Muley Hafid über und ſandten ihm Hilfstruppen. Der Weg nach Fez iſt für Muley Hafid frei. Abd ul Aſis lößt die Rabater Stadttore ſtark bewachen, um einen weiteren Uebergang der Rabater zu Muley Hafid zu verhindern. * Algier, 14. März. Aus Brechar in Süd-Oran wird gemeldet: Eine Truppenabteilung, die einen Streifzug in das Gebiet der Saaira unternahm, ſtieß auf eine Berberſchar, mit der ſie in ein Gefecht verwickelt wurde. Im Verlaufe des- ſelben ſollen ein Offizier getötet und zwei Soldaten verwundet worden ſein. Genaue Nachrichten fehlen noch. l. Breslau, 14. März. 4.00 N. (Privattelegramm.) In dem Beleidigungsprozeß Dr. Karl Peters (vertreten durch R.-A. Dr. Roſenthal-München) gegen den Redakteur der ſozial- demokratiſchen Zeitung die Volkswart, Hugo Wolff, wurde der letztere zu 200 M Geldſtrafe, Koſtentragung und Urteilsver- kündung verurteilt. Hof und Geſellſchaft. München, 14. März. — Prinz Georg, der von der Erkrankung an den Maſern geneſen iſt, trat heute abend inkognito eine auf mehrere Wochen berechnete Reiſe nach Italien an. — Prinz Heinrich reiſte heute abend nach Meran ab, wo er für einige Zeit Erholungs- aufenthalt nimmt. — Bei dem engliſchen Miniſterreſidenten Mr. Cart- wright fand heute abend 6 Uhr eine größere Tafel ſtatt, zu welcher geladen waren: Fürſt und Fürſtin Oettingen- Spielberg mit Tochter, Fürſt und Fürſtin Wrede, Graf Buttler, Gräfin Almeida, Graf Sandizell, Baron und Baronin Fiedler, Gräſin Ella Tattenbach, Gräfin Wanda Voißky, Graf Hoyos, Baronin Viola Riederer und andere. Münchener Stadtanzeiger. München, 14. März. V Zu der Bogenhauſer Erpreſſungsaffäre. Das Ge- rücht, der Bogenhauſer Erpreſſer ſei verhaftet worden, ver- urſachte am Samstag gegen Abend überall große Senſation. Wie wir auf unſere Erkundigungen erfahren, liegt dem Gerücht folgender Vorfall zugrunde: Gegen halb 5 Uhr abends fiel einem Herrn in der Bayerſtraße nächſt dem Südbau des Hauptbahnhofes ein Mann auf, auf den die Beſchreibung der Polizei zu paſſen ſchien. Er trug einen — allerdings ſteifen — braunen Hut, hatte ein kleines, dunkles, nach aufwärts gedrehtes Schnurrbärtchen und an den beiden Wangen Pockennarben. Der Herr folgte dem ſtadteinwärts gehenden Unbekannten, der zunächſt ein Haus an der Schützenſtraße betrat, dort bis zum vierten Stockwerk ſtieg, dann aber wieder zurückkehrte. Am Stachus machte der Verfolger den Schutzmannspoſten auf den Mann aufmerkſam und erſuchte ihn, an die Polizei zu telepho- nieren, es möchten Kriminalbeamte entgegengeſchickt wer- den. In der Neuhauſerſtraße verſchwand der Verdächtige plötzlich wieder in einem Hauſe. Er hatte ſich, wie ſich ſein Verfolger überzeugte, in ein im zweiten Stockwerk ge- legenes Schreibbureau begeben. Als er nach reichlich einer Viertelſtunde wieder aus dem Hauſe kam, hatten ſich be- reits drei Kriminalſchutzleute mit einem Kommiſſär ein- gefunden, die den Mann nun weiter verfolgten. Dieſer bog in die Eiſenmannſtraße ein und hier fiel er einem zweiten Herrn auf, der ſofort einem der ihm perſönlich be- kannten Polizeibeamten zurief: „Das iſt der Bogenhauſer Erpreſſer!