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Allgemeine Zeitung, Nr. 126, 16. März 1908.

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Nr. 126. München, Montag Allgemeine Zeitung 16. März 1988.
[Spaltenumbruch]
Bayerischer Landtag.
11. öffentliche Plenarfitzung der Kammer der Reichsräte.
(Schluß.)

Schlußberatung über den Antrag der Abge-
ordneten Dr. Jäger-Dillingen, Dr. Pichler und
Gen. Verbesserung der wirtschaftlichen Ver-
hältnisse im Königreich Bayern betreffend,
hier "Tarifierung von Mehl und Getreide."

Referent Dr. Frhr. v. Soden-Fraunhofen empfiehlt unver-
ändert. Annahme des Antrages, was geschieht

Gegen den Bericht der Staatsschuldentilgungs-
kommission
besteht keine Erinnerung und dem Staats-
schuldentilgungskommissär der Reichsratskammer, Ritter von
Maffei,
wird die Anerkennung erteilt.

Hierauf berichtet Referent Graf zu Törring über die Aus-
schußverhandlungen zum Etat der Erbschaftssteuern,
Gebühren, Stempelabgabe
und Strafen für die
Jahre 1908 und 1909.

R.-R. Frhr. v. Hertling: Der zweite Ausschuß hat sich mit
Fragen beschäftigt, die von hervorragender Bedeutung für
Bayern und das Neich sind. Eine Aeußerung des Finanzministers
im Ausschuß ist in der norddeutschen Presse falsch wiedergegeben
worden, und es konnte sich die Meinung verbreiten, daß Bayern
gesonnen sei, seinen grundsätzlichen Widerstand gegen die direk-
ten Reichssteuern aufzugeben. Diese Auffassung ist durchaus un-
richtig und ich glaube, daß die Staatsregterung meine Anschau-
ung teilt. Für die verbündeten Regierungen ist
die Einführung direkter Steuern undiskutabel,

da sie mit der Natur eines föderativen Staatsgebildes unver-
einbar sind. Das hieße die Finanzhoheit der Einzelstaaten auf
das Reich übertragen und die Souveränität der Ein-
zelstaaten auf ein Minimum herabdrücken.
Da-
durch würden den Einzelstaaten die Mittel entzogen, ihre Kultur-
aufgaben zu erfüllen, und es würde ein langsames Siechtum
der Einzelstaaten eintreten und die Einzelstaaten würden all-
mählich in das allgemeine Staatsgebilde absorbiert. Was die
Ausgestaltung der Erbschaftssteuern betrifft, so scheint
dafür im Reichstag zurzeit wenig Neigung zu bestehen. Die
Einbeziehung der Deßendenten würde einen großen, unerträg-
lichen Druck auf die grundbesitzende Bevölkerung des Landes
ausüben und würde doch kein wirkliches Heilmittel darstellen.

Es wurde dabei auf das vorzügliche Beispiel Englands
hingewiesen Aber in England sind große Vermögen durch die Erb-
schaftssteuern ruiniert worden. Also, mit der Erbschaftssteuer ist
es nichts. Was an deren Stelle treten soll, weiß ich nicht. Wenn
wirklich eine großzügige Finanzreform durchgeführt
wird, so ist unsere wichtigste Aufgabe die reinliche Scheidung
zwischen den Budgets des Reiches und der Einzelstaaten. Der
jetzige Zustand ist nicht haltbar. Die Einzelstaaten können unter
den jetzigen Verhältnissen nicht mehr erfolgreich weiter existie-
ren. Der Fixierung der Matrikularbeiträge auf
ein Maximum stehe ich sympathisch gegenüber. Eine großzügige
Reichsfinanzreform birgt auch manche Gefahren in sich, besonders
die Gefahr, daß man dann so aus dem Vollen schöpft. Wir haben
große Aufgaben vor uns, die Aufrechterhaltung der
Armee, die unser Stolz ist,
die Haltung der Kolonien, die wir auch nicht aufgeben kön-
nen, unsere erhabene Mission in der Sozialpolitik. Aber
diese schweren Aufgaben können wir nur dann auf die Dauer
erfüllen, wenn sich die einzelnen Ressorts nach allen Seiten hin
die größte Sparsamkeit auserlegen. (Beifall.)

Finanzminister v. Pfaff: Meine Anschauungen über die Reichsfinanzreform und die
finanzillen Beziehungen zwischen dem Reich und seinen Einzel-
staaten stimmen mit denen des Vorredners in den wesentlichsten
Punkten überein. Die Regierung nimmt entschieden Stellung
gegen die Einführung der direkten Reichs-Vermögenssteuer.
Ich halte es für ausgeschlossen, daß zum Zwecke der Be-
friedigung von Reichsbedürfnissen die direkte Steuer der Bun-
desstaaten in Anspruch genommen werden dürfe. Dadurch wer-
den die Einzelstaaten in ihrer finanziellen und politischen Tätig-
keit mehr und mehr untergraben, und der föderative Charakter
des Reiches würde eine wesentliche Alterierung erfahren. Das
Reich ist angewiesen, seine Bedürfnisse durch Vermehrung
der in direkten Steuern
zu bestreiten. Das Reich hat es
unterlassen, diese Steuern in gleichem Schritt mit den wachsen-
den Bedürfnissen auszubauen. Ganz besonders gilt dies für die
beiden Artikel
Branntwein und Tabak.
(Der Minister verliest hier eine Aufstellung über die Höhe der
Steuer für beide Artikel pro Kopf der Bevölkerung in verschie-
denen Staaten.) Diese Steuerquellen lassen zweifellos eine
wesentliche Steigerung zu, ohne daß über einen ernsten
Steuerdruck geklagt werden kann, um so weniger, als es sich --
wenigstens bei Tabak -- um einen Luxusartikel handelt. Immer-
hin wäre es aber möglich, daß sich im Reichstag eine Mehrheit
nicht für die ausschließliche Bewilligung von indirekten Steuer-
abgaben entscheidet. In diesem Fall würde ich die Deßen-
denten-Erbschaftssteuer
als das kleinere Uebel be-
trachten. Dieselbe ist ohnehin schon in einer Reihe anderer Stag-
ten in Aussicht genommen, so in einigen Kantonen der Schweiz.
In Deutschland besteht die Steuer bereits in den Hansastädten
und in Elsaß-Lothringen, und es wird hier nicht über einen
allzu hohen Druck geklagt. Bei Annahme der Deßendentensteuer
wären aber gewisse Kautelen notwendig, damit durch die
Steuer nicht der kleine Besitz zu stark belastet und andrerseits
der Grundbesitz und das unbewegliche Vermögen nicht in einer
Weise in Anspruch genommen werden kann, welche eine allzu
große Schuldenlast herbeiführen würde. Durch den Personal-
wechsel im Reichsschatzamt
bin ich heute noch im Un-
klaren darüber, nach welcher Richtung sich die Steuerreformpro-
jekte des neuen Staatssekretärs bewegen werden.

Der zweite Punkt, in dem ich ebenfalls mit dem R.-R. Frhrn.
v. Hertling übereinstimme, ist die Notwendigkeit einer
festen Grenze für die Beitragsleistungen der
einzelnen Bundesstaaten.
Bei den jetzigen Verhält-
nissen sind die Hilfsmittel des Reiches unerschöpflich, da ja stets
die Möglichkeit der Erhöhung der Matrikularbei-
träge
frei steht. Diese Freiheit, mit der im Reich über die
Mittel verfügt werden kann, verleitet aber -- abgesehen davon,
daß dadurch die Finanzwirtschaft der Bundesstaaten auf ganz
unsichere Basts gestellt wird -- auch die Reichsregierung unwill-
kürlich zu einem etwas freieren Schalten mit den Mitteln. Der
Minister erinnert dann an den Standpunkt, den Fürst Bismarck
seinerzeit in diesen Fragen eingenommen habe, und verliest einige
darauf bezügliche Stellen aus dessen Reden. Er bemerkt zum
Schluß, daß wir uns bei der bisherigen Regelung sehr wohl ge-
fühlt hätten und in dieser Beziehung in keiner Weise eine Aen-
derung eintreten lassen dürften.

R.-R. Fürst zu Leiningen bemerkt, die Erbschaftssteuer habe
große Bedenken, und der Einführung von Kantelen würden in
[Spaltenumbruch] den einzelnen Bundesstaaten große Hindernisse entgegenstehen.
Sicher würde die Erbschaftssteuer eine große Schädigung
des Grund besitzes,
und es wäre aufs äußerste zu be-
dauern, wenn es zur Einführung der Erbschaftssteuer käme.

