Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 13. Januar 1924.Allgemeine Zeitung. Nr. 12 Sonntag, den 13. Januar 1924 [Spaltenumbruch]
Das europäische Fernkabelnetz. [Spaltenumbruch]
Der Geheime Oberpostrat Dr. Craemer Ein Wirtschaftskörper kann nur gedeihen, wenn Gewiß bot der Krieg, namentlich bei uns in Es ist das unbestrittene Verdienst des Präsiden- Die französische Telegraphenverwaltung griff den Die organisatorischen Vorschläge von Gill hat sich Gleichwohl können uns für die technische Aufgabe Für die Schaffung eines europäischen Fernsprech- Wie läßt sich diese Aufgabe für Europa lösen? Nach angestellten Berechnungen stellen sich die In den Vereinigten Staaten und in vielen euro- Für Deutschland handelt es sich bei der Planung Die wichtigsten europäischen Fernkabelwege 1. London -- Hamburg -- Petersburg, Diese Linie folgt dem Schiffahrtsweg längs der 2. London -- Berlin -- Konstantinopel, Dieser Kabelweg verbindet England und die 3. London -- Amsterdam -- Rom, Der Kabelweg über Holland, die Rheinlande und 4. London -- Paris -- Madrid, 1700 km. Die Westlinie zum Zusammenschluß des eng- 5. Frankfurt -- Nürnberg -- Wien -- Der Kabelweg längs der in der Entstehung begrif- 6. Paris -- Berlin -- Warschau, 1250 km. Die Kabellinie quer durch Europa zur Verbindung 7. Paris -- Prag -- Lemberg, 1400 km. Der Kabelweg vom westlichen Europa durch Süd- 8. Christlania -- Hamburg -- Wien, Die Linie von den norwegischen Häfen über 9. Stockholm -- Berlin -- München -- Die Verbindung von Schweden über Deutschland 10. Ergänzungslinien, 4200 km. Selbstverständlich handelt es sich bei der Auswahl Von der Gesamtlänge des europäischen Kabel- Von der baldigen Verwirklichung der deutschen In den Ländern mit geringerer Verkehrsdichte Für die Elektrotechnik bietet das in der Für den Bau der deutschen Linien besteht seit April [irrelevantes Material] Allgemeine Zeitung. Nr. 12 Sonntag, den 13. Januar 1924 [Spaltenumbruch]
Das europäiſche Fernkabelnetz. [Spaltenumbruch]
Der Geheime Oberpoſtrat Dr. Craemer Ein Wirtſchaftskörper kann nur gedeihen, wenn Gewiß bot der Krieg, namentlich bei uns in Es iſt das unbeſtrittene Verdienſt des Präſiden- Die franzöſiſche Telegraphenverwaltung griff den Die organiſatoriſchen Vorſchläge von Gill hat ſich Gleichwohl können uns für die techniſche Aufgabe Für die Schaffung eines europäiſchen Fernſprech- Wie läßt ſich dieſe Aufgabe für Europa löſen? Nach angeſtellten Berechnungen ſtellen ſich die In den Vereinigten Staaten und in vielen euro- Für Deutſchland handelt es ſich bei der Planung Die wichtigſten europäiſchen Fernkabelwege 1. London — Hamburg — Petersburg, Dieſe Linie folgt dem Schiffahrtsweg längs der 2. London — Berlin — Konſtantinopel, Dieſer Kabelweg verbindet England und die 3. London — Amſterdam — Rom, Der Kabelweg über Holland, die Rheinlande und 4. London — Paris — Madrid, 1700 km. Die Weſtlinie zum Zuſammenſchluß des eng- 5. Frankfurt — Nürnberg — Wien — Der Kabelweg längs der in der Entſtehung begrif- 6. Paris — Berlin — Warſchau, 1250 km. Die Kabellinie quer durch Europa zur Verbindung 7. Paris — Prag — Lemberg, 1400 km. Der Kabelweg vom weſtlichen Europa durch Süd- 8. Chriſtlania — Hamburg — Wien, Die Linie von den norwegiſchen Häfen über 9. Stockholm — Berlin — München — Die Verbindung von Schweden über Deutſchland 10. Ergänzungslinien, 4200 km. Selbſtverſtändlich handelt es ſich bei der Auswahl Von der Geſamtlänge des europäiſchen Kabel- Von der baldigen Verwirklichung der deutſchen In den Ländern mit geringerer Verkehrsdichte Für die Elektrotechnik bietet das in der Für den Bau der deutſchen Linien beſteht ſeit April [irrelevantes Material] <TEI> <text> <body> <div type="jFinancialNews" n="1"> <div type="jAn" n="2"> <pb facs="#f0008" n="8"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung</hi>. Nr. 12 Sonntag, den 13. Januar 1924</hi> </fw><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jVarious" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das europäiſche Fernkabelnetz.</hi> </head><lb/> <cb/> <argument> <p>Der Geheime Oberpoſtrat Dr. <hi rendition="#g">Craemer</hi><lb/> vom Reichspoſtminiſterium hat im <hi rendition="#g">Elek-<lb/> trotechniſchen Verein München</hi><lb/> am 11. Jan. einen ungemein inſtiuktiven Vor-<lb/> trag über obiges Thema gehalten. Wir ent-<lb/> nehmen den für unſer Verkehrs- und Wirt-<lb/> ſchaftsleben hochbedeutſamen Ausführungen<lb/> folgendes:</p> </argument><lb/> <p>Ein Wirtſchaftskörper kann nur gedeihen, wenn<lb/> ſein Blutumlauf — der Güteraustauſch — und ſein<lb/> Nervenſyſtem — das Nachrichtennetz — leiſtungs-<lb/> fähig ſind. Für das kranke Europa handelt es ſich<lb/> nicht nur darum, das, was vor dem Kriege war,<lb/> wieder herzuſtellen; die Nachrichtenmittel müſſen<lb/> vielmehr neu aufgebaut werden in den vervollkomm-<lb/> neten Formen, in denen vom Kriege unberührte<lb/> Länder, vor allem die Vereinigten Staaten von<lb/> Amerika, ihr Leitungsnetz in den Kriegs- und Nach-<lb/> kriegsjahren entwickeln konnten.