Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 14. Januar 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] die in erster Linie die Gemeinden und dann die Landarmenverbände zur Unterstätzung
heranziehe, keine Lücke lasse in die der Staat einzutreten habe. Abg. Hahn empfiehlt
die Ablehnung des Antrags. Der Fonds werde vorzugsweise zur Unterstützung ver-
schämter Armen verwendet, die man durch eine Verweisung an den Ortsarmenverband
beleidigen würde. Regierungscommissär Wulfshein bemerkt: daß mittelst dieses
Fonds bei bedürftigen Personen gerade dem Zustande vorgebeugt werden solle der sie
zu Almosennehmern qualificirt; es sei dieß gewissermaßen ein Beitrag zur Lösung der
socialen Frage. Die aus dem etc. Fonds gewährten Unterstützungen betrügen in der
Regel 10 bis 20 Thaler. Ein Antrag auf Schluß der Discussion wird angenommen.
In der hierauf erfolgenden Abstimmung wird der Rickert'sche Antrag abgelehnt. Bei
den einmaligen und außerordentlichen Ausgaben desselben Etats, zu Tit. 2
(für das statistische Bureau, Kosten zur statistischen Verarbeitung des bei der Volkszäh-
zählung des Jahrs 1871 gewonnenen Materials 68,600 Thlr.) constatirt der Abgeord-
nete Schmidt (Stettin) den günstigen Erfolg der bei der letzten Volkszählung angewen-
deten neuen Zählmethode, die zugleich, gegenüber den Kosten der Zählung in andern
Ländern, die bei weitem billigste sei und einen Triumph der statistischen Wissen-
schaft bilde. Er bitte deßhalb die Position zu bewilligen, was auch mit großer Mehrheit
geschieht. Hiemit ist der Etat des Ministeriums des Innern erledigt, und das Haus
vertagt sich gegen 4 Uhr bis Sonnabend 11 Uhr. (Tagesordnung: Etat des Handels-
ministeriums.)


Der vorgestern vom Abgeordnetenhause gefaßte
Beschluß wegen Einschränkung der kgl. Polizeiverwaltung in verschiedenen größern
Städten der Monarchie, sowie wegen Uebertragung einzelner Zweige der Polizei-
verwaltung an die Berliner Gemeinde wird von der Regierung nicht acceptirt wer-
den. Darüber kann wenigstens angesichts der von ministerieller Seite abgegebenen
Erklärungen ein Zweifel nicht bestehen. Auch die "N. A. Z." spricht sich heute
principiell mit aller Entschiedenheit gegen jenen Beschluß aus. Nach ihrer Dar-
legung ist die Polizei im modernen Staat ein Ausfluß der Staatshoheit; die
Städte üben die Polizei nicht mehr kraft eigenen Rechts, sondern kraft Bewilligung
der Staatsgewalt; eine Rückübertragung des Staatshoheitrechts auf die Gemein-
den wäre ein Zurückfallen in die mittelalterliche Zeit, in jene Zeit welche der schar-
fen Ausprägung der Staatsideen vorangegangen. Was von Seiten der liberalen
Parteien zu Gunsten der Handhabung der Polizei durch die Gemeindeverwaltungen
geltend gemacht worden, ist im übrigen wenig geeignet ihre Vorzüge vor könig-
lichen Polizeiverwaltungen erkennen zu lassen. Im Gegentheil wird die königliche
Polizeiverwaltung immer vor der Gemeinde-Polizeiverwaltung den Vorzug größe-
rer Entschiedenheit voraus haben, da der Gemeindebeamte, der bekanntlich nur auf
Zeit gewählt ist, immer mehr Rücksichten auf die Wähler zu nehmen hat als der
fest angestellte Staatsdiener auf die Gemeinde-Angehörigen. -- In der heutigen
Sitzung des Abgeordnetenhauses brachte Neichensperger die Frage wegen der offi-
ciösen Presse wieder zur Sprache. Die Antwort welche der Minister des Innern
darauf ertheilte, bewies daß Hr. Duncker vollkommen Recht hatte wenn er meinte:
daß die Worte des Hrn. Neichensperger nicht an der richtigen Stelle angebracht
seien. Der preußischen Regierung als solcher sind nach dieser Richtung hin die Flü-
gel allerdings längst so stark beschnitten, daß der Minister des Innern mit einem
gewissen Recht behaupten konnte: nur über ein einziges officiöses Organ, die "Prov.
Corresp.," zu verfügen. Bekanntlich sind aber dem Fürsten Bismarck die Zinsen
der den vertriebenen Fürsten einbehaltenen Gelder zu Preß- und politischen Zwecken
zur Verfügung gestellt, und außerdem erfreut sich der Reichskanzler noch sehr be-
trächtlicher Dispositionsfonds für ähnliche Zwecke, so daß also in Wirklichkeit die
officiöse Preßthätigkeit denn doch sich ungleich weiter ausdehnt als der Minister
glauben machen will.


