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Allgemeine Zeitung. Nr. 129. München, 18. März 1908.

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München, Mittwoch Allgemeine Zeitung 18. März 1908. Nr. 129.
[Spaltenumbruch]
Bayerische Chronik.
* Aussichten der Beamtenaufbesserung.

Neuerdings
verlautet wieder mit ziemlicher Bestimmtheit, daß die
Mehrheit des Zentrums wegen der finanziellen Schwie-
rigkeiten im Reiche und damit in Bayern die Zeit für die
Beamtenaufbesserung als sehr wenig geeignet er-
achte. Jedenfalls müßte genau geprüft werden, ob die Auf-
besserung nicht vorerst auf die mittleren und unte-
ren Beamten
und Bediensteten zu beschränken sei.
Sollte diese Absicht bei dem Zentrum wirklich durchdringen,
so kann mit ziemlicher Gewißheit gesagt werden, daß
dann die ganze Sache fällt,
da die Staatsregie-
rung, wie wir hören, fest gewillt ist, entweder ganze Arbeit
zu machen oder die Vorlage zurückzuziehen.

* Tagung des Altbayerischen Kreisverbandes in Ingolstadt.

Am 19. März hält der "Kreisverband der liberalen Vereine
Altbayerns" in Ingolstadt eine Tagung mit folgender
Tagesordnung ab: a) Geschlossene Versammlung. Kolosseum.
Beginn vorm. 101/2 Uhr. 1. Ziele, Organisation und Agitation
des Altbayerischen Kreisverbandes. 2. Diskussion. 3. Wünsche
und Anträge; b) Gemeinsamer Mittagtisch mit Damen im
Hotel "Adler"; c) Oeffentliche Versammlung. Beginn nachm.
3 Uhr im Kolosseum. Vorträge: 4. Liberalismus und
gewerblicher Mittelstand.
Referent: Abg. Häber-
lein
-Nürnberg. 5. Die Arbeiterfürsorge der Liberalen
im bayerischen Landtage. Referent: Landtagsabg. Hübsch.
6. Freie Diskussion. Zu der geschlossenen Versammlung haben
nur Verbandsmitglieder mit Angehörigen und die dem liberalen
Block angehörigen Vereine Zutritt. Die öffentliche Tagung ist
allen Freunden der liberalen Sache mit Damen zugänglich.




Die am 3. d. M. in Würzburg ver-
storbene Landrichterswitwe Auguste Pfeuffer, geb. Bauer, hat
die Stadt Würzburg zum Erben eingesetzt. Sie vermachte zirka
67,000 Mark als Weihnachtsstiftung für protestantische
Kinder. Den gleichen Betrag zu demselben Zweck hat sie der
Stadt Schweinfurt vermacht.



Militärische Nachrichten.
* Frühjahrsbesichtigungen beim 1. Armeekorps.

Die Früh-
jahrsbesichtigungen des kommandierenden Generals des 1. Armee-
korps Prinzen Rupprecht nehmen am 17. März in Ingolstadt
mit der Besichtigung der Kompagnien des 2. Bataillons des
1. Fuß-Artillerie-Regiments ihren Anfang. Am 28. März erfolgt
die Besichtigung der Kompagnien des 3. Pionier-Bataillons in
München und am 31. März die Besichtigung der Genesungsanstalt
in Benediktbeuern. Im Monat April werden sodann
folgende Kompagnie-Besichtigungen vorgenommen: am 4. des
3. Bataillons des 12. Inf.-Regts. in Neu-Ulm, am 8. des 3. Ba-
taillons des 15. Inf.-Regts. in Neuburg a. D., am 10. des 2. Ba-
taillons des 3. Inf.-Regts. in Augsburg, am 11. des 2. Bataillons
des 2. Inf.-Regts. auf Oberwiesenfeld, am 13. des 1. und am 14.
des 3. Bataillons des 20. Inf.-Regts. in Lindau, am 15. des 2. Ba-
taillons des letzteren Regiments in Kempten und am 30. April
des 2. Bataillons des 1. Inf.-Regts. auf Oberwiesenfeld.



Amtliche Nachrichten.
* Lehramt.

Die an der kgl. Kreis-Realschule I in Nürnberg
erledigte Reallehrerstelle für deutsche Sprache, Geschichte und
Geographie wurde dem geprüften Lehramtskandidaten und der-
maligen Assistenten der kgl. Kreis-Oberrealschule in Nürnberg
Mathias * Weber aus Mittelneufnach in jederzeit widerruf-
licher Weise, und zwar vorerst in der Eigenschaft eines Lehramts-
verwesers übertragen.



Gerichtssaal.
Beleidigungsklage des Grafen Günther von der Schulenburg
gegen den März.

Heute vormittag 9 Uhr begann im Amtsgerichtsgebäude am
Mariahilfplatz unter dem Vorsitz des Oberlandesgerichtsrates
Mayer die Verhandlung in der Privatklagesache des Grafen
Günther von der Schulenburg gegen den Redakteur Hans Fischer
(Kurt Aram) der Halbmonatsschrift März (Verlag Albert
Langen) wegen Beleidigung. Diese Verhandlung ist ein Nach-
spiel des bekannten Beleidigungsprozesses Bülow-Brand. Privat-
kläger und Beklagter sind persönlich erschienen. Ersterer mit
Rechtsanwalt Dr. Fraaß, letzterer mit Justizrat Bernstein
als Rechtsbeistand. Den Anlaß zur Klage bildete ein am 1. De-
[Spaltenumbruch] zember 1907 im März erschienener Artikel mit dem Titel: "Der
deutsche Reichskanzler im Gerichtssaal." Es heißt darin u. a.:
"Erster Entlastungszeuge sollte sein ein katholischer Konvertit,
der mit dem grundverdorbenen Kaplan Dasbach zusammenstak
und der einmal wegen eines unsittlichen Attentats auf einen
15jährigen Knaben in Köln am Rhein polizeilich sistiert wurde,
worauf der Ehrgeiz dieses dunklen Ehrenmannes auf Ergatterung
eines Reichstagsmandats bei der Zentrumsleitung kein Gehör
mehr fand.".
Redakteur Fischer erklärt, daß der Artikel zwar
nicht von ihm verfaßt sei, daß er aber die preßgesetzliche Verant-
wortung übernehme. Justizrat Bernstein bezieht sich zunächst
wegen des unsittlichen Attentats in Köln auf ein Telegramm
des Kölner Polizeipräsidiums an das Berliner Polizeipräsidium.
Der Beklagte behauptet, daß der Kläger homosexuell ver-
anlagt sei und dies in unzulässiger Weise betätigt habe. Kläger
habe selbst erzählt, daß er systematisch darauf ausgehe, für sein
Gut in Tirol junge Leute, insbesondere auch aus München, zu
werben, mit dem ausgesprochenen Zweck, mit ihnen Umgang zu
pflegen. Graf von der Schulenburg, der ein Verwandter des
Reichskanzlers, mit diesem aber verfeindet sei, habe auch den
Schriftsteller Brand zu der bekannten Beleidigung des Reichs-
kanzlers veranlaßt, als Zeuge sei er aber vor Gericht nicht er-
schienen. Privatkläger war früher Protestant, ist dann zum
Katholizismus übergetreten und hat sich als eifriger Agitator
bei Katholikenversammlungen und Zentrumszusammenkünften
betätigt um ein Mandat zum Reichstag oder Landtag zu be-
kommen. Der verwerfliche Lebenswandel des Kaplans Das-
bach,
seine sexuellen Neigungen und sein Geschäftsgebaren haben
wiederholt das Einschreiten der geistlichen Behörde gegen ihn
zur Folge gehabt, und seine Versuche, ein Reichstagsmandat zu
erlangen, scheiterten an den Enthüllungen über sein Leben und
Treiben. Justizrat Bernstein übergibt einen gravierenden Brief
des Grafen und bittet, ihn ohne Nennung der darin vorkommen-
den Namen zu verlesen. Rechtsanwalt Dr. Fraaß wendet sich
dagegen, daß aller mögliche Klatsch hereingezogen werde. Sein
Mandant könnte das ganze Lügengewebe zerstören. Wenn auf
der Hereinziehung dieser Dinge bestanden würde, so müßte er
einen Aussetzungsantrag stellen, um seine Beweismittel
beibringen zu können. Justizrat Bernstein gibt einen Artikel
bekannt, der in der Berliner Zeitung A. M. erschienen war, in
dem es heißt, ein Herr v. Sch. habe seine Tochter mit einem
Gutsnachbarn des Grafen von der Schulenburg, Frhrn. v. S.,
verlobt. Graf Günther von der Schulenburg habe aber einen
Feldzug gegen diesen Bräutigam unternommen und ihn norm-
widriger Neigungen geziehen. Dieser habe aber Ermittlungen
angestellt und dann seine Mitwirkung versagt. Das junge Paar
wurde vermählt. Während der Hochzeitsreise ließ Sch. dem
Grafen von der Schulenburg eine Forderung zugehen, die dieser
aber ablehnte, weil er Mitglied der Antiduelliga sei. Nachdem
Herr v. F. von der Hochzeitsreise zurückgekehrt war, kam es zu
einer erregten Aussprache zwischen F. und dem Grafen. F. ver-
ließ das Haus und wurde später tot aus dem Schloßteich
gezogen.
Graf Schulenburg habe diesen tragischen Fall durch
seine Denunziation an den Schwiegervater verursacht. Rechts-
anwalt Dr. Fraaß erklärt, der ganze Vorfall sei vollständig ent-
stellt wiedergegeben worden. Das Gericht läßt die Beweiser-
hebung zu, ob der Kläger homosexuelle Neigungen in einer ihn
herabwürdigenden Weise betätigt habe, insbesondere, ob er ein-
mal in Köln ein unsittliches Attentat auf einen 15jährigen
Knaben begangen habe, das zu seiner polizeilichen Sistierung
führte, ob Kläger aus unlauteren Motiven den Schriftsteller
Adolf Brand zu jenen öffentlichen Aeußerungen veranlaßt
habe, wegen deren Brand durch Urteil des Landgerichts Berlin II
vom 6. November 1907 zu einer Gefängnisstrafe von 1 Jahr
6 Monaten verurteilt wurde, und ob der Kläger sein Erscheinen
in dieser Hauptverhandlung in unzulässiger Weise vereitelt habe.