R.-R. Frhr. v. Soden bekennt sich gleich dem Vorredner als
Anhänger eines weiteren Ausbaues der indirekten Steuern und
bedauert, daß das Zustandekommen des Branntwein-
monopols
gescheitert sei. Er gibt noch einmal der Meinung
Ausdruck, daß von der jetzigen Reichstagsmehrheit eine glückliche
Lösung der Reichsfinanzreform nicht zu erwarten sei; vom Zen-
trum wäre dies schon zu erwarten gewesen. Der Referent habe
schon auf diese seine Aeußerung im Ausschuß hingewiesen und
gemeint, es müßte mich in dieser Beziehung mein sonst so gutes
Erinnerungsvermögen im Stich gelassen haben. Ich wiederhole
nochmals, daß ich die Ueberzeugung habe, daß wenn die Ver-
hältnisse noch so lägen wie früher, wenn noch die Majori-
tät des Zentrums und der Konservativen vor-
handen wäre, keine so vollkommene Verwir-
rung auf dem fraglichen Gebiet eingetreten
wäre, wie sie jetzt besteht.
Im Interesse der Landwirt-
schaft bedaure ich es sehr, daß diese Mehrheit nicht mehr besteht.
Im Gegensatz zum Referenten erinnere ich mich nicht, daß je
eine solche Störung im Gange der Staatsmaschine im Reich ein-
getreten ist, wie es jetzt der Fall ist. Es kann nicht mehr so
weiter gehen, und wenn es der jetzigen Majorität gelingt, eine
gesunde Reichsfinanzreform einzuführen, bin ich auch ihr dafür
dankbar.

R.-R. Dr. Schanz: Ich bin ebenfalls der Meinung, daß eine
reinliche Scheidung zwischen Reichs- und Bundesfinanzen ein-
treten muß. Einig bin ich auch mit dem Minister in der Frage
der direkten Reichssteuern. Man meint immer noch, daß sehr viel
Raum wäre für die Ausdehnung der direkten Steuern. Dem ist
aber nicht so. Denn wenn man zu den direkten Steuern noch die
kommunalen Umlagen hinzurechnet, so schnellt der Gesamtbetrag
der direkten Steuern ganz enorm in die Höhe. Nach der
jetzigen politischen Lage
ist es aber unmöglich, daß die Reichsfinanzreform bloß auf
Grund der bloßen Verbrauchsstenern durchgeführt wird. Ich
meine, daß es eine nobile officium der besitzenden Klassen ist,
in dem Augenblick, wo man der Masse der Bevölkerung eine
Menge Verbrauchssteuern auferlegen will, auch ihrerseits ihr
Scherflein auf den Altar des Vaterlandes zu legen, und darum
scheint mir doch die Ausdehnung der Erbschaftssteuer nicht abzu-
lehnen zu sein. Eine Steuer, gegen die keine Bedenken geltend
gemacht werden können, gibt es nicht. Weitaus die größte Mehr-
zahl der ausländischen Staaten hat diese Ausdehnung ohne er-
hebliche Schädigung. In England ist allerdings die Erbschafts-
steuer in übertriebener Weise ausgebildet. Auf der anderen
Seite habe aber die Erbschaftssteuer ungeheure Vorteile. Vor
allem ist sie die einzige Steuer, die absolut unabwälzbar
ist. Ein weiterer Vorzug besteht darin, daß sie ein treffliches
Kontrollmittel ist hinsichtlich der allgemeinen Einkommenssteuer.
Außerdem kommt bei Beurteilung der Erbschaftssteuer noch ein
ganz anderer Gesichtspunkt in Betracht: Die Erbschastssteuer ist
eigentlich nichts anderes als eine Besteuerung des fundier-
ten Einkommens.
So meine ich, sei doch das richtigste, wenn
alle Klassen, nicht bloß die breiten Massen des Volkes, sondern
auch die besitzenden Klassen des Volkes zusammenhelfen würden,
um das Reich aus seiner Not zu befreien. Es ist doch unser
Schutz und Hort und der Wahrer unserer nationalen Ehre.

Referent Graf Törring repliziert unter anderem auf die
Ausführungen des Frhrn. v. Soden und erinnert daran, daß
unter der Zentrumspartei, so lange sie die Majorität im Reichs-
tage hatte, die gleichen mißlichen Verhältnisse im
Reiche bestanden wie heute, gerade die Zentrumspartei
sei in der Hauptsache an diesem konfusen Abrechnungs-
verfahren
zwischen dem Reich und den Einzelstaaten schuld.

Schluß 13/4 Uhr. Nächste Sitzung 28. März.

Letzte Nachrichten.
Geheimrat Professor Julius Lessing +.

9.34 N. (Privattelegramm.)
Der verdienstvolle Direktor des kgl. Kunstgewerbemuseums in
Berlin, Geheimrat Professor Julius Lessing, ist, wie uns ein
Privattelegramm meldet, heute im Alter von 65 Jahren ge-
storben. Er war Diabetiker, und das Leiden hatte seine Kräfte
in den letzten Jahren so aufgebraucht, daß er im vorigen Jahre
um seine Entlassung bat. Mit dem 1. April d. J. wollte er
ganz in den Ruhestand treten; aber schon seit Monaten war
Lessing an das Zimmer gefesselt. Es hatte sich ein Fußleiden
eingestellt, das auf die Zuckerkrankheit zurückzuführen war. Das
Uebel verschlimmerte sich seit Beginn dieses Monats. Vorgestern
mußte er, um sich einer Operation zu unterziehen, eine Klinik
aufsuchen und ist nun an den Folgen der Operation gestorben.
Lessings Nachfolger ist Dr. v. Falke, der bisherige Direktor
des Kölner Kunstgewerbemuseums. Er wird am 1. April an
seine Stelle treten.

Letzte Handelsnachrichten.

Börsenbericht. (Per
Kabel.) Auch der heutige Wochenschluß zeichnete sich wieder
durch lebhaftere Geschäftstätigkeit aus. In Uebereinstim-
mung mit der Stimmung am Londoner Amerikanermarkte
und auf neuerliche Bemühungen, die auf eine weitere Er-
höhung des Kursniveaus hinzielten, verkehrte die Börse
anfangs in fester Haltung. Einige Käufe für Rechnung
privaten Publikums und Deckungen eingeengter Baissiers
begünstigten die Aufwärtsbewegung. In der letzten Bör-
senstunde zeigte sich Neigung, die erzielten Gewinne sicher-
zustellen. Da aber das Angedot gute Aufnahme fand, schloß
die Börse in sehr fester Haltung. In Aktien wurden 570,000
Stück umgesetzt.

Gerichtssaal.
Räuberische Erpressung an einem Mitgliede des bayerischen
Königshauses.

S. Eine sensationelle Verhandlung findet heute vor der
Strafkammer des kgl. Landgerichts Eichstätt statt. Angeklagt ist
der Bauer Johann Hofmeier von Dorndorf (Niederbayern) mit
Genossen wegen räuberischer Erpressung. Ein skandalöses Vor-
kommnis war es, das der Ankloge zugrunde liegt, und das Se.
kgl. Hoheit Herzog Franz Joseph von Bayern in eine
sehr gefahrdrohende Lage brachte. Am Sonntag, den 4. August,
fuhr Se. kgl. Hoheit mit seinem Auto, das er selbst lenkte, von
München in seine Garnisonsstadt Bamberg,
wo
er als Leutnant im 1. Ulanen-Regiment steht. In einem Walde
bei Dorndorf kam dem Auto des Herzogs abends gegen 8 Uhr ein
Bauernfuhrwerk entgegen, besetzt mit einem Bauern und einer
Bäuerin. Der Bauer bemerkte das mit mäßiger Geschwindigkeit
heranfahrende Auto, sprang vom Bock und riß das Pferd ganz
[Spaltenumbruch] unnötig in den Straßengraben. Inzwischen, und noch bevor er
in gleicher Höhe mit dem Fuhrwerke kam, hatte auch der Herzog
angehalten. Der anscheinend angetrunkene Bauer riß aber so
lange an dem Pferde herum, bis er zu Boden fiel und vom
Pferde am Kopf leicht verletzt wurde.