“ Nun traten zwei der Beamten auf den Unbe- kannten zu, der ſofort, als ihm einer an den Arm langte, um ihn zu ſtellen, rief: „Laſſen Sie mich los! Was wollen Sie?“ Er beachtete nicht, daß ſich die Polizeibeamten legi- timierten, und begann, laut um Hilfe ſchreiend, mit den Armen um ſich zu ſchlagen. Die Poliziſten drängten ihn in einen Hausgang. Hier zogen ſie ihm ſeine Papiere aus der Bruſttaſche, er ſuchte ſie ihnen zu entreißen und wollte, da er inzwiſchen an beiden Handgelenken die Schließzange angelegt bekam, mit den Zähnen die Papiere zerfetzen. Schließlich wurde er in einer Droſchke zur Polizei gebracht und dem Oberregierungsrat Dillmann vorgeführt. Nachdem ſich die Erregung des Feſtgenommenen einiger- maßen gelegt, ſtellte ſich heraus, daß er ein 34jähriger Stu- dent aus Italien ſei, der ſeit mehreren Jahren hier wohnt und tatſächlich mit der Erpreſſeraffäre nichts zu tun hat. Die Perſonalbeſchreibung, die der Dienſtmann von ſeinem Auftraggeber gab, paßt auch nur ſehr oberflächlich auf den Studenten, der nach einem einſtündigen Verhör wieder entlaſſen wurde. Die Geſchichte hatte ſich raſch herum- geſprochen und es tauchte alsbald ein weiteres Gerücht auf, es ſei der wirkliche Erpreſſer am Bahnhofplatz verhaftet worden. Dieſe Erzählung entbehrt aber jeder tatſächlichen Grundlage. Der Polizei gingen nach der Veröffentlichung des letzten Steckbriefes eine Reihe von Mitteilungen über Perſönlichkeiten zu, auf die die Signalements ſtimmen ſollen; alle dieſe Nachrichten beruhen jedoch auf Ver- mutungen, und die Angelegenheit iſt für die Polizei heute noch ebenſo unaufgeklärt wie von Anfang an. tz. Zum Streik der Droſchkenkutſcher und Chauſſeure. Be- kanntlich haben die ſtreikenden Droſchkenkutſcher und Chauffeure bei ihrem letzten Streikappell am Freitag beſchloſſen, den Streik für beendet zu erklären und die Arbeit ohne Tarifabſchluß zu den alten Bedingungen wieder aufzunehmen. Damit ſind jedoch die Arbeitgeber nicht einverſtanden, denn die Lohn- kutſcher-Innung hat im Einvernehmen mit der Kraft- droſchken-Vereinigung heute beſchloſſen, die ſtreiken- den Kutſcher und Chauffeure erſt dann einzuſtellen, wenn der Gehilfen-Ausſchuß die vor dem Einigungs- amt des Gewerbegerichtes feſtgelegten proviſoriſchen Tarifver- einbarungen anerkannt hat und unterzeichnet, was dieſer jedoch verweigert, da die ſtreikenden Kutſcher und Chauf- feure dieſe proviſoriſchen Tarifvereinbarungen in ihrer Verſamm- lung mit überwiegender Majorität abgelehnt haben. Der Be- ſchluß der Arbeitgeber, die ſtreikenden Droſchkenkutſcher und Chauffeure vorerſt nicht einzuſtellen, wurde in der Erwägung gefaßt, daß wahrſcheinlich bei der nächſten paſſenden Gelegenheit, ſo bei Beginn der Ausſtellung uſw., der Streik neuer- dings ausbrechen würde. Behufs Anberaumung neuer- licher Einigungsperhandlungen haben die Arbeitgeber-Organiſa- tionen beſchloſſen, das Einigungsamt des Gewerbegerichtes an- zurufen. * Eine Kundgebung gegen die geplante Erhöhung der Telephongebühren wird vom Demokratiſchen Ver- ein am Montag Abend halb 9 Uhr im großen Kollergarten, Schwanthalerſtraße, veranſtaltet. Referenten die Herren Gemeindebevollmächtigter Th. Scholl und Rechtsanwalt Dr. Ad. Strauß. Da die geplante Reform des Telephontarifs tief in das wirtſchaftliche Leben und in alle, auch private, Verkehrs- verhältniſſe, insl ondere der Großſtadt, einſchneidet, iſt eine Klärung der Frage und rechtzeitige Stellungnahme des intereſſierten Publikums dringend zu wünſchen. * „In Treue ſeſt.