Was den Fall in Köln anlangt, so wurde festgestellt, daß der
betreffende Knabe 151/2 Jahre alt war und das zur Verfolgung
ein Strafantrag wegen tätlicher Beleidigung notwendig gewesen
wäre, der aber vom Vater nicht gestellt wurde. Die Unter-
suchung wurde daher eingestellt. In einem Brief an einen
ungenannten Adeligen, datiert vom 14. Februar 1901, entwickelte
Graf Schulenburg seine Ansichten über den Zusammenschluß aller
adeligen Urninge, deren mindestens einer in jeder adeligen
Familie sei. Er sagt, er habe erst einige Zeit gebraucht, um
seine homosexuelle Natur zu erkennen, und sich dann auch noch
läger abwartend verhalten, da er als Katholik befürchtete, daß
die Homosexualität zu antikirchlichen Zwecken ausgeschlachtet
werden könne. Graf Schulenburg gab zu, diese Briefe ge-
schrieben zu haben.

Kriminalkommissar v. Treskow sagte über seine Be-
ziehungen zu dem Kläger aus, daß er diesen in einer von Dr.
Hirschfeld veranstalteten Versammlung des wissenschaftlich-huma-
nitären Komitees kennen gelernt habe. Bei dieser Gelegenheit
habe der Graf aus seinen homosexuellen Neigungen, seinen eroti-
schen Träumen usw. kein Hehl gemacht. Außerdem sagt der
Zeuge aus, daß der Kläger seines Wissens mit einem jungen
Schauspieler herumreise und sich viel mit ihm öffentlich zeige.

[Spaltenumbruch]

Kläger Graf Schulenburg betont, der Frhr. v. Schor-
lemer habe ihm zwei Herren in das Haus geschickt, die ihn er-
suchten, ihnen einen Zeugen über die sexuelle Veranlagung des
Frhrn. v. Fürstenberg zu nennen; er, Kläger, habe als solcher
den Kriminalkommissar Treskow genannt. Das angezogene Ver-
hältnis zu einem jungen Schauspieler sei ganz und gar des eines
Vaters zu seinem Sohne.

Justizrat Bernstein stellte die Anfrage, ob der Brief des
Klägers an den Grafen Schorlemer nicht ein Racheakt gewesen
sei. Der Kläger erwiderte, davon könne keine Rede sein, ihm
habe nur das junge, unschuldige Mädchen leid getan.

Auf Befragung des Vorsitzenden über die Kölner
Affäre
stellt der Kläger dieses Vorkommnis in folgender Weise
dar: Er habe im Dezember 1898 das Hohenstaufenbad besucht und
dort die Bekanntschaft eines 151/2jährigen Gymnasiasten gemacht,
dem er einen Kuß angeboten habe. Daraufhin sei er verhaftet
und wegen Mangels von Legitimationspapieren eine Nacht im
polizeilichen Gewahrsam behalten worden. Eine strafbare Hand-
lung habe nicht vorgelegen.

Hierauf wurde Redakteur Schmidt von der B. Z. am
Mittag als Zeuge vernommen. Auch er gibt an, daß Graf von
der Schulenburg in erster Linie Adolph Brand verleitet
habe,
die Beleidigungen gegen den Reichskanz-
ler
auszustreuen.

Da das Beweismaterial erschöpft ist, wird der Beginn der
Plaidoyers auf nachmittags 4 Uhr verlegt.



Räuberische Erpressung an einem Mitglied des bayerischen
Königshauses.

(Privattelegramm.)

Vor dem hiesigen Landgericht begann heute die Verhandlung
gegen den Gütlerssohn Johann Hofmeier von Börndorf, den
Bauern Anton Leidl von dort, den Gütler Johann Schnei-
der
von dort und den Zimmermann Johann Süssenrieder
von Zamt wegen räuberischer Erpressung, begangen
an Herzog Franz Joseph in Bayern. Die Anklage vertritt
1. Staatsanwalt Geiger, den Vorsitz führt Landgerichts-
direktor Höcherl. Es sind 20 Zeugen geladen und erschienen.
Die Verteidigung führt Rechtsanwalt Kohl-München. Herzog
Franz Joseph ist nach dem den Mitgliedern des königlichen
Hauses zustehenden Recht vom Erscheinen entbunden und
kommissarisch vernommen worden. Als Beauftragter des Herzogs
wohnt Adjutant Frhr. v. Malsen der Verhandlung bei. Als
Sachverständiger fungiert Landgerichtsarzt Dr. Pickl.

Nach der Anklage haben die vier Angeschuldigten am Abend
des 4. August 1907 auf der Straße Ingolstadt-Beilngries zwischen
Denkendorf und Grumpersdorf, wo Hofmeier bei der Begegnung
mit dem Automobil des Herzogs aus eigenem Verschulden durch
Scheuen seines Pferdes einen unbedeutenden Unfall erlitten
hatte, zunächst Hofmeier, obwohl ihm seitens des Herzogs sofort
die Nummer seines Automobils angegeben und er sonach in die
Lage versetzt worden war, den Besitzer des Automobils wegen
einer ihm etwa zustehenden Entschädigung gerichtlich zu belangen,
die Weiterfahrt des Herzogs verhindert, u. zw. durch die Drohung:
"So rasch fahrt Ihr nicht weg, wir drei (nämlich er selbst und
die inzwischen hinzugekommenen zwei Radfahrer Süssenrieder
und Lehmeier) nehmen es noch mit Euch auf."Hierauf stellte
Süssenrieder den Wagen quer vor das Automobil mit den
Worten: "Sonst fahrt Ihr fort". Als der Herzog weiter fahren
wollte und einen gerichtlichen Austrag versprach, hieß es:
"Wenn Ihr nicht darauf geht, was wir wollen, so könnt Ihr bis
morgen früh dableiben." Der Herzog wurde schließlich gezwungen,
sich in Unterhandlungen einzulassen, wobei Leidl den Herzog
immer mit "Du" anredete. Als er aufmerksam gemacht wurde,
daß er einem Prinzen des königlichen Hauses gegenüberstehe,
äußerte er: "Das ist mir gleich, ein Prinz oder ein Hirte, wir
sind gerade so viel." Der Herzog konnte erst spät abends weiter-
fahren. Der Sachverhalt erfüllt für sämtliche Angeschuldigte den
Tatbestand des Vergehens der Erpressung im rechtlichen Zu-

[irrelevantes Material] [Spaltenumbruch]
Theater und Musik.

Msi. Die Kgl. Akademie der Tonkunst führte gestern im
Kgl. Residenztheater unter der Leitung ihres Direktors
Mottl ihre Opernklasse öffentlich vor. Es wurden aus der
Zauberflöte Ouvertüre und Szenen aus dem ersten und
zweiten Akt, dann aus dem Troubadour der zweite Akt bis
zur Verwandlung und endlich die einaktige komische Oper "Die
beiden Savoyarden
" von Nicolaus Dalayrac gegeben,
der es in den Jahren 1781 bis 1809 zustande brachte, 61 Opern
und Singspiele zu komponieren. Auch diesmal zeigte es sich
wieder, daß die Orchesterklasse auf einer hohen Stufe der Aus-
bildung steht: sie spielte tadellos. Einzelne Mitglieder derselben
haben sich ja schon als Nothelfer des Kaim-Orchesters wiederholt
öffentlich hören lassen. Auch die Chorklasse bekam im Trouba-
dour und in den "beiden Savoyarden" Gelegenheit, sich vorzu-
stellen. Im Sologesang bildet unsere Akademte leider von jeher
nicht das natürliche Reservoir zur Komplettierung unserer Oper.
Es zeigen sich bei diesen alljährlichen Aufführungen zwar regel-
mäßig ganz hübsche Talente, aber man hört, wenn sie die Schule
verlassen haben, kaum je etwas von ihnen. Gestern dursten als
ausgesprochene und vielversprechende Talente gelten: ein Tenor
(Simon Schwalb) mit hübschen, aber noch nicht fertig gebildeten
Mitteln, der den Tamino, den Manrico und den Baron
de Vereuil in den Savoyarden sang, ein Bariton von sehr heller
Klangfarbe (Benno Ziegler), der den Papageno und den Kam-
merdiener in letzterer Oper gab, und endlich drei Damen, die
wieder für die altbekannte Tatsache Zeugnis gaben, daß fast
immer die Frauen bessere Schauspielerinnen sind als die Manner,
von denen sich selbst die besten Talente auf der Bühne immer ent-
weder ungeschickt und täppisch oder eingebildet einführen. Frln.
Margarethe Erhardt könnte ihre Azucena heute schon in jedem
kleineren Theater genau so spielen wie sie sie gestern gespielt
hat, so sicher und natürlich spielte sie. Sie dachte sichtlich nie
an sich und ihre Erscheinung und war ganz in ihrer Rolle. Auch
ihr schöner Alt wird sich gewiß noch mehr füllen. Frln. Amalia
Kaps gab eine recht artige und natürliche Pamina und den
Savoyarden Pietro. Zum Liebling des nicht so zahlreich wie
[Spaltenumbruch] sonst erschienenen Publikums wurde aber Frl Anna Schrom, die
als Savoyarde Joseph ein ganz ungewöhnliches Spiel- und Vor-
tragstalent für Soubrettenrollen bewies. Die Stimme ist zwar
noch klein, aber das schauspielerische Talent um so größer. Die
Genannten mit noch anderen zusammen komplettierten das kleine
Ensemble in der Zauberflöte als Damen- und Knabenterzett. Es
soll uns freuen, wenn wir einem oder dem anderen Namen noch
einmal an hervorragender Stelle begegnen sollten.