</p><lb/> <p>Gewiß bot der Krieg, namentlich bei uns in<lb/> Deutſchland, infolge der Verteilung der kämpfenden<lb/> Truppen über weite Gebiete Europas und bis nach<lb/> Aſien hinein, Aufgaben die, als Vorarbeiten für ein<lb/> künftiges Friedensnetz zu verwerten ſind; aber was<lb/> ſich auf dem Gebiete des Fernſprechweitverkehrs<lb/> vor dem Kriege, wenn damals die Technik ſchon<lb/> vollkommen genug geweſen wäre, ohne große<lb/> Schwierigkeiten hätte erreichen laſſen, wurde nach<lb/> dem Kriege ſehr viel mühevoller, weil die von der<lb/> Entente beliebte Neuaufteilung Europas überall<lb/> die Nachrichtennetze zerriſſen hat und weil die neu-<lb/> gebildeten Länder in der kurzen Zeit ihres Be-<lb/> ſtehens nur das Notdürftigſte für den inneren Be-<lb/> darf haben ſchaffen können.</p><lb/> <p>Es iſt das unbeſtrittene Verdienſt des Präſiden-<lb/> ten der Inſtitution of Electrical Engineers in<lb/> London, <hi rendition="#g">Frank Gill,</hi> an der Hand ſeiner ame-<lb/> rikaniſchen Erfahrungen zuerſt Wege gewieſen zu<lb/> haben, auf denen das europäiſche zwiſchenſtaatliche<lb/> Fernſprechnetz techniſch und organiſatoriſch verwirk-<lb/> licht werden könnte. Gill will dies mit den in Ame-<lb/> rika erprobten techniſchen Mitteln in der Weiſe er-<lb/> reichen, daß eine ſelbſtändige Privatgeſellſchaft, an<lb/> der ſich auch die ſtaatlichen Verwaltungen beteiligen<lb/> können, gebildet wird, die das zwiſchenſtaatliche<lb/> Fernſprechnetz baut und betreibt.</p><lb/> <p>Die franzöſiſche Telegraphenverwaltung griff den<lb/> Gillſchen Gedanken auf, und zwar, wie man wohl<lb/> ſagen darf, mit einer gewiſſen Haſt. Wenigſtens<lb/> ließ der Unterſtaatsſekretär für Poſt, Herr <hi rendition="#g">La-<lb/> font,</hi> in der franzöſiſchen Preſſe erklären, es ſei<lb/> keine Zeit zu verlieren, weil Deutſchland im Begriff<lb/> ſei, ſich zum Mittelpunkt des künftigen europäiſchen<lb/> Fernſprechnetzes zu machen, während dieſe Vorzugs-<lb/> ſtellung unbedingt Frankreich, insbeſondere Paris,<lb/> zukäme. Daß bei einer ſolchen Auffaſſung Deutſch-<lb/> land nicht zur <hi rendition="#g">Konferenz von Fernſprech-<lb/> technikern weſteuropäiſcher Länder<lb/> in Paris</hi> im März 1923 eingeladen wurde, kann<lb/> nicht weiter verwundern. Außer Deutſchland, deſſen<lb/> Fernſprechnetz in Europa nach der Dichtigkeit und<lb/> Ausdehnung der Linien an erſter Stelle ſteht, fehlten<lb/> aber auch Holland und die nordiſchen Staaten, Län-<lb/> der alſo, deren vorbildliche Einrichtungen auf dem<lb/> Gebiete des Fernſprechverkehrs ſie in erſter Linie<lb/> befähigt hätten, auf der Konferenz nützliche Arbeit<lb/> zu leiſten.</p><lb/> <p>Die organiſatoriſchen Vorſchläge von Gill hat ſich<lb/> die Pariſer Konferenz nicht zu eigen gemacht, ſon-<lb/> dern ſie hat ſich darauf beſchränkt, <hi rendition="#g">ein ſtändiges<lb/> Komitee</hi> der auf der Konferenz vertretenen<lb/> weſteuropäiſchen Verwaltungen mit dem Sitz in<lb/> Paris in Ausſicht zu nehmen, das den Austauſch<lb/> aller techniſchen Erfahrungen über den zwiſchenſtaat-<lb/> lichen Fernſprechverkehr auf weite Entfernungen<lb/> vermitteln ſoll. Man verſteht es, wenn auf die von<lb/> Gill befürwortete überſtaatliche Privatgeſellſchaft in<lb/> engſter Verbindung mit den einzelnen Verwaltun-<lb/><cb/> gen der europäiſchen Länder die Konferenz nicht<lb/> eingegangen iſt; Gill hat zu ſehr die amerikaniſchen<lb/> Verhältniſſe im Auge. In den Vereinigten Staaten<lb/> handelt es ſich um ein politiſch und wirtſchaftlich<lb/> einheitliches Gebiet, das infolge der Vertruſtung<lb/> aller wichtigen Betriebe eines gleichmäßig über das<lb/> ganze Land ausgedehnten Nachrichtennetzes bedarf.<lb/> In Europa beſtehen bei aller Bedeutung der zwi-<lb/> ſchenſtaatlichen Beziehungen viele von einander ge-<lb/> trennte, in ſich mehr oder weniger geſchloſſene Wirt-<lb/> ſchaftsgebiete und Länder mit Eigenleben.