“ Die Calderon-Geſellſchaft veranſtaltet am Montag, den 16. März, zur Ehrung Sr. kgl. Hoheit des Prinzregenten eine Aufführung des von Bruno Graf v. Holnſtein aus Bayern verfaßten patriotiſchen Feſtſpieles „In Treue feſt“, hiſtoriſche Bilder aus Bayerns ruhmvoller Vergangen- heit, im Feſtſaal des Hotel Union (Barerſtraße 7). Das Stück wird von Damen und Herren der Geſellſchaft aufgeführt. Hoffchauſpieler a. D. Stury hat die Regie, Kunſtmaler Graf Courten die Stellung der lebenden Bilder übernommen. Am Feſtabend ſpielt die Kapelle des Infanterie-Leib-Regiments unter Leitung des Muſikdirektors Högg. Die Einübung der Reigentänze hat Miß Rice. Karten zu der Feſtvorſtellung à 4, 3, 2 Mark (Stehplätze à 1 Mark) bei Seyfferth, Amalien- ſtraße 17; Stuffler, Photographiehandlung, gegenüber der Haupt- poſt; Dr. H. Lüneburg (Franz Gais), Buchhandlung, Karl- ſtraße 4; Fr. Ant. Prantl, kgl. bayer. Hoflieſerant, Odeons- platz 15; beim Portier des Hotel Union und im Theaterbilletten- Kiosk am Lenbachplatz. C. S. Der Todesſturz von der Großheffeloher Brücke. Im Oeſtlichen Friedhof wurde heute Samstag nachmittag unter Be- gleitung der nächſten Verwandten und Bekannten die Leiche des kgl. Reallehrers a. D. Fritz Rheude beigeſetzt. Bekanntlich ſuchte der geiſteskranke Mann vor ein paar Tagen den Tod, in- dem er ſich von der Brüſtung der Großheſſeloher Brücke auf die Kaimauer herabſtürzte, wo er zerſchmettert liegen blieb. Der Geiſtliche widmete dem Verſtorbenen einen ehrenden Nachruf, indem er mit Bedauern hervorhob, daß der früher ſo fleißige und ſtrebſame Schulmann die Tat in einem Anfall geiſtiger Umnachtung beging. Zahlreiche Kränze zierten Sarg und Grab, darunter von der Familie v. Ow. ν. Verhaftung einer Diebsgeſellſchaft. In der Nacht zum Samstag verſuchten zwei junge Burſchen einen Auslagekaſten eines Geſchäftes an der Damenſtiftſtraße zu erbrechen, während vier andere in der Nähe Spähe ſtanden. Ein Schutz- mann beobachtete die Diebe und es gelang ihm auch, alle ſechs mit Hilfe einiger weiterer Schutzleute feſtzunehmen. Die Ver- hafteten, ſämtliche wegen Eigentumsdelikten vorbeſtraft, haben, wie bereits feſtgeſtellt iſt, in den letzten Wochen mehrfach Dieb- ſtähle verübt, u. a. iſt nachgewieſen, daß ſie in hieſigen anrüchigen Lokalen einen ſchwunghaften Handel mit geſtohlenen Schuhen, von einem Auslagediebſtahl an der Reichenbachſtraße her- rührend, betrieben haben. Auch ſcheinen ſie den in der Nacht zum Mittwoch bei einem Tändler in der Roſenheimerſtraße verübten Einbruch, bei dem Uhren und Ringe im Werte von mehreren hundert Mark geſtohlen wurden, begangen zu haben. Heimliche Liebe. Roman von Konrad Remling. (29) (Nachdruck verboten.) Der Sommer ging vorüber, und nachdem Georg von Helldorf ſich wieder eingelebt hatte, begann er plötzlich einen