* Im Volkstheater nahm gestern Josefine Glöckner
auf ein Jahr Abschied von München. Als Valerie in der
Mausefalle hat sie das ausverkaufte Haus nochmals für
ihre sonnige Kunst begeistert. Dann ging's ans Adieusagen.
Schon während der Variete-Einlage begann es Rosen- und
Veilchensträuße zu regnen, aber der richtige Platzregen ging erst
zum Schluß über die Bühne nieder. Große prachtvolle Blumen-
arrangements wurden aufgestellt, Dutzende von Lorbeerkränzen
mit und ohne Schleifen flogen aus allen Ecken herbei, und die
Rosen-, Flieder- und Veilchensträuße -- wer will sie zählen!
Vielleicht geht's am besten, nach Körben zu rechnen. Dazu der
tosende Beifall, ununterbrochen, ohne Ende. Herzliche Worte des
Dankes richtete die Gefeierte an Publikum, Presse und Direktion,
und nur gegen das feste Versprechen, im nächsten Jahre wieder-
zukommen, konnte sie sich von der nimmer wankenden Schar der
Getreuen loskaufen. Auf Wiedersehen!

+ Theater am Gärtnerplatz.

In der Erstaufführung von
"Jadwiga" am Mittwoch, den 18. März, die unter persön-
licher Leitung des Komponisten und in teilweiser Neuausstattung
stattfindet, singt Frl. Linda die Titelrolle, welche sie auch
seinerzeit in Leipzig kreiert hat. Außerdem sind beschäftigt die
Damen Freihardt, Heinz, Mayler und Harden, sowie die Herren
Seibold, Ludl, Koppe, Gruber und Erl. -- Donnerstag nach-
mittag kommt "Die schöne Helena" und Sonntag nachmittag
"Frühlingsluft" bei ermäßigten Preisen zur Aufführung.

+ Die Kgl. Akademie der Tonkunst veranstaltet Freitag, den
20. März, im Kgl. Residenztheater zum Besten des
Stipendienfonds der Anstalt eine Wiederholung der Opern-
vorstellung, wobei aber noch an Stelle des Troubadour
zur Aufführung gelangt der zweite Akt aus "Alessandro
[Spaltenumbruch] Stradella" von F. v. Flotow. Der Verkauf der Eintrittskarten
findet an der Kgl. Hoftheater-Tageskasse (Eingang Maximilian-
straße) statt. Die Abendkasse im Kgl. Residenztheater wird um
61/2 Uhr geöffnet.

* Die Pianistin Alice Ripper ist plötzlich erkrankt; es muß
der Klavierabend bis auf weitere Bekanntgabe verschoben
werden. Die bereits gelösten Karten behalten ihre Gültigkeit.



Bildende Kunst.

In der Galerie Heinemann sieht man gegenwärtig neben
dem interessanten Erstlingswerk Fritz v. Uhdes "La chan-
teuse"
drei größere Bilder-Kollektionen. Im Oberlichtsaal sind
58 Gemälde von Karl Leipold untergebracht. Wenn man
diese zu den im April vorigen Jahres an derselben Stelle ge-
zeigten 75 Bildern von demselben Maler rechnet, so kommt das
überraschende Resultat heraus, daß innerhalb zwölf Monaten
nicht weniger als 133 Werke von Leipold in München ausgestellt
waren. Ich habe bei der letzten Ausstellung mein Urteil dahin
zusammengefaßt, daß wir es hier mit einem tüchtigen Künstler
zu tun haben, dem Ansprechendes gelinge, in dem aber bei aller
Naivität viel Berechnung stecke. Im übrigen scheine Leipolds
menschliche Tiefe bedeutender zu sein als die künstlerische. Das
trifft alles auch heute noch zu. Er zeigt diesmal Marinen, Wind-
mühlenbilder und venezianische Phantasien. In der Komposition
wie in der Farbengebung hat er nicht gerade viel Variationen,
so sehr er auch bestrebt ist, in den Motiven und in der Farbe
abwechslungsreich zu sein. Er stellt sein Schiff oder seine Schiffe
gewöhnlich hübsch in die Mitte und legt dahinter eine grau-
braune Wolkenwand, an der fast immer auffällt, daß sie die
Tiefenwirkung der Leipoldschen Bilder stark schädigt. Die freieste
Räumlichkeit hat der Maler in dem Bilde "Befrachtung eines
Seedampfers" erreicht. Die Serie Hermann v. Le Suires
bietet namentlich in den kleinen Naturstudien Anregendes. Die
im Jahre 1898 gemalte Vorfrühlingslandschaft ist eine sym-
pathische Arbeit. Clemens Fränkel ist ehrlich bemüht, einfache
Landschaften anspruchslos zu malen.

[irrelevantes Material]
München, Mittwoch Allgemeine Zeitung 18. März 1908. Nr. 129.
[Spaltenumbruch]
Bayeriſche Chronik.
* Ausſichten der Beamtenaufbeſſerung.

Neuerdings
verlautet wieder mit ziemlicher Beſtimmtheit, daß die
Mehrheit des Zentrums wegen der finanziellen Schwie-
rigkeiten im Reiche und damit in Bayern die Zeit für die
Beamtenaufbeſſerung als ſehr wenig geeignet er-
achte. Jedenfalls müßte genau geprüft werden, ob die Auf-
beſſerung nicht vorerſt auf die mittleren und unte-
ren Beamten
und Bedienſteten zu beſchränken ſei.
Sollte dieſe Abſicht bei dem Zentrum wirklich durchdringen,
ſo kann mit ziemlicher Gewißheit geſagt werden, daß
dann die ganze Sache fällt,
da die Staatsregie-
rung, wie wir hören, feſt gewillt iſt, entweder ganze Arbeit
zu machen oder die Vorlage zurückzuziehen.

* Tagung des Altbayeriſchen Kreisverbandes in Ingolſtadt.

Am 19. März hält der „Kreisverband der liberalen Vereine
Altbayerns“ in Ingolſtadt eine Tagung mit folgender
Tagesordnung ab: a) Geſchloſſene Verſammlung. Koloſſeum.
Beginn vorm. 10½ Uhr. 1. Ziele, Organiſation und Agitation
des Altbayeriſchen Kreisverbandes. 2. Diskuſſion. 3. Wünſche
und Anträge; b) Gemeinſamer Mittagtiſch mit Damen im
Hotel „Adler“; c) Oeffentliche Verſammlung. Beginn nachm.
3 Uhr im Koloſſeum. Vorträge: 4. Liberalismus und
gewerblicher Mittelſtand.
Referent: Abg. Häber-
lein
-Nürnberg. 5. Die Arbeiterfürſorge der Liberalen
im bayeriſchen Landtage. Referent: Landtagsabg. Hübſch.
6. Freie Diskuſſion. Zu der geſchloſſenen Verſammlung haben
nur Verbandsmitglieder mit Angehörigen und die dem liberalen
Block angehörigen Vereine Zutritt. Die öffentliche Tagung iſt
allen Freunden der liberalen Sache mit Damen zugänglich.




Die am 3. d. M. in Würzburg ver-
ſtorbene Landrichterswitwe Auguſte Pfeuffer, geb. Bauer, hat
die Stadt Würzburg zum Erben eingeſetzt. Sie vermachte zirka
67,000 Mark als Weihnachtsſtiftung für proteſtantiſche
Kinder. Den gleichen Betrag zu demſelben Zweck hat ſie der
Stadt Schweinfurt vermacht.



Militäriſche Nachrichten.
* Frühjahrsbeſichtigungen beim 1. Armeekorps.

Die Früh-
jahrsbeſichtigungen des kommandierenden Generals des 1. Armee-
korps Prinzen Rupprecht nehmen am 17. März in Ingolſtadt
mit der Beſichtigung der Kompagnien des 2. Bataillons des
1. Fuß-Artillerie-Regiments ihren Anfang. Am 28. März erfolgt
die Beſichtigung der Kompagnien des 3. Pionier-Bataillons in
München und am 31. März die Beſichtigung der Geneſungsanſtalt
in Benediktbeuern. Im Monat April werden ſodann
folgende Kompagnie-Beſichtigungen vorgenommen: am 4. des
3. Bataillons des 12. Inf.-Regts. in Neu-Ulm, am 8. des 3. Ba-
taillons des 15. Inf.-Regts. in Neuburg a. D., am 10. des 2. Ba-
taillons des 3. Inf.-Regts. in Augsburg, am 11. des 2. Bataillons
des 2. Inf.-Regts. auf Oberwieſenfeld, am 13. des 1. und am 14.
des 3. Bataillons des 20. Inf.-Regts. in Lindau, am 15. des 2. Ba-
taillons des letzteren Regiments in Kempten und am 30. April
des 2. Bataillons des 1. Inf.-Regts. auf Oberwieſenfeld.