Aus Reichenbach wird gemeldet daß vom königl.
Consistorium der Provinz Schlesien über die beiden Pastoren König und Lauter-
bach daselbst die Amtsentsetzung verhängt worden sei. Es steht denselben hiege-
gen eine vierwöchige Recursfrist zu. Es handelt sich um einen Gesangbuchstreit.
Die Bedeutung dieses Streites ist, wie jüngst in einem Leitartikel der "Schles.
Ztg." bemerkt wurde, größer geworden als die Veranlassung desselben voraus-
setzen ließ, denn es wird in demselben die allgemeine Frage zum Austrag gebracht
werden müssen, welche schon in den sehr würdig gehaltenen Erklärungen der beiden
suspendirten Geistlichen König und Lauterbach aufgeworfen wurde: inwieweit die
Staatsbehörde berechtigt ist einseitige und von der Gemeinde nicht acceptirte Maß-
regeln rücksichtlich der Einrichtung und äußeren Feier des Gottesdienstes durchzu-
führen; und diese Frage führte zu der allgemeinen: ob und welche Bedeutung der
Art. 15 der Verfassung hat, daß die evangelische und die katholische Kirche ihre An-
gelegenheiten selbständig ordnen und verwalten.


Nach einer Mittheilung des "Frankfurter
Journal" soll Director Vogtherr vor einigen Tagen aus Gesundheitsrücksichten
sein Mandat als Landtagsabgeordneter niedergelegt haben. -- In der heutigen
Sitzung des Appellhofes wurde das Urtheil der zweiten Instanz in Sachen der
Staatsanwaltschaft gegen Hrn. Voget verkündet. In beiden Sachen wurde das
Urtheil der ersten Instanz bestätigt. Der Angeklagte ist somit von dem Vergehen
gegen §. 131, wie von der wegen des Manteuffel-Artikels erhobenen Majestätsbe-
leidigung freigesprochen worden.


werden wir um Aufnahme folgender Be-
richtigung ersucht: "In Nr. 11 der "Allg. Ztg." wird (in einer Correspondenz
aus Berlin) behauptet: die "Neue Hannover'sche Zeitung" in Hannover habe
kaum zweihundert Abonnenten. Dieß ist unwahr. Die Zahl der Abonnen-
ten beträgt nicht Zweihundert, sondern über Zwölfhundert, auch hat seit 1868
die Zahl der Privatabonnenten nicht ab-, sondern zugenommen, und zwar fast jedes
Quartal. Verloren hat die "N. H. Z." nur diejenigen Abonnenten welche zu
hannover'scher Zeit die Behörden aus Staats- oder Bureausfonds gehalten
hatten, weil die Röthigung dazu und die Vergütung dafür unter preußischer Re-
gierung weggefallen ist.

Oesterreichisch-ungarische Monarchie.

Der Adreßentwurf des Herrenhauses
wird von den Blättern der Verfassungspartei eben so beifällig begrüßt wie von
denen der Tschechen und Föderalisten böswillig glossir[verlorenes Material - 1 Zeichen fehlt] Im Abgeordnetenhause
wird die Adreßdebatte morgen schon beginnen; bei der Generaldebatte beabsichtigen
die Polen ihre bereits im Ausschusse abgegebene Erklärung zu wiederholen: daß sie
die auf Galizien sich beziehende Stelle der Thronrede zwar freudig begrüßen, aber
dem Ministerium nicht eher ihr Vertrauen schenken zu dürfen glauben bis sie
die betreffenden Vorlagen kennen. Uebrigens werden die Polen für die Adresse
[Spaltenumbruch] stimmen. Die Slovenen haben sich entschlossen in der morgigen Sitzung zu er-
scheinen, ebenso die Tiroler, mit alleiniger Ausnahme des Oberlandesgerichtsrathes
Frhrn. v. Giovanelli. Die einzelnen Fractionen der Opposition scheinen die Fühlung
unter einander verloren zu haben.