lebhaften Beſchäftigungsdrang zu entwickeln. Vom frühen Morgen an ſchon ging er auf ſeiner Be- ſitzung umher, prüfte, beſichtigte und hatte tauſend Verbeſſe- rungsvorſchläge, die dem alten Inſpektor Grundmann ein Kopfſchütteln nach dem anderen abnötigten. Aber diesmal ließ ſich ſein Herr von ihm nicht beein- fluſſen, und der alte Mann mußte wohl oder übel nach- geben. „Die Leute müſſen menſchlicher wohnen,“ hatte Georg eines Tages geſagt und dabei auf die beiden langgeſtreckten, niedrigen und noch mit Schindeln gedeckten Geſindehäuſer gedeutet, während der Inſpektor erſtaunt aufhorchte und beim beſten Willen nicht herausfinden konnte, was denn eigentlich „unmenſchlich“ an dieſen Behauſungen ſein ſollte. „Wie der Herr Baron meinen,“ entgegnete er deshalb nach einer Pauſe mit der Reſignation, die er ſich in den letzten Wochen angeeignet hatte, „aber“ ... „Kein „Aber“, lieber Grundmann,“ unterbrach ihn jedoch Georg ſofort, „die Stuben ſind eng und niedrig, mangelhaft geheizt im Winter und ohne Lüftung im Som- mer. ... Allein dieſe vorſintflutlichen Dächer ſind eine ſtändige Feuersgefahr.“ „Die Leute ſind ja auch nicht an Paläſte gewöhnt, Herr Baron.“ „Aber wir wollen ſie daran gewöhnen, Herr Grund- mann. Wenn auch nicht an Paläſte, ſo doch an helle, luftige Zimmer und an ein Heim, in dem ſie ſich wirklich wohl fühlen und erholen können nach ihrer ſchweren Arbeit.“ Damit ſtand ſein Entſchluß feſt, und er ließ ſich einen Baumeiſter kommen, mit dem er lange Beratungen hatte, Ausmeſſungen vornahm und Zeichnungen entwarf. Dann wurde mit dem Bauen begonnen, als ſchon der Winter vor der Tür ſtand, zu einer Jahreszeit, die — für ländliche Verhältniſſe — wenig geeignet dazu war. Aber die Arbeit ſchritt rüſtig vorwärts; mit den Löhnen wurde nicht geſpart, und Georg überzeugte ſich täg- lich von den Fortſchritten. Die Leute waren zufrieden damit; es gab Arbeit in der ſonſt ſo ruhigen Winterzeit, und ein gutes Stück Geld wurde verdient. Als die Mauern bereits in Manneshöhe aus der Erde gewachſen waren, kam ihm ein neuer Gedanke: Helldorf ſollte auch ein Krankenhaus haben — für die Gutsleute unentgeltliche Aufnahme und Behandlung, für die übrigen Dorfbewohner gegen eine möglichſt niedrig zu bemeſſende Bezahlung. Es lag etwas Großzügiges in ſeinen Unternehmungen; er durchdachte und erwog dieſe Pläne nicht nur mit dem Kopfe, ſondern auch mit dem Herzen. Und wer ihn arbeiten und inſpizieren ſah, mußte zugeben, daß es ihm heiliger Ernſt war und daß es ſich bei ihm in der Tat um mehr handelte als um die bloße Spielerei eines wohlhabenden Mannes. Zu Beginn des Frühlings ſchon wurden die Wohn- häuſer für das Geſinde „gerichtet“ und gleichzeitig der Grundſtein für das Krankenhaus gelegt, für das er mitten im Walde und doch nicht allzuweit vom Dorfe einen Platz angewieſen hatte. Nun kamen wieder neue Verhandlungen für ihn mit dem alten Sanitätsrat aus der nahen Kreisſtadt und deſſen jüngerem Kollegen, die ſich in Zukunft in die Be- handlung teilen ſollten. Während dieſer ganzen Zeit hatte Georg nur ſelten, auf wenige Tage und zumeiſt in geſchäftlichen Angelegen- heiten Helldorf verlaſſen. Er