</p><lb/> <p>Gleichwohl können uns für die techniſche Aufgabe<lb/> der Schaffung eines europäiſchen Fernſprechnetzes<lb/><hi rendition="#g">die amerikaniſchen Verhältniſſe</hi> in<lb/> mancher Beziehung <hi rendition="#g">vorbildlich</hi> ſein. Die Weit-<lb/> räumigkeit des Landes hat von vornherein die Tech-<lb/> niker Amerikas vor weit größere Aufgaben geſtellt,<lb/> als ſie in den einzelnen Ländern Europas zu löſen<lb/> waren. Wenn in Amerika ein Fernſprechverkehr<lb/> von Küſte zu Küſte durch den ganzen Kontinent<lb/> möglich iſt, ſo kann für einen ſolchen Verkehr zwi-<lb/> ſchen den europäiſchen Hauptſtädten ein techniſches<lb/> Hindernis nicht beſtehen.</p><lb/> <p>Für die Schaffung eines europäiſchen Fernſprech-<lb/> netzes kann aber weder die amerikaniſche Überland-<lb/> linie nach San Franzisko, noch die indo-europäiſche<lb/> Telegraphenlinie vorbildlich ſein. Die Frage, die<lb/> es heute zu löſen gilt, iſt eine ganz andere. <hi rendition="#b">Es<lb/> handelt ſich nicht mehr darum, auf einzelnen Haupt-<lb/> ſtraßen des Verkehrs eine beſchränkte Anzahl von<lb/> Leitungswegen für den Fernſprechverkehr zu ſchaf-<lb/> fen, ſondern alle Gebiete Europas mit entwickelten<lb/> oder für die Entwicklung reifen Verkehrsbeziehungen<lb/> durch ein zuſammenhängendes Fernſprechnetz mitein-<lb/> ander in Verbindung zu bringen, und zwar ſo, daß<lb/> ſich die Möglichkeit bietet, dieſes Netz planmäßig<lb/> immer weiter auszubauen, um nach und nach auch<lb/> die zunächſt abſeits gebliebenen Gebiete an den Seg-<lb/> nungen des Verkehrs teilhaftig zu machen.</hi></p><lb/> <p> <hi rendition="#b">Wie läßt ſich dieſe Aufgabe für Europa löſen?<lb/> Zweifellos nicht durch ein oberirdiſches Leitungs-<lb/> netz. Warum nicht? Die Gründe ſind für das<lb/> zwiſchenſtaatliche Netz die gleichen wie für die inner-<lb/> ſtaatlichen Netze der einzelnen Länder, nur mit dem<lb/> Unterſchiede, daß die zwiſchenſtaatlichen Verbindun-<lb/> gen wegen ihrer größeren Länge noch weit mehr<lb/> unter den Nachteilen der oberirdiſchen Linienführung<lb/> zu leiden haben als die innerſtaatlichen.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#b">Nach angeſtellten Berechnungen ſtellen ſich die<lb/> Koſten für ein Kabelgeſpräch bei einer Leitungslänge<lb/> von 500 Kilometer im Vergleich zu den Koſten für<lb/> ein Freileitungsgeſpräch wie 1 zu 1.5. Man kann<lb/> ſagen, daß die Verkabelung der Freileitungsnetze<lb/> nicht nur wirtſchaftlich gerechtfertigt iſt, ſondern das<lb/> einzig mögliche Mittel bildet, einen leiſtungsfähigen<lb/> und lohnenden Fernſprechverkehr zu erzielen.</hi> </p><lb/> <p>In den Vereinigten Staaten und in vielen euro-<lb/> päiſchen Ländern ſind umfangreiche Fernkabel-An-<lb/> lagen im Bau oder geplant, deren Vollendung nur<lb/> eine Frage der Zeit iſt. Deutſchland hatte ſchon vor<lb/> dem Kriege im Jahre 1913 mit dem <hi rendition="#g">Rheinland-<lb/> kabel</hi> einen vielverſprechenden Anfang gemacht.<lb/> Allerdings war dieſes Kabel noch nicht für den Ver-<lb/> ſtärkerbetrieb gebaut, entſpricht alſo nicht dem neue-<lb/> ſten Stand der Technik. Es konnte infolge des Krie-<lb/> ges erſt im Jahre 1921 vollendet werden und leiſtet<lb/> ſeit dieſer Zeit vorzügliche Dienſte, ſoweit nicht<lb/> neuerdings <hi rendition="#g">der Ruhreinbruch Hemmun-<lb/> gen</hi> gebracht hat. Nach dem Rheinlandkabel ſind<lb/> inzwiſchen in Deutſchland noch einige andere Strecken<lb/> mit Kabeln neuer Bauart in Betrieb genommen<lb/> worden, einige weitere ſind im Bau. Aber die<lb/> Schwierigkeiten ſind ſo groß, daß nur ein langſames<lb/> Vorwärtskommen möglich iſt, obgleich gerade in<lb/> Deutſchland die Fernverkehrsverhältniſſe ſchnelle<lb/> und durchgreifende Abhilfe erfordern, um unſere<lb/> Wirtſchaft zu heben und das Defizit der Telegraphen-<lb/> verwaltung durch Herauswirtſchaften von Erträgen<lb/><cb/> zu beſeitigen. Beſonders ſchmerzlich empfinden wir,<lb/> daß es trotz aller Bemühungen bisher nicht gelun-<lb/> gen iſt, die Genehmigung der Beſatzungsbehörde<lb/> dazu zu erlangen, die dringend notwendigen Kabel-<lb/> anlagen im Rheinland herzuſtellen. Die Pläne<lb/> waren ſchon im Frühjahr 1922 fertig. Die nach der<lb/> Rheinlandakte notwendige Genehmigung des inter-<lb/> alliierten Oberkommandos iſt aber trotz immer wie-<lb/> derholter Vorſtellungen der Verwaltung und der<lb/> davon betroffenen Wirtſchaftskreiſe nicht erteilt<lb/> worden.</p><lb/> <p>Für Deutſchland handelt es ſich bei der Planung<lb/> des Kabelnetzes aber nicht nur um die Bedürfniſſe<lb/> des Fernſprechverkehrs, ſondern auch des <hi rendition="#g">Tele-<lb/> grammverkehrs</hi>. Deutſchland beſitzt ſeit Ende<lb/> der ſiebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts<lb/> ein ausgedehntes Telegraphenkabelnetz, das bei einer<lb/> Geſamtlinienlänge von 5650 <hi rendition="#aq">km</hi> die wichtigſten Orte<lb/> miteinander verbindet und das Rückgrat des Tele-<lb/> grammverkehrs bildet. Das nun faſt 50 Jahre alte<lb/> Netz iſt <hi rendition="#g">verbraucht</hi> und muß erſetzt werden.