Amtliche Nachrichten.
* Lehramt.

Die an der kgl. Kreis-Realſchule I in Nürnberg
erledigte Reallehrerſtelle für deutſche Sprache, Geſchichte und
Geographie wurde dem geprüften Lehramtskandidaten und der-
maligen Aſſiſtenten der kgl. Kreis-Oberrealſchule in Nürnberg
Mathias * Weber aus Mittelneufnach in jederzeit widerruf-
licher Weiſe, und zwar vorerſt in der Eigenſchaft eines Lehramts-
verweſers übertragen.



Gerichtsſaal.
Beleidigungsklage des Grafen Günther von der Schulenburg
gegen den März.

Heute vormittag 9 Uhr begann im Amtsgerichtsgebäude am
Mariahilfplatz unter dem Vorſitz des Oberlandesgerichtsrates
Mayer die Verhandlung in der Privatklageſache des Grafen
Günther von der Schulenburg gegen den Redakteur Hans Fiſcher
(Kurt Aram) der Halbmonatsſchrift März (Verlag Albert
Langen) wegen Beleidigung. Dieſe Verhandlung iſt ein Nach-
ſpiel des bekannten Beleidigungsprozeſſes Bülow-Brand. Privat-
kläger und Beklagter ſind perſönlich erſchienen. Erſterer mit
Rechtsanwalt Dr. Fraaß, letzterer mit Juſtizrat Bernſtein
als Rechtsbeiſtand. Den Anlaß zur Klage bildete ein am 1. De-
[Spaltenumbruch] zember 1907 im März erſchienener Artikel mit dem Titel: „Der
deutſche Reichskanzler im Gerichtsſaal.“ Es heißt darin u. a.:
„Erſter Entlaſtungszeuge ſollte ſein ein katholiſcher Konvertit,
der mit dem grundverdorbenen Kaplan Dasbach zuſammenſtak
und der einmal wegen eines unſittlichen Attentats auf einen
15jährigen Knaben in Köln am Rhein polizeilich ſiſtiert wurde,
worauf der Ehrgeiz dieſes dunklen Ehrenmannes auf Ergatterung
eines Reichstagsmandats bei der Zentrumsleitung kein Gehör
mehr fand.“.
Redakteur Fiſcher erklärt, daß der Artikel zwar
nicht von ihm verfaßt ſei, daß er aber die preßgeſetzliche Verant-
wortung übernehme. Juſtizrat Bernſtein bezieht ſich zunächſt
wegen des unſittlichen Attentats in Köln auf ein Telegramm
des Kölner Polizeipräſidiums an das Berliner Polizeipräſidium.
Der Beklagte behauptet, daß der Kläger homoſexuell ver-
anlagt ſei und dies in unzuläſſiger Weiſe betätigt habe. Kläger
habe ſelbſt erzählt, daß er ſyſtematiſch darauf ausgehe, für ſein
Gut in Tirol junge Leute, insbeſondere auch aus München, zu
werben, mit dem ausgeſprochenen Zweck, mit ihnen Umgang zu
pflegen. Graf von der Schulenburg, der ein Verwandter des
Reichskanzlers, mit dieſem aber verfeindet ſei, habe auch den
Schriftſteller Brand zu der bekannten Beleidigung des Reichs-
kanzlers veranlaßt, als Zeuge ſei er aber vor Gericht nicht er-
ſchienen. Privatkläger war früher Proteſtant, iſt dann zum
Katholizismus übergetreten und hat ſich als eifriger Agitator
bei Katholikenverſammlungen und Zentrumszuſammenkünften
betätigt um ein Mandat zum Reichstag oder Landtag zu be-
kommen. Der verwerfliche Lebenswandel des Kaplans Das-
bach,
ſeine ſexuellen Neigungen und ſein Geſchäftsgebaren haben
wiederholt das Einſchreiten der geiſtlichen Behörde gegen ihn
zur Folge gehabt, und ſeine Verſuche, ein Reichstagsmandat zu
erlangen, ſcheiterten an den Enthüllungen über ſein Leben und
Treiben. Juſtizrat Bernſtein übergibt einen gravierenden Brief
des Grafen und bittet, ihn ohne Nennung der darin vorkommen-
den Namen zu verleſen. Rechtsanwalt Dr. Fraaß wendet ſich
dagegen, daß aller mögliche Klatſch hereingezogen werde. Sein
Mandant könnte das ganze Lügengewebe zerſtören. Wenn auf
der Hereinziehung dieſer Dinge beſtanden würde, ſo müßte er
einen Ausſetzungsantrag ſtellen, um ſeine Beweismittel
beibringen zu können. Juſtizrat Bernſtein gibt einen Artikel
bekannt, der in der Berliner Zeitung A. M. erſchienen war, in
dem es heißt, ein Herr v. Sch. habe ſeine Tochter mit einem
Gutsnachbarn des Grafen von der Schulenburg, Frhrn. v. S.,
verlobt. Graf Günther von der Schulenburg habe aber einen
Feldzug gegen dieſen Bräutigam unternommen und ihn norm-
widriger Neigungen geziehen. Dieſer habe aber Ermittlungen
angeſtellt und dann ſeine Mitwirkung verſagt. Das junge Paar
wurde vermählt. Während der Hochzeitsreiſe ließ Sch. dem
Grafen von der Schulenburg eine Forderung zugehen, die dieſer
aber ablehnte, weil er Mitglied der Antiduelliga ſei. Nachdem
Herr v. F. von der Hochzeitsreiſe zurückgekehrt war, kam es zu
einer erregten Ausſprache zwiſchen F. und dem Grafen. F. ver-
ließ das Haus und wurde ſpäter tot aus dem Schloßteich
gezogen.
Graf Schulenburg habe dieſen tragiſchen Fall durch
ſeine Denunziation an den Schwiegervater verurſacht. Rechts-
anwalt Dr. Fraaß erklärt, der ganze Vorfall ſei vollſtändig ent-
ſtellt wiedergegeben worden. Das Gericht läßt die Beweiser-
hebung zu, ob der Kläger homoſexuelle Neigungen in einer ihn
herabwürdigenden Weiſe betätigt habe, insbeſondere, ob er ein-
mal in Köln ein unſittliches Attentat auf einen 15jährigen
Knaben begangen habe, das zu ſeiner polizeilichen Siſtierung
führte, ob Kläger aus unlauteren Motiven den Schriftſteller
Adolf Brand zu jenen öffentlichen Aeußerungen veranlaßt
habe, wegen deren Brand durch Urteil des Landgerichts Berlin II
vom 6. November 1907 zu einer Gefängnisſtrafe von 1 Jahr
6 Monaten verurteilt wurde, und ob der Kläger ſein Erſcheinen
in dieſer Hauptverhandlung in unzuläſſiger Weiſe vereitelt habe.

Was den Fall in Köln anlangt, ſo wurde feſtgeſtellt, daß der
betreffende Knabe 15½ Jahre alt war und das zur Verfolgung
ein Strafantrag wegen tätlicher Beleidigung notwendig geweſen
wäre, der aber vom Vater nicht geſtellt wurde. Die Unter-
ſuchung wurde daher eingeſtellt. In einem Brief an einen
ungenannten Adeligen, datiert vom 14. Februar 1901, entwickelte
Graf Schulenburg ſeine Anſichten über den Zuſammenſchluß aller
adeligen Urninge, deren mindeſtens einer in jeder adeligen
Familie ſei. Er ſagt, er habe erſt einige Zeit gebraucht, um
ſeine homoſexuelle Natur zu erkennen, und ſich dann auch noch
läger abwartend verhalten, da er als Katholik befürchtete, daß
die Homoſexualität zu antikirchlichen Zwecken ausgeſchlachtet
werden könne. Graf Schulenburg gab zu, dieſe Briefe ge-
ſchrieben zu haben.

Kriminalkommiſſar v. Treskow ſagte über ſeine Be-
ziehungen zu dem Kläger aus, daß er dieſen in einer von Dr.
Hirſchfeld veranſtalteten Verſammlung des wiſſenſchaftlich-huma-
nitären Komitees kennen gelernt habe. Bei dieſer Gelegenheit
habe der Graf aus ſeinen homoſexuellen Neigungen, ſeinen eroti-
ſchen Träumen uſw. kein Hehl gemacht. Außerdem ſagt der
Zeuge aus, daß der Kläger ſeines Wiſſens mit einem jungen
Schauſpieler herumreiſe und ſich viel mit ihm öffentlich zeige.

[Spaltenumbruch]

Kläger Graf Schulenburg betont, der Frhr. v. Schor-
lemer habe ihm zwei Herren in das Haus geſchickt, die ihn er-
ſuchten, ihnen einen Zeugen über die ſexuelle Veranlagung des
Frhrn. v. Fürſtenberg zu nennen; er, Kläger, habe als ſolcher
den Kriminalkommiſſar Treskow genannt. Das angezogene Ver-
hältnis zu einem jungen Schauſpieler ſei ganz und gar des eines
Vaters zu ſeinem Sohne.

Juſtizrat Bernſtein ſtellte die Anfrage, ob der Brief des
Klägers an den Grafen Schorlemer nicht ein Racheakt geweſen
ſei. Der Kläger erwiderte, davon könne keine Rede ſein, ihm
habe nur das junge, unſchuldige Mädchen leid getan.