Herzog Franz Joseph wollte dem Bauern mit Verbandszeug
hilfreich beistehen, doch wurde seine Hilfe mit rohem Schimpfen
abgelehnt. Inzwischen waren noch zwei radsahrende Bauern-
burschen dazu gekommen, die sich auf Seite des Bauern stellten
und verlangten, daß sofort zur nächsten Ortschaft gefahren werde.
Der Bauer entfernte sich aber dann mit dem einen Radfahrer,
während der andere Radler und die Bäuerin das Weiterfahren
des Autos verhinderten. Bald darauf kamen aus dem Orte
Graupendorf etwa 25--30 Bauern, die das Auto umlagerten,
und vom Orte her kam Hofmaier mit einer weiteren gleich großen
Schar; er hatte anscheinend das ganze Graupendorf mobil ge-
macht und falsch informiert, denn die Leute befanden sich in
größter Erregung und wüteten und schimpften auf die Auto-
mobilfahrer, immer mehr angefeuert von Hofmaier und einer
Mannsperson, die sich als Schwager des Hofmaier ausgab. Die
Situation wurde immer bedrohlicher und der Herzog befand sich
momentan in Lebensgefahr; er wurde gezwungen, das Auto
sofort zu verlassen. In ihrer blinden Wut verlangten die Bauern
die sofortige Zahlung von 120 Mark, dann könne das Auto
weiterfahren. Man zwang den Herzog sogar nach dem Diktate
des Bauern Hofmaier auf einer Visitenkarte niederzuschreiben,
daß er sich verpflichte, den Betrag von 120 Mark innerhalb drei
Tagen an ihn (Hofmaier) zu senden. Um endlich loszukommen --
es waren inzwischen schon 2 Stunden vergangen -- tat dies der
Herzog. Als die Bauern die Nachgiebigkeit des hohen Herrn
bemerkten, wurden sie noch unverschämter mit ihren Forderungen
und als der Chauffeur ankurbeln wollte, stießen ihn die Bauern
zurück mit den Worten: "Wenn ihr nicht mehr gebt, könnt ihr
stehen bleiben bis morgen früh." Nun versprach der Herzog
150 Mark zu senden, womit endlich die Hauptmacher zufrieden
waren. Abfahren konnte aber Se. kgl. Hoheit immer noch nicht,
denn nun kamen erst die anderen Bauern und verlangten
"Zeugengebühr". Um endlich -- nachts halb elf Uhr -- freie
Bahn zu bekommen, mußte der Herzog 40 Mark in bar aus-
zahlen. Anderntags wurde Anzeige erstattet und auch Sr. kgl.
Hoheit dem Prinzregenten wurde der geradezu unerhörte Vorfall
zur Kenntnis gebracht.

Wir werden über den Prozeß ausführlich berichten.

Gemälde-Russtellungen, Kunstgewerbe,
Kunst-Antiquariate, Ausstellungen alter Kunst,
numismatische Sammlungen in München.

Galerie Hernemann, Lenbachplatz 5/6. Ausstellung von Ge-
mälden und Skulpturen erster moderner Meister. Täglich ge-
öffnet von 9 bis 7 Uhr, Sonntags von 9 bis 1 Uhr. Eintritt 1 M.

Galerie Helbing, Liebigstraße 21. Ausstellung von Gemälden
alterer und moderner Meister. Täglich geöffnet von 9 bis 7 Uhr,
Sonntags von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Eintritt frei.

Galerie Oskar Hermes, Promenadeplatz 11, gegenüber dem
Bayerischen Hof. Original-Gemälde ersten Ranges.

Moderne Kunsthandlung, Goethestraße 64. Moderne Werke
erster Münchener Künstler. An Wochentagen geöffnet von
9 bis 5 Uhr.

Kunstsalon Zimmermann, Maximilianstraße 38. Gemälde-
ausstellung moderner Meister. Täglich geöffnet von 8 bis 7 Uhr.

Kunsthandlung Benno Spaeth, Wurzerstr. 17/I. Verkauf von
Orig.-Oelgemälden bester Künstler. Geöffnet 10--5. Tel.: 2151.

Julius Böhler, kgl. bayer. und preußischer Hofantiquar,
Briennerstraße 12. Sammlung von Antiquitäten und alter
Oelgemalde.

Wilh. Böhler, Briennerstraße 47. Antiquitätenhandlung.
Spez.: Alte Möbel, Zinn usw.

Jacques Rosenthal, Karlftraße 10. Buch und Kunst-Anti-
quariat. Spezialitäten: Kostbare Miniaturenmanuskripte, In-
kunabeln, Holzschnitt- und Kupferwerke des 15. und 16. Jahr-
hunderts, sowie einzelne frühere Holzschnitte und Kupferstiche.

Dr. Eugen Merzbacher Nachf., Karlstraße 10. Münzen-
handlung.

Anton Pössenbacher, Hof-Möbelfabrik, Briennerstraße 55.
Ausstellung für Wohnungskunst. Große Auswahl in Teppichen,
Stoffen, Tapeten, Kunstgegenständen etc. etc.

Ludwig Rosenthals Antiquariat, Hildegärdstraße 16. Kost-
bare Bücher, Einbände, Miniaturen-Manuskripte, Inkunabeln,
Holzschnitt- und Kupferstichwerke des 15. bis 18. Jahrhunderts,
Stiche von Dürer, Schongauer usw., Geschichtswerke, Theologie
Americana.

M. T. Wetzlar, Hoflieferant, Maximilianstraße 9, Entresol.
Kunstgewerbliche Silberwaren, Ehrenpreise, Bestecke.

Jacob Doppler, Barerstraße 12. Im Blauen Haus. Künst-
lerische Wohnungseinrichtungen, Antiquitäten, Japan-Samm-
lung, Kunstgegenstände.

Julius Leitner, Prinzregentenstr. 2. Kunstgegenstände, Ge-
mälde alter Meister.

[irrelevantes Material]
Nr. 126. München, Montag Allgemeine Zeitung 16. März 1988.
[Spaltenumbruch]
Bayeriſcher Landtag.
11. öffentliche Plenarfitzung der Kammer der Reichsräte.
(Schluß.)

Schlußberatung über den Antrag der Abge-
ordneten Dr. Jäger-Dillingen, Dr. Pichler und
Gen. Verbeſſerung der wirtſchaftlichen Ver-
hältniſſe im Königreich Bayern betreffend,
hier „Tarifierung von Mehl und Getreide.“

Referent Dr. Frhr. v. Soden-Fraunhofen empfiehlt unver-
ändert. Annahme des Antrages, was geſchieht

Gegen den Bericht der Staatsſchuldentilgungs-
kommiſſion
beſteht keine Erinnerung und dem Staats-
ſchuldentilgungskommiſſär der Reichsratskammer, Ritter von
Maffei,
wird die Anerkennung erteilt.

Hierauf berichtet Referent Graf zu Törring über die Aus-
ſchußverhandlungen zum Etat der Erbſchaftsſteuern,
Gebühren, Stempelabgabe
und Strafen für die
Jahre 1908 und 1909.

R.-R. Frhr. v. Hertling: Der zweite Ausſchuß hat ſich mit
Fragen beſchäftigt, die von hervorragender Bedeutung für
Bayern und das Neich ſind. Eine Aeußerung des Finanzminiſters
im Ausſchuß iſt in der norddeutſchen Preſſe falſch wiedergegeben
worden, und es konnte ſich die Meinung verbreiten, daß Bayern
geſonnen ſei, ſeinen grundſätzlichen Widerſtand gegen die direk-
ten Reichsſteuern aufzugeben. Dieſe Auffaſſung iſt durchaus un-
richtig und ich glaube, daß die Staatsregterung meine Anſchau-
ung teilt. Für die verbündeten Regierungen iſt
die Einführung direkter Steuern undiskutabel,

da ſie mit der Natur eines föderativen Staatsgebildes unver-
einbar ſind. Das hieße die Finanzhoheit der Einzelſtaaten auf
das Reich übertragen und die Souveränität der Ein-
zelſtaaten auf ein Minimum herabdrücken.
Da-
durch würden den Einzelſtaaten die Mittel entzogen, ihre Kultur-
aufgaben zu erfüllen, und es würde ein langſames Siechtum
der Einzelſtaaten eintreten und die Einzelſtaaten würden all-
mählich in das allgemeine Staatsgebilde abſorbiert. Was die
Ausgeſtaltung der Erbſchaftsſteuern betrifft, ſo ſcheint
dafür im Reichstag zurzeit wenig Neigung zu beſtehen. Die
Einbeziehung der Deſzendenten würde einen großen, unerträg-
lichen Druck auf die grundbeſitzende Bevölkerung des Landes
ausüben und würde doch kein wirkliches Heilmittel darſtellen.

Es wurde dabei auf das vorzügliche Beiſpiel Englands
hingewieſen Aber in England ſind große Vermögen durch die Erb-
ſchaftsſteuern ruiniert worden. Alſo, mit der Erbſchaftsſteuer iſt
es nichts. Was an deren Stelle treten ſoll, weiß ich nicht. Wenn
wirklich eine großzügige Finanzreform durchgeführt
wird, ſo iſt unſere wichtigſte Aufgabe die reinliche Scheidung
zwiſchen den Budgets des Reiches und der Einzelſtaaten. Der
jetzige Zuſtand iſt nicht haltbar. Die Einzelſtaaten können unter
den jetzigen Verhältniſſen nicht mehr erfolgreich weiter exiſtie-
ren. Der Fixierung der Matrikularbeiträge auf
ein Maximum ſtehe ich ſympathiſch gegenüber. Eine großzügige
Reichsfinanzreform birgt auch manche Gefahren in ſich, beſonders
die Gefahr, daß man dann ſo aus dem Vollen ſchöpft. Wir haben
große Aufgaben vor uns, die Aufrechterhaltung der
Armee, die unſer Stolz iſt,
die Haltung der Kolonien, die wir auch nicht aufgeben kön-
nen, unſere erhabene Miſſion in der Sozialpolitik. Aber
dieſe ſchweren Aufgaben können wir nur dann auf die Dauer
erfüllen, wenn ſich die einzelnen Reſſorts nach allen Seiten hin
die größte Sparſamkeit auſerlegen. (Beifall.)