<lb/> Dieſe in den nächſten Jahren unabweisbare Erneue-<lb/> rung kann nur Hand in Hand gehen mit der Schaf-<lb/> fung des Fernkabelnetzes, und zwar iſt keine Zeit<lb/> zu verlieren, weil ſonſt nicht nur der innerſtaatliche,<lb/> ſondern auch der zwiſchenſtaatliche Telegrammver-<lb/> kehr, dem dieſe Kabel wegen ihrer Unabhängigkeit<lb/> von atmoſphäriſchen Störungen in erſter Linie<lb/> dienen, zum Erliegen kommen müßte, ganz abge-<lb/> ſehen davon, daß es wirtſchaftlich nicht zu recht-<lb/> fertigen wäre, die Erneuerung des deutſchen Tele-<lb/> graphennetzes von dem Bau des Fernkabelnetzes<lb/> zu trennen. Es iſt gelungen, beide Aufgaben auf<lb/> das glücklichſte dadurch zu vereinigen, daß die Tele-<lb/> graphie zum Wechſelſtrombetrieb mit Spannungen<lb/> und Strömen von gleicher Größenordnung wie beim<lb/> Fernſprechbetrieb übergeht. Die Adern des Fern-<lb/> kabelnetzes können alſo nach Bedarf für beide<lb/> Zwecke verwendet werden. Hierdurch wird die wirt-<lb/> ſchaftliche Ausnutzung der Kabel bedeutend geſteigert.</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Die wichtigſten europäiſchen Fernkabelwege</hi><lb/> ſind, ſoweit ſich Verkehrsentwicklungen unter den<lb/> mißlichen Zuſtänden der Gegenwart überhaupt vor-<lb/> ausſehen laſſen, wohl die folgenden:</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">1. <hi rendition="#g">London — Hamburg — Petersburg,</hi><lb/> 3800 <hi rendition="#aq">km.</hi></hi> </p><lb/> <p>Dieſe Linie folgt dem Schiffahrtsweg längs der<lb/> Nord- und Oſtſee verbindet alle ſeine wichtigeren<lb/> Häfen und bildet gleichzeitig die Baſis für den An-<lb/> ſchluß der nordiſchen Staaten.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">2. <hi rendition="#g">London — Berlin — Konſtantinopel</hi>,<lb/> 4300 <hi rendition="#aq">km.</hi></hi> </p><lb/> <p>Dieſer Kabelweg verbindet England und die<lb/> Nordſeehäfen auf dem Kontinent quer durch Deutſch-<lb/> land und die mitteleuropäiſchen Staaten hindurch<lb/> mit den Balkanſtaaten und der Türkei.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">3. <hi rendition="#g">London — Amſterdam — Rom,</hi><lb/> 2000 <hi rendition="#aq">km.</hi></hi> </p><lb/> <p>Der Kabelweg über Holland, die Rheinlande und<lb/> durch die Schweiz bis zur Hauptſtadt Italiens.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">4. <hi rendition="#g">London — Paris — Madrid,</hi> 1700 <hi rendition="#aq">km.</hi></hi> </p><lb/> <p>Die Weſtlinie zum Zuſammenſchluß des eng-<lb/> liſchen, franzöſiſchen und ſpaniſchen Kabelnetzes.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">5. <hi rendition="#g">Frankfurt — Nürnberg — Wien —<lb/> Budapeſt,</hi> 950 <hi rendition="#aq">km.</hi></hi> </p><lb/> <p>Der Kabelweg längs der in der Entſtehung begrif-<lb/> fenen Rhein-Main-Donau-Waſſerſtraße mit Anſchluß<lb/> an die Linien 2 und 3.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">6. <hi rendition="#g">Paris — Berlin — Warſchau,</hi> 1250 <hi rendition="#aq">km.</hi></hi> </p><lb/> <p>Die Kabellinie quer durch Europa zur Verbindung<lb/> des Weſtens über Norddeutſchland mit Polen und<lb/> ſpäter weiter mit Innenrußland.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">7. <hi rendition="#g">Paris — Prag — Lemberg,</hi> 1400 <hi rendition="#aq">km.</hi></hi> </p><lb/> <p>Der Kabelweg vom weſtlichen Europa durch Süd-<lb/> deutſchland nach der Tſchechoſlowakei und dem ſüd-<lb/> lichen Polen mit ſpäterer Fortſetzung nach dem ſüd-<lb/> lichen Rußland.</p><lb/> <cb/> <p> <hi rendition="#b">8. <hi rendition="#g">Chriſtlania — Hamburg — Wien,</hi><lb/> 1800 <hi rendition="#aq">km.</hi></hi> </p><lb/> <p>Die Linie von den norwegiſchen Häfen über<lb/> Hamburg und dann, dem Elblauf folgend, über<lb/> Prag nach Wien, die Weſt-Oſtverbindungen ſchnei-<lb/> dend.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">9. <hi rendition="#g">Stockholm — Berlin — München —<lb/> Rom,</hi> 2600 <hi rendition="#aq">km.</hi></hi> </p><lb/> <p>Die Verbindung von Schweden über Deutſchland<lb/> und die Alpenländer nach Italien.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">10. <hi rendition="#g">Ergänzungslinien,</hi> 4200 <hi rendition="#aq">km.