Ueber die vom Grafen Andrassy weiter beabsichtigten Personaländerungen
im diplomatischen Corps weiß der "Pester Lloyd" folgendes zu berichten. Graf
Paar (Dresden) und Graf Walterskirchen (Stuttgart) sollen zunächst eine andere
Bestimmung erhalten, und zwar an zwei nordischen Höfen. Zu Minister-Residenten
in Dresden und Stuttgart werden jüngere Mitglieder des diplomatischen Corps
befördert werden, und man nennt als solche besonders den Legationsrath v. Francken-
stein, der in der Zwischenzeit von Graf Chotek bis zur Ernennung des Generals
v. Langenau in St. Petersburg Geschäftsträger war, und Hrn. v. Pfusterschmid, der
die Gesandtschaft in Karlsruhe eine Zeitlang leitete. Auch der seit der Beförde-
rung des Frhrn. v. Langenau bestehenden Vacanz im Haag wird bei diesem An-
laß ein Ende gemacht werden und für diesen Posten ist angeblich Hr. v. Haymerle,
zuletzt Gesandter in Athen, designirt, der seinerseits auf seinem bisherigen Platze
durch den früheren Generalconsul in Bukarest, Frhrn. v. Pottenburg, ersetzt wer-
den soll.

Nach einem Wiener Telegramm im "Prager Abendblatt" soll die Ueber-
nahme des Finanzministeriums durch Dr. Brestel nunmehr ganz sicher sein.

Aus Ungarn kommt eine bemerkenswerthe Nachricht. Es wird nämlich
einer kürzlich bei Gelegenheit der Eröffnung des katholisch-politischen Casino's in
Preßburg vom Grafen Apponyi gehaltenen Rede, in welcher dieser die Bildung einer
katholischen Partei im ungarischen Reichstage, respective die Agitation zu Gunsten der
Wahl von gut katholischen Abgeordneten, empfiehlt, in deakistischen Kreisen eine
größere Bedeutung beigemessen. Wie verlautet, soll es bei diesem einzelnen Ver-
suche noch nicht sein Bewenden haben. Die Altconservativen und die Ultramontanen
wollen eine um so größere Agitation entwickeln, als sie Grund haben anzunehmen
daß in der nächsten fünfjährigen Legislatur-Periode im ungarischen Reichstag
wichtige interconfessionelle Gesetze werden verhandelt werden.


Ist es Courtoisie, ist es Berechnung -- genug das
Herrenhaus hat in der Adresse dem Abgeordnetenhause die Priorität gelassen: erst
heut ist der -- wie seit Jahren, so auch dießmal -- vom Grafen Anton Auersperg
(Anastasius Grün) gearbeitete Adreßentwurf der Pairs an die Oeffentlichkeit ge-
treten. Er bildet keinen Gegensatz zu der Adresse des andern Hauses, er ergänzt
sie, präcisirt sie nur; doch fehlt es auch an leichten Correcturen nicht. Die Ver-
urtheilung der Experimente des Cabinets Hohenwart ist eben so scharf, vielleicht
noch schärfer; doch ist der docirende Abhandlungston in welchem der concurrirende
Entwurf sich gefallen mit Glück vermieden. Was die Wahlreform betrifft, so ist
deren Dringlichkeit in weit höherem Grade betont, und dem vom Abgeordnetenhause
ganz ignorirten Nothwahlgesetz nur eine sehr zweifelhafte Berechtigung zuerkannt,
die Reform endlich außerhalb jeder Verbindung mit der galizischen Frage gesetzt,
und diese Frage, ohne daß ihrer speciell gedacht würde, mit der entschieden centrali-
stischen Erklärung abgethan: daß den berechtigten Eigenthümlichkeiten der einzelnen
Nationalitäten schon jetzt genügende Rechnung getragen worden, und daß noch
weitergehende Zugeständnisse nur in voller Würdigung der Anforderungen des
Gesammtstaates zu prüfen sein würden. Ein leises Mißtrauen endlich blickt aus
der Wendung heraus mit welcher für die Consolidirung der Verfassungszustände vor
allem die "unabgewendete" schützende Huld des Kaisers erbeten wird. -- Graf Andrassy
trägt sich, wie die Blätter melden, mit der Absicht: erstens die Rothbuch-Publicationen
ganz fallen zu lassen oder, wie die Mittheilung im Wortlaute gefaßt ist, vom Roth-
buch nur den Umschlag beizubehalten, und zweitens den starken Apparat seines
Preßbureau's auf die bescheidensten Dimensionen zurückzuführen. -- Der Vater
des österreichischen Rothbuches ist bekanntlich Graf Beust, von welchem heute das
allerdings wenig verläßliche "Vaterland" zu erzählen weiß daß Hr. v. Hoffmann
nach Salzburg entsendet sei, um seinen früheren Chef zu verständigen daß er in
Wien von niemandem -- erwartet werde.