Finanzminiſter v. Pfaff: Meine Anſchauungen über die Reichsfinanzreform und die
finanzillen Beziehungen zwiſchen dem Reich und ſeinen Einzel-
ſtaaten ſtimmen mit denen des Vorredners in den weſentlichſten
Punkten überein. Die Regierung nimmt entſchieden Stellung
gegen die Einführung der direkten Reichs-Vermögensſteuer.
Ich halte es für ausgeſchloſſen, daß zum Zwecke der Be-
friedigung von Reichsbedürfniſſen die direkte Steuer der Bun-
desſtaaten in Anſpruch genommen werden dürfe. Dadurch wer-
den die Einzelſtaaten in ihrer finanziellen und politiſchen Tätig-
keit mehr und mehr untergraben, und der föderative Charakter
des Reiches würde eine weſentliche Alterierung erfahren. Das
Reich iſt angewieſen, ſeine Bedürfniſſe durch Vermehrung
der in direkten Steuern
zu beſtreiten. Das Reich hat es
unterlaſſen, dieſe Steuern in gleichem Schritt mit den wachſen-
den Bedürfniſſen auszubauen. Ganz beſonders gilt dies für die
beiden Artikel
Branntwein und Tabak.
(Der Miniſter verlieſt hier eine Aufſtellung über die Höhe der
Steuer für beide Artikel pro Kopf der Bevölkerung in verſchie-
denen Staaten.) Dieſe Steuerquellen laſſen zweifellos eine
weſentliche Steigerung zu, ohne daß über einen ernſten
Steuerdruck geklagt werden kann, um ſo weniger, als es ſich —
wenigſtens bei Tabak — um einen Luxusartikel handelt. Immer-
hin wäre es aber möglich, daß ſich im Reichstag eine Mehrheit
nicht für die ausſchließliche Bewilligung von indirekten Steuer-
abgaben entſcheidet. In dieſem Fall würde ich die Deſzen-
denten-Erbſchaftsſteuer
als das kleinere Uebel be-
trachten. Dieſelbe iſt ohnehin ſchon in einer Reihe anderer Stag-
ten in Ausſicht genommen, ſo in einigen Kantonen der Schweiz.
In Deutſchland beſteht die Steuer bereits in den Hanſaſtädten
und in Elſaß-Lothringen, und es wird hier nicht über einen
allzu hohen Druck geklagt. Bei Annahme der Deſzendentenſteuer
wären aber gewiſſe Kautelen notwendig, damit durch die
Steuer nicht der kleine Beſitz zu ſtark belaſtet und andrerſeits
der Grundbeſitz und das unbewegliche Vermögen nicht in einer
Weiſe in Anſpruch genommen werden kann, welche eine allzu
große Schuldenlaſt herbeiführen würde. Durch den Perſonal-
wechſel im Reichsſchatzamt
bin ich heute noch im Un-
klaren darüber, nach welcher Richtung ſich die Steuerreformpro-
jekte des neuen Staatsſekretärs bewegen werden.

Der zweite Punkt, in dem ich ebenfalls mit dem R.-R. Frhrn.
v. Hertling übereinſtimme, iſt die Notwendigkeit einer
feſten Grenze für die Beitragsleiſtungen der
einzelnen Bundesſtaaten.
Bei den jetzigen Verhält-
niſſen ſind die Hilfsmittel des Reiches unerſchöpflich, da ja ſtets
die Möglichkeit der Erhöhung der Matrikularbei-
träge
frei ſteht. Dieſe Freiheit, mit der im Reich über die
Mittel verfügt werden kann, verleitet aber — abgeſehen davon,
daß dadurch die Finanzwirtſchaft der Bundesſtaaten auf ganz
unſichere Baſts geſtellt wird — auch die Reichsregierung unwill-
kürlich zu einem etwas freieren Schalten mit den Mitteln. Der
Miniſter erinnert dann an den Standpunkt, den Fürſt Bismarck
ſeinerzeit in dieſen Fragen eingenommen habe, und verlieſt einige
darauf bezügliche Stellen aus deſſen Reden. Er bemerkt zum
Schluß, daß wir uns bei der bisherigen Regelung ſehr wohl ge-
fühlt hätten und in dieſer Beziehung in keiner Weiſe eine Aen-
derung eintreten laſſen dürften.

R.-R. Fürſt zu Leiningen bemerkt, die Erbſchaftsſteuer habe
große Bedenken, und der Einführung von Kantelen würden in
[Spaltenumbruch] den einzelnen Bundesſtaaten große Hinderniſſe entgegenſtehen.
Sicher würde die Erbſchaftsſteuer eine große Schädigung
des Grund beſitzes,
und es wäre aufs äußerſte zu be-
dauern, wenn es zur Einführung der Erbſchaftsſteuer käme.

R.-R. Frhr. v. Soden bekennt ſich gleich dem Vorredner als
Anhänger eines weiteren Ausbaues der indirekten Steuern und
bedauert, daß das Zuſtandekommen des Branntwein-
monopols
geſcheitert ſei. Er gibt noch einmal der Meinung
Ausdruck, daß von der jetzigen Reichstagsmehrheit eine glückliche
Löſung der Reichsfinanzreform nicht zu erwarten ſei; vom Zen-
trum wäre dies ſchon zu erwarten geweſen. Der Referent habe
ſchon auf dieſe ſeine Aeußerung im Ausſchuß hingewieſen und
gemeint, es müßte mich in dieſer Beziehung mein ſonſt ſo gutes
Erinnerungsvermögen im Stich gelaſſen haben. Ich wiederhole
nochmals, daß ich die Ueberzeugung habe, daß wenn die Ver-
hältniſſe noch ſo lägen wie früher, wenn noch die Majori-
tät des Zentrums und der Konſervativen vor-
handen wäre, keine ſo vollkommene Verwir-
rung auf dem fraglichen Gebiet eingetreten
wäre, wie ſie jetzt beſteht.
Im Intereſſe der Landwirt-
ſchaft bedaure ich es ſehr, daß dieſe Mehrheit nicht mehr beſteht.
Im Gegenſatz zum Referenten erinnere ich mich nicht, daß je
eine ſolche Störung im Gange der Staatsmaſchine im Reich ein-
getreten iſt, wie es jetzt der Fall iſt. Es kann nicht mehr ſo
weiter gehen, und wenn es der jetzigen Majorität gelingt, eine
geſunde Reichsfinanzreform einzuführen, bin ich auch ihr dafür
dankbar.

R.-R. Dr. Schanz: Ich bin ebenfalls der Meinung, daß eine
reinliche Scheidung zwiſchen Reichs- und Bundesfinanzen ein-
treten muß. Einig bin ich auch mit dem Miniſter in der Frage
der direkten Reichsſteuern. Man meint immer noch, daß ſehr viel
Raum wäre für die Ausdehnung der direkten Steuern. Dem iſt
aber nicht ſo. Denn wenn man zu den direkten Steuern noch die
kommunalen Umlagen hinzurechnet, ſo ſchnellt der Geſamtbetrag
der direkten Steuern ganz enorm in die Höhe. Nach der
jetzigen politiſchen Lage
iſt es aber unmöglich, daß die Reichsfinanzreform bloß auf
Grund der bloßen Verbrauchsſtenern durchgeführt wird. Ich
meine, daß es eine nobile officium der beſitzenden Klaſſen iſt,
in dem Augenblick, wo man der Maſſe der Bevölkerung eine
Menge Verbrauchsſteuern auferlegen will, auch ihrerſeits ihr
Scherflein auf den Altar des Vaterlandes zu legen, und darum
ſcheint mir doch die Ausdehnung der Erbſchaftsſteuer nicht abzu-
lehnen zu ſein. Eine Steuer, gegen die keine Bedenken geltend
gemacht werden können, gibt es nicht. Weitaus die größte Mehr-
zahl der ausländiſchen Staaten hat dieſe Ausdehnung ohne er-
hebliche Schädigung. In England iſt allerdings die Erbſchafts-
ſteuer in übertriebener Weiſe ausgebildet. Auf der anderen
Seite habe aber die Erbſchaftsſteuer ungeheure Vorteile. Vor
allem iſt ſie die einzige Steuer, die abſolut unabwälzbar
iſt. Ein weiterer Vorzug beſteht darin, daß ſie ein treffliches
Kontrollmittel iſt hinſichtlich der allgemeinen Einkommensſteuer.
Außerdem kommt bei Beurteilung der Erbſchaftsſteuer noch ein
ganz anderer Geſichtspunkt in Betracht: Die Erbſchaſtsſteuer iſt
eigentlich nichts anderes als eine Beſteuerung des fundier-
ten Einkommens.
So meine ich, ſei doch das richtigſte, wenn
alle Klaſſen, nicht bloß die breiten Maſſen des Volkes, ſondern
auch die beſitzenden Klaſſen des Volkes zuſammenhelfen würden,
um das Reich aus ſeiner Not zu befreien. Es iſt doch unſer
Schutz und Hort und der Wahrer unſerer nationalen Ehre.