Auf Befragung des Vorſitzenden über die Kölner
Affäre
ſtellt der Kläger dieſes Vorkommnis in folgender Weiſe
dar: Er habe im Dezember 1898 das Hohenſtaufenbad beſucht und
dort die Bekanntſchaft eines 15½jährigen Gymnaſiaſten gemacht,
dem er einen Kuß angeboten habe. Daraufhin ſei er verhaftet
und wegen Mangels von Legitimationspapieren eine Nacht im
polizeilichen Gewahrſam behalten worden. Eine ſtrafbare Hand-
lung habe nicht vorgelegen.

Hierauf wurde Redakteur Schmidt von der B. Z. am
Mittag als Zeuge vernommen. Auch er gibt an, daß Graf von
der Schulenburg in erſter Linie Adolph Brand verleitet
habe,
die Beleidigungen gegen den Reichskanz-
ler
auszuſtreuen.

Da das Beweismaterial erſchöpft iſt, wird der Beginn der
Plaidoyers auf nachmittags 4 Uhr verlegt.



Räuberiſche Erpreſſung an einem Mitglied des bayeriſchen
Königshauſes.

(Privattelegramm.)

Vor dem hieſigen Landgericht begann heute die Verhandlung
gegen den Gütlersſohn Johann Hofmeier von Börndorf, den
Bauern Anton Leidl von dort, den Gütler Johann Schnei-
der
von dort und den Zimmermann Johann Süſſenrieder
von Zamt wegen räuberiſcher Erpreſſung, begangen
an Herzog Franz Joſeph in Bayern. Die Anklage vertritt
1. Staatsanwalt Geiger, den Vorſitz führt Landgerichts-
direktor Höcherl. Es ſind 20 Zeugen geladen und erſchienen.
Die Verteidigung führt Rechtsanwalt Kohl-München. Herzog
Franz Joſeph iſt nach dem den Mitgliedern des königlichen
Hauſes zuſtehenden Recht vom Erſcheinen entbunden und
kommiſſariſch vernommen worden. Als Beauftragter des Herzogs
wohnt Adjutant Frhr. v. Malſen der Verhandlung bei. Als
Sachverſtändiger fungiert Landgerichtsarzt Dr. Pickl.

Nach der Anklage haben die vier Angeſchuldigten am Abend
des 4. Auguſt 1907 auf der Straße Ingolſtadt-Beilngries zwiſchen
Denkendorf und Grumpersdorf, wo Hofmeier bei der Begegnung
mit dem Automobil des Herzogs aus eigenem Verſchulden durch
Scheuen ſeines Pferdes einen unbedeutenden Unfall erlitten
hatte, zunächſt Hofmeier, obwohl ihm ſeitens des Herzogs ſofort
die Nummer ſeines Automobils angegeben und er ſonach in die
Lage verſetzt worden war, den Beſitzer des Automobils wegen
einer ihm etwa zuſtehenden Entſchädigung gerichtlich zu belangen,
die Weiterfahrt des Herzogs verhindert, u. zw. durch die Drohung:
„So raſch fahrt Ihr nicht weg, wir drei (nämlich er ſelbſt und
die inzwiſchen hinzugekommenen zwei Radfahrer Süſſenrieder
und Lehmeier) nehmen es noch mit Euch auf.“Hierauf ſtellte
Süſſenrieder den Wagen quer vor das Automobil mit den
Worten: „Sonſt fahrt Ihr fort“. Als der Herzog weiter fahren
wollte und einen gerichtlichen Austrag verſprach, hieß es:
„Wenn Ihr nicht darauf geht, was wir wollen, ſo könnt Ihr bis
morgen früh dableiben.“ Der Herzog wurde ſchließlich gezwungen,
ſich in Unterhandlungen einzulaſſen, wobei Leidl den Herzog
immer mit „Du“ anredete. Als er aufmerkſam gemacht wurde,
daß er einem Prinzen des königlichen Hauſes gegenüberſtehe,
äußerte er: „Das iſt mir gleich, ein Prinz oder ein Hirte, wir
ſind gerade ſo viel.“ Der Herzog konnte erſt ſpät abends weiter-
fahren. Der Sachverhalt erfüllt für ſämtliche Angeſchuldigte den
Tatbeſtand des Vergehens der Erpreſſung im rechtlichen Zu-

[irrelevantes Material] [Spaltenumbruch]
Theater und Muſik.

Msi. Die Kgl. Akademie der Tonkunſt führte geſtern im
Kgl. Reſidenztheater unter der Leitung ihres Direktors
Mottl ihre Opernklaſſe öffentlich vor. Es wurden aus der
Zauberflöte Ouvertüre und Szenen aus dem erſten und
zweiten Akt, dann aus dem Troubadour der zweite Akt bis
zur Verwandlung und endlich die einaktige komiſche Oper „Die
beiden Savoyarden
“ von Nicolaus Dalayrac gegeben,
der es in den Jahren 1781 bis 1809 zuſtande brachte, 61 Opern
und Singſpiele zu komponieren. Auch diesmal zeigte es ſich
wieder, daß die Orcheſterklaſſe auf einer hohen Stufe der Aus-
bildung ſteht: ſie ſpielte tadellos. Einzelne Mitglieder derſelben
haben ſich ja ſchon als Nothelfer des Kaim-Orcheſters wiederholt
öffentlich hören laſſen. Auch die Chorklaſſe bekam im Trouba-
dour und in den „beiden Savoyarden“ Gelegenheit, ſich vorzu-
ſtellen. Im Sologeſang bildet unſere Akademte leider von jeher
nicht das natürliche Reſervoir zur Komplettierung unſerer Oper.
Es zeigen ſich bei dieſen alljährlichen Aufführungen zwar regel-
mäßig ganz hübſche Talente, aber man hört, wenn ſie die Schule
verlaſſen haben, kaum je etwas von ihnen. Geſtern durſten als
ausgeſprochene und vielverſprechende Talente gelten: ein Tenor
(Simon Schwalb) mit hübſchen, aber noch nicht fertig gebildeten
Mitteln, der den Tamino, den Manrico und den Baron
de Vereuil in den Savoyarden ſang, ein Bariton von ſehr heller
Klangfarbe (Benno Ziegler), der den Papageno und den Kam-
merdiener in letzterer Oper gab, und endlich drei Damen, die
wieder für die altbekannte Tatſache Zeugnis gaben, daß faſt
immer die Frauen beſſere Schauſpielerinnen ſind als die Manner,
von denen ſich ſelbſt die beſten Talente auf der Bühne immer ent-
weder ungeſchickt und täppiſch oder eingebildet einführen. Frln.
Margarethe Erhardt könnte ihre Azucena heute ſchon in jedem
kleineren Theater genau ſo ſpielen wie ſie ſie geſtern geſpielt
hat, ſo ſicher und natürlich ſpielte ſie. Sie dachte ſichtlich nie
an ſich und ihre Erſcheinung und war ganz in ihrer Rolle. Auch
ihr ſchöner Alt wird ſich gewiß noch mehr füllen. Frln. Amalia
Kaps gab eine recht artige und natürliche Pamina und den
Savoyarden Pietro. Zum Liebling des nicht ſo zahlreich wie
[Spaltenumbruch] ſonſt erſchienenen Publikums wurde aber Frl Anna Schrom, die
als Savoyarde Joſeph ein ganz ungewöhnliches Spiel- und Vor-
tragstalent für Soubrettenrollen bewies. Die Stimme iſt zwar
noch klein, aber das ſchauſpieleriſche Talent um ſo größer. Die
Genannten mit noch anderen zuſammen komplettierten das kleine
Enſemble in der Zauberflöte als Damen- und Knabenterzett. Es
ſoll uns freuen, wenn wir einem oder dem anderen Namen noch
einmal an hervorragender Stelle begegnen ſollten.

* Im Volkstheater nahm geſtern Joſefine Glöckner
auf ein Jahr Abſchied von München. Als Valerie in der
Mauſefalle hat ſie das ausverkaufte Haus nochmals für
ihre ſonnige Kunſt begeiſtert. Dann ging’s ans Adieuſagen.
Schon während der Variété-Einlage begann es Roſen- und
Veilchenſträuße zu regnen, aber der richtige Platzregen ging erſt
zum Schluß über die Bühne nieder. Große prachtvolle Blumen-
arrangements wurden aufgeſtellt, Dutzende von Lorbeerkränzen
mit und ohne Schleifen flogen aus allen Ecken herbei, und die
Roſen-, Flieder- und Veilchenſträuße — wer will ſie zählen!
Vielleicht geht’s am beſten, nach Körben zu rechnen. Dazu der
toſende Beifall, ununterbrochen, ohne Ende. Herzliche Worte des
Dankes richtete die Gefeierte an Publikum, Preſſe und Direktion,
und nur gegen das feſte Verſprechen, im nächſten Jahre wieder-
zukommen, konnte ſie ſich von der nimmer wankenden Schar der
Getreuen loskaufen. Auf Wiederſehen!

† Theater am Gärtnerplatz.

In der Erſtaufführung von
Jadwiga“ am Mittwoch, den 18. März, die unter perſön-
licher Leitung des Komponiſten und in teilweiſer Neuausſtattung
ſtattfindet, ſingt Frl. Linda die Titelrolle, welche ſie auch
ſeinerzeit in Leipzig kreiert hat. Außerdem ſind beſchäftigt die
Damen Freihardt, Heinz, Mayler und Harden, ſowie die Herren
Seibold, Ludl, Koppe, Gruber und Erl. — Donnerstag nach-
mittag kommt „Die ſchöne Helena“ und Sonntag nachmittag
„Frühlingsluft“ bei ermäßigten Preiſen zur Aufführung.