Erst die Praxis hat gelehrt wie viel an unseren so-
genannten interconfessionellen Gesetzen noch widersinnig, wie viel abänderungs-
bedürftig ist. Zum Beweise nur ein Beispiel. Wiederholt wurden schon die hier
lebenden confessionslosen Eltern des 11 Jahre alten Schülers Johann Pogotz von
Seiten der Schuldirection aufgefordert, ihren Sohn am katholischen Religions-
unterricht theilnehmen zu lassen; es sei derselbe nämlich, zur Zeit als die Eltern
aus der katholischen Kirche austraten, schon über sieben Jahre alt gewesen, und
habe daher mindestens bis zum vollendeten 14. Lebensjahre in der katholischen
Kirche zu verbleiben. Die Eltern leisteten den Aufforderungen jedoch keine Folge,
so daß die Schuldirection darüber die Anzeige an den Stadtschulrath erstatten
mußte. Dieser befand sich in einer eigenthümlichen Lage. Er konnte der Ueber-
zeugung sich nicht verschließen daß es widersinnig und schädlich für die Zukunft
des Knaben sei, wenn man ihn gegen den Willen der Eltern zur Theilnahme an
dem Religionsunterricht einer Confession zwinge, der jene nicht mehr angehöre.
Doch ist der Wortlaut des Gesetzes allzu deutlich, und der Stadtschulrath mußte
den Eltern des Kindes neuerlich bedeuten daß sie bestraft und ihr Sohn zwangs-
weise zur Schule gebracht werden müßte, wenn er nicht binnen drei Tagen in der
katholischen Religionsstunde erscheine. Zugleich wandte sich aber der Stadtschul-
rath an den Landesschulrath, und bat diesen allen Einfluß aufzuwenden damit
derlei Ungereimtheiten endlich aus dem Gesetz entfernt werden mögen.

Großbritanuien.

* Auch Hr. John Pakington hat sich gestern in einer sehr tristen Rede in
Rochdale den Conservativen gegenüber ausgelassen, in Ausdrücken, welche die
"Times" nicht umhin kann mit einiger Ironie zu besprechen, da sie sich von tiefem
Mitleid mit dem Schicksal eines so würdigen Mannes ergriffen sieht. Freilich haben
wenige das Recht sich so mit der conservativen Partei zu identificiren wie Sir John
und es ist daher nicht unmöglich daß seine Gefühle über das Scheitern ihrer Hoff-
nungen in Wahrheit einen persönlichen Charakter angenommen haben. Er stellt
die Conservativen und sich selbst als Leute dar welche in ewigem Kampfe begriffen
sind mit einem grauenhaften Fatum, das in der Gestalt der Regierung über ihnen
schwebt. Dann bespricht er die innere Politik der letzten drei Jahre mit ebenso
viel Demuth wie Entschiedenheit, "und da steht er denn nicht an zu sagen:" daß die
Regierung in ihrer Verwaltung der maritimen Angelegenheiten ebenso sehr durch
confuse Anordnungen wie durch Malheur sich ausgezeichnet hat. Und nun die ge-