</hi></hi> </p><lb/> <p>Selbſtverſtändlich handelt es ſich bei der Auswahl<lb/> dieſer Kabelwege nur um einen Verſuch der Planung<lb/> eines europäiſchen Kabelnetzes, die in allen Einzel-<lb/> heiten der Berichtigung und Vervollſtändigung be-<lb/> darf. Namentlich wäre es eine notwendige und<lb/> reizvolle Aufgabe, den Entwurf des Fernkabelnetzes<lb/><hi rendition="#g">in Verbindung zu bringen mit den<lb/> Plänen zur Ausbreitung des Luft-<lb/> fahrzeugverkehrs über den europä-<lb/> iſchen Kontinent</hi>.</p><lb/> <p>Von der Geſamtlänge des europäiſchen Kabel-<lb/> netzes mit 24 000 <hi rendition="#aq">km</hi> entfallen 6 650 <hi rendition="#aq">km</hi>, alſo mehr<lb/> als 25 v. H. auf den deutſchen Anteil. Dies erklärt<lb/> ſich ſchon daraus, daß das Gebiet des Deutſchen<lb/> Reiches das übrige Europa an Verkehrsdichte bei<lb/> weitem übertrifft. Die Lage Deutſchlands in Europa<lb/> und die topographiſche Geſtaltung unſeres Erdteiles<lb/> bedingt es zudem, daß die meiſten Hauptlinien des<lb/> zwiſchenſtaatlichen Verkehrs den Weg über deutſches<lb/> Gebiet nehmen, daß unſer Land im europäiſchen<lb/> Verkehrsweſen und in der geſamten europäiſchen<lb/> Wirtſchaft als Bindeglied zwiſchen Weſten und<lb/> Oſten, Süden und Norden immer eine unerſetzbare<lb/> Stelle eingenommen hat und auch in Zukunft ein-<lb/> nehmen wird.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">Von der baldigen Verwirklichung der deutſchen<lb/> Planungen hängt das Zuſtandekommen und die Ent-<lb/> wicklung des europäiſchen Netzes in erſter Linie mit<lb/> ab. Die nachgewieſene Ertragsfähigkeit des deutſchen<lb/> Netzes wird durch die zwiſchenſtaatlichen Verbin-<lb/> dungen noch erhöht und ſteht über allem Zweifel.</hi> </p><lb/> <p>In den Ländern mit geringerer Verkehrsdichte<lb/> wird dagegen die Frage der Ertragsfähigkeit der<lb/> zwiſchenſtaatlichen Kabelverbindungen nicht ſo leicht<lb/> befriedigend zu beantworten ſein.</p><lb/> <p>Für die <hi rendition="#g">Elektrotechnik</hi> bietet das in der<lb/> Entwicklung begriffene europäiſche Fernkabelnetz<lb/><hi rendition="#g">ein Betätigungsfeld von außeror-<lb/> dentlicher Bedeutung</hi>. Daß die deutſche<lb/> Elektrotechnik dem ihr zufallenden Anteil an dieſer<lb/> Aufgabe gewachſen ſein wird, daren beſteht für den<lb/> Unterrichteten kein Zweifel. Außer der amerika-<lb/> niſchen iſt <hi rendition="#g">allein die deutſche elektro-<lb/> techniſche Induſtrie</hi> imſtande, aus eigener<lb/> Kraft Fernkabelanlagen mit allem Zubehör zu bauen.<lb/> Alle anderen Länder bedürfen dabei mehr oder<lb/> weniger fremder Unterſtützung.</p><lb/> <p>Für den Bau der deutſchen Linien beſteht ſeit April<lb/> 1921 ein vom Reichspoſtminiſterium ins Leben ge-<lb/> rufenes gemiſchtwirtſchaftliches Unternehmen, die<lb/><hi rendition="#g">Deutſche Fernkabelgeſellſchaft,</hi> an der<lb/> die Telegraphenverwaltung und die Kabelwerke be-<lb/> teiligt ſind. Durch dieſe Geſellſchaft iſt ein gedeih-<lb/> liches Hand-in-Hand-Arbeiten der Verwaltung mit<lb/> den techniſchen Kräften der Induſtrie unter gegen-<lb/> ſeitigem Austauſch aller Erfahrungen geſichert. Die<lb/> deutſche Telegraphenverwaltung kann mit Befriedi-<lb/> gung feſtſtellen, daß die bisher ausgeführten An-<lb/> lagen allen Anforderungen entſprochen haben, daß<lb/> in der Entwicklung kein Stillſtand eingetreten iſt,<lb/> ſondern daß dauernd Fortſchritte gemacht werden,<lb/> die uns mit vollem Vertrauen in die Zukunft blicken<lb/> laſſen und uns die Gewißheit geben, daß das deut-<lb/> ſche Kabelnetz ein leiſtungsfähiges Glied des großen<lb/> europäiſchen Fernſprechnetzes bilden wird.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAnnouncements" n="1"> <gap reason="insignificant"/> </div> </body> </text> </TEI> [8/0008]
Allgemeine Zeitung. Nr. 12 Sonntag, den 13. Januar 1924
Das europäiſche Fernkabelnetz.
Der Geheime Oberpoſtrat Dr. Craemer
vom Reichspoſtminiſterium hat im Elek-
trotechniſchen Verein München
am 11. Jan. einen ungemein inſtiuktiven Vor-
trag über obiges Thema gehalten. Wir ent-
nehmen den für unſer Verkehrs- und Wirt-
ſchaftsleben hochbedeutſamen Ausführungen
folgendes:
Ein Wirtſchaftskörper kann nur gedeihen, wenn
ſein Blutumlauf — der Güteraustauſch — und ſein
Nervenſyſtem — das Nachrichtennetz — leiſtungs-
fähig ſind. Für das kranke Europa handelt es ſich
nicht nur darum, das, was vor dem Kriege war,
wieder herzuſtellen; die Nachrichtenmittel müſſen
vielmehr neu aufgebaut werden in den vervollkomm-
neten Formen, in denen vom Kriege unberührte
Länder, vor allem die Vereinigten Staaten von
Amerika, ihr Leitungsnetz in den Kriegs- und Nach-
kriegsjahren entwickeln konnten.