† Die Kgl. Akademie der Tonkunſt veranſtaltet Freitag, den
20. März, im Kgl. Reſidenztheater zum Beſten des
Stipendienfonds der Anſtalt eine Wiederholung der Opern-
vorſtellung, wobei aber noch an Stelle des Troubadour
zur Aufführung gelangt der zweite Akt aus „Aleſſandro
[Spaltenumbruch] Stradella“ von F. v. Flotow. Der Verkauf der Eintrittskarten
findet an der Kgl. Hoftheater-Tageskaſſe (Eingang Maximilian-
ſtraße) ſtatt. Die Abendkaſſe im Kgl. Reſidenztheater wird um
6½ Uhr geöffnet.

* Die Pianiſtin Alice Ripper iſt plötzlich erkrankt; es muß
der Klavierabend bis auf weitere Bekanntgabe verſchoben
werden. Die bereits gelöſten Karten behalten ihre Gültigkeit.



Bildende Kunſt.

In der Galerie Heinemann ſieht man gegenwärtig neben
dem intereſſanten Erſtlingswerk Fritz v. Uhdes „La chan-
teuse“
drei größere Bilder-Kollektionen. Im Oberlichtſaal ſind
58 Gemälde von Karl Leipold untergebracht. Wenn man
dieſe zu den im April vorigen Jahres an derſelben Stelle ge-
zeigten 75 Bildern von demſelben Maler rechnet, ſo kommt das
überraſchende Reſultat heraus, daß innerhalb zwölf Monaten
nicht weniger als 133 Werke von Leipold in München ausgeſtellt
waren. Ich habe bei der letzten Ausſtellung mein Urteil dahin
zuſammengefaßt, daß wir es hier mit einem tüchtigen Künſtler
zu tun haben, dem Anſprechendes gelinge, in dem aber bei aller
Naivität viel Berechnung ſtecke. Ím übrigen ſcheine Leipolds
menſchliche Tiefe bedeutender zu ſein als die künſtleriſche. Das
trifft alles auch heute noch zu. Er zeigt diesmal Marinen, Wind-
mühlenbilder und venezianiſche Phantaſien. In der Kompoſition
wie in der Farbengebung hat er nicht gerade viel Variationen,
ſo ſehr er auch beſtrebt iſt, in den Motiven und in der Farbe
abwechslungsreich zu ſein. Er ſtellt ſein Schiff oder ſeine Schiffe
gewöhnlich hübſch in die Mitte und legt dahinter eine grau-
braune Wolkenwand, an der faſt immer auffällt, daß ſie die
Tiefenwirkung der Leipoldſchen Bilder ſtark ſchädigt. Die freieſte
Räumlichkeit hat der Maler in dem Bilde „Befrachtung eines
Seedampfers“ erreicht. Die Serie Hermann v. Le Suires
bietet namentlich in den kleinen Naturſtudien Anregendes. Die
im Jahre 1898 gemalte Vorfrühlingslandſchaft iſt eine ſym-
pathiſche Arbeit. Clemens Fränkel iſt ehrlich bemüht, einfache
Landſchaften anſpruchslos zu malen.