[Spaltenumbruch] die in erſter Linie die Gemeinden und dann die Landarmenverbände zur Unterſtätzung
heranziehe, keine Lücke laſſe in die der Staat einzutreten habe. Abg. Hahn empfiehlt
die Ablehnung des Antrags. Der Fonds werde vorzugsweiſe zur Unterſtützung ver-
ſchämter Armen verwendet, die man durch eine Verweiſung an den Ortsarmenverband
beleidigen würde. Regierungscommiſſär Wulfshein bemerkt: daß mittelſt dieſes
Fonds bei bedürftigen Perſonen gerade dem Zuſtande vorgebeugt werden ſolle der ſie
zu Almoſennehmern qualificirt; es ſei dieß gewiſſermaßen ein Beitrag zur Löſung der
ſocialen Frage. Die aus dem ꝛc. Fonds gewährten Unterſtützungen betrügen in der
Regel 10 bis 20 Thaler. Ein Antrag auf Schluß der Discuſſion wird angenommen.
In der hierauf erfolgenden Abſtimmung wird der Rickert’ſche Antrag abgelehnt. Bei
den einmaligen und außerordentlichen Ausgaben desſelben Etats, zu Tit. 2
(für das ſtatiſtiſche Bureau, Koſten zur ſtatiſtiſchen Verarbeitung des bei der Volkszäh-
zählung des Jahrs 1871 gewonnenen Materials 68,600 Thlr.) conſtatirt der Abgeord-
nete Schmidt (Stettin) den günſtigen Erfolg der bei der letzten Volkszählung angewen-
deten neuen Zählmethode, die zugleich, gegenüber den Koſten der Zählung in andern
Ländern, die bei weitem billigſte ſei und einen Triumph der ſtatiſtiſchen Wiſſen-
ſchaft bilde. Er bitte deßhalb die Poſition zu bewilligen, was auch mit großer Mehrheit
geſchieht. Hiemit iſt der Etat des Miniſteriums des Innern erledigt, und das Haus
vertagt ſich gegen 4 Uhr bis Sonnabend 11 Uhr. (Tagesordnung: Etat des Handels-
miniſteriums.)


Der vorgeſtern vom Abgeordnetenhauſe gefaßte
Beſchluß wegen Einſchränkung der kgl. Polizeiverwaltung in verſchiedenen größern
Städten der Monarchie, ſowie wegen Uebertragung einzelner Zweige der Polizei-
verwaltung an die Berliner Gemeinde wird von der Regierung nicht acceptirt wer-
den. Darüber kann wenigſtens angeſichts der von miniſterieller Seite abgegebenen
Erklärungen ein Zweifel nicht beſtehen. Auch die „N. A. Z.“ ſpricht ſich heute
principiell mit aller Entſchiedenheit gegen jenen Beſchluß aus. Nach ihrer Dar-
legung iſt die Polizei im modernen Staat ein Ausfluß der Staatshoheit; die
Städte üben die Polizei nicht mehr kraft eigenen Rechts, ſondern kraft Bewilligung
der Staatsgewalt; eine Rückübertragung des Staatshoheitrechts auf die Gemein-
den wäre ein Zurückfallen in die mittelalterliche Zeit, in jene Zeit welche der ſchar-
fen Ausprägung der Staatsideen vorangegangen. Was von Seiten der liberalen
Parteien zu Gunſten der Handhabung der Polizei durch die Gemeindeverwaltungen
geltend gemacht worden, iſt im übrigen wenig geeignet ihre Vorzüge vor könig-
lichen Polizeiverwaltungen erkennen zu laſſen. Im Gegentheil wird die königliche
Polizeiverwaltung immer vor der Gemeinde-Polizeiverwaltung den Vorzug größe-
rer Entſchiedenheit voraus haben, da der Gemeindebeamte, der bekanntlich nur auf
Zeit gewählt iſt, immer mehr Rückſichten auf die Wähler zu nehmen hat als der
feſt angeſtellte Staatsdiener auf die Gemeinde-Angehörigen. — In der heutigen
Sitzung des Abgeordnetenhauſes brachte Neichenſperger die Frage wegen der offi-
ciöſen Preſſe wieder zur Sprache. Die Antwort welche der Miniſter des Innern
darauf ertheilte, bewies daß Hr. Duncker vollkommen Recht hatte wenn er meinte:
daß die Worte des Hrn. Neichenſperger nicht an der richtigen Stelle angebracht
ſeien. Der preußiſchen Regierung als ſolcher ſind nach dieſer Richtung hin die Flü-
gel allerdings längſt ſo ſtark beſchnitten, daß der Miniſter des Innern mit einem
gewiſſen Recht behaupten konnte: nur über ein einziges officiöſes Organ, die „Prov.
Correſp.,“ zu verfügen. Bekanntlich ſind aber dem Fürſten Bismarck die Zinſen
der den vertriebenen Fürſten einbehaltenen Gelder zu Preß- und politiſchen Zwecken
zur Verfügung geſtellt, und außerdem erfreut ſich der Reichskanzler noch ſehr be-
trächtlicher Dispoſitionsfonds für ähnliche Zwecke, ſo daß alſo in Wirklichkeit die
officiöſe Preßthätigkeit denn doch ſich ungleich weiter ausdehnt als der Miniſter
glauben machen will.