Gewiß bot der Krieg, namentlich bei uns in
Deutſchland, infolge der Verteilung der kämpfenden
Truppen über weite Gebiete Europas und bis nach
Aſien hinein, Aufgaben die, als Vorarbeiten für ein
künftiges Friedensnetz zu verwerten ſind; aber was
ſich auf dem Gebiete des Fernſprechweitverkehrs
vor dem Kriege, wenn damals die Technik ſchon
vollkommen genug geweſen wäre, ohne große
Schwierigkeiten hätte erreichen laſſen, wurde nach
dem Kriege ſehr viel mühevoller, weil die von der
Entente beliebte Neuaufteilung Europas überall
die Nachrichtennetze zerriſſen hat und weil die neu-
gebildeten Länder in der kurzen Zeit ihres Be-
ſtehens nur das Notdürftigſte für den inneren Be-
darf haben ſchaffen können.
Es iſt das unbeſtrittene Verdienſt des Präſiden-
ten der Inſtitution of Electrical Engineers in
London, Frank Gill, an der Hand ſeiner ame-
rikaniſchen Erfahrungen zuerſt Wege gewieſen zu
haben, auf denen das europäiſche zwiſchenſtaatliche
Fernſprechnetz techniſch und organiſatoriſch verwirk-
licht werden könnte. Gill will dies mit den in Ame-
rika erprobten techniſchen Mitteln in der Weiſe er-
reichen, daß eine ſelbſtändige Privatgeſellſchaft, an
der ſich auch die ſtaatlichen Verwaltungen beteiligen
können, gebildet wird, die das zwiſchenſtaatliche
Fernſprechnetz baut und betreibt.
Die franzöſiſche Telegraphenverwaltung griff den
Gillſchen Gedanken auf, und zwar, wie man wohl
ſagen darf, mit einer gewiſſen Haſt. Wenigſtens
ließ der Unterſtaatsſekretär für Poſt, Herr La-
font, in der franzöſiſchen Preſſe erklären, es ſei
keine Zeit zu verlieren, weil Deutſchland im Begriff
ſei, ſich zum Mittelpunkt des künftigen europäiſchen
Fernſprechnetzes zu machen, während dieſe Vorzugs-
ſtellung unbedingt Frankreich, insbeſondere Paris,
zukäme. Daß bei einer ſolchen Auffaſſung Deutſch-
land nicht zur Konferenz von Fernſprech-
technikern weſteuropäiſcher Länder
in Paris im März 1923 eingeladen wurde, kann
nicht weiter verwundern. Außer Deutſchland, deſſen
Fernſprechnetz in Europa nach der Dichtigkeit und
Ausdehnung der Linien an erſter Stelle ſteht, fehlten
aber auch Holland und die nordiſchen Staaten, Län-
der alſo, deren vorbildliche Einrichtungen auf dem
Gebiete des Fernſprechverkehrs ſie in erſter Linie
befähigt hätten, auf der Konferenz nützliche Arbeit
zu leiſten.
Die organiſatoriſchen Vorſchläge von Gill hat ſich
die Pariſer Konferenz nicht zu eigen gemacht, ſon-
dern ſie hat ſich darauf beſchränkt, ein ſtändiges
Komitee der auf der Konferenz vertretenen
weſteuropäiſchen Verwaltungen mit dem Sitz in
Paris in Ausſicht zu nehmen, das den Austauſch
aller techniſchen Erfahrungen über den zwiſchenſtaat-
lichen Fernſprechverkehr auf weite Entfernungen
vermitteln ſoll. Man verſteht es, wenn auf die von
Gill befürwortete überſtaatliche Privatgeſellſchaft in
engſter Verbindung mit den einzelnen Verwaltun-
gen der europäiſchen Länder die Konferenz nicht
eingegangen iſt; Gill hat zu ſehr die amerikaniſchen
Verhältniſſe im Auge. In den Vereinigten Staaten
handelt es ſich um ein politiſch und wirtſchaftlich
einheitliches Gebiet, das infolge der Vertruſtung
aller wichtigen Betriebe eines gleichmäßig über das
ganze Land ausgedehnten Nachrichtennetzes bedarf.
In Europa beſtehen bei aller Bedeutung der zwi-
ſchenſtaatlichen Beziehungen viele von einander ge-
trennte, in ſich mehr oder weniger geſchloſſene Wirt-
ſchaftsgebiete und Länder mit Eigenleben.
Gleichwohl können uns für die techniſche Aufgabe
der Schaffung eines europäiſchen Fernſprechnetzes
die amerikaniſchen Verhältniſſe in
mancher Beziehung vorbildlich ſein. Die Weit-
räumigkeit des Landes hat von vornherein die Tech-
niker Amerikas vor weit größere Aufgaben geſtellt,
als ſie in den einzelnen Ländern Europas zu löſen
waren. Wenn in Amerika ein Fernſprechverkehr
von Küſte zu Küſte durch den ganzen Kontinent
möglich iſt, ſo kann für einen ſolchen Verkehr zwi-
ſchen den europäiſchen Hauptſtädten ein techniſches
Hindernis nicht beſtehen.
Für die Schaffung eines europäiſchen Fernſprech-
netzes kann aber weder die amerikaniſche Überland-
linie nach San Franzisko, noch die indo-europäiſche
Telegraphenlinie vorbildlich ſein. Die Frage, die
es heute zu löſen gilt, iſt eine ganz andere. Es
handelt ſich nicht mehr darum, auf einzelnen Haupt-
ſtraßen des Verkehrs eine beſchränkte Anzahl von
Leitungswegen für den Fernſprechverkehr zu ſchaf-
fen, ſondern alle Gebiete Europas mit entwickelten
oder für die Entwicklung reifen Verkehrsbeziehungen
durch ein zuſammenhängendes Fernſprechnetz mitein-
ander in Verbindung zu bringen, und zwar ſo, daß
ſich die Möglichkeit bietet, dieſes Netz planmäßig
immer weiter auszubauen, um nach und nach auch
die zunächſt abſeits gebliebenen Gebiete an den Seg-
nungen des Verkehrs teilhaftig zu machen.