[irrelevantes Material]
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Scheuen &#x017F;eines Pferdes einen unbedeutenden Unfall erlitten<lb/>
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[4/0004] München, Mittwoch Allgemeine Zeitung 18. März 1908. Nr. 129. Bayeriſche Chronik. * Ausſichten der Beamtenaufbeſſerung. Neuerdings verlautet wieder mit ziemlicher Beſtimmtheit, daß die Mehrheit des Zentrums wegen der finanziellen Schwie- rigkeiten im Reiche und damit in Bayern die Zeit für die Beamtenaufbeſſerung als ſehr wenig geeignet er- achte. Jedenfalls müßte genau geprüft werden, ob die Auf- beſſerung nicht vorerſt auf die mittleren und unte- ren Beamten und Bedienſteten zu beſchränken ſei. Sollte dieſe Abſicht bei dem Zentrum wirklich durchdringen, ſo kann mit ziemlicher Gewißheit geſagt werden, daß dann die ganze Sache fällt, da die Staatsregie- rung, wie wir hören, feſt gewillt iſt, entweder ganze Arbeit zu machen oder die Vorlage zurückzuziehen. * Tagung des Altbayeriſchen Kreisverbandes in Ingolſtadt. Am 19. März hält der „Kreisverband der liberalen Vereine Altbayerns“ in Ingolſtadt eine Tagung mit folgender Tagesordnung ab: a) Geſchloſſene Verſammlung. Koloſſeum. Beginn vorm. 10½ Uhr. 1. Ziele, Organiſation und Agitation des Altbayeriſchen Kreisverbandes. 2. Diskuſſion. 3. Wünſche und Anträge; b) Gemeinſamer Mittagtiſch mit Damen im Hotel „Adler“; c) Oeffentliche Verſammlung. Beginn nachm. 3 Uhr im Koloſſeum. Vorträge: 4. Liberalismus und gewerblicher Mittelſtand. Referent: Abg. Häber- lein-Nürnberg. 5. Die Arbeiterfürſorge der Liberalen im bayeriſchen Landtage. Referent: Landtagsabg. Hübſch. 6. Freie Diskuſſion. Zu der geſchloſſenen Verſammlung haben nur Verbandsmitglieder mit Angehörigen und die dem liberalen Block angehörigen Vereine Zutritt. Die öffentliche Tagung iſt allen Freunden der liberalen Sache mit Damen zugänglich. □ Würzburg, 16. März. Die am 3. d. M. in Würzburg ver- ſtorbene Landrichterswitwe Auguſte Pfeuffer, geb. Bauer, hat die Stadt Würzburg zum Erben eingeſetzt. Sie vermachte zirka 67,000 Mark als Weihnachtsſtiftung für proteſtantiſche Kinder. Den gleichen Betrag zu demſelben Zweck hat ſie der Stadt Schweinfurt vermacht. Militäriſche Nachrichten. * Frühjahrsbeſichtigungen beim 1. Armeekorps. Die Früh- jahrsbeſichtigungen des kommandierenden Generals des 1. Armee- korps Prinzen Rupprecht nehmen am 17. März in Ingolſtadt mit der Beſichtigung der Kompagnien des 2. Bataillons des 1. Fuß-Artillerie-Regiments ihren Anfang. Am 28. März erfolgt die Beſichtigung der Kompagnien des 3. Pionier-Bataillons in München und am 31. März die Beſichtigung der Geneſungsanſtalt in Benediktbeuern. Im Monat April werden ſodann folgende Kompagnie-Beſichtigungen vorgenommen: am 4. des 3. Bataillons des 12. Inf.-Regts. in Neu-Ulm, am 8. des 3. Ba- taillons des 15. Inf.-Regts. in Neuburg a. D., am 10. des 2. Ba- taillons des 3. Inf.-Regts. in Augsburg, am 11. des 2. Bataillons des 2. Inf.-Regts. auf Oberwieſenfeld, am 13. des 1. und am 14. des 3. Bataillons des 20. Inf.-Regts. in Lindau, am 15. des 2. Ba- taillons des letzteren Regiments in Kempten und am 30. April des 2. Bataillons des 1. Inf.-Regts. auf Oberwieſenfeld. Amtliche Nachrichten. * Lehramt. Die an der kgl. Kreis-Realſchule I in Nürnberg erledigte Reallehrerſtelle für deutſche Sprache, Geſchichte und Geographie wurde dem geprüften Lehramtskandidaten und der- maligen Aſſiſtenten der kgl. Kreis-Oberrealſchule in Nürnberg Mathias * Weber aus Mittelneufnach in jederzeit widerruf- licher Weiſe, und zwar vorerſt in der Eigenſchaft eines Lehramts- verweſers übertragen. Gerichtsſaal. Beleidigungsklage des Grafen Günther von der Schulenburg gegen den März. nb. München, 17. März. Heute vormittag 9 Uhr begann im Amtsgerichtsgebäude am Mariahilfplatz unter dem Vorſitz des Oberlandesgerichtsrates Mayer die Verhandlung in der Privatklageſache des Grafen Günther von der Schulenburg gegen den Redakteur Hans Fiſcher (Kurt Aram) der Halbmonatsſchrift März (Verlag Albert Langen) wegen Beleidigung. Dieſe Verhandlung iſt ein Nach- ſpiel des bekannten Beleidigungsprozeſſes Bülow-Brand. Privat- kläger und Beklagter ſind perſönlich erſchienen. Erſterer mit Rechtsanwalt Dr. Fraaß, letzterer mit Juſtizrat Bernſtein als Rechtsbeiſtand. Den Anlaß zur Klage bildete ein am 1. De- zember 1907 im März erſchienener Artikel mit dem Titel: „Der deutſche Reichskanzler im Gerichtsſaal.“ Es heißt darin u. a.: „Erſter Entlaſtungszeuge ſollte ſein ein katholiſcher Konvertit, der mit dem grundverdorbenen Kaplan Dasbach zuſammenſtak und der einmal wegen eines unſittlichen Attentats auf einen 15jährigen Knaben in Köln am Rhein polizeilich ſiſtiert wurde, worauf der Ehrgeiz dieſes dunklen Ehrenmannes auf Ergatterung eines Reichstagsmandats bei der Zentrumsleitung kein Gehör mehr fand.“. Redakteur Fiſcher erklärt, daß der Artikel zwar nicht von ihm verfaßt ſei, daß er aber die preßgeſetzliche Verant- wortung übernehme. Juſtizrat Bernſtein bezieht ſich zunächſt wegen des unſittlichen Attentats in Köln auf ein Telegramm des Kölner Polizeipräſidiums an das Berliner Polizeipräſidium. Der Beklagte behauptet, daß der Kläger homoſexuell ver- anlagt ſei und dies in unzuläſſiger Weiſe betätigt habe. Kläger habe ſelbſt erzählt, daß er ſyſtematiſch darauf ausgehe, für ſein Gut in Tirol junge Leute, insbeſondere auch aus München, zu werben, mit dem ausgeſprochenen Zweck, mit ihnen Umgang zu pflegen. Graf von der Schulenburg, der ein Verwandter des Reichskanzlers, mit dieſem aber verfeindet ſei, habe auch den Schriftſteller Brand zu der bekannten Beleidigung des Reichs- kanzlers veranlaßt, als Zeuge ſei er aber vor Gericht nicht er- ſchienen. Privatkläger war früher Proteſtant, iſt dann zum Katholizismus übergetreten und hat ſich als eifriger Agitator bei Katholikenverſammlungen und Zentrumszuſammenkünften betätigt um ein Mandat zum Reichstag oder Landtag zu be- kommen. Der verwerfliche Lebenswandel des Kaplans Das- bach, ſeine ſexuellen Neigungen und ſein Geſchäftsgebaren haben wiederholt das Einſchreiten der geiſtlichen Behörde gegen ihn zur Folge gehabt, und ſeine Verſuche, ein Reichstagsmandat zu erlangen, ſcheiterten an den Enthüllungen über ſein Leben und Treiben. Juſtizrat Bernſtein übergibt einen gravierenden Brief des Grafen und bittet, ihn ohne Nennung der darin vorkommen- den Namen zu verleſen. Rechtsanwalt Dr. Fraaß wendet ſich dagegen, daß aller mögliche Klatſch hereingezogen werde. Sein Mandant könnte das ganze Lügengewebe zerſtören. Wenn auf der Hereinziehung dieſer Dinge beſtanden würde, ſo müßte er einen Ausſetzungsantrag ſtellen, um ſeine Beweismittel beibringen zu können. Juſtizrat Bernſtein gibt einen Artikel bekannt, der in der Berliner Zeitung A. M. erſchienen war, in dem es heißt, ein Herr v. Sch. habe ſeine Tochter mit einem Gutsnachbarn des Grafen von der Schulenburg, Frhrn. v. S., verlobt. Graf Günther von der Schulenburg habe aber einen Feldzug gegen dieſen Bräutigam unternommen und ihn norm- widriger Neigungen geziehen. Dieſer habe aber Ermittlungen angeſtellt und dann ſeine Mitwirkung verſagt. Das junge Paar wurde vermählt. Während der Hochzeitsreiſe ließ Sch. dem Grafen von der Schulenburg eine Forderung zugehen, die dieſer aber ablehnte, weil er Mitglied der Antiduelliga ſei. Nachdem Herr v. F. von der Hochzeitsreiſe zurückgekehrt war, kam es zu einer erregten Ausſprache zwiſchen F. und dem Grafen. F. ver- ließ das Haus und wurde ſpäter tot aus dem Schloßteich gezogen. Graf Schulenburg habe dieſen tragiſchen Fall durch ſeine Denunziation an den Schwiegervater verurſacht. Rechts- anwalt Dr. Fraaß erklärt, der ganze Vorfall ſei vollſtändig ent- ſtellt wiedergegeben worden. Das Gericht läßt die Beweiser- hebung zu, ob der Kläger homoſexuelle Neigungen in einer ihn herabwürdigenden Weiſe betätigt habe, insbeſondere, ob er ein- mal in Köln ein unſittliches Attentat auf einen 15jährigen Knaben begangen habe, das zu ſeiner polizeilichen Siſtierung führte, ob Kläger aus unlauteren Motiven den Schriftſteller Adolf Brand zu jenen öffentlichen Aeußerungen veranlaßt habe, wegen deren Brand durch Urteil des Landgerichts Berlin II vom 6. November 1907 zu einer Gefängnisſtrafe von 1 Jahr 6 Monaten verurteilt wurde, und ob der Kläger ſein Erſcheinen in dieſer Hauptverhandlung in unzuläſſiger Weiſe vereitelt habe. Was den Fall in Köln anlangt, ſo wurde feſtgeſtellt, daß der betreffende Knabe 15½ Jahre alt war und das zur Verfolgung ein Strafantrag wegen tätlicher Beleidigung notwendig geweſen wäre, der aber vom Vater nicht geſtellt wurde. Die Unter- ſuchung wurde daher eingeſtellt. In einem Brief an einen ungenannten Adeligen, datiert vom 14. Februar 1901, entwickelte Graf Schulenburg ſeine Anſichten über den Zuſammenſchluß aller adeligen Urninge, deren mindeſtens einer in jeder adeligen Familie ſei. Er ſagt, er habe erſt einige Zeit gebraucht, um ſeine homoſexuelle Natur zu erkennen, und ſich dann auch noch läger abwartend verhalten, da er als Katholik befürchtete, daß die Homoſexualität zu antikirchlichen Zwecken ausgeſchlachtet werden könne. Graf Schulenburg gab zu, dieſe Briefe ge- ſchrieben zu haben. Kriminalkommiſſar v. Treskow ſagte über ſeine Be- ziehungen zu dem Kläger aus, daß er dieſen in einer von Dr. Hirſchfeld veranſtalteten Verſammlung des wiſſenſchaftlich-huma- nitären Komitees kennen gelernt habe. Bei dieſer Gelegenheit habe der Graf aus ſeinen homoſexuellen Neigungen, ſeinen eroti- ſchen Träumen uſw. kein Hehl gemacht. Außerdem ſagt der Zeuge aus, daß der Kläger ſeines Wiſſens mit einem jungen Schauſpieler herumreiſe und ſich viel mit ihm öffentlich zeige. Kläger Graf Schulenburg betont, der Frhr. v. Schor- lemer habe ihm zwei Herren in das Haus geſchickt, die ihn er- ſuchten, ihnen einen Zeugen über die ſexuelle Veranlagung des Frhrn. v. Fürſtenberg zu nennen; er, Kläger, habe als ſolcher den Kriminalkommiſſar Treskow genannt. Das angezogene Ver- hältnis zu einem jungen Schauſpieler ſei ganz und gar des eines Vaters zu ſeinem Sohne. Juſtizrat Bernſtein ſtellte die Anfrage, ob der Brief des Klägers an