Aus Reichenbach wird gemeldet daß vom königl.
Conſiſtorium der Provinz Schleſien über die beiden Paſtoren König und Lauter-
bach daſelbſt die Amtsentſetzung verhängt worden ſei. Es ſteht denſelben hiege-
gen eine vierwöchige Recursfriſt zu. Es handelt ſich um einen Geſangbuchſtreit.
Die Bedeutung dieſes Streites iſt, wie jüngſt in einem Leitartikel der „Schleſ.
Ztg.“ bemerkt wurde, größer geworden als die Veranlaſſung desſelben voraus-
ſetzen ließ, denn es wird in demſelben die allgemeine Frage zum Austrag gebracht
werden müſſen, welche ſchon in den ſehr würdig gehaltenen Erklärungen der beiden
ſuspendirten Geiſtlichen König und Lauterbach aufgeworfen wurde: inwieweit die
Staatsbehörde berechtigt iſt einſeitige und von der Gemeinde nicht acceptirte Maß-
regeln rückſichtlich der Einrichtung und äußeren Feier des Gottesdienſtes durchzu-
führen; und dieſe Frage führte zu der allgemeinen: ob und welche Bedeutung der
Art. 15 der Verfaſſung hat, daß die evangeliſche und die katholiſche Kirche ihre An-
gelegenheiten ſelbſtändig ordnen und verwalten.


Nach einer Mittheilung des „Frankfurter
Journal“ ſoll Director Vogtherr vor einigen Tagen aus Geſundheitsrückſichten
ſein Mandat als Landtagsabgeordneter niedergelegt haben. — In der heutigen
Sitzung des Appellhofes wurde das Urtheil der zweiten Inſtanz in Sachen der
Staatsanwaltſchaft gegen Hrn. Voget verkündet. In beiden Sachen wurde das
Urtheil der erſten Inſtanz beſtätigt. Der Angeklagte iſt ſomit von dem Vergehen
gegen §. 131, wie von der wegen des Manteuffel-Artikels erhobenen Majeſtätsbe-
leidigung freigeſprochen worden.


werden wir um Aufnahme folgender Be-
richtigung erſucht: „In Nr. 11 der „Allg. Ztg.“ wird (in einer Correſpondenz
aus Berlin) behauptet: die „Neue Hannover’ſche Zeitung“ in Hannover habe
kaum zweihundert Abonnenten. Dieß iſt unwahr. Die Zahl der Abonnen-
ten beträgt nicht Zweihundert, ſondern über Zwölfhundert, auch hat ſeit 1868
die Zahl der Privatabonnenten nicht ab-, ſondern zugenommen, und zwar faſt jedes
Quartal. Verloren hat die „N. H. Z.“ nur diejenigen Abonnenten welche zu
hannover’ſcher Zeit die Behörden aus Staats- oder Bureausfonds gehalten
hatten, weil die Röthigung dazu und die Vergütung dafür unter preußiſcher Re-
gierung weggefallen iſt.

Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie.

Der Adreßentwurf des Herrenhauſes
wird von den Blättern der Verfaſſungspartei eben ſo beifällig begrüßt wie von
denen der Tſchechen und Föderaliſten böswillig gloſſir[verlorenes Material – 1 Zeichen fehlt] Im Abgeordnetenhauſe
wird die Adreßdebatte morgen ſchon beginnen; bei der Generaldebatte beabſichtigen
die Polen ihre bereits im Ausſchuſſe abgegebene Erklärung zu wiederholen: daß ſie
die auf Galizien ſich beziehende Stelle der Thronrede zwar freudig begrüßen, aber
dem Miniſterium nicht eher ihr Vertrauen ſchenken zu dürfen glauben bis ſie
die betreffenden Vorlagen kennen. Uebrigens werden die Polen für die Adreſſe
[Spaltenumbruch] ſtimmen. Die Slovenen haben ſich entſchloſſen in der morgigen Sitzung zu er-
ſcheinen, ebenſo die Tiroler, mit alleiniger Ausnahme des Oberlandesgerichtsrathes
Frhrn. v. Giovanelli. Die einzelnen Fractionen der Oppoſition ſcheinen die Fühlung
unter einander verloren zu haben.