Referent Graf Törring repliziert unter anderem auf die
Ausführungen des Frhrn. v. Soden und erinnert daran, daß
unter der Zentrumspartei, ſo lange ſie die Majorität im Reichs-
tage hatte, die gleichen mißlichen Verhältniſſe im
Reiche beſtanden wie heute, gerade die Zentrumspartei
ſei in der Hauptſache an dieſem konfuſen Abrechnungs-
verfahren
zwiſchen dem Reich und den Einzelſtaaten ſchuld.

Schluß 1¾ Uhr. Nächſte Sitzung 28. März.

Letzte Nachrichten.
Geheimrat Profeſſor Julius Leſſing †.

9.34 N. (Privattelegramm.)
Der verdienſtvolle Direktor des kgl. Kunſtgewerbemuſeums in
Berlin, Geheimrat Profeſſor Julius Leſſing, iſt, wie uns ein
Privattelegramm meldet, heute im Alter von 65 Jahren ge-
ſtorben. Er war Diabetiker, und das Leiden hatte ſeine Kräfte
in den letzten Jahren ſo aufgebraucht, daß er im vorigen Jahre
um ſeine Entlaſſung bat. Mit dem 1. April d. J. wollte er
ganz in den Ruheſtand treten; aber ſchon ſeit Monaten war
Leſſing an das Zimmer gefeſſelt. Es hatte ſich ein Fußleiden
eingeſtellt, das auf die Zuckerkrankheit zurückzuführen war. Das
Uebel verſchlimmerte ſich ſeit Beginn dieſes Monats. Vorgeſtern
mußte er, um ſich einer Operation zu unterziehen, eine Klinik
aufſuchen und iſt nun an den Folgen der Operation geſtorben.
Leſſings Nachfolger iſt Dr. v. Falke, der bisherige Direktor
des Kölner Kunſtgewerbemuſeums. Er wird am 1. April an
ſeine Stelle treten.

Letzte Handelsnachrichten.

Börſenbericht. (Per
Kabel.) Auch der heutige Wochenſchluß zeichnete ſich wieder
durch lebhaftere Geſchäftstätigkeit aus. In Uebereinſtim-
mung mit der Stimmung am Londoner Amerikanermarkte
und auf neuerliche Bemühungen, die auf eine weitere Er-
höhung des Kursniveaus hinzielten, verkehrte die Börſe
anfangs in feſter Haltung. Einige Käufe für Rechnung
privaten Publikums und Deckungen eingeengter Baiſſiers
begünſtigten die Aufwärtsbewegung. In der letzten Bör-
ſenſtunde zeigte ſich Neigung, die erzielten Gewinne ſicher-
zuſtellen. Da aber das Angedot gute Aufnahme fand, ſchloß
die Börſe in ſehr feſter Haltung. In Aktien wurden 570,000
Stück umgeſetzt.

Gerichtsſaal.
Räuberiſche Erpreſſung an einem Mitgliede des bayeriſchen
Königshauſes.

S. Eine ſenſationelle Verhandlung findet heute vor der
Strafkammer des kgl. Landgerichts Eichſtätt ſtatt. Angeklagt iſt
der Bauer Johann Hofmeier von Dorndorf (Niederbayern) mit
Genoſſen wegen räuberiſcher Erpreſſung. Ein ſkandalöſes Vor-
kommnis war es, das der Ankloge zugrunde liegt, und das Se.
kgl. Hoheit Herzog Franz Joſeph von Bayern in eine
ſehr gefahrdrohende Lage brachte. Am Sonntag, den 4. Auguſt,
fuhr Se. kgl. Hoheit mit ſeinem Auto, das er ſelbſt lenkte, von
München in ſeine Garniſonsſtadt Bamberg,
wo
er als Leutnant im 1. Ulanen-Regiment ſteht. In einem Walde
bei Dorndorf kam dem Auto des Herzogs abends gegen 8 Uhr ein
Bauernfuhrwerk entgegen, beſetzt mit einem Bauern und einer
Bäuerin. Der Bauer bemerkte das mit mäßiger Geſchwindigkeit
heranfahrende Auto, ſprang vom Bock und riß das Pferd ganz
[Spaltenumbruch] unnötig in den Straßengraben. Inzwiſchen, und noch bevor er
in gleicher Höhe mit dem Fuhrwerke kam, hatte auch der Herzog
angehalten. Der anſcheinend angetrunkene Bauer riß aber ſo
lange an dem Pferde herum, bis er zu Boden fiel und vom
Pferde am Kopf leicht verletzt wurde.

Herzog Franz Joſeph wollte dem Bauern mit Verbandszeug
hilfreich beiſtehen, doch wurde ſeine Hilfe mit rohem Schimpfen
abgelehnt. Inzwiſchen waren noch zwei radſahrende Bauern-
burſchen dazu gekommen, die ſich auf Seite des Bauern ſtellten
und verlangten, daß ſofort zur nächſten Ortſchaft gefahren werde.
Der Bauer entfernte ſich aber dann mit dem einen Radfahrer,
während der andere Radler und die Bäuerin das Weiterfahren
des Autos verhinderten. Bald darauf kamen aus dem Orte
Graupendorf etwa 25—30 Bauern, die das Auto umlagerten,
und vom Orte her kam Hofmaier mit einer weiteren gleich großen
Schar; er hatte anſcheinend das ganze Graupendorf mobil ge-
macht und falſch informiert, denn die Leute befanden ſich in
größter Erregung und wüteten und ſchimpften auf die Auto-
mobilfahrer, immer mehr angefeuert von Hofmaier und einer
Mannsperſon, die ſich als Schwager des Hofmaier ausgab. Die
Situation wurde immer bedrohlicher und der Herzog befand ſich
momentan in Lebensgefahr; er wurde gezwungen, das Auto
ſofort zu verlaſſen. In ihrer blinden Wut verlangten die Bauern
die ſofortige Zahlung von 120 Mark, dann könne das Auto
weiterfahren. Man zwang den Herzog ſogar nach dem Diktate
des Bauern Hofmaier auf einer Viſitenkarte niederzuſchreiben,
daß er ſich verpflichte, den Betrag von 120 Mark innerhalb drei
Tagen an ihn (Hofmaier) zu ſenden. Um endlich loszukommen —
es waren inzwiſchen ſchon 2 Stunden vergangen — tat dies der
Herzog. Als die Bauern die Nachgiebigkeit des hohen Herrn
bemerkten, wurden ſie noch unverſchämter mit ihren Forderungen
und als der Chauffeur ankurbeln wollte, ſtießen ihn die Bauern
zurück mit den Worten: „Wenn ihr nicht mehr gebt, könnt ihr
ſtehen bleiben bis morgen früh.“ Nun verſprach der Herzog
150 Mark zu ſenden, womit endlich die Hauptmacher zufrieden
waren. Abfahren konnte aber Se. kgl. Hoheit immer noch nicht,
denn nun kamen erſt die anderen Bauern und verlangten
„Zeugengebühr“. Um endlich — nachts halb elf Uhr — freie
Bahn zu bekommen, mußte der Herzog 40 Mark in bar aus-
zahlen. Anderntags wurde Anzeige erſtattet und auch Sr. kgl.
Hoheit dem Prinzregenten wurde der geradezu unerhörte Vorfall
zur Kenntnis gebracht.

Wir werden über den Prozeß ausführlich berichten.

Gemälde-Rusſtellungen, Kunſtgewerbe,
Kunſt-Antiquariate, Ausſtellungen alter Kunſt,
numismatiſche Sammlungen in München.

Galerie Hernemann, Lenbachplatz 5/6. Ausſtellung von Ge-
mälden und Skulpturen erſter moderner Meiſter. Täglich ge-
öffnet von 9 bis 7 Uhr, Sonntags von 9 bis 1 Uhr. Eintritt 1 M.