den Grafen Schorlemer nicht ein Racheakt geweſen ſei. Der Kläger erwiderte, davon könne keine Rede ſein, ihm habe nur das junge, unſchuldige Mädchen leid getan. Auf Befragung des Vorſitzenden über die Kölner Affäre ſtellt der Kläger dieſes Vorkommnis in folgender Weiſe dar: Er habe im Dezember 1898 das Hohenſtaufenbad beſucht und dort die Bekanntſchaft eines 15½jährigen Gymnaſiaſten gemacht, dem er einen Kuß angeboten habe. Daraufhin ſei er verhaftet und wegen Mangels von Legitimationspapieren eine Nacht im polizeilichen Gewahrſam behalten worden. Eine ſtrafbare Hand- lung habe nicht vorgelegen. Hierauf wurde Redakteur Schmidt von der B. Z. am Mittag als Zeuge vernommen. Auch er gibt an, daß Graf von der Schulenburg in erſter Linie Adolph Brand verleitet habe, die Beleidigungen gegen den Reichskanz- ler auszuſtreuen. Da das Beweismaterial erſchöpft iſt, wird der Beginn der Plaidoyers auf nachmittags 4 Uhr verlegt. Räuberiſche Erpreſſung an einem Mitglied des bayeriſchen Königshauſes. cs. Eichſtätt, 17. März, 1.54 N. (Privattelegramm.) Vor dem hieſigen Landgericht begann heute die Verhandlung gegen den Gütlersſohn Johann Hofmeier von Börndorf, den Bauern Anton Leidl von dort, den Gütler Johann Schnei- der von dort und den Zimmermann Johann Süſſenrieder von Zamt wegen räuberiſcher Erpreſſung, begangen an Herzog Franz Joſeph in Bayern. Die Anklage vertritt 1. Staatsanwalt Geiger, den Vorſitz führt Landgerichts- direktor Höcherl. Es ſind 20 Zeugen geladen und erſchienen. Die Verteidigung führt Rechtsanwalt Kohl-München. Herzog Franz Joſeph iſt nach dem den Mitgliedern des königlichen Hauſes zuſtehenden Recht vom Erſcheinen entbunden und kommiſſariſch vernommen worden. Als Beauftragter des Herzogs wohnt Adjutant Frhr. v. Malſen der Verhandlung bei. Als Sachverſtändiger fungiert Landgerichtsarzt Dr. Pickl. Nach der Anklage haben die vier Angeſchuldigten am Abend des 4. Auguſt 1907 auf der Straße Ingolſtadt-Beilngries zwiſchen Denkendorf und Grumpersdorf, wo Hofmeier bei der Begegnung mit dem Automobil des Herzogs aus eigenem Verſchulden durch Scheuen ſeines Pferdes einen unbedeutenden Unfall erlitten hatte, zunächſt Hofmeier, obwohl ihm ſeitens des Herzogs ſofort die Nummer ſeines Automobils angegeben und er ſonach in die Lage verſetzt worden war, den Beſitzer des Automobils wegen einer ihm etwa zuſtehenden Entſchädigung gerichtlich zu belangen, die Weiterfahrt des Herzogs verhindert, u. zw. durch die Drohung: „So raſch fahrt Ihr nicht weg, wir drei (nämlich er ſelbſt und die inzwiſchen hinzugekommenen zwei Radfahrer Süſſenrieder und Lehmeier) nehmen es noch mit Euch auf.“Hierauf ſtellte Süſſenrieder den Wagen quer vor das Automobil mit den Worten: „Sonſt fahrt Ihr fort“. Als der Herzog weiter fahren wollte und einen gerichtlichen Austrag verſprach, hieß es: „Wenn Ihr nicht darauf geht, was wir wollen, ſo könnt Ihr bis morgen früh dableiben.“ Der Herzog wurde ſchließlich gezwungen, ſich in Unterhandlungen einzulaſſen, wobei Leidl den Herzog immer mit „Du“ anredete. Als er aufmerkſam gemacht wurde, daß er einem Prinzen des königlichen Hauſes gegenüberſtehe, äußerte er: „Das iſt mir gleich, ein Prinz oder ein Hirte, wir ſind gerade ſo viel.“ Der Herzog konnte erſt ſpät abends weiter- fahren. Der Sachverhalt erfüllt für ſämtliche Angeſchuldigte den Tatbeſtand des Vergehens der Erpreſſung im rechtlichen Zu- _ Theater und Muſik. Msi. Die Kgl. Akademie der Tonkunſt führte geſtern im Kgl. Reſidenztheater unter der Leitung ihres Direktors Mottl ihre Opernklaſſe öffentlich vor. Es wurden aus der Zauberflöte Ouvertüre und Szenen aus dem erſten und zweiten Akt, dann aus dem Troubadour der zweite Akt bis zur Verwandlung und endlich die einaktige komiſche Oper „Die beiden Savoyarden“ von Nicolaus Dalayrac gegeben, der es in den Jahren 1781 bis 1809 zuſtande brachte, 61 Opern und Singſpiele zu komponieren. Auch diesmal zeigte es ſich wieder, daß die Orcheſterklaſſe auf einer hohen Stufe der Aus- bildung ſteht: ſie ſpielte tadellos. Einzelne Mitglieder derſelben haben ſich ja ſchon als Nothelfer des Kaim-Orcheſters wiederholt öffentlich hören laſſen. Auch die Chorklaſſe bekam im Trouba- dour und in den „beiden Savoyarden“ Gelegenheit, ſich vorzu- ſtellen. Im Sologeſang bildet unſere Akademte leider von jeher nicht das natürliche Reſervoir zur Komplettierung unſerer Oper. Es zeigen ſich bei dieſen alljährlichen Aufführungen zwar regel- mäßig ganz hübſche Talente, aber man hört, wenn ſie die Schule verlaſſen haben, kaum je etwas von ihnen. Geſtern durſten als ausgeſprochene und vielverſprechende Talente gelten: ein Tenor (Simon Schwalb) mit hübſchen, aber noch nicht fertig gebildeten Mitteln, der den Tamino, den Manrico und den Baron de Vereuil in den Savoyarden ſang, ein Bariton von ſehr heller Klangfarbe (Benno Ziegler), der den Papageno und den Kam- merdiener in letzterer Oper gab, und endlich drei Damen, die wieder für die altbekannte Tatſache Zeugnis gaben, daß faſt immer die Frauen beſſere Schauſpielerinnen ſind als die Manner, von denen ſich ſelbſt die beſten Talente auf der Bühne immer ent- weder ungeſchickt und täppiſch oder eingebildet einführen. Frln. Margarethe Erhardt könnte ihre Azucena heute ſchon in jedem kleineren Theater genau ſo ſpielen wie ſie ſie geſtern geſpielt hat, ſo ſicher und natürlich ſpielte ſie. Sie dachte ſichtlich nie an ſich und ihre Erſcheinung und war ganz in ihrer Rolle. Auch ihr ſchöner Alt wird ſich gewiß noch mehr füllen. Frln. Amalia Kaps gab eine recht artige und natürliche Pamina und den Savoyarden Pietro. Zum Liebling des nicht ſo zahlreich wie ſonſt erſchienenen Publikums wurde aber Frl Anna Schrom, die als Savoyarde Joſeph ein ganz ungewöhnliches Spiel- und Vor- tragstalent für Soubrettenrollen bewies. Die Stimme iſt zwar noch klein, aber das ſchauſpieleriſche Talent um ſo größer. Die Genannten mit noch anderen zuſammen komplettierten das kleine Enſemble in der Zauberflöte als Damen- und Knabenterzett. Es ſoll uns freuen, wenn wir einem oder dem anderen Namen noch einmal an hervorragender Stelle begegnen ſollten. * Im Volkstheater nahm geſtern Joſefine Glöckner auf ein Jahr Abſchied von München. Als Valerie in der Mauſefalle hat ſie das ausverkaufte Haus nochmals für ihre ſonnige Kunſt begeiſtert. Dann ging’s ans Adieuſagen. Schon während der Variété-Einlage begann es Roſen- und Veilchenſträuße zu regnen, aber der richtige Platzregen ging erſt zum Schluß über die Bühne nieder. Große prachtvolle Blumen- arrangements wurden aufgeſtellt, Dutzende von Lorbeerkränzen mit und ohne Schleifen flogen aus allen Ecken herbei, und die Roſen-, Flieder- und Veilchenſträuße — wer will ſie zählen! Vielleicht geht’s am beſten, nach Körben zu rechnen. Dazu der toſende Beifall, ununterbrochen, ohne Ende. Herzliche Worte des Dankes richtete die Gefeierte an Publikum, Preſſe und Direktion, und nur gegen das feſte Verſprechen, im nächſten Jahre wieder- zukommen, konnte ſie ſich von der nimmer wankenden Schar der Getreuen loskaufen. Auf Wiederſehen! † Theater am Gärtnerplatz. In der Erſtaufführung von „Jadwiga“ am Mittwoch, den 18. März, die unter perſön- licher Leitung des Komponiſten und in teilweiſer Neuausſtattung ſtattfindet, ſingt Frl. Linda die Titelrolle, welche ſie auch ſeinerzeit in Leipzig kreiert hat. Außerdem ſind beſchäftigt die Damen Freihardt, Heinz, Mayler und Harden, ſowie die Herren Seibold, Ludl, Koppe, Gruber und Erl. — Donnerstag nach- mittag kommt „Die ſchöne Helena“ und Sonntag nachmittag „Frühlingsluft“ bei ermäßigten Preiſen zur Aufführung. † Die Kgl. Akademie der Tonkunſt veranſtaltet Freitag, den 20. März, im Kgl. Reſidenztheater zum Beſten des Stipendienfonds der Anſtalt eine Wiederholung der Opern- vorſtellung, wobei aber noch an Stelle des Troubadour zur Aufführung gelangt der zweite Akt aus „Aleſſandro Stradella“ von F. v. Flotow. Der Verkauf der Eintrittskarten findet an der Kgl. Hoftheater-Tageskaſſe (Eingang Maximilian- ſtraße) ſtatt. Die Abendkaſſe im Kgl. Reſidenztheater wird um 6½ Uhr geöffnet. * Die Pianiſtin Alice Ripper iſt plötzlich erkrankt; es muß der Klavierabend bis auf weitere Bekanntgabe verſchoben werden. Die bereits gelöſten Karten behalten ihre Gültigkeit. Bildende Kunſt. In der Galerie Heinemann ſieht man gegenwärtig neben dem intereſſanten Erſtlingswerk Fritz v. Uhdes „La chan- teuse“ drei größere Bilder-Kollektionen. Im Oberlichtſaal ſind 58 Gemälde von Karl Leipold untergebracht. Wenn man dieſe zu den im April vorigen Jahres an derſelben Stelle ge- zeigten 75 Bildern von demſelben Maler rechnet, ſo kommt das überraſchende Reſultat heraus, daß innerhalb zwölf Monaten nicht weniger als 133 Werke von Leipold in München ausgeſtellt waren. Ich habe bei der letzten Ausſtellung mein Urteil dahin zuſammengefaßt, daß wir es hier mit einem tüchtigen Künſtler zu tun haben, dem Anſprechendes gelinge, in dem aber bei aller Naivität viel Berechnung ſtecke. Ím übrigen ſcheine Leipolds menſchliche Tiefe bedeutender zu ſein als die künſtleriſche. Das trifft alles auch heute noch zu. Er zeigt diesmal Marinen, Wind- mühlenbilder und venezianiſche Phantaſien. In der Kompoſition wie in der Farbengebung hat er nicht gerade viel Variationen, ſo ſehr er auch beſtrebt iſt, in den Motiven und in der Farbe abwechslungsreich zu ſein. Er ſtellt ſein Schiff oder ſeine Schiffe gewöhnlich hübſch in die Mitte und legt dahinter eine grau- braune Wolkenwand, an der faſt immer auffällt, daß ſie die Tiefenwirkung der Leipoldſchen Bilder ſtark ſchädigt. Die freieſte Räumlichkeit hat der Maler in dem Bilde „Befrachtung eines Seedampfers“ erreicht. Die Serie Hermann v. Le Suires bietet namentlich in den kleinen Naturſtudien Anregendes. Die im Jahre 1898 gemalte Vorfrühlingslandſchaft iſt eine ſym- pathiſche Arbeit. Clemens Fränkel iſt ehrlich bemüht, einfache Landſchaften anſpruchslos zu malen. A. G. H. _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-09-13T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 129. München, 18. März 1908, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine129_1908/4>, abgerufen am 01.06.2024.