Ueber die vom Grafen Andraſſy weiter beabſichtigten Perſonaländerungen
im diplomatiſchen Corps weiß der „Peſter Lloyd“ folgendes zu berichten. Graf
Paar (Dresden) und Graf Walterskirchen (Stuttgart) ſollen zunächſt eine andere
Beſtimmung erhalten, und zwar an zwei nordiſchen Höfen. Zu Miniſter-Reſidenten
in Dresden und Stuttgart werden jüngere Mitglieder des diplomatiſchen Corps
befördert werden, und man nennt als ſolche beſonders den Legationsrath v. Francken-
ſtein, der in der Zwiſchenzeit von Graf Chotek bis zur Ernennung des Generals
v. Langenau in St. Petersburg Geſchäftsträger war, und Hrn. v. Pfuſterſchmid, der
die Geſandtſchaft in Karlsruhe eine Zeitlang leitete. Auch der ſeit der Beförde-
rung des Frhrn. v. Langenau beſtehenden Vacanz im Haag wird bei dieſem An-
laß ein Ende gemacht werden und für dieſen Poſten iſt angeblich Hr. v. Haymerle,
zuletzt Geſandter in Athen, deſignirt, der ſeinerſeits auf ſeinem bisherigen Platze
durch den früheren Generalconſul in Bukareſt, Frhrn. v. Pottenburg, erſetzt wer-
den ſoll.

Nach einem Wiener Telegramm im „Prager Abendblatt“ ſoll die Ueber-
nahme des Finanzminiſteriums durch Dr. Breſtel nunmehr ganz ſicher ſein.

Aus Ungarn kommt eine bemerkenswerthe Nachricht. Es wird nämlich
einer kürzlich bei Gelegenheit der Eröffnung des katholiſch-politiſchen Caſino’s in
Preßburg vom Grafen Apponyi gehaltenen Rede, in welcher dieſer die Bildung einer
katholiſchen Partei im ungariſchen Reichstage, reſpective die Agitation zu Gunſten der
Wahl von gut katholiſchen Abgeordneten, empfiehlt, in deakiſtiſchen Kreiſen eine
größere Bedeutung beigemeſſen. Wie verlautet, ſoll es bei dieſem einzelnen Ver-
ſuche noch nicht ſein Bewenden haben. Die Altconſervativen und die Ultramontanen
wollen eine um ſo größere Agitation entwickeln, als ſie Grund haben anzunehmen
daß in der nächſten fünfjährigen Legislatur-Periode im ungariſchen Reichstag
wichtige interconfeſſionelle Geſetze werden verhandelt werden.


Iſt es Courtoiſie, iſt es Berechnung — genug das
Herrenhaus hat in der Adreſſe dem Abgeordnetenhauſe die Priorität gelaſſen: erſt
heut iſt der — wie ſeit Jahren, ſo auch dießmal — vom Grafen Anton Auersperg
(Anaſtaſius Grün) gearbeitete Adreßentwurf der Pairs an die Oeffentlichkeit ge-
treten. Er bildet keinen Gegenſatz zu der Adreſſe des andern Hauſes, er ergänzt
ſie, präciſirt ſie nur; doch fehlt es auch an leichten Correcturen nicht. Die Ver-
urtheilung der Experimente des Cabinets Hohenwart iſt eben ſo ſcharf, vielleicht
noch ſchärfer; doch iſt der docirende Abhandlungston in welchem der concurrirende
Entwurf ſich gefallen mit Glück vermieden. Was die Wahlreform betrifft, ſo iſt
deren Dringlichkeit in weit höherem Grade betont, und dem vom Abgeordnetenhauſe
ganz ignorirten Nothwahlgeſetz nur eine ſehr zweifelhafte Berechtigung zuerkannt,
die Reform endlich außerhalb jeder Verbindung mit der galiziſchen Frage geſetzt,
und dieſe Frage, ohne daß ihrer ſpeciell gedacht würde, mit der entſchieden centrali-
ſtiſchen Erklärung abgethan: daß den berechtigten Eigenthümlichkeiten der einzelnen
Nationalitäten ſchon jetzt genügende Rechnung getragen worden, und daß noch
weitergehende Zugeſtändniſſe nur in voller Würdigung der Anforderungen des
Geſammtſtaates zu prüfen ſein würden. Ein leiſes Mißtrauen endlich blickt aus
der Wendung heraus mit welcher für die Conſolidirung der Verfaſſungszuſtände vor
allem die „unabgewendete“ ſchützende Huld des Kaiſers erbeten wird. — Graf Andraſſy
trägt ſich, wie die Blätter melden, mit der Abſicht: erſtens die Rothbuch-Publicationen
ganz fallen zu laſſen oder, wie die Mittheilung im Wortlaute gefaßt iſt, vom Roth-
buch nur den Umſchlag beizubehalten, und zweitens den ſtarken Apparat ſeines
Preßbureau’s auf die beſcheidenſten Dimenſionen zurückzuführen. — Der Vater
des öſterreichiſchen Rothbuches iſt bekanntlich Graf Beuſt, von welchem heute das
allerdings wenig verläßliche „Vaterland“ zu erzählen weiß daß Hr. v. Hoffmann
nach Salzburg entſendet ſei, um ſeinen früheren Chef zu verſtändigen daß er in
Wien von niemandem — erwartet werde.


