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Allgemeine Zeitung, Nr. 140, 25. März 1908.

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München, Mittwoch Allgemeine Zeitung 25. März 1908. Nr. 140.
[Spaltenumbruch] "Pommerellen unter Polen und Preußen". Die Zahl
der Katholiken
hat sich in den 130 Jahren der preu-
ßischen Herrschaft vervierfacht, die der Evangeli-
schen
dagegen nur verdreifacht!

Und nun höre man nach den Zahlen des wahrheits-
liebenden katholischen Priesters Waschinski die Lüge der
Gazeta Grudziadzka des Pan Kulerski: "Für jeden halb-
wegs aufgeklärten Menschen ist es eine klare Sache, daß
das letzte Ziel der preußischen Regierung die Vernichtung
der katholischen Kirche in Preußen bildet." Wenn man
derartige polnische Hetzmären auch am Rhein verbreitet,
dann kann man sich diese Unbesonnenheit nur damit er-
klären, daß man hier stellenweise von polnischer Geschichte
und polnischem Wesen keine Ahnung hat. (Das Gleiche
gilt auch für Süddeutschland. Die Red.) Im Osten kennt
man beides besser, und deshalb besteht in der Beurteilung
des Polentums zwischen ost- und westdeutschen Katholiken
auch ein grundsätzlicher Unterschied. Die Katholiken aus
dem Osten wissen, daß die Polen die Religion nur
als Mittel für ihre nationalen Bestrebun-
gen
benutzen, die auf die Wiedererrichtung des
alten Polenreiches hinzielen
.

Die Katholiken aus dem Osten wissen, daß
manche polnische Elemente überhaupt kein fried-
liches Zusammenleben mit den Deutschen

als preußische Staatsbürger wollen; nicht einmal mit ihren
Oberhirten, sofern diese deutscher Herkunft sind, sonst hätten
sie mit dem Erzbischof Dieder, der als der friedfertigste
Priester allgemein geschätzt wurde, auskommen müssen;
sonst hätten sie nicht den Pelpliner Bischof Redner ins Grab
hineingeärgert; sonst würden sie nicht dessen Nachfolger
Rosentreter und seinen Generalvikar mit den gemeinsten
Beschimpfungen verfolgen.

Wer solchen polnischen Anmaßungen
nicht entgegentritt, der besitzt kein deut-
sches Ehrgefühl
.

Der Gesundheitszustand des Königs Manuel.

* Das Madrider Blatt El Mundo berichtet, nach Mit-
teilungen aus Lissabon hätte sich der Zustand der Wunde,
die König Manuel bei dem Attentat am Arm erhalten hat,
derart verschlimmert, daß die Aerzte die sofortige
Amputation des Armes
anrieten. Der König
und die Königin-Mutter wollten von einer Amputation
nichts wissen, die Aerzte hielten jedoch die Vornahme dieser
Operation für unerläßlich.

Man wird diese Nachricht mit einiger Vorsicht aufzu-
nehmen haben. In den ersten Meldungen über das Atten-
tat, bei dem der Vater und der Bruder des Königs den
Tod gefunden haben, hieß es, der König sei nicht ernstlich
verletzt. Dann wurde berichtet, König Manuel sei am
Kiefer und am Arm verwundet worden und trage den Arm
in der Schlinge; er überrasche seine Umgebung durch seine
würdige Haltung. Später kamen ungünstigere Nachrichten
über sein Befinden; sie wurden jedoch offiziell mit dem Bei-
fügen dementiert, daß der Zustand des Königs befriedigend
sei und seine Wunde keine Komplikationen befürchten lasse.

Sollte sich die Meldung bewahrheiten, so müßte man
annehmen, daß aus politischen Gründen über den Zustand
der Wunde des Königs Angaben gemacht wurden, die nicht
vollkommen den Tatsachen entsprachen, oder daß sich erst
in den allerletzten Tagen Komplikationen einstellten, über
die man in Lissabon Stillschweigen bewahrte, weil man
annahm, daß sich bald eine Besserung einstellen werde. Es
wäre tragisch, wenn der junge König, der eine auch von den
politischen Gegnern gewürdigte sympathische Haltung ein-
nimmt, in der Tat eine so schwere Verstümmelung als
Andenken an das unselige Attentat durch das Leben tragen
müßte. König Manuel steht im 19. Lebensjahre.

Russische Studenten in der Schweiz.

Aus Züricher Universitätskreisen erhalten wir eine
Zuschrift zu dem Artikel "Russische Studenten in der
Schweiz" in Nr. 45 der Allgemeinen Zeitung, die wir hier
in gekürzter Form wiedergeben:

Die Nummer 45 der Allgemeinen Zeitung vom 29. Januar
bringt unter dem Titel "Russische Studenten in der Schweiz"
eine Korrespondenz aus Bern, auf welche eine Entgegnung wohl
gestattet sein mag. Schon der erste Satz, Basel habe "keinen
[Spaltenumbruch] einzigen Russen", entspricht nicht der Wirklichkeit: das Personal-
verzeichnis des laufenden Semesters gibt bei einer Gesamt-
frequenz von 605 Immatrikulierten 50 Russen an. Ferner ist
zu bemerken, daß, entgegen der Behauptung des Korresponden-
ten, in Zürich kein Russe immatrikuliert wird, der nicht im Be-
sitze eines Reifezeugnisses ist.
Werden also Russen in Basel nicht angenommen, so be-
mühen sie sich umsonst nach Zürich, denn dieselben Gründe, die
in Basel zur Abweisung führten, verhindern auch ihre Aufnahme
in Zürich; selbst wenn die Polizei die Toleranzbewilligung er-
wirkt, dürfen nämlich laut Verfügung der Erziehungsdirektion
Schriftenlose nicht immatrikuliert werden. So sind auch wäh-
rend der zweijährigen Amtsperiode des gegenwärtigen Rektors
802 schriftliche und mindestens ebensoviele mündliche Aufnahme-
gesuche, vorwiegend von Russen und namentlich von Russinnen,
abgewiesen worden. Daß die Russinnen im allgemeinen
ungenügend vorgebildet sind, ist richtig, darum müssen sie, wenn
sie ein russisches Mädchengymnasium mit Erfolg absolviert haben,
in Zürich ein Examen in vier Fächern bestehen, ehe sie auf-
genommen werden, und haben sie kein Gymnasium besucht, so
wird ihnen die ganze Maturitätsprüfung überbunden. Was
endlich die Behauptung betrifft, daß die schweizerischen Studie-
renden kaum noch Platz finden, so genügt es, auf die dem Vor-
lesungsverzeichnis vorgedruckte Verfügung hinzuweisen, wonach
für schweizerische Studierende in den Auditorien und Laborato-
rien eine genügende Zahl von Plätzen reserviert bleiben, für die
sie sich bis spätestens zum offiziellen Semesterbeginn schriftlich
oder mündlich zu melden haben.

Hierzu erhalten wir von einer Seite, die mit den
schweizerischen Universitätsverhältnissen ebenfalls vertraut
ist, folgende Bemerkungen:

Wir können uns leider von dieser Richtigstellung der Berner
Korrespondenz nicht recht überzeugen lassen. Eigentümlich bleibt
immerhin, daß Russinnen, welche kein russisches Mädchengymna-
sium besuchten, zu einer Maturitätsprüfung zugelassen werden.
Wie wir wissen, bestehen zu diesem Zwecke eigene "Maturitäts-
institute", die allerdings mit der Universität in keinerlei Ver-
bindung stehen, dagegen die Anforderungen des Maturitäts-
examens kennen und ihre Schüler daraufhin einzuarbeiten ver-
stehen. Klar ist, daß dadurch die Russeninvasion nicht gehemmt
wird. Es handelt sich deshalb für die maßgebenden Organe in
erster Linie darum, die Vorschriften zur Zulassung für die Ma-
turitätsprüfung äußerst streng zu handhaben, wie dies z. B. in
Basel geschieht, wo nur für Schüler kantonaler Lehranstalten ein
Maturitätsexamen möglich ist. Jeder Russe, der also ohne Ma-
turitätszeugnis oder ohne einen sonstigen genügenden Ausweis
sich immatrikulieren will, sollte unnachsichtlich abgewiesen werden.
Nur damit kann man dem Uebel steuern, und nicht dadurch, daß
man solche Leute zum Reifeexamen zuläßt.


-- Zu dem neuesten Artikel Hardens bemerkt der ange-
griffene Wiener Arzt Dr. Ludwig Frey u. a.: "... Herr Harden
läßt sogar durchleuchten, als ob ich für meine Aussage durch Ver-
leihung eines preußischen Ordens, sowie durch die Ernennung
zum deutschen Botschaftsarzt belohnt worden wäre. Er fügt aller-
dings ironisch hinzu: post hoc, non propter hoc. Ich bin durch
meine. Eigenschaft als Arzt gezwungen, das Berufsgeheimnis zu
wahren; es würde mir sonst leicht fallen, jeden der versteckten
Angriffe des Herrn Harden zu widerlegen. Ich muß aber fest-
stellen, daß ich niemals Arzt der deutschen Botschaft war und daß
ich den preußischen Roten Adler-Orden schon im Jahre 1893 er-
hielt, und zwar anläßlich der Behandlung des Prinzen Georg
von Preußen, also zu einer Zeit, wo es eine Gräfin Lilly Moltke
noch gar nicht gegeben hat, da die heutige Frau v. Elbe damals
noch Frau v. Kruse war. Ich werde gewiß Mittel und Wege
finden, um meine angegriffene Ehre. zu verteidigen. Vorläufig
begnüge ich mich mit der publizistischen Zurückweisung dieser Ver-
dächtigungen."