Wie läßt ſich dieſe Aufgabe für Europa löſen?
Zweifellos nicht durch ein oberirdiſches Leitungs-
netz. Warum nicht? Die Gründe ſind für das
zwiſchenſtaatliche Netz die gleichen wie für die inner-
ſtaatlichen Netze der einzelnen Länder, nur mit dem
Unterſchiede, daß die zwiſchenſtaatlichen Verbindun-
gen wegen ihrer größeren Länge noch weit mehr
unter den Nachteilen der oberirdiſchen Linienführung
zu leiden haben als die innerſtaatlichen.
Nach angeſtellten Berechnungen ſtellen ſich die
Koſten für ein Kabelgeſpräch bei einer Leitungslänge
von 500 Kilometer im Vergleich zu den Koſten für
ein Freileitungsgeſpräch wie 1 zu 1.5. Man kann
ſagen, daß die Verkabelung der Freileitungsnetze
nicht nur wirtſchaftlich gerechtfertigt iſt, ſondern das
einzig mögliche Mittel bildet, einen leiſtungsfähigen
und lohnenden Fernſprechverkehr zu erzielen.
In den Vereinigten Staaten und in vielen euro-
päiſchen Ländern ſind umfangreiche Fernkabel-An-
lagen im Bau oder geplant, deren Vollendung nur
eine Frage der Zeit iſt. Deutſchland hatte ſchon vor
dem Kriege im Jahre 1913 mit dem Rheinland-
kabel einen vielverſprechenden Anfang gemacht.
Allerdings war dieſes Kabel noch nicht für den Ver-
ſtärkerbetrieb gebaut, entſpricht alſo nicht dem neue-
ſten Stand der Technik. Es konnte infolge des Krie-
ges erſt im Jahre 1921 vollendet werden und leiſtet
ſeit dieſer Zeit vorzügliche Dienſte, ſoweit nicht
neuerdings der Ruhreinbruch Hemmun-
gen gebracht hat. Nach dem Rheinlandkabel ſind
inzwiſchen in Deutſchland noch einige andere Strecken
mit Kabeln neuer Bauart in Betrieb genommen
worden, einige weitere ſind im Bau. Aber die
Schwierigkeiten ſind ſo groß, daß nur ein langſames
Vorwärtskommen möglich iſt, obgleich gerade in
Deutſchland die Fernverkehrsverhältniſſe ſchnelle
und durchgreifende Abhilfe erfordern, um unſere
Wirtſchaft zu heben und das Defizit der Telegraphen-
verwaltung durch Herauswirtſchaften von Erträgen
zu beſeitigen. Beſonders ſchmerzlich empfinden wir,
daß es trotz aller Bemühungen bisher nicht gelun-
gen iſt, die Genehmigung der Beſatzungsbehörde
dazu zu erlangen, die dringend notwendigen Kabel-
anlagen im Rheinland herzuſtellen. Die Pläne
waren ſchon im Frühjahr 1922 fertig. Die nach der
Rheinlandakte notwendige Genehmigung des inter-
alliierten Oberkommandos iſt aber trotz immer wie-
derholter Vorſtellungen der Verwaltung und der
davon betroffenen Wirtſchaftskreiſe nicht erteilt
worden.
Für Deutſchland handelt es ſich bei der Planung
des Kabelnetzes aber nicht nur um die Bedürfniſſe
des Fernſprechverkehrs, ſondern auch des Tele-
grammverkehrs. Deutſchland beſitzt ſeit Ende
der ſiebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts
ein ausgedehntes Telegraphenkabelnetz, das bei einer
Geſamtlinienlänge von 5650 km die wichtigſten Orte
miteinander verbindet und das Rückgrat des Tele-
grammverkehrs bildet. Das nun faſt 50 Jahre alte
Netz iſt verbraucht und muß erſetzt werden.
Dieſe in den nächſten Jahren unabweisbare Erneue-
rung kann nur Hand in Hand gehen mit der Schaf-
fung des Fernkabelnetzes, und zwar iſt keine Zeit
zu verlieren, weil ſonſt nicht nur der innerſtaatliche,
ſondern auch der zwiſchenſtaatliche Telegrammver-
kehr, dem dieſe Kabel wegen ihrer Unabhängigkeit
von atmoſphäriſchen Störungen in erſter Linie
dienen, zum Erliegen kommen müßte, ganz abge-
ſehen davon, daß es wirtſchaftlich nicht zu recht-
fertigen wäre, die Erneuerung des deutſchen Tele-
graphennetzes von dem Bau des Fernkabelnetzes
zu trennen. Es iſt gelungen, beide Aufgaben auf
das glücklichſte dadurch zu vereinigen, daß die Tele-
graphie zum Wechſelſtrombetrieb mit Spannungen
und Strömen von gleicher Größenordnung wie beim
Fernſprechbetrieb übergeht. Die Adern des Fern-
kabelnetzes können alſo nach Bedarf für beide
Zwecke verwendet werden. Hierdurch wird die wirt-
ſchaftliche Ausnutzung der Kabel bedeutend geſteigert.
Die wichtigſten europäiſchen Fernkabelwege
ſind, ſoweit ſich Verkehrsentwicklungen unter den
mißlichen Zuſtänden der Gegenwart überhaupt vor-
ausſehen laſſen, wohl die folgenden:
1. London — Hamburg — Petersburg,
3800 km.
Dieſe Linie folgt dem Schiffahrtsweg längs der
Nord- und Oſtſee verbindet alle ſeine wichtigeren
Häfen und bildet gleichzeitig die Baſis für den An-
ſchluß der nordiſchen Staaten.