Galerie Helbing, Liebigſtraße 21. Ausſtellung von Gemälden
alterer und moderner Meiſter. Täglich geöffnet von 9 bis 7 Uhr,
Sonntags von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Eintritt frei.

Galerie Oskar Hermes, Promenadeplatz 11, gegenüber dem
Bayeriſchen Hof. Original-Gemälde erſten Ranges.

Moderne Kunſthandlung, Goetheſtraße 64. Moderne Werke
erſter Münchener Künſtler. An Wochentagen geöffnet von
9 bis 5 Uhr.

Kunſtſalon Zimmermann, Maximilianſtraße 38. Gemälde-
ausſtellung moderner Meiſter. Täglich geöffnet von 8 bis 7 Uhr.

Kunſthandlung Benno Spaeth, Wurzerſtr. 17/I. Verkauf von
Orig.-Oelgemälden beſter Künſtler. Geöffnet 10—5. Tel.: 2151.

Julius Böhler, kgl. bayer. und preußiſcher Hofantiquar,
Briennerſtraße 12. Sammlung von Antiquitäten und alter
Oelgemalde.

Wilh. Böhler, Briennerſtraße 47. Antiquitätenhandlung.
Spez.: Alte Möbel, Zinn uſw.

Jacques Roſenthal, Karlftraße 10. Buch und Kunſt-Anti-
quariat. Spezialitäten: Koſtbare Miniaturenmanuſkripte, In-
kunabeln, Holzſchnitt- und Kupferwerke des 15. und 16. Jahr-
hunderts, ſowie einzelne frühere Holzſchnitte und Kupferſtiche.

Dr. Eugen Merzbacher Nachf., Karlſtraße 10. Münzen-
handlung.

Anton Pöſſenbacher, Hof-Möbelfabrik, Briennerſtraße 55.
Ausſtellung für Wohnungskunſt. Große Auswahl in Teppichen,
Stoffen, Tapeten, Kunſtgegenſtänden ꝛc. ꝛc.

Ludwig Roſenthals Antiquariat, Hildegärdſtraße 16. Koſt-
bare Bücher, Einbände, Miniaturen-Manuſkripte, Inkunabeln,
Holzſchnitt- und Kupferſtichwerke des 15. bis 18. Jahrhunderts,
Stiche von Dürer, Schongauer uſw., Geſchichtswerke, Theologie
Americana.

M. T. Wetzlar, Hoflieferant, Maximilianſtraße 9, Entreſol.
Kunſtgewerbliche Silberwaren, Ehrenpreiſe, Beſtecke.

Jacob Doppler, Barerſtraße 12. Im Blauen Haus. Künſt-
leriſche Wohnungseinrichtungen, Antiquitäten, Japan-Samm-
lung, Kunſtgegenſtände.

Julius Leitner, Prinzregentenſtr. 2. Kunſtgegenſtände, Ge-
mälde alter Meiſter.