-- Auf der Tagesordnung des Parteitages der Frei-
sinnigen Vereinigung,
der am 21., 22. und 23. April
in Frankfurt a. M. stattfindet, stehen folgende Punkte: Börsen-
gesetz und Reichsfinanzreform, Reichsvereinsgesetz, Liberalismus
und Arbeiterfrage, Liberalismus und Frauenfrage.

-- Man schreibt uns aus Wien: In den glänzenden
Räumen der deutschen Botschaft fand am 19. März der erste
große Empfangsabend beim Botschafter Herrn von
Tschirschky
statt. Das Fest rief bei den Gästen, die
vom Botschafter und seiner Gemahlin aufs liebens-
würdigste empfangen wurden, denselben prächtigen Ein-
druck hervor, wie die ähnlichen Veranstaltungen unter
seinem Vorgänger Grafen Wedel, die immer einer der
Glanzpunkte der Wintersaison gewesen waren. Auch dies-
mal erschienen sämtliche Botschafter und Minister, ebenso
zahlreiche politische Persönlichkeiten aus allen Partei-
lagern. Der Nuntius Fürst Granito di Belmonte wurde
nach den verschiedenen Fährnissen, die er in letzter Zeit
[Spaltenumbruch] durchgemacht hatte, mit besonderem Interesse beobachtet,
und es war eine Pikanterie, daß die anwesenden Minister
mit ihm nur höfliche Grüße wechselten, ohne daß auch nur
einer von ihnen in ein Gespräch mit ihm eintrat. Minister-
präsident Frhr. v. Beck und der Nuntius trafen sich in den
weiten Räumen erst beim Abschied und begrüßten sich durch
einen freundschaftlichen Händedruck.



Politische Nachrichten.
Die Mittelmeerreise des Kaiserpaares.

(Privattelegr.)
Der Kaiser, die Kaiserin, Prinz August Wilhelm und Prin-
zessin Viktoria Luise sind heute vormittag 10 Uhr vom An-
halter Bahnhof mittels Sonderzugs nach Venedig abge-
fahren. Zur Verabschiedung hatten sich eingefunden der
Kronprinz, Prinz Eitel Friedrich und Gemahlin, Reichs-
kanzler Fürst v. Bülow und Oberhofmarschall Graf Eulen-
burg.

König Friedrich August von Sachsen in Bozen.

(Privattelegramm.)
König Friedrich August von Sachsen ist heute morgen 5 Uhr 45
in Bozen eingetroffen. In seiner Begleitung befanden sich der
sächsische Gesandte in München, Baron Friesen, Generaladju-
tant Major v. Müller, Generalstabschef v. Tarlowitz, so-
wie die Dienerschaft. Der sächsische Rechnungsrat Stelzner, der
der Prinzessin Anna zugeteilt ist, war anwesend, ferner Statt-
haltereirat Graf Zeschi, der sich dem König zur Verfügung
stellte. Der Monarch begab sich vom Bahnhof weg zu Fuß in
das Hotel Bristol, wo sich das Absteigequartier befindet. Der
König reist unter dem Inkognito eines Grafen Hülsenburg und
bewohnt den größten Teil des 1. Stockes im Hotel. Nach einem
Aufenthalt von 10 Minuten begab sich der König allein zur
Pfarrkirche und hörte dort eine Messe an; dann begab er sich
ins Hotel zurück, beurlaubte seine Begleitung für den ganzen
Tag und ging allein durch die Stadt nach Gries zu seiner Toch-
ter. Die Abreise des Königs erfolgt Mittwoch nachmittag. Prin-
zessin Anna übersiedelt noch vor Ostern endgültig nach Dresden.



(Privattele-
gramm
.) Allgemeines Aufsehen erregt hier die von Rußland
unversehens an die Türkei gestellte Forderung, wonach Rußland
die sofortige Zahlung von 3/4 Mill. Pfd. als Zinsen für die
verzögerte Zahlung der Entschädigung an russische
Untertanen aus dem russisch-türkischen Kriege ver-
langt. Von englischer Seite kursiert das Gerücht, der Bau der
Hedschasbahn werde vorläufig bei Medina endigen, und
türkischerseits werde das Bahnprojekt Angora-Sivas-Erzerum
wieder aufgenommen, diese Bahn wolle dann die Türkei selbst
bauen, damit die Russen nicht ihr Privilegium geltend machen
können.

(Letzte Nachrichten siehe Seite 5.)


Hof und Gesellschaft.

-- Se. kgl. Hoheit Prinz Ludwig empfing heute vor-
mittag den Bürgermeister Weinberger und den Magistratsrat
und Apothekenbesitzer Bachmayer, beide in Pasing, sowie den
Fabrikbesitzer und Großhändler Küchle, Vorstand des Bezirks-
gremiums Günzburg, in Audienz.

-- Prinz Rupprecht feiert heute sein Namensfest. Se
kgl. Hoheit der Prinzregent und die Mitglieder der kgl.
Familie statteten dem Prinzen vormittags im Palais am
Odeonsplatz Gratulationsbesuche ab. In die ausliegenden Listen
trugen sich viele Offiziere und Herren der Hofgesellschaft ein.

-- Prinz Rupprecht besuchte heute die Ausstellung der
Sammlung "Bayerische Volkskunst", sowie eine Sammlung
chinesischer und japanischer Kunstgegenstände, die in der Galerie
Helbing am 26. und 27. März zur Auktion gelangen.

-- Fürst Wilhelm von Hohenzollern, General-
major und Kommandeur der 3. Garde-Inf.-Brig., ist auf sein
Gesuch von dieser Stellung unter Beförderung zum Generalleut-
nant enthoben; er verbleibt in dem Verhältnis als Chef des
Füsilier-Regiments Nr. 40 und a l. s. des 2. Garde-Regiments
z. F. Zum Kommandeur der 3. Garde-Infanterie-Brigade wurde
Generalmajor v. Quast, bisher Kommandeur der 30. Infanterie-
Brigade, ernannt.



[Spaltenumbruch]
Wiener Brief.

Der Kaiser. -- Das Jubeljahr. -- Künstlerhaus. -- Goya.


Der Kaiser war unwohl: ein Schnupfen. Aber seit der
Krankheit im Herbst macht ein Kaiserschnupfen die Wiener
nervös. Und jetzt besonders, wo das Diamant-Jubeljahr
sich ernstlich zu regen beginnt, Vorbereitungen für die Hul-
digungsfestlichkeiten im Gange sind, Jubelausstellungen er-
öffnet werden und der große Festzug für Juni sicher ist. Es
traf sie hart, die gern jubilierenden Wiener, jene Absage
des Kaisers. All die angesammelte Jubelstimmung sollte
sich bloß in schöner Wohltätigkeit auflösen, nicht auch in
sinnenfreudigem Festwohlgefallen. Hatte doch London
seinerzeit das Diamantjubiläum der Queen und mit ihm
die ganze viktorianische Zeit großartig gefeiert und da sollte
Wien sich versagen, bei ähnlichem, so wunderseltenem An-
laß die franzisco-josephinische Zeit festlich zu begehen! Das
wollte den Wienern nicht eingehen. Durften doch die Künst-
ler für ihren im größten Stile geplanten historischen Fest-
zug einen Fremdenzustrom erwarten und mit ihnen alle Ge-
werbsgenossenschaften. Weiter Kreise bemächtigte sich eine
gewisse gedrückte Stimmung, aber man ließ doch den Kopf
nicht hängen, und siehe da, es kam der 11. März, der des
Kaisers Annahme des Huldigungsfestzuges brachte. Der
Kaiser wird dem Festzuge am 15. Juni beiwohnen und soll
geäußert haben, er hoffe, daß der 1908er Festzug den 1879er
noch an Glanz und Schönheit übertreffen werde. Das Fest-
zugskomitee, dessen Ehrenpräsidium der so populäre Graf
Hans Wilczek sen. übernommen, hat seine Arbeiten sofort
wieder aufgenommen. Soweit der Festzug im Umriß fest-
steht, dürfte der Zug etwa 10,000 Teilnehmer in 21 Gruppen
zählen. Die Kosten werden auf 2 Millionen Kronen berech-
net, wovon 600,000 Kronen für die Straßenausschmückung
präliminiert sind. Es sind 250 Tribünen geplant, wozu die
Zulaßkarten auch im Auslande gelöst werden können.

Zwei Jubiläumsausstellungen sind vorgestern, am
21. d. M., eröffnet worden: die Ausstellung im Künstler-
hause und die Jubiläums-Modeausstellung in den Räumen
der Gartenbaugesellschaft. Die Ausstellung der Künstler-
genossenschaft, der wohl noch ein besonderes Wort zu wid-
men sein wird, hat ein Doppelgesicht: Vergangenheit und
[Spaltenumbruch] Gegenwart, Historie seit 1848 und Moderne. Bei dem
patriotischen Charakter der Ausstellung ist diesmal die
Teilnahme ausländischer Künstler nicht erbeten worden.
Das Inland hat also allein für den Ausstellungserfolg
aufzukommen. Und soweit eine flüchtige erste Besichtigung
zu einem Urteil berechtigt, dürfte dieser Erfolg nicht aus-
bleiben. Entrollt sich doch vor unseren Augen ein Gesamt-
bild vaterländischen Kunstschaffens, dem es weder an har-
monischer Entwicklung, noch an überraschenden Einzelzügen
gebricht. Und da muß man sich immer wieder sagen: Was
hätte bei so viel starken, glänzenden Talenten die öster-
reichische Kunst zu leisten vermocht, wäre sie durch eine ziel-
bewußte staatliche Kunstpolitik unterstützt gewesen!

Goya! Der Name ist dieser Tage wie eine Kunstrakete
aufgestiegen. Aber er verpufft nicht wie eine Rakete, son-
dern bleibt leuchtend sichtbar. Was wußte bis nun in
Wien ein etwas weiter gefaßtes kunstsinniges Publikum
von Francisco de Goya, dem revolutionären Hofmaler
dreier spanischen Könige, dem Sturm- und Drangmaler,
den man den "letzten alten Meister und den ersten moder-
nen" genannt hat? Das Kunsthistorische Museum besitzt
keinen Goya, auch in Privatbesitz befindet sich nur Goyasche
Graphik, kein Oelbild, seit die beiden berühmten Goyas
mit der Esterhazy-Galerie nach Budapest gewandert sind.
So ist es denn ein unleugbares Verdienst des jetzigen Leiters
des Miethke-Kunstsalons, Karl Moll, eines der Führer
unserer Moderne, die Sensation einer Goya-Ausstellung
den Wienern geboten zu haben. Moll ist in Spanien mit
ebenso viel Glück als Geschick auf die Goyasuche gegangen
und es ist ihm gelungen, achtzehn Oelgemälde des großen
spanischen Ahnherrn der Moderne zusammenzubringen
und ein halbes Dutzend davon käuflich zu erwerben,
die seit dem 15. d. M., dem Todestage des 1828 in Bordeaux
heimgegangenen Meisters, bei Miethke zu sehen sind.

Wien hat jetzt Gelegenheit zu Goya-Erwerbungen und
man wird wohl bald von fabelhaften Preisen hören. Es
braucht dabei nicht unbedingt allemal der Kunstwert maß-
gebend zu sein, Kuriositätswert, Sammlerwettbewerb und
Geschäft werden voraussichtlich eine ungewöhnliche Be-
wegung hervorrufen, die über Liebhaberkreise hinausgehen
dürfte. Wenn unsere kunsthistorischen Sammlungen keinen
Goya aufzuweisen haben, so ist dies nicht gar so verwunder-
lich, glaube ich doch meinerzeit im Real Museo zu Madrid
[Spaltenumbruch] selbst nur wenige und nicht die besten Oelbilder des
Meisters gesehen zu haben. Spanien selbst hat eben diesen
seinen großen Sohn erst vor acht Jahren wieder entdeckt,
durch eine große Ausstellung gefeiert, seine Gebeine in
Bordeaux ausgraben und feierlichst bei San Isidro bei-
setzen lassen. Ob Kenner und Bewunderer bei den Oel-
bildern des ungestümen Meisters, den man jetzt als Dritten
neben Rembrandt und Velasquez stellt, voll auf die Kosten
kommen werden? Jedenfalls bei den graphischen Blättern,
die einen so interessanten Teil der Ausstellung bilden und
meist aus Wiener Privatbesitz stammen. In diesen von
phantasievollen Einfällen strotzenden, bisweilen überwälti-
genden grotesken Blättern tobt sich die ganze Genialität
des wilden Goya aus.



Theater und Musik.
ps. Theater am Gärtnerplatz.

Das neu begonnene Gastspiel
der anmutigen Tänzerin Ruth St. Denis hätte ein willkom-
mener Vorwand (fast hätte ich gesagt -- eine Ausrede) für die
Direktion sein können, eines jener reizenden einaktigen Werk-
chen aufzuführen, die wir zu den köstlichsten Schätzen unserer
Musikliteratur zählen -- die schöne Galathee, Fortunios Lied,
Verlobung bei der Laterne usw. Mit Geschick ging man einer
solchen Neueinstudierung aus dem Wege, indem man erste bezw.
zweite Akte der Repertoirestücke weniger recht wie schlecht auf-
führt. Während im zweiten Teil der -- recht teuren Vorstellung
-- eine außerordentlich begabte und geschmackvolle Künstlerin
das Publikum entzückt, wird man in der ersten Stunde durch
höchst mittelmäßige Theaterei verstimmt. Was die Künstler des
Gärtnerplatztheaters zu leisten vermögen, das zeigte sich in
günstigster Weise bei der neulichen Erstaufführung von "Jad-
wiga". Gestern spielte man den ersten Akt des berühmten Ju-
gendwerkes von Dellinger "Don Cesar" und gab überdies
dem Träger eines berühmten Namens Gelegenheit zum Debut.
Herr Nachbaur, ein Sohn des Meistersängers, sang den Don
Cesar. Leider trug Herr Nachbaur zum Gelingen des Abends
wenig bei. Seine Stimme -- wahrscheinlich früher ein hoher
Bariton -- ist nicht schlecht gebildet, aber das Material ist zu
unbedeutend, um irgendwie erfreulich wirken zu können. Im
Auftreten zeigte sich Herr Neubaur ganz gewandt. Das Publi-
kum brachte der Tänzerin Ruth St. Denis ein lebhaftes Interesse
entgegen und bereitete ihr einen außerordentlich herzlichen Erfolg.

W. Kraus-Mottl.

Gestern schienen mir die Großen, die vom
Halbrund des Odeon in ihrer statuarischen Steifbeit und Weiße

München, Mittwoch Allgemeine Zeitung 25. März 1908. Nr. 140.
[Spaltenumbruch] „Pommerellen unter Polen und Preußen“. Die Zahl
der Katholiken
hat ſich in den 130 Jahren der preu-
ßiſchen Herrſchaft vervierfacht, die der Evangeli-
ſchen
dagegen nur verdreifacht!

Und nun höre man nach den Zahlen des wahrheits-
liebenden katholiſchen Prieſters Waſchinski die Lüge der
Gazeta Grudziadzka des Pan Kulerski: „Für jeden halb-
wegs aufgeklärten Menſchen iſt es eine klare Sache, daß
das letzte Ziel der preußiſchen Regierung die Vernichtung
der katholiſchen Kirche in Preußen bildet.“ Wenn man
derartige polniſche Hetzmären auch am Rhein verbreitet,
dann kann man ſich dieſe Unbeſonnenheit nur damit er-
klären, daß man hier ſtellenweiſe von polniſcher Geſchichte
und polniſchem Weſen keine Ahnung hat. (Das Gleiche
gilt auch für Süddeutſchland. Die Red.) Im Oſten kennt
man beides beſſer, und deshalb beſteht in der Beurteilung
des Polentums zwiſchen oſt- und weſtdeutſchen Katholiken
auch ein grundſätzlicher Unterſchied. Die Katholiken aus
dem Oſten wiſſen, daß die Polen die Religion nur
als Mittel für ihre nationalen Beſtrebun-
gen
benutzen, die auf die Wiedererrichtung des
alten Polenreiches hinzielen
.

Die Katholiken aus dem Oſten wiſſen, daß
manche polniſche Elemente überhaupt kein fried-
liches Zuſammenleben mit den Deutſchen

als preußiſche Staatsbürger wollen; nicht einmal mit ihren
Oberhirten, ſofern dieſe deutſcher Herkunft ſind, ſonſt hätten
ſie mit dem Erzbiſchof Dieder, der als der friedfertigſte
Prieſter allgemein geſchätzt wurde, auskommen müſſen;
ſonſt hätten ſie nicht den Pelpliner Biſchof Redner ins Grab
hineingeärgert; ſonſt würden ſie nicht deſſen Nachfolger
Roſentreter und ſeinen Generalvikar mit den gemeinſten
Beſchimpfungen verfolgen.

Wer ſolchen polniſchen Anmaßungen
nicht entgegentritt, der beſitzt kein deut-
ſches Ehrgefühl
.

Der Geſundheitszuſtand des Königs Manuel.

* Das Madrider Blatt El Mundo berichtet, nach Mit-
teilungen aus Liſſabon hätte ſich der Zuſtand der Wunde,
die König Manuel bei dem Attentat am Arm erhalten hat,
derart verſchlimmert, daß die Aerzte die ſofortige
Amputation des Armes
anrieten. Der König
und die Königin-Mutter wollten von einer Amputation
nichts wiſſen, die Aerzte hielten jedoch die Vornahme dieſer
Operation für unerläßlich.

Man wird dieſe Nachricht mit einiger Vorſicht aufzu-
nehmen haben. In den erſten Meldungen über das Atten-
tat, bei dem der Vater und der Bruder des Königs den
Tod gefunden haben, hieß es, der König ſei nicht ernſtlich
verletzt. Dann wurde berichtet, König Manuel ſei am
Kiefer und am Arm verwundet worden und trage den Arm
in der Schlinge; er überraſche ſeine Umgebung durch ſeine
würdige Haltung. Später kamen ungünſtigere Nachrichten
über ſein Befinden; ſie wurden jedoch offiziell mit dem Bei-
fügen dementiert, daß der Zuſtand des Königs befriedigend
ſei und ſeine Wunde keine Komplikationen befürchten laſſe.

Sollte ſich die Meldung bewahrheiten, ſo müßte man
annehmen, daß aus politiſchen Gründen über den Zuſtand
der Wunde des Königs Angaben gemacht wurden, die nicht
vollkommen den Tatſachen entſprachen, oder daß ſich erſt
in den allerletzten Tagen Komplikationen einſtellten, über
die man in Liſſabon Stillſchweigen bewahrte, weil man
annahm, daß ſich bald eine Beſſerung einſtellen werde. Es
wäre tragiſch, wenn der junge König, der eine auch von den
politiſchen Gegnern gewürdigte ſympathiſche Haltung ein-
nimmt, in der Tat eine ſo ſchwere Verſtümmelung als
Andenken an das unſelige Attentat durch das Leben tragen
müßte. König Manuel ſteht im 19. Lebensjahre.

Ruſſiſche Studenten in der Schweiz.

Aus Züricher Univerſitätskreiſen erhalten wir eine
Zuſchrift zu dem Artikel „Ruſſiſche Studenten in der
Schweiz“ in Nr. 45 der Allgemeinen Zeitung, die wir hier
in gekürzter Form wiedergeben:

Die Nummer 45 der Allgemeinen Zeitung vom 29. Januar
bringt unter dem Titel „Ruſſiſche Studenten in der Schweiz“
eine Korreſpondenz aus Bern, auf welche eine Entgegnung wohl
geſtattet ſein mag. Schon der erſte Satz, Baſel habe „keinen
[Spaltenumbruch] einzigen Ruſſen“, entſpricht nicht der Wirklichkeit: das Perſonal-
verzeichnis des laufenden Semeſters gibt bei einer Geſamt-
frequenz von 605 Immatrikulierten 50 Ruſſen an. Ferner iſt
zu bemerken, daß, entgegen der Behauptung des Korreſponden-
ten, in Zürich kein Ruſſe immatrikuliert wird, der nicht im Be-
ſitze eines Reifezeugniſſes iſt.
Werden alſo Ruſſen in Baſel nicht angenommen, ſo be-
mühen ſie ſich umſonſt nach Zürich, denn dieſelben Gründe, die
in Baſel zur Abweiſung führten, verhindern auch ihre Aufnahme
in Zürich; ſelbſt wenn die Polizei die Toleranzbewilligung er-
wirkt, dürfen nämlich laut Verfügung der Erziehungsdirektion
Schriftenloſe nicht immatrikuliert werden. So ſind auch wäh-
rend der zweijährigen Amtsperiode des gegenwärtigen Rektors
802 ſchriftliche und mindeſtens ebenſoviele mündliche Aufnahme-
geſuche, vorwiegend von Ruſſen und namentlich von Ruſſinnen,
abgewieſen worden. Daß die Ruſſinnen im allgemeinen
ungenügend vorgebildet ſind, iſt richtig, darum müſſen ſie, wenn
ſie ein ruſſiſches Mädchengymnaſium mit Erfolg abſolviert haben,
in Zürich ein Examen in vier Fächern beſtehen, ehe ſie auf-
genommen werden, und haben ſie kein Gymnaſium beſucht, ſo
wird ihnen die ganze Maturitätsprüfung überbunden. Was
endlich die Behauptung betrifft, daß die ſchweizeriſchen Studie-
renden kaum noch Platz finden, ſo genügt es, auf die dem Vor-
leſungsverzeichnis vorgedruckte Verfügung hinzuweiſen, wonach
für ſchweizeriſche Studierende in den Auditorien und Laborato-
rien eine genügende Zahl von Plätzen reſerviert bleiben, für die
ſie ſich bis ſpäteſtens zum offiziellen Semeſterbeginn ſchriftlich
oder mündlich zu melden haben.

Hierzu erhalten wir von einer Seite, die mit den
ſchweizeriſchen Univerſitätsverhältniſſen ebenfalls vertraut
iſt, folgende Bemerkungen:

Wir können uns leider von dieſer Richtigſtellung der Berner
Korreſpondenz nicht recht überzeugen laſſen. Eigentümlich bleibt
immerhin, daß Ruſſinnen, welche kein ruſſiſches Mädchengymna-
ſium beſuchten, zu einer Maturitätsprüfung zugelaſſen werden.
Wie wir wiſſen, beſtehen zu dieſem Zwecke eigene „Maturitäts-
inſtitute“, die allerdings mit der Univerſität in keinerlei Ver-
bindung ſtehen, dagegen die Anforderungen des Maturitäts-
examens kennen und ihre Schüler daraufhin einzuarbeiten ver-
ſtehen. Klar iſt, daß dadurch die Ruſſeninvaſion nicht gehemmt
wird. Es handelt ſich deshalb für die maßgebenden Organe in
erſter Linie darum, die Vorſchriften zur Zulaſſung für die Ma-
turitätsprüfung äußerſt ſtreng zu handhaben, wie dies z. B. in
Baſel geſchieht, wo nur für Schüler kantonaler Lehranſtalten ein
Maturitätsexamen möglich iſt. Jeder Ruſſe, der alſo ohne Ma-
turitätszeugnis oder ohne einen ſonſtigen genügenden Ausweis
ſich immatrikulieren will, ſollte unnachſichtlich abgewieſen werden.
Nur damit kann man dem Uebel ſteuern, und nicht dadurch, daß
man ſolche Leute zum Reifeexamen zuläßt.


— Zu dem neueſten Artikel Hardens bemerkt der ange-
griffene Wiener Arzt Dr. Ludwig Frey u. a.: „... Herr Harden
läßt ſogar durchleuchten, als ob ich für meine Ausſage durch Ver-
leihung eines preußiſchen Ordens, ſowie durch die Ernennung
zum deutſchen Botſchaftsarzt belohnt worden wäre. Er fügt aller-
dings ironiſch hinzu: post hoc, non propter hoc. Ich bin durch
meine. Eigenſchaft als Arzt gezwungen, das Berufsgeheimnis zu
wahren; es würde mir ſonſt leicht fallen, jeden der verſteckten
Angriffe des Herrn Harden zu widerlegen. Ich muß aber feſt-
ſtellen, daß ich niemals Arzt der deutſchen Botſchaft war und daß
ich den preußiſchen Roten Adler-Orden ſchon im Jahre 1893 er-
hielt, und zwar anläßlich der Behandlung des Prinzen Georg
von Preußen, alſo zu einer Zeit, wo es eine Gräfin Lilly Moltke
noch gar nicht gegeben hat, da die heutige Frau v. Elbe damals
noch Frau v. Kruſe war. Ich werde gewiß Mittel und Wege
finden, um meine angegriffene Ehre. zu verteidigen. Vorläufig
begnüge ich mich mit der publiziſtiſchen Zurückweiſung dieſer Ver-
dächtigungen.“

— Auf der Tagesordnung des Parteitages der Frei-
ſinnigen Vereinigung,
der am 21., 22. und 23. April
in Frankfurt a. M. ſtattfindet, ſtehen folgende Punkte: Börſen-
geſetz und Reichsfinanzreform, Reichsvereinsgeſetz, Liberalismus
und Arbeiterfrage, Liberalismus und Frauenfrage.

— Man ſchreibt uns aus Wien: In den glänzenden
Räumen der deutſchen Botſchaft fand am 19. März der erſte
große Empfangsabend beim Botſchafter Herrn von
Tſchirſchky
ſtatt. Das Feſt rief bei den Gäſten, die
vom Botſchafter und ſeiner Gemahlin aufs liebens-
würdigſte empfangen wurden, denſelben prächtigen Ein-
druck hervor, wie die ähnlichen Veranſtaltungen unter
ſeinem Vorgänger Grafen Wedel, die immer einer der
Glanzpunkte der Winterſaiſon geweſen waren. Auch dies-
mal erſchienen ſämtliche Botſchafter und Miniſter, ebenſo
zahlreiche politiſche Perſönlichkeiten aus allen Partei-
lagern. Der Nuntius Fürſt Granito di Belmonte wurde
nach den verſchiedenen Fährniſſen, die er in letzter Zeit
[Spaltenumbruch] durchgemacht hatte, mit beſonderem Intereſſe beobachtet,
und es war eine Pikanterie, daß die anweſenden Miniſter
mit ihm nur höfliche Grüße wechſelten, ohne daß auch nur
einer von ihnen in ein Geſpräch mit ihm eintrat. Miniſter-
präſident Frhr. v. Beck und der Nuntius trafen ſich in den
weiten Räumen erſt beim Abſchied und begrüßten ſich durch
einen freundſchaftlichen Händedruck.



Politiſche Nachrichten.
Die Mittelmeerreiſe des Kaiſerpaares.

(Privattelegr.)
Der Kaiſer, die Kaiſerin, Prinz Auguſt Wilhelm und Prin-
zeſſin Viktoria Luiſe ſind heute vormittag 10 Uhr vom An-
halter Bahnhof mittels Sonderzugs nach Venedig abge-
fahren. Zur Verabſchiedung hatten ſich eingefunden der
Kronprinz, Prinz Eitel Friedrich und Gemahlin, Reichs-
kanzler Fürſt v. Bülow und Oberhofmarſchall Graf Eulen-
burg.

König Friedrich Auguſt von Sachſen in Bozen.

(Privattelegramm.)
König Friedrich Auguſt von Sachſen iſt heute morgen 5 Uhr 45
in Bozen eingetroffen. In ſeiner Begleitung befanden ſich der
ſächſiſche Geſandte in München, Baron Frieſen, Generaladju-
tant Major v. Müller, Generalſtabschef v. Tarlowitz, ſo-
wie die Dienerſchaft. Der ſächſiſche Rechnungsrat Stelzner, der
der Prinzeſſin Anna zugeteilt iſt, war anweſend, ferner Statt-
haltereirat Graf Zeſchi, der ſich dem König zur Verfügung
ſtellte. Der Monarch begab ſich vom Bahnhof weg zu Fuß in
das Hotel Briſtol, wo ſich das Abſteigequartier befindet. Der
König reiſt unter dem Inkognito eines Grafen Hülſenburg und
bewohnt den größten Teil des 1. Stockes im Hotel. Nach einem
Aufenthalt von 10 Minuten begab ſich der König allein zur
Pfarrkirche und hörte dort eine Meſſe an; dann begab er ſich
ins Hotel zurück, beurlaubte ſeine Begleitung für den ganzen
Tag und ging allein durch die Stadt nach Gries zu ſeiner Toch-
ter. Die Abreiſe des Königs erfolgt Mittwoch nachmittag. Prin-
zeſſin Anna überſiedelt noch vor Oſtern endgültig nach Dresden.



(Privattele-
gramm
.) Allgemeines Aufſehen erregt hier die von Rußland
unverſehens an die Türkei geſtellte Forderung, wonach Rußland
die ſofortige Zahlung von ¾ Mill. Pfd. als Zinſen für die
verzögerte Zahlung der Entſchädigung an ruſſiſche
Untertanen aus dem ruſſiſch-türkiſchen Kriege ver-
langt. Von engliſcher Seite kurſiert das Gerücht, der Bau der
Hedſchasbahn werde vorläufig bei Medina endigen, und
türkiſcherſeits werde das Bahnprojekt Angora-Sivas-Erzerum
wieder aufgenommen, dieſe Bahn wolle dann die Türkei ſelbſt
bauen, damit die Ruſſen nicht ihr Privilegium geltend machen
können.

(Letzte Nachrichten ſiehe Seite 5.)


Hof und Geſellſchaft.

— Se. kgl. Hoheit Prinz Ludwig empfing heute vor-
mittag den Bürgermeiſter Weinberger und den Magiſtratsrat
und Apothekenbeſitzer Bachmayer, beide in Paſing, ſowie den
Fabrikbeſitzer und Großhändler Küchle, Vorſtand des Bezirks-
gremiums Günzburg, in Audienz.

— Prinz Rupprecht feiert heute ſein Namensfeſt. Se
kgl. Hoheit der Prinzregent und die Mitglieder der kgl.
Familie ſtatteten dem Prinzen vormittags im Palais am
Odeonsplatz Gratulationsbeſuche ab. In die ausliegenden Liſten
trugen ſich viele Offiziere und Herren der Hofgeſellſchaft ein.

Prinz Rupprecht beſuchte heute die Ausſtellung der
Sammlung „Bayeriſche Volkskunſt“, ſowie eine Sammlung
chineſiſcher und japaniſcher Kunſtgegenſtände, die in der Galerie
Helbing am 26. und 27. März zur Auktion gelangen.

Fürſt Wilhelm von Hohenzollern, General-
major und Kommandeur der 3. Garde-Inf.-Brig., iſt auf ſein
Geſuch von dieſer Stellung unter Beförderung zum Generalleut-
nant enthoben; er verbleibt in dem Verhältnis als Chef des
Füſilier-Regiments Nr. 40 und à l. s. des 2. Garde-Regiments
z. F. Zum Kommandeur der 3. Garde-Infanterie-Brigade wurde
Generalmajor v. Quaſt, bisher Kommandeur der 30. Infanterie-
Brigade, ernannt.



[Spaltenumbruch]
Wiener Brief.

Der Kaiſer. — Das Jubeljahr. — Künſtlerhaus. — Goya.


Der Kaiſer war unwohl: ein Schnupfen. Aber ſeit der
Krankheit im Herbſt macht ein Kaiſerſchnupfen die Wiener
nervös. Und jetzt beſonders, wo das Diamant-Jubeljahr
ſich ernſtlich zu regen beginnt, Vorbereitungen für die Hul-
digungsfeſtlichkeiten im Gange ſind, Jubelausſtellungen er-
öffnet werden und der große Feſtzug für Juni ſicher iſt. Es
traf ſie hart, die gern jubilierenden Wiener, jene Abſage
des Kaiſers. All die angeſammelte Jubelſtimmung ſollte
ſich bloß in ſchöner Wohltätigkeit auflöſen, nicht auch in
ſinnenfreudigem Feſtwohlgefallen. Hatte doch London
ſeinerzeit das Diamantjubiläum der Queen und mit ihm
die ganze viktorianiſche Zeit großartig gefeiert und da ſollte
Wien ſich verſagen, bei ähnlichem, ſo wunderſeltenem An-
laß die franzisco-joſephiniſche Zeit feſtlich zu begehen! Das
wollte den Wienern nicht eingehen. Durften doch die Künſt-
ler für ihren im größten Stile geplanten hiſtoriſchen Feſt-
zug einen Fremdenzuſtrom erwarten und mit ihnen alle Ge-
werbsgenoſſenſchaften. Weiter Kreiſe bemächtigte ſich eine
gewiſſe gedrückte Stimmung, aber man ließ doch den Kopf
nicht hängen, und ſiehe da, es kam der 11. März, der des
Kaiſers Annahme des Huldigungsfeſtzuges brachte. Der
Kaiſer wird dem Feſtzuge am 15. Juni beiwohnen und ſoll
geäußert haben, er hoffe, daß der 1908er Feſtzug den 1879er
noch an Glanz und Schönheit übertreffen werde. Das Feſt-
zugskomitee, deſſen Ehrenpräſidium der ſo populäre Graf
Hans Wilczek ſen. übernommen, hat ſeine Arbeiten ſofort
wieder aufgenommen. Soweit der Feſtzug im Umriß feſt-
ſteht, dürfte der Zug etwa 10,000 Teilnehmer in 21 Gruppen
zählen. Die Koſten werden auf 2 Millionen Kronen berech-
net, wovon 600,000 Kronen für die Straßenausſchmückung
präliminiert ſind. Es ſind 250 Tribünen geplant, wozu die
Zulaßkarten auch im Auslande gelöſt werden können.

Zwei Jubiläumsausſtellungen ſind vorgeſtern, am
21. d. M., eröffnet worden: die Ausſtellung im Künſtler-
hauſe und die Jubiläums-Modeausſtellung in den Räumen
der Gartenbaugeſellſchaft. Die Ausſtellung der Künſtler-
genoſſenſchaft, der wohl noch ein beſonderes Wort zu wid-
men ſein wird, hat ein Doppelgeſicht: Vergangenheit und
[Spaltenumbruch] Gegenwart, Hiſtorie ſeit 1848 und Moderne. Bei dem
patriotiſchen Charakter der Ausſtellung iſt diesmal die
Teilnahme ausländiſcher Künſtler nicht erbeten worden.
Das Inland hat alſo allein für den Ausſtellungserfolg
aufzukommen. Und ſoweit eine flüchtige erſte Beſichtigung
zu einem Urteil berechtigt, dürfte dieſer Erfolg nicht aus-
bleiben. Entrollt ſich doch vor unſeren Augen ein Geſamt-
bild vaterländiſchen Kunſtſchaffens, dem es weder an har-
moniſcher Entwicklung, noch an überraſchenden Einzelzügen
gebricht. Und da muß man ſich immer wieder ſagen: Was
hätte bei ſo viel ſtarken, glänzenden Talenten die öſter-
reichiſche Kunſt zu leiſten vermocht, wäre ſie durch eine ziel-
bewußte ſtaatliche Kunſtpolitik unterſtützt geweſen!

Goya! Der Name iſt dieſer Tage wie eine Kunſtrakete
aufgeſtiegen. Aber er verpufft nicht wie eine Rakete, ſon-
dern bleibt leuchtend ſichtbar. Was wußte bis nun in
Wien ein etwas weiter gefaßtes kunſtſinniges Publikum
von Francisco de Goya, dem revolutionären Hofmaler
dreier ſpaniſchen Könige, dem Sturm- und Drangmaler,
den man den „letzten alten Meiſter und den erſten moder-
nen“ genannt hat? Das Kunſthiſtoriſche Muſeum beſitzt
keinen Goya, auch in Privatbeſitz befindet ſich nur Goyaſche
Graphik, kein Oelbild, ſeit die beiden berühmten Goyas
mit der Eſterhazy-Galerie nach Budapeſt gewandert ſind.
So iſt es denn ein unleugbares Verdienſt des jetzigen Leiters
des Miethke-Kunſtſalons, Karl Moll, eines der Führer
unſerer Moderne, die Senſation einer Goya-Ausſtellung
den Wienern geboten zu haben. Moll iſt in Spanien mit
ebenſo viel Glück als Geſchick auf die Goyaſuche gegangen
und es iſt ihm gelungen, achtzehn Oelgemälde des großen
ſpaniſchen Ahnherrn der Moderne zuſammenzubringen
und ein halbes Dutzend davon käuflich zu erwerben,
die ſeit dem 15. d. M., dem Todestage des 1828 in Bordeaux
heimgegangenen Meiſters, bei Miethke zu ſehen ſind.

Wien hat jetzt Gelegenheit zu Goya-Erwerbungen und
man wird wohl bald von fabelhaften Preiſen hören. Es
braucht dabei nicht unbedingt allemal der Kunſtwert maß-
gebend zu ſein, Kurioſitätswert, Sammlerwettbewerb und
Geſchäft werden vorausſichtlich eine ungewöhnliche Be-
wegung hervorrufen, die über Liebhaberkreiſe hinausgehen
dürfte. Wenn unſere kunſthiſtoriſchen Sammlungen keinen
Goya aufzuweiſen haben, ſo iſt dies nicht gar ſo verwunder-
lich, glaube ich doch meinerzeit im Real Muſeo zu Madrid
[Spaltenumbruch] ſelbſt nur wenige und nicht die beſten Oelbilder des
Meiſters geſehen zu haben. Spanien ſelbſt hat eben dieſen
ſeinen großen Sohn erſt vor acht Jahren wieder entdeckt,
durch eine große Ausſtellung gefeiert, ſeine Gebeine in
Bordeaux ausgraben und feierlichſt bei San Iſidro bei-
ſetzen laſſen. Ob Kenner und Bewunderer bei den Oel-
bildern des ungeſtümen Meiſters, den man jetzt als Dritten
neben Rembrandt und Velasquez ſtellt, voll auf die Koſten
kommen werden? Jedenfalls bei den graphiſchen Blättern,
die einen ſo intereſſanten Teil der Ausſtellung bilden und
meiſt aus Wiener Privatbeſitz ſtammen. In dieſen von
phantaſievollen Einfällen ſtrotzenden, bisweilen überwälti-
genden grotesken Blättern tobt ſich die ganze Genialität
des wilden Goya aus.



Theater und Muſik.
ps. Theater am Gärtnerplatz.

Das neu begonnene Gaſtſpiel
der anmutigen Tänzerin Ruth St. Denis hätte ein willkom-
mener Vorwand (faſt hätte ich geſagt — eine Ausrede) für die
Direktion ſein können, eines jener reizenden einaktigen Werk-
chen aufzuführen, die wir zu den köſtlichſten Schätzen unſerer
Muſikliteratur zählen — die ſchöne Galathee, Fortunios Lied,
Verlobung bei der Laterne uſw. Mit Geſchick ging man einer
ſolchen Neueinſtudierung aus dem Wege, indem man erſte bezw.
zweite Akte der Repertoireſtücke weniger recht wie ſchlecht auf-
führt. Während im zweiten Teil der — recht teuren Vorſtellung
— eine außerordentlich begabte und geſchmackvolle Künſtlerin
das Publikum entzückt, wird man in der erſten Stunde durch
höchſt mittelmäßige Theaterei verſtimmt. Was die Künſtler des
Gärtnerplatztheaters zu leiſten vermögen, das zeigte ſich in
günſtigſter Weiſe bei der neulichen Erſtaufführung von „Jad-
wiga“. Geſtern ſpielte man den erſten Akt des berühmten Ju-
gendwerkes von Dellinger „Don Ceſar“ und gab überdies
dem Träger eines berühmten Namens Gelegenheit zum Debut.
Herr Nachbaur, ein Sohn des Meiſterſängers, ſang den Don
Ceſar. Leider trug Herr Nachbaur zum Gelingen des Abends
wenig bei. Seine Stimme — wahrſcheinlich früher ein hoher
Bariton — iſt nicht ſchlecht gebildet, aber das Material iſt zu
unbedeutend, um irgendwie erfreulich wirken zu können. Im
Auftreten zeigte ſich Herr Neubaur ganz gewandt. Das Publi-
kum brachte der Tänzerin Ruth St. Denis ein lebhaftes Intereſſe
entgegen und bereitete ihr einen außerordentlich herzlichen Erfolg.

W. Kraus-Mottl.

Geſtern ſchienen mir die Großen, die vom
Halbrund des Odeon in ihrer ſtatuariſchen Steifbeit und Weiße

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[2/0002] München, Mittwoch Allgemeine Zeitung 25. März 1908. Nr. 140. „Pommerellen unter Polen und Preußen“. Die Zahl der Katholiken hat ſich in den 130 Jahren der preu- ßiſchen Herrſchaft vervierfacht, die der Evangeli- ſchen dagegen nur verdreifacht! Und nun höre man nach den Zahlen des wahrheits- liebenden katholiſchen Prieſters Waſchinski die Lüge der Gazeta Grudziadzka des Pan Kulerski: „Für jeden halb- wegs aufgeklärten Menſchen iſt es eine klare Sache, daß das letzte Ziel der preußiſchen Regierung die Vernichtung der katholiſchen Kirche in Preußen bildet.“ Wenn man derartige polniſche Hetzmären auch am Rhein verbreitet, dann kann man ſich dieſe Unbeſonnenheit nur damit er- klären, daß man hier ſtellenweiſe von polniſcher Geſchichte und polniſchem Weſen keine Ahnung hat. (Das Gleiche gilt auch für Süddeutſchland. Die Red.) Im Oſten kennt man beides beſſer, und deshalb beſteht in der Beurteilung des Polentums zwiſchen oſt- und weſtdeutſchen Katholiken auch ein grundſätzlicher Unterſchied. Die Katholiken aus dem Oſten wiſſen, daß die Polen die Religion nur als Mittel für ihre nationalen Beſtrebun- gen benutzen, die auf die Wiedererrichtung des alten Polenreiches hinzielen. Die Katholiken aus dem Oſten wiſſen, daß manche polniſche Elemente überhaupt kein fried- liches Zuſammenleben mit den Deutſchen als preußiſche Staatsbürger wollen; nicht einmal mit ihren Oberhirten, ſofern dieſe deutſcher Herkunft ſind, ſonſt hätten ſie mit dem Erzbiſchof Dieder, der als der friedfertigſte Prieſter allgemein geſchätzt wurde, auskommen müſſen; ſonſt hätten ſie nicht den Pelpliner Biſchof Redner ins Grab hineingeärgert; ſonſt würden ſie nicht deſſen Nachfolger Roſentreter und ſeinen Generalvikar mit den gemeinſten Beſchimpfungen verfolgen. Wer ſolchen polniſchen Anmaßungen nicht entgegentritt, der beſitzt kein deut- ſches Ehrgefühl. Der Geſundheitszuſtand des Königs Manuel. * Das Madrider Blatt El Mundo berichtet, nach Mit- teilungen aus Liſſabon hätte ſich der Zuſtand der Wunde, die König Manuel bei dem Attentat am Arm erhalten hat, derart verſchlimmert, daß die Aerzte die ſofortige Amputation des Armes anrieten. Der König und die Königin-Mutter wollten von einer Amputation nichts wiſſen, die Aerzte hielten jedoch die Vornahme dieſer Operation für unerläßlich. Man wird dieſe Nachricht mit einiger Vorſicht aufzu- nehmen haben. In den erſten Meldungen über das Atten- tat, bei dem der Vater und der Bruder des Königs den Tod gefunden haben, hieß es, der König ſei nicht ernſtlich verletzt. Dann wurde berichtet, König Manuel ſei am Kiefer und am Arm verwundet worden und trage den Arm in der Schlinge; er überraſche ſeine Umgebung durch ſeine würdige Haltung. Später kamen ungünſtigere Nachrichten über ſein Befinden; ſie wurden jedoch offiziell mit dem Bei- fügen dementiert, daß der Zuſtand des Königs befriedigend ſei und ſeine Wunde keine Komplikationen befürchten laſſe. Sollte ſich die Meldung bewahrheiten, ſo müßte man annehmen, daß aus politiſchen Gründen über den Zuſtand der Wunde des Königs Angaben gemacht wurden, die nicht vollkommen den Tatſachen entſprachen, oder daß ſich erſt in den allerletzten Tagen Komplikationen einſtellten, über die man in Liſſabon Stillſchweigen bewahrte, weil man annahm, daß ſich bald eine Beſſerung einſtellen werde. Es wäre tragiſch, wenn der junge König, der eine auch von den politiſchen Gegnern gewürdigte ſympathiſche Haltung ein- nimmt, in der Tat eine ſo ſchwere Verſtümmelung als Andenken an das unſelige Attentat durch das Leben tragen müßte. König Manuel ſteht im 19. Lebensjahre. Ruſſiſche Studenten in der Schweiz. Aus Züricher Univerſitätskreiſen erhalten wir eine Zuſchrift zu dem Artikel „Ruſſiſche Studenten in der Schweiz“ in Nr. 45 der Allgemeinen Zeitung, die wir hier in gekürzter Form wiedergeben: Die Nummer 45 der Allgemeinen Zeitung vom 29. Januar bringt unter dem Titel „Ruſſiſche Studenten in der Schweiz“ eine Korreſpondenz aus Bern, auf welche eine Entgegnung wohl geſtattet ſein mag. Schon der erſte Satz, Baſel habe „keinen einzigen Ruſſen“, entſpricht nicht der Wirklichkeit: das Perſonal- verzeichnis des laufenden Semeſters gibt bei einer Geſamt- frequenz von 605 Immatrikulierten 50 Ruſſen an. Ferner iſt zu bemerken, daß, entgegen der Behauptung des Korreſponden- ten, in Zürich kein Ruſſe immatrikuliert wird, der nicht im Be- ſitze eines Reifezeugniſſes iſt. Werden alſo Ruſſen in Baſel nicht angenommen, ſo be- mühen ſie ſich umſonſt nach Zürich, denn dieſelben Gründe, die in Baſel zur Abweiſung führten, verhindern auch ihre Aufnahme in Zürich; ſelbſt wenn die Polizei die Toleranzbewilligung er- wirkt, dürfen nämlich laut Verfügung der Erziehungsdirektion Schriftenloſe nicht immatrikuliert werden. So ſind auch wäh- rend der zweijährigen Amtsperiode des gegenwärtigen Rektors 802 ſchriftliche und mindeſtens ebenſoviele mündliche Aufnahme- geſuche, vorwiegend von Ruſſen und namentlich von Ruſſinnen, abgewieſen worden. Daß die Ruſſinnen im allgemeinen ungenügend vorgebildet ſind, iſt richtig, darum müſſen ſie, wenn ſie ein ruſſiſches Mädchengymnaſium mit Erfolg abſolviert haben, in Zürich ein Examen in vier Fächern beſtehen, ehe ſie auf- genommen werden, und haben ſie kein Gymnaſium beſucht, ſo wird ihnen die ganze Maturitätsprüfung überbunden. Was endlich die Behauptung betrifft, daß die ſchweizeriſchen Studie- renden kaum noch Platz finden, ſo genügt es, auf die dem Vor- leſungsverzeichnis vorgedruckte Verfügung hinzuweiſen, wonach für ſchweizeriſche Studierende in den Auditorien und Laborato- rien eine genügende Zahl von Plätzen reſerviert bleiben, für die ſie ſich bis ſpäteſtens zum offiziellen Semeſterbeginn ſchriftlich oder mündlich zu melden haben. Hierzu erhalten wir von einer Seite, die mit den ſchweizeriſchen Univerſitätsverhältniſſen ebenfalls vertraut iſt, folgende Bemerkungen: Wir können uns leider von dieſer Richtigſtellung der Berner Korreſpondenz nicht recht überzeugen laſſen. Eigentümlich bleibt immerhin, daß Ruſſinnen, welche kein ruſſiſches Mädchengymna- ſium beſuchten, zu einer Maturitätsprüfung zugelaſſen werden. Wie wir wiſſen, beſtehen zu dieſem Zwecke eigene „Maturitäts- inſtitute“, die allerdings mit der Univerſität in keinerlei Ver- bindung ſtehen, dagegen die Anforderungen des Maturitäts- examens kennen und ihre Schüler daraufhin einzuarbeiten ver- ſtehen. Klar iſt, daß dadurch die Ruſſeninvaſion nicht gehemmt wird. Es handelt ſich deshalb für die maßgebenden Organe in erſter Linie darum, die Vorſchriften zur Zulaſſung für die Ma- turitätsprüfung äußerſt ſtreng zu handhaben, wie dies z. B. in Baſel geſchieht, wo nur für Schüler kantonaler Lehranſtalten ein Maturitätsexamen möglich iſt. Jeder Ruſſe, der alſo ohne Ma- turitätszeugnis oder ohne einen ſonſtigen genügenden Ausweis ſich immatrikulieren will, ſollte unnachſichtlich abgewieſen werden. Nur damit kann man dem Uebel ſteuern, und nicht dadurch, daß man ſolche Leute zum Reifeexamen zuläßt. — Zu dem neueſten Artikel Hardens bemerkt der ange- griffene Wiener Arzt Dr. Ludwig Frey u. a.: „... Herr Harden läßt ſogar durchleuchten, als ob ich für meine Ausſage durch Ver- leihung eines preußiſchen Ordens, ſowie durch die Ernennung zum deutſchen Botſchaftsarzt belohnt worden wäre. Er fügt aller- dings ironiſch hinzu: post hoc, non propter hoc. Ich bin durch meine. Eigenſchaft als Arzt gezwungen, das Berufsgeheimnis zu wahren; es würde mir ſonſt leicht fallen, jeden der verſteckten Angriffe des Herrn Harden zu widerlegen. Ich muß aber feſt- ſtellen, daß ich niemals Arzt der deutſchen Botſchaft war und daß ich den preußiſchen Roten Adler-Orden ſchon im Jahre 1893 er- hielt, und zwar anläßlich der Behandlung des Prinzen Georg von Preußen, alſo zu einer Zeit, wo es eine Gräfin Lilly Moltke noch gar nicht gegeben hat, da die heutige Frau v. Elbe damals noch Frau v. Kruſe war. Ich werde gewiß Mittel und Wege finden, um meine angegriffene Ehre. zu verteidigen. Vorläufig begnüge ich mich mit der publiziſtiſchen Zurückweiſung dieſer Ver- dächtigungen.“ — Auf der Tagesordnung des Parteitages der Frei- ſinnigen Vereinigung, der am 21., 22. und 23. April in Frankfurt a. M. ſtattfindet, ſtehen folgende Punkte: Börſen- geſetz und Reichsfinanzreform, Reichsvereinsgeſetz, Liberalismus und Arbeiterfrage, Liberalismus und Frauenfrage. — Man ſchreibt uns aus Wien: In den glänzenden Räumen der deutſchen Botſchaft fand am 19. März der erſte große Empfangsabend beim Botſchafter Herrn von Tſchirſchky ſtatt. Das Feſt rief bei den Gäſten, die vom Botſchafter und ſeiner Gemahlin aufs liebens- würdigſte empfangen wurden, denſelben prächtigen Ein- druck hervor, wie die ähnlichen Veranſtaltungen unter ſeinem Vorgänger Grafen Wedel, die immer einer der Glanzpunkte der Winterſaiſon geweſen waren. Auch dies- mal erſchienen ſämtliche Botſchafter und Miniſter, ebenſo zahlreiche politiſche Perſönlichkeiten aus allen Partei- lagern. Der Nuntius Fürſt Granito di Belmonte wurde nach den verſchiedenen Fährniſſen, die er in letzter Zeit durchgemacht hatte, mit beſonderem Intereſſe beobachtet, und es war eine Pikanterie, daß die anweſenden Miniſter mit ihm nur höfliche Grüße wechſelten, ohne daß auch nur einer von ihnen in ein Geſpräch mit ihm eintrat. Miniſter- präſident Frhr. v. Beck und der Nuntius trafen ſich in den weiten Räumen erſt beim Abſchied und begrüßten ſich durch einen freundſchaftlichen Händedruck. Politiſche Nachrichten. Die Mittelmeerreiſe des Kaiſerpaares. n. Berlin, 24. März. 10.50 V. (Privattelegr.) Der Kaiſer, die Kaiſerin, Prinz Auguſt Wilhelm und Prin- zeſſin Viktoria Luiſe ſind heute vormittag 10 Uhr vom An- halter Bahnhof mittels Sonderzugs nach Venedig abge- fahren. Zur Verabſchiedung hatten ſich eingefunden der Kronprinz, Prinz Eitel Friedrich und Gemahlin, Reichs- kanzler Fürſt v. Bülow und Oberhofmarſchall Graf Eulen- burg. König Friedrich Auguſt von Sachſen in Bozen. p. Bozen, 24. März. 11.54 V. (Privattelegramm.) König Friedrich Auguſt von Sachſen iſt heute morgen 5 Uhr 45 in Bozen eingetroffen. In ſeiner Begleitung befanden ſich der ſächſiſche Geſandte in München, Baron Frieſen, Generaladju- tant Major v. Müller, Generalſtabschef v. Tarlowitz, ſo- wie die Dienerſchaft. Der ſächſiſche Rechnungsrat Stelzner, der der Prinzeſſin Anna zugeteilt iſt, war anweſend, ferner Statt- haltereirat Graf Zeſchi, der ſich dem König zur Verfügung ſtellte. Der Monarch begab ſich vom Bahnhof weg zu Fuß in das Hotel Briſtol, wo ſich das Abſteigequartier befindet. Der König reiſt unter dem Inkognito eines Grafen Hülſenburg und bewohnt den größten Teil des 1. Stockes im Hotel. Nach einem Aufenthalt von 10 Minuten begab ſich der König allein zur Pfarrkirche und hörte dort eine Meſſe an; dann begab er ſich ins Hotel zurück, beurlaubte ſeine Begleitung für den ganzen Tag und ging allein durch die Stadt nach Gries zu ſeiner Toch- ter. Die Abreiſe des Königs erfolgt Mittwoch nachmittag. Prin- zeſſin Anna überſiedelt noch vor Oſtern endgültig nach Dresden. t. Konſtantinopel, 24. März, 11.15 V. (Privattele- gramm.) Allgemeines Aufſehen erregt hier die von Rußland unverſehens an die Türkei geſtellte Forderung, wonach Rußland die ſofortige Zahlung von ¾ Mill. Pfd. als Zinſen für die verzögerte Zahlung der Entſchädigung an ruſſiſche Untertanen aus dem ruſſiſch-türkiſchen Kriege ver- langt. Von engliſcher Seite kurſiert das Gerücht, der Bau der Hedſchasbahn werde vorläufig bei Medina endigen, und türkiſcherſeits werde das Bahnprojekt Angora-Sivas-Erzerum wieder aufgenommen, dieſe Bahn wolle dann die Türkei ſelbſt bauen, damit die Ruſſen nicht ihr Privilegium geltend machen können. (Letzte Nachrichten ſiehe Seite 5.) Hof und Geſellſchaft. * München, 24. März. — Se. kgl. Hoheit Prinz Ludwig empfing heute vor- mittag den Bürgermeiſter Weinberger und den Magiſtratsrat und Apothekenbeſitzer Bachmayer, beide in Paſing, ſowie den Fabrikbeſitzer und Großhändler Küchle, Vorſtand des Bezirks- gremiums Günzburg, in Audienz. — Prinz Rupprecht feiert heute ſein Namensfeſt. Se kgl. Hoheit der Prinzregent und die Mitglieder der kgl. Familie ſtatteten dem Prinzen vormittags im Palais am Odeonsplatz Gratulationsbeſuche ab. In die ausliegenden Liſten trugen ſich viele Offiziere und Herren der Hofgeſellſchaft ein. — Prinz Rupprecht beſuchte heute die Ausſtellung der Sammlung „Bayeriſche Volkskunſt“, ſowie eine Sammlung chineſiſcher und japaniſcher Kunſtgegenſtände, die in der Galerie Helbing am 26. und 27. März zur Auktion gelangen. — Fürſt Wilhelm von Hohenzollern, General- major und Kommandeur der 3. Garde-Inf.-Brig., iſt auf ſein Geſuch von dieſer Stellung unter Beförderung zum Generalleut- nant enthoben; er verbleibt in dem Verhältnis als Chef des Füſilier-Regiments Nr. 40 und à l. s. des 2. Garde-Regiments z. F. Zum Kommandeur der 3. Garde-Infanterie-Brigade wurde Generalmajor v. Quaſt, bisher Kommandeur der 30. Infanterie- Brigade, ernannt. Wiener Brief. Der Kaiſer. — Das Jubeljahr. — Künſtlerhaus. — Goya. Wien, 23. März. Der Kaiſer war unwohl: ein Schnupfen. Aber ſeit der Krankheit im Herbſt macht ein Kaiſerſchnupfen die Wiener nervös. Und jetzt beſonders, wo das Diamant-Jubeljahr ſich ernſtlich zu regen beginnt, Vorbereitungen für die Hul- digungsfeſtlichkeiten im Gange ſind, Jubelausſtellungen er- öffnet werden und der große Feſtzug für Juni ſicher iſt. Es traf ſie hart, die gern jubilierenden Wiener, jene Abſage des Kaiſers. All die angeſammelte Jubelſtimmung ſollte ſich bloß in ſchöner Wohltätigkeit auflöſen, nicht auch in ſinnenfreudigem Feſtwohlgefallen. Hatte doch London ſeinerzeit das Diamantjubiläum der Queen und mit ihm die ganze viktorianiſche Zeit großartig gefeiert und da ſollte Wien ſich verſagen, bei ähnlichem, ſo wunderſeltenem An- laß die franzisco-joſephiniſche Zeit feſtlich zu begehen! Das wollte den Wienern nicht eingehen. Durften doch die Künſt- ler für ihren im größten Stile geplanten hiſtoriſchen Feſt- zug einen Fremdenzuſtrom erwarten und mit ihnen alle Ge- werbsgenoſſenſchaften. Weiter Kreiſe bemächtigte ſich eine gewiſſe gedrückte Stimmung, aber man ließ doch den Kopf nicht hängen, und ſiehe da, es kam der 11. März, der des Kaiſers Annahme des Huldigungsfeſtzuges brachte. Der Kaiſer wird dem Feſtzuge am 15. Juni beiwohnen und ſoll geäußert haben, er hoffe, daß der 1908er Feſtzug den 1879er noch an Glanz und Schönheit übertreffen werde. Das Feſt- zugskomitee, deſſen Ehrenpräſidium der ſo populäre Graf Hans Wilczek ſen. übernommen, hat ſeine Arbeiten ſofort wieder aufgenommen. Soweit der Feſtzug im Umriß feſt- ſteht, dürfte der Zug etwa 10,000 Teilnehmer in 21 Gruppen zählen. Die Koſten werden auf 2 Millionen Kronen berech- net, wovon 600,000 Kronen für die Straßenausſchmückung präliminiert ſind. Es ſind 250 Tribünen geplant, wozu die Zulaßkarten auch im Auslande gelöſt werden können. Zwei Jubiläumsausſtellungen ſind vorgeſtern, am 21. d. M., eröffnet worden: die Ausſtellung im Künſtler- hauſe und die Jubiläums-Modeausſtellung in den Räumen der Gartenbaugeſellſchaft. Die Ausſtellung der Künſtler- genoſſenſchaft, der wohl noch ein beſonderes Wort zu wid- men ſein wird, hat ein Doppelgeſicht: Vergangenheit und Gegenwart, Hiſtorie ſeit 1848 und Moderne. Bei dem patriotiſchen Charakter der Ausſtellung iſt diesmal die Teilnahme ausländiſcher Künſtler nicht erbeten worden. Das Inland hat alſo allein für den Ausſtellungserfolg aufzukommen. Und ſoweit eine flüchtige erſte Beſichtigung zu einem Urteil berechtigt, dürfte dieſer Erfolg nicht aus- bleiben. Entrollt ſich doch vor unſeren Augen ein Geſamt- bild vaterländiſchen Kunſtſchaffens, dem es weder an har- moniſcher Entwicklung, noch an überraſchenden Einzelzügen gebricht. Und da muß man ſich immer wieder ſagen: Was hätte bei ſo viel ſtarken, glänzenden Talenten die öſter- reichiſche Kunſt zu leiſten vermocht, wäre ſie durch eine ziel- bewußte ſtaatliche Kunſtpolitik unterſtützt geweſen! Goya! Der Name iſt dieſer Tage wie eine Kunſtrakete aufgeſtiegen. Aber er verpufft nicht wie eine Rakete, ſon- dern bleibt leuchtend ſichtbar. Was wußte bis nun in Wien ein etwas weiter gefaßtes kunſtſinniges Publikum von Francisco de Goya, dem revolutionären Hofmaler dreier ſpaniſchen Könige, dem Sturm- und Drangmaler, den man den „letzten alten Meiſter und den erſten moder- nen“ genannt hat? Das Kunſthiſtoriſche Muſeum beſitzt keinen Goya, auch in Privatbeſitz befindet ſich nur Goyaſche Graphik, kein Oelbild, ſeit die beiden berühmten Goyas mit der Eſterhazy-Galerie nach Budapeſt gewandert ſind. So iſt es denn ein unleugbares Verdienſt des jetzigen Leiters des Miethke-Kunſtſalons, Karl Moll, eines der Führer unſerer Moderne, die Senſation einer Goya-Ausſtellung den Wienern geboten zu haben. Moll iſt in Spanien mit ebenſo viel Glück als Geſchick auf die Goyaſuche gegangen und es iſt ihm gelungen, achtzehn Oelgemälde des großen ſpaniſchen Ahnherrn der Moderne zuſammenzubringen und ein halbes Dutzend davon käuflich zu erwerben, die ſeit dem 15. d. M., dem Todestage des 1828 in Bordeaux heimgegangenen Meiſters, bei Miethke zu ſehen ſind. Wien hat jetzt Gelegenheit zu Goya-Erwerbungen und man wird wohl bald von fabelhaften Preiſen hören. Es braucht dabei nicht unbedingt allemal der Kunſtwert maß- gebend zu ſein, Kurioſitätswert, Sammlerwettbewerb und Geſchäft werden vorausſichtlich eine ungewöhnliche Be- wegung hervorrufen, die über Liebhaberkreiſe hinausgehen dürfte. Wenn unſere kunſthiſtoriſchen Sammlungen keinen Goya aufzuweiſen haben, ſo iſt dies nicht gar ſo verwunder- lich, glaube ich doch meinerzeit im Real Muſeo zu Madrid ſelbſt nur wenige und nicht die beſten Oelbilder des Meiſters geſehen zu haben. Spanien ſelbſt hat eben dieſen ſeinen großen Sohn erſt vor acht Jahren wieder entdeckt, durch eine große Ausſtellung gefeiert, ſeine Gebeine in Bordeaux ausgraben und feierlichſt bei San Iſidro bei- ſetzen laſſen. Ob Kenner und Bewunderer bei den Oel- bildern des ungeſtümen Meiſters, den man jetzt als Dritten neben Rembrandt und Velasquez ſtellt, voll auf die Koſten kommen werden? Jedenfalls bei den graphiſchen Blättern, die einen ſo intereſſanten Teil der Ausſtellung bilden und meiſt aus Wiener Privatbeſitz ſtammen. In dieſen von phantaſievollen Einfällen ſtrotzenden, bisweilen überwälti- genden grotesken Blättern tobt ſich die ganze Genialität des wilden Goya aus. Karl v. Vincenti. Theater und Muſik. ps. Theater am Gärtnerplatz. Das neu begonnene Gaſtſpiel der anmutigen Tänzerin Ruth St. Denis hätte ein willkom- mener Vorwand (faſt hätte ich geſagt — eine Ausrede) für die Direktion ſein können, eines jener reizenden einaktigen Werk- chen aufzuführen, die wir zu den köſtlichſten Schätzen unſerer Muſikliteratur zählen — die ſchöne Galathee, Fortunios Lied, Verlobung bei der Laterne uſw. Mit Geſchick ging man einer ſolchen Neueinſtudierung aus dem Wege, indem man erſte bezw. zweite Akte der Repertoireſtücke weniger recht wie ſchlecht auf- führt. Während im zweiten Teil der — recht teuren Vorſtellung — eine außerordentlich begabte und geſchmackvolle Künſtlerin das Publikum entzückt, wird man in der erſten Stunde durch höchſt mittelmäßige Theaterei verſtimmt. Was die Künſtler des Gärtnerplatztheaters zu leiſten vermögen, das zeigte ſich in günſtigſter Weiſe bei der neulichen Erſtaufführung von „Jad- wiga“. Geſtern ſpielte man den erſten Akt des berühmten Ju- gendwerkes von Dellinger „Don Ceſar“ und gab überdies dem Träger eines berühmten Namens Gelegenheit zum Debut. Herr Nachbaur, ein Sohn des Meiſterſängers, ſang den Don Ceſar. Leider trug Herr Nachbaur zum Gelingen des Abends wenig bei. Seine Stimme — wahrſcheinlich früher ein hoher Bariton — iſt nicht ſchlecht gebildet, aber das Material iſt zu unbedeutend, um irgendwie erfreulich wirken zu können. Im Auftreten zeigte ſich Herr Neubaur ganz gewandt. Das Publi- kum brachte der Tänzerin Ruth St. Denis ein lebhaftes Intereſſe entgegen und bereitete ihr einen außerordentlich herzlichen Erfolg. W. Kraus-Mottl.Geſtern ſchienen mir die Großen, die vom Halbrund des Odeon in ihrer ſtatuariſchen Steifbeit und Weiße

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 140, 25. März 1908, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine140_1908/2>, abgerufen am 01.06.2024.