2. London — Berlin — Konſtantinopel,
4300 km.
Dieſer Kabelweg verbindet England und die
Nordſeehäfen auf dem Kontinent quer durch Deutſch-
land und die mitteleuropäiſchen Staaten hindurch
mit den Balkanſtaaten und der Türkei.
3. London — Amſterdam — Rom,
2000 km.
Der Kabelweg über Holland, die Rheinlande und
durch die Schweiz bis zur Hauptſtadt Italiens.
4. London — Paris — Madrid, 1700 km.
Die Weſtlinie zum Zuſammenſchluß des eng-
liſchen, franzöſiſchen und ſpaniſchen Kabelnetzes.
5. Frankfurt — Nürnberg — Wien —
Budapeſt, 950 km.
Der Kabelweg längs der in der Entſtehung begrif-
fenen Rhein-Main-Donau-Waſſerſtraße mit Anſchluß
an die Linien 2 und 3.
6. Paris — Berlin — Warſchau, 1250 km.
Die Kabellinie quer durch Europa zur Verbindung
des Weſtens über Norddeutſchland mit Polen und
ſpäter weiter mit Innenrußland.
7. Paris — Prag — Lemberg, 1400 km.
Der Kabelweg vom weſtlichen Europa durch Süd-
deutſchland nach der Tſchechoſlowakei und dem ſüd-
lichen Polen mit ſpäterer Fortſetzung nach dem ſüd-
lichen Rußland.
8. Chriſtlania — Hamburg — Wien,
1800 km.
Die Linie von den norwegiſchen Häfen über
Hamburg und dann, dem Elblauf folgend, über
Prag nach Wien, die Weſt-Oſtverbindungen ſchnei-
dend.
9. Stockholm — Berlin — München —
Rom, 2600 km.
Die Verbindung von Schweden über Deutſchland
und die Alpenländer nach Italien.
10. Ergänzungslinien, 4200 km.
Selbſtverſtändlich handelt es ſich bei der Auswahl
dieſer Kabelwege nur um einen Verſuch der Planung
eines europäiſchen Kabelnetzes, die in allen Einzel-
heiten der Berichtigung und Vervollſtändigung be-
darf. Namentlich wäre es eine notwendige und
reizvolle Aufgabe, den Entwurf des Fernkabelnetzes
in Verbindung zu bringen mit den
Plänen zur Ausbreitung des Luft-
fahrzeugverkehrs über den europä-
iſchen Kontinent.
Von der Geſamtlänge des europäiſchen Kabel-
netzes mit 24 000 km entfallen 6 650 km, alſo mehr
als 25 v. H. auf den deutſchen Anteil. Dies erklärt
ſich ſchon daraus, daß das Gebiet des Deutſchen
Reiches das übrige Europa an Verkehrsdichte bei
weitem übertrifft. Die Lage Deutſchlands in Europa
und die topographiſche Geſtaltung unſeres Erdteiles
bedingt es zudem, daß die meiſten Hauptlinien des
zwiſchenſtaatlichen Verkehrs den Weg über deutſches
Gebiet nehmen, daß unſer Land im europäiſchen
Verkehrsweſen und in der geſamten europäiſchen
Wirtſchaft als Bindeglied zwiſchen Weſten und
Oſten, Süden und Norden immer eine unerſetzbare
Stelle eingenommen hat und auch in Zukunft ein-
nehmen wird.
Von der baldigen Verwirklichung der deutſchen
Planungen hängt das Zuſtandekommen und die Ent-
wicklung des europäiſchen Netzes in erſter Linie mit
ab. Die nachgewieſene Ertragsfähigkeit des deutſchen
Netzes wird durch die zwiſchenſtaatlichen Verbin-
dungen noch erhöht und ſteht über allem Zweifel.
In den Ländern mit geringerer Verkehrsdichte
wird dagegen die Frage der Ertragsfähigkeit der
zwiſchenſtaatlichen Kabelverbindungen nicht ſo leicht
befriedigend zu beantworten ſein.
Für die Elektrotechnik bietet das in der
Entwicklung begriffene europäiſche Fernkabelnetz
ein Betätigungsfeld von außeror-
dentlicher Bedeutung. Daß die deutſche
Elektrotechnik dem ihr zufallenden Anteil an dieſer
Aufgabe gewachſen ſein wird, daren beſteht für den
Unterrichteten kein Zweifel. Außer der amerika-
niſchen iſt allein die deutſche elektro-
techniſche Induſtrie imſtande, aus eigener
Kraft Fernkabelanlagen mit allem Zubehör zu bauen.
Alle anderen Länder bedürfen dabei mehr oder
weniger fremder Unterſtützung.
Für den Bau der deutſchen Linien beſteht ſeit April
1921 ein vom Reichspoſtminiſterium ins Leben ge-
rufenes gemiſchtwirtſchaftliches Unternehmen, die
Deutſche Fernkabelgeſellſchaft, an der
die Telegraphenverwaltung und die Kabelwerke be-
teiligt ſind. Durch dieſe Geſellſchaft iſt ein gedeih-
liches Hand-in-Hand-Arbeiten der Verwaltung mit
den techniſchen Kräften der Induſtrie unter gegen-
ſeitigem Austauſch aller Erfahrungen geſichert. Die
deutſche Telegraphenverwaltung kann mit Befriedi-
gung feſtſtellen, daß die bisher ausgeführten An-
lagen allen Anforderungen entſprochen haben, daß
in der Entwicklung kein Stillſtand eingetreten iſt,
ſondern daß dauernd Fortſchritte gemacht werden,
die uns mit vollem Vertrauen in die Zukunft blicken
laſſen und uns die Gewißheit geben, daß das deut-
ſche Kabelnetz ein leiſtungsfähiges Glied des großen
europäiſchen Fernſprechnetzes bilden wird.
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(2022-12-19T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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