[irrelevantes Material]
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[5/0005] Nr. 126. München, Montag Allgemeine Zeitung 16. März 1988. Bayeriſcher Landtag. 11. öffentliche Plenarfitzung der Kammer der Reichsräte. (Schluß.) München, 14. März. Schlußberatung über den Antrag der Abge- ordneten Dr. Jäger-Dillingen, Dr. Pichler und Gen. Verbeſſerung der wirtſchaftlichen Ver- hältniſſe im Königreich Bayern betreffend, hier „Tarifierung von Mehl und Getreide.“ Referent Dr. Frhr. v. Soden-Fraunhofen empfiehlt unver- ändert. Annahme des Antrages, was geſchieht Gegen den Bericht der Staatsſchuldentilgungs- kommiſſion beſteht keine Erinnerung und dem Staats- ſchuldentilgungskommiſſär der Reichsratskammer, Ritter von Maffei, wird die Anerkennung erteilt. Hierauf berichtet Referent Graf zu Törring über die Aus- ſchußverhandlungen zum Etat der Erbſchaftsſteuern, Gebühren, Stempelabgabe und Strafen für die Jahre 1908 und 1909. R.-R. Frhr. v. Hertling: Der zweite Ausſchuß hat ſich mit Fragen beſchäftigt, die von hervorragender Bedeutung für Bayern und das Neich ſind. Eine Aeußerung des Finanzminiſters im Ausſchuß iſt in der norddeutſchen Preſſe falſch wiedergegeben worden, und es konnte ſich die Meinung verbreiten, daß Bayern geſonnen ſei, ſeinen grundſätzlichen Widerſtand gegen die direk- ten Reichsſteuern aufzugeben. Dieſe Auffaſſung iſt durchaus un- richtig und ich glaube, daß die Staatsregterung meine Anſchau- ung teilt. Für die verbündeten Regierungen iſt die Einführung direkter Steuern undiskutabel, da ſie mit der Natur eines föderativen Staatsgebildes unver- einbar ſind. Das hieße die Finanzhoheit der Einzelſtaaten auf das Reich übertragen und die Souveränität der Ein- zelſtaaten auf ein Minimum herabdrücken. Da- durch würden den Einzelſtaaten die Mittel entzogen, ihre Kultur- aufgaben zu erfüllen, und es würde ein langſames Siechtum der Einzelſtaaten eintreten und die Einzelſtaaten würden all- mählich in das allgemeine Staatsgebilde abſorbiert. Was die Ausgeſtaltung der Erbſchaftsſteuern betrifft, ſo ſcheint dafür im Reichstag zurzeit wenig Neigung zu beſtehen. Die Einbeziehung der Deſzendenten würde einen großen, unerträg- lichen Druck auf die grundbeſitzende Bevölkerung des Landes ausüben und würde doch kein wirkliches Heilmittel darſtellen. Es wurde dabei auf das vorzügliche Beiſpiel Englands hingewieſen Aber in England ſind große Vermögen durch die Erb- ſchaftsſteuern ruiniert worden. Alſo, mit der Erbſchaftsſteuer iſt es nichts. Was an deren Stelle treten ſoll, weiß ich nicht. Wenn wirklich eine großzügige Finanzreform durchgeführt wird, ſo iſt unſere wichtigſte Aufgabe die reinliche Scheidung zwiſchen den Budgets des Reiches und der Einzelſtaaten. Der jetzige Zuſtand iſt nicht haltbar. Die Einzelſtaaten können unter den jetzigen Verhältniſſen nicht mehr erfolgreich weiter exiſtie- ren. Der Fixierung der Matrikularbeiträge auf ein Maximum ſtehe ich ſympathiſch gegenüber. Eine großzügige Reichsfinanzreform birgt auch manche Gefahren in ſich, beſonders die Gefahr, daß man dann ſo aus dem Vollen ſchöpft. Wir haben große Aufgaben vor uns, die Aufrechterhaltung der Armee, die unſer Stolz iſt, die Haltung der Kolonien, die wir auch nicht aufgeben kön- nen, unſere erhabene Miſſion in der Sozialpolitik. Aber dieſe ſchweren Aufgaben können wir nur dann auf die Dauer erfüllen, wenn ſich die einzelnen Reſſorts nach allen Seiten hin die größte Sparſamkeit auſerlegen. (Beifall.) Finanzminiſter v. Pfaff: Meine Anſchauungen über die Reichsfinanzreform und die finanzillen Beziehungen zwiſchen dem Reich und ſeinen Einzel- ſtaaten ſtimmen mit denen des Vorredners in den weſentlichſten Punkten überein. Die Regierung nimmt entſchieden Stellung gegen die Einführung der direkten Reichs-Vermögensſteuer. Ich halte es für ausgeſchloſſen, daß zum Zwecke der Be- friedigung von Reichsbedürfniſſen die direkte Steuer der Bun- desſtaaten in Anſpruch genommen werden dürfe. Dadurch wer- den die Einzelſtaaten in ihrer finanziellen und politiſchen Tätig- keit mehr und mehr untergraben, und der föderative Charakter des Reiches würde eine weſentliche Alterierung erfahren. Das Reich iſt angewieſen, ſeine Bedürfniſſe durch Vermehrung der in direkten Steuern zu beſtreiten. Das Reich hat es unterlaſſen, dieſe Steuern in gleichem Schritt mit den wachſen- den Bedürfniſſen auszubauen. Ganz beſonders gilt dies für die beiden Artikel Branntwein und Tabak. (Der Miniſter verlieſt hier eine Aufſtellung über die Höhe der Steuer für beide Artikel pro Kopf der Bevölkerung in verſchie- denen Staaten.) Dieſe Steuerquellen laſſen zweifellos eine weſentliche Steigerung zu, ohne daß über einen ernſten Steuerdruck geklagt werden kann, um ſo weniger, als es ſich — wenigſtens bei Tabak — um einen Luxusartikel handelt. Immer- hin wäre es aber möglich, daß ſich im Reichstag eine Mehrheit nicht für die ausſchließliche Bewilligung von indirekten Steuer- abgaben entſcheidet. In dieſem Fall würde ich die Deſzen- denten-Erbſchaftsſteuer als das kleinere Uebel be- trachten. Dieſelbe iſt ohnehin ſchon in einer Reihe anderer Stag- ten in Ausſicht genommen, ſo in einigen Kantonen der Schweiz. In Deutſchland beſteht die Steuer bereits in den Hanſaſtädten und in Elſaß-Lothringen, und es wird hier nicht über einen allzu hohen Druck geklagt. Bei Annahme der Deſzendentenſteuer wären aber gewiſſe Kautelen notwendig, damit durch die Steuer nicht der kleine Beſitz zu ſtark belaſtet und andrerſeits der Grundbeſitz und das unbewegliche Vermögen nicht in einer Weiſe in Anſpruch genommen werden kann, welche eine allzu große Schuldenlaſt herbeiführen würde. Durch den Perſonal- wechſel im Reichsſchatzamt bin ich heute noch im Un- klaren darüber, nach welcher Richtung ſich die Steuerreformpro- jekte des neuen Staatsſekretärs bewegen werden. Der zweite Punkt, in dem ich ebenfalls mit dem R.-R. Frhrn. v. Hertling übereinſtimme, iſt die Notwendigkeit einer feſten Grenze für die Beitragsleiſtungen der einzelnen Bundesſtaaten. Bei den jetzigen Verhält- niſſen ſind die Hilfsmittel des Reiches unerſchöpflich, da ja ſtets die Möglichkeit der Erhöhung der Matrikularbei- träge frei ſteht. Dieſe Freiheit, mit der im Reich über die Mittel verfügt werden kann, verleitet aber — abgeſehen davon, daß dadurch die Finanzwirtſchaft der Bundesſtaaten auf ganz unſichere Baſts geſtellt wird — auch die Reichsregierung unwill- kürlich zu einem etwas freieren Schalten mit den Mitteln. Der Miniſter erinnert dann an den Standpunkt, den Fürſt Bismarck ſeinerzeit in dieſen Fragen eingenommen habe, und verlieſt einige darauf bezügliche Stellen aus deſſen Reden. Er bemerkt zum Schluß, daß wir uns bei der bisherigen Regelung ſehr wohl ge- fühlt hätten und in dieſer Beziehung in keiner Weiſe eine Aen- derung eintreten laſſen dürften. R.-R. Fürſt zu Leiningen bemerkt, die Erbſchaftsſteuer habe große Bedenken, und der Einführung von Kantelen würden in den einzelnen Bundesſtaaten große Hinderniſſe entgegenſtehen. Sicher würde die Erbſchaftsſteuer eine große Schädigung des Grund beſitzes, und es wäre aufs äußerſte zu be- dauern, wenn es zur Einführung der Erbſchaftsſteuer käme. R.-R. Frhr. v. Soden bekennt ſich gleich dem Vorredner als Anhänger eines weiteren Ausbaues der indirekten Steuern und bedauert, daß das Zuſtandekommen des Branntwein- monopols geſcheitert ſei. Er gibt noch einmal der Meinung Ausdruck, daß von der jetzigen Reichstagsmehrheit eine glückliche Löſung der Reichsfinanzreform nicht zu erwarten ſei; vom Zen- trum wäre dies ſchon zu erwarten geweſen. Der Referent habe ſchon auf dieſe ſeine Aeußerung im Ausſchuß hingewieſen und gemeint, es müßte mich in dieſer Beziehung mein ſonſt ſo gutes Erinnerungsvermögen im Stich gelaſſen haben. Ich wiederhole nochmals, daß ich die Ueberzeugung habe, daß wenn die Ver- hältniſſe noch ſo lägen wie früher, wenn noch die Majori- tät des Zentrums und der Konſervativen vor- handen wäre, keine ſo vollkommene Verwir- rung auf dem fraglichen Gebiet eingetreten wäre, wie ſie jetzt beſteht. Im Intereſſe der Landwirt- ſchaft bedaure ich es ſehr, daß dieſe Mehrheit nicht mehr beſteht. Im Gegenſatz zum Referenten erinnere ich mich nicht, daß je eine ſolche Störung im Gange der Staatsmaſchine im Reich ein- getreten iſt, wie es jetzt der Fall iſt. Es kann nicht mehr ſo weiter gehen, und wenn es der jetzigen Majorität gelingt, eine geſunde Reichsfinanzreform einzuführen, bin ich auch ihr dafür dankbar. R.-R. Dr. Schanz: Ich bin ebenfalls der Meinung, daß eine reinliche Scheidung zwiſchen Reichs- und Bundesfinanzen ein- treten muß. Einig bin ich auch mit dem Miniſter in der Frage der direkten Reichsſteuern. Man meint immer noch, daß ſehr viel Raum wäre für die Ausdehnung der direkten Steuern. Dem iſt aber nicht ſo. Denn wenn man zu den direkten Steuern noch die kommunalen Umlagen hinzurechnet, ſo ſchnellt der Geſamtbetrag der direkten Steuern ganz enorm in die Höhe. Nach der jetzigen politiſchen Lage iſt es aber unmöglich, daß die Reichsfinanzreform bloß auf Grund der bloßen Verbrauchsſtenern durchgeführt wird. Ich meine, daß es eine nobile officium der beſitzenden Klaſſen iſt, in dem Augenblick, wo man der Maſſe der Bevölkerung eine Menge Verbrauchsſteuern auferlegen will, auch ihrerſeits ihr Scherflein auf den Altar des Vaterlandes zu legen, und darum ſcheint mir doch die Ausdehnung der Erbſchaftsſteuer nicht abzu- lehnen zu ſein. Eine Steuer, gegen die keine Bedenken geltend gemacht werden können, gibt es nicht. Weitaus die größte Mehr- zahl der ausländiſchen Staaten hat dieſe Ausdehnung ohne er- hebliche Schädigung. In England iſt allerdings die Erbſchafts- ſteuer in übertriebener Weiſe ausgebildet. Auf der anderen Seite habe aber die Erbſchaftsſteuer ungeheure Vorteile. Vor allem iſt ſie die einzige Steuer, die abſolut unabwälzbar iſt. Ein weiterer Vorzug beſteht darin, daß ſie ein treffliches Kontrollmittel iſt hinſichtlich der allgemeinen Einkommensſteuer. Außerdem kommt bei Beurteilung der Erbſchaftsſteuer noch ein ganz anderer Geſichtspunkt in Betracht: Die Erbſchaſtsſteuer iſt eigentlich nichts anderes als eine Beſteuerung des fundier- ten Einkommens. So meine ich, ſei doch das richtigſte, wenn alle Klaſſen, nicht bloß die breiten Maſſen des Volkes, ſondern auch die beſitzenden Klaſſen des Volkes zuſammenhelfen würden, um das Reich aus ſeiner Not zu befreien. Es iſt doch unſer Schutz und Hort und der Wahrer unſerer nationalen Ehre. Referent Graf Törring repliziert unter anderem auf die Ausführungen des Frhrn. v. Soden und erinnert daran, daß unter der Zentrumspartei, ſo lange ſie die Majorität im Reichs- tage hatte, die gleichen mißlichen Verhältniſſe im Reiche beſtanden wie heute, gerade die Zentrumspartei ſei in der Hauptſache an dieſem konfuſen Abrechnungs- verfahren zwiſchen dem Reich und den Einzelſtaaten ſchuld. Schluß 1¾ Uhr. Nächſte Sitzung 28. März. Letzte Nachrichten. Geheimrat Profeſſor Julius Leſſing †. n. Berlin, 14. März. 9.34 N. (Privattelegramm.) Der verdienſtvolle Direktor des kgl. Kunſtgewerbemuſeums in Berlin, Geheimrat Profeſſor Julius Leſſing, iſt, wie uns ein Privattelegramm meldet, heute im Alter von 65 Jahren ge- ſtorben. Er war Diabetiker, und das Leiden hatte ſeine Kräfte in den letzten Jahren ſo aufgebraucht, daß er im vorigen Jahre um ſeine Entlaſſung bat. Mit dem 1. April d. J. wollte er ganz in den Ruheſtand treten; aber ſchon ſeit Monaten war Leſſing an das Zimmer gefeſſelt. Es hatte ſich ein Fußleiden eingeſtellt, das auf die Zuckerkrankheit zurückzuführen war. Das Uebel verſchlimmerte ſich ſeit Beginn dieſes Monats. Vorgeſtern mußte er, um ſich einer Operation zu unterziehen, eine Klinik aufſuchen und iſt nun an den Folgen der Operation geſtorben. Leſſings Nachfolger iſt Dr. v. Falke, der bisherige Direktor des Kölner Kunſtgewerbemuſeums. Er wird am 1. April an ſeine Stelle treten. Letzte Handelsnachrichten. * New-York, 14. März. Börſenbericht. (Per Kabel.) Auch der heutige Wochenſchluß zeichnete ſich wieder durch lebhaftere Geſchäftstätigkeit aus. In Uebereinſtim- mung mit der Stimmung am Londoner Amerikanermarkte und auf neuerliche Bemühungen, die auf eine weitere Er- höhung des Kursniveaus hinzielten, verkehrte die Börſe anfangs in feſter Haltung. Einige Käufe für Rechnung privaten Publikums und Deckungen eingeengter Baiſſiers begünſtigten die Aufwärtsbewegung. In der letzten Bör- ſenſtunde zeigte ſich Neigung, die erzielten Gewinne ſicher- zuſtellen. Da aber das Angedot gute Aufnahme fand, ſchloß die Börſe in ſehr feſter Haltung. In Aktien wurden 570,000 Stück umgeſetzt. Gerichtsſaal. Räuberiſche Erpreſſung an einem Mitgliede des bayeriſchen Königshauſes. S. Eine ſenſationelle Verhandlung findet heute vor der Strafkammer des kgl. Landgerichts Eichſtätt ſtatt. Angeklagt iſt der Bauer Johann Hofmeier von Dorndorf (Niederbayern) mit Genoſſen wegen räuberiſcher Erpreſſung. Ein ſkandalöſes Vor- kommnis war es, das der Ankloge zugrunde liegt, und das Se. kgl. Hoheit Herzog Franz Joſeph von Bayern in eine ſehr gefahrdrohende Lage brachte. Am Sonntag, den 4. Auguſt, fuhr Se. kgl. Hoheit mit ſeinem Auto, das er ſelbſt lenkte, von München in ſeine Garniſonsſtadt Bamberg, wo er als Leutnant im 1. Ulanen-Regiment ſteht. In einem Walde bei Dorndorf kam dem Auto des Herzogs abends gegen 8 Uhr ein Bauernfuhrwerk entgegen, beſetzt mit einem Bauern und einer Bäuerin. Der Bauer bemerkte das mit mäßiger Geſchwindigkeit heranfahrende Auto, ſprang vom Bock und riß das Pferd ganz unnötig in den Straßengraben. Inzwiſchen, und noch bevor er in gleicher Höhe mit dem Fuhrwerke kam, hatte auch der Herzog angehalten. Der anſcheinend angetrunkene Bauer riß aber ſo lange an dem Pferde herum, bis er zu Boden fiel und vom Pferde am Kopf leicht verletzt wurde. Herzog Franz Joſeph wollte dem Bauern mit Verbandszeug hilfreich beiſtehen, doch wurde ſeine Hilfe mit rohem Schimpfen abgelehnt. Inzwiſchen waren noch zwei radſahrende Bauern- burſchen dazu gekommen, die ſich auf Seite des Bauern ſtellten und verlangten, daß ſofort zur nächſten Ortſchaft gefahren werde. Der Bauer entfernte ſich aber dann mit dem einen Radfahrer, während der andere Radler und die Bäuerin das Weiterfahren des Autos verhinderten. Bald darauf kamen aus dem Orte Graupendorf etwa 25—30 Bauern, die das Auto umlagerten, und vom Orte her kam Hofmaier mit einer weiteren gleich großen Schar; er hatte anſcheinend das ganze Graupendorf mobil ge- macht und falſch informiert, denn die Leute befanden ſich in größter Erregung und wüteten und ſchimpften auf die Auto- mobilfahrer, immer mehr angefeuert von Hofmaier und einer Mannsperſon, die ſich als Schwager des Hofmaier ausgab. Die Situation wurde immer bedrohlicher und der Herzog befand ſich momentan in Lebensgefahr; er wurde gezwungen, das Auto ſofort zu verlaſſen. In ihrer blinden Wut verlangten die Bauern die ſofortige Zahlung von 120 Mark, dann könne das Auto weiterfahren. Man zwang den Herzog ſogar nach dem Diktate des Bauern Hofmaier auf einer Viſitenkarte niederzuſchreiben, daß er ſich verpflichte, den Betrag von 120 Mark innerhalb drei Tagen an ihn (Hofmaier) zu ſenden. Um endlich loszukommen — es waren inzwiſchen ſchon 2 Stunden vergangen — tat dies der Herzog. Als die Bauern die Nachgiebigkeit des hohen Herrn bemerkten, wurden ſie noch unverſchämter mit ihren Forderungen und als der Chauffeur ankurbeln wollte, ſtießen ihn die Bauern zurück mit den Worten: „Wenn ihr nicht mehr gebt, könnt ihr ſtehen bleiben bis morgen früh.“ Nun verſprach der Herzog 150 Mark zu ſenden, womit endlich die Hauptmacher zufrieden waren. Abfahren konnte aber Se. kgl. Hoheit immer noch nicht, denn nun kamen erſt die anderen Bauern und verlangten „Zeugengebühr“. Um endlich — nachts halb elf Uhr — freie Bahn zu bekommen, mußte der Herzog 40 Mark in bar aus- zahlen. Anderntags wurde Anzeige erſtattet und auch Sr. kgl. Hoheit dem Prinzregenten wurde der geradezu unerhörte Vorfall zur Kenntnis gebracht. Wir werden über den Prozeß ausführlich berichten. Gemälde-Rusſtellungen, Kunſtgewerbe, Kunſt-Antiquariate, Ausſtellungen alter Kunſt, numismatiſche Sammlungen in München. Galerie Hernemann, Lenbachplatz 5/6. Ausſtellung von Ge- mälden und Skulpturen erſter moderner Meiſter. Täglich ge- öffnet von 9 bis 7 Uhr, Sonntags von 9 bis 1 Uhr. Eintritt 1 M. Galerie Helbing, Liebigſtraße 21. Ausſtellung von Gemälden alterer und moderner Meiſter. Täglich geöffnet von 9 bis 7 Uhr, Sonntags von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Eintritt frei. Galerie Oskar Hermes, Promenadeplatz 11, gegenüber dem Bayeriſchen Hof. Original-Gemälde erſten Ranges. Moderne Kunſthandlung, Goetheſtraße 64. Moderne Werke erſter Münchener Künſtler. An Wochentagen geöffnet von 9 bis 5 Uhr. Kunſtſalon Zimmermann, Maximilianſtraße 38. Gemälde- ausſtellung moderner Meiſter. Täglich geöffnet von 8 bis 7 Uhr. Kunſthandlung Benno Spaeth, Wurzerſtr. 17/I. Verkauf von Orig.-Oelgemälden beſter Künſtler. Geöffnet 10—5. Tel.: 2151. Julius Böhler, kgl. bayer. und preußiſcher Hofantiquar, Briennerſtraße 12. Sammlung von Antiquitäten und alter Oelgemalde. Wilh. Böhler, Briennerſtraße 47. Antiquitätenhandlung. Spez.: Alte Möbel, Zinn uſw. Jacques Roſenthal, Karlftraße 10. Buch und Kunſt-Anti- quariat. Spezialitäten: Koſtbare Miniaturenmanuſkripte, In- kunabeln, Holzſchnitt- und Kupferwerke des 15. und 16. Jahr- hunderts, ſowie einzelne frühere Holzſchnitte und Kupferſtiche. Dr. Eugen Merzbacher Nachf., Karlſtraße 10. Münzen- handlung. Anton Pöſſenbacher, Hof-Möbelfabrik, Briennerſtraße 55. Ausſtellung für Wohnungskunſt. Große Auswahl in Teppichen, Stoffen, Tapeten, Kunſtgegenſtänden ꝛc. ꝛc. Ludwig Roſenthals Antiquariat, Hildegärdſtraße 16. Koſt- bare Bücher, Einbände, Miniaturen-Manuſkripte, Inkunabeln, Holzſchnitt- und Kupferſtichwerke des 15. bis 18. Jahrhunderts, Stiche von Dürer, Schongauer uſw., Geſchichtswerke, Theologie Americana. M. T. Wetzlar, Hoflieferant, Maximilianſtraße 9, Entreſol. Kunſtgewerbliche Silberwaren, Ehrenpreiſe, Beſtecke. Jacob Doppler, Barerſtraße 12. Im Blauen Haus. Künſt- leriſche Wohnungseinrichtungen, Antiquitäten, Japan-Samm- lung, Kunſtgegenſtände. Julius Leitner, Prinzregentenſtr. 2. Kunſtgegenſtände, Ge- mälde alter Meiſter. _

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 126, 16. März 1908, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine126_1908/5>, abgerufen am 18.06.2024.