vernachläſſigte ſich ſogar in ſeinem Aeußeren jetzt ein wenig, trug ſchwere, plumpe Stiefel, derbe, rauhe An- züge und aß ſein Frühſtück oftmals „aus der bloßen Fauſt“, auf dem „Bau“, zwiſchen den Maurern und Handwerkern, oder gar im Dorfkrug in Geſellſchaft des Bauführers, den er, gut gelaunt, immer wieder zur Eile antrieb. Frau von Helldorf ſah dieſem Treiben ruhig zu und ließ es geſchehen, ohne jemals einen ernſtlichen Einſpruch zu erheben. Sie verſtand ihren Sohn nicht ganz, hatte ſeine Pläne im Anfang nur für eine — etwas koſtſpielige — Laune an- geſehen und mußte ihm ſchließlich doch ſtillſchweigend dieſes Unrecht abbitten, als ſie ſah, daß in der Tat „etwas daraus wurde“ und daß ſein Eifer trotz der langen Zeit und trotz mancherlei Schwierigkeiten nicht erlahmte. Aber Georg ruhte noch immer nicht; ſeine Leute ſollten ſich in jeder Beziehung als freie, ſelbſtändige Menſchen füh- len und die Abhängigkeit von ihm als Gutsherrn ſo wenig wie möglich empfinden. Er richtete eine Sparkaſſe und in Verbindung damit eine Darlehenskaſſe ein, zu der er ſelbſt ein kleines Kapital als Grundlage ſtiftete. Gegen einen geringen Beitrag und zu niedrig bemeſſenen Zinſen konnte jeder eine Summe leihen, falls einmal notwendige und un- vorhergeſehene Ausgaben es erforderten; die Rückzahlung geſchah in kleinen Raten, den Lohnverhältniſſen des ein- zelnen entſprechend. Allmählich wurden die Gutsnachbarn aufmerkſam, und einer nach dem anderen kamen ſie, um die „Wunder“ in Helldorf zu beſichtigen und zu kritiſieren. Allerlei Urteile wurden laut: vorſichtig-ſkeptiſche, gutmütig-ſpöttiſche, auf- richtig bewundernde und hin und wieder auch einmal ein unzarter, höhniſcher Scherz. Georg achtete nicht darauf; er ging ſeinen Weg, unbe- kümmert um die Meinung der Leute, und zog ſich nur noch immer mehr in ſein eigenes Inneres zurück. Da war eines Tages Herr von Halbach aus Gatow ge- kommen, hatte ſich von Georg umherführen laſſen und alles eingehend beſichtigt mit ſeinen klugen, hellen Augen, hatte die Stirn in tauſend Falten gezogen und „Hm, hm — ei, ei und ſo, ſo“ geſagt zu allem, was er ſah und hörte. Und endlich, als er mit Georg im Wohnzimmer bei einem wohlſchmeckenden Frühſtück und einer Flaſche Rot- wein ſaß, hatte er gefragt: „Sagen Sie mal, lieber Georg — wenn man fragen darf: was hat Sie, zum Teufel, zu all dieſen Dingen ver- anlaßt, die — wenn ich ehrlich ſein ſoll — wirklich eine recht tüchtige und achtenswerte Leiſtung ſind?“ Georg lächelte ein wenig verlegen. Dem alten Herrn konnte und durfte er eine ſolche Frage nicht übelnehmen. „Ja, lieber Herr von Halbach“ — entgegnete er des- halb freundlich — „ich denke, wir haben ſchon einmal da- von geſprochen. Entſinnen Sie ſich noch, bei meinem erſten Beſuche, den ich Ihnen ſeinerzeit machte, als ich aus Ame- rika zurückgekommen war und Sie mich einen „Leute- beglücker“ und Gott weiß was ſonſt noch nannten? ... Nun „beglücke ich eben meine Leute“ ... ſieht die Sache

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 126, 16. März 1908, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine126_1908/2>, abgerufen am 03.12.2024.