Erſt die Praxis hat gelehrt wie viel an unſeren ſo-
genannten interconfeſſionellen Geſetzen noch widerſinnig, wie viel abänderungs-
bedürftig iſt. Zum Beweiſe nur ein Beiſpiel. Wiederholt wurden ſchon die hier
lebenden confeſſionsloſen Eltern des 11 Jahre alten Schülers Johann Pogotz von
Seiten der Schuldirection aufgefordert, ihren Sohn am katholiſchen Religions-
unterricht theilnehmen zu laſſen; es ſei derſelbe nämlich, zur Zeit als die Eltern
aus der katholiſchen Kirche austraten, ſchon über ſieben Jahre alt geweſen, und
habe daher mindeſtens bis zum vollendeten 14. Lebensjahre in der katholiſchen
Kirche zu verbleiben. Die Eltern leiſteten den Aufforderungen jedoch keine Folge,
ſo daß die Schuldirection darüber die Anzeige an den Stadtſchulrath erſtatten
mußte. Dieſer befand ſich in einer eigenthümlichen Lage. Er konnte der Ueber-
zeugung ſich nicht verſchließen daß es widerſinnig und ſchädlich für die Zukunft
des Knaben ſei, wenn man ihn gegen den Willen der Eltern zur Theilnahme an
dem Religionsunterricht einer Confeſſion zwinge, der jene nicht mehr angehöre.
Doch iſt der Wortlaut des Geſetzes allzu deutlich, und der Stadtſchulrath mußte
den Eltern des Kindes neuerlich bedeuten daß ſie beſtraft und ihr Sohn zwangs-
weiſe zur Schule gebracht werden müßte, wenn er nicht binnen drei Tagen in der
katholiſchen Religionsſtunde erſcheine. Zugleich wandte ſich aber der Stadtſchul-
rath an den Landesſchulrath, und bat dieſen allen Einfluß aufzuwenden damit
derlei Ungereimtheiten endlich aus dem Geſetz entfernt werden mögen.

Großbritanuien.

* Auch Hr. John Pakington hat ſich geſtern in einer ſehr triſten Rede in
Rochdale den Conſervativen gegenüber ausgelaſſen, in Ausdrücken, welche die
„Times“ nicht umhin kann mit einiger Ironie zu beſprechen, da ſie ſich von tiefem
Mitleid mit dem Schickſal eines ſo würdigen Mannes ergriffen ſieht. Freilich haben
wenige das Recht ſich ſo mit der conſervativen Partei zu identificiren wie Sir John
und es iſt daher nicht unmöglich daß ſeine Gefühle über das Scheitern ihrer Hoff-
nungen in Wahrheit einen perſönlichen Charakter angenommen haben. Er ſtellt
die Conſervativen und ſich ſelbſt als Leute dar welche in ewigem Kampfe begriffen
ſind mit einem grauenhaften Fatum, das in der Geſtalt der Regierung über ihnen
ſchwebt. Dann beſpricht er die innere Politik der letzten drei Jahre mit ebenſo
viel Demuth wie Entſchiedenheit, „und da ſteht er denn nicht an zu ſagen:“ daß die
Regierung in ihrer Verwaltung der maritimen Angelegenheiten ebenſo ſehr durch
confuſe Anordnungen wie durch Malheur ſich ausgezeichnet hat. Und nun die ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <div n="2">
          <div type="jArticle" n="3">
            <p><pb facs="#f0004" n="[196]"/><cb/>
die in er&#x017F;ter Linie die Gemeinden und dann die Landarmenverbände zur Unter&#x017F;tätzung<lb/>
heranziehe, keine Lücke la&#x017F;&#x017F;e in die der Staat einzutreten habe. Abg. <hi rendition="#g">Hahn</hi> empfiehlt<lb/>
die Ablehnung des Antrags. Der Fonds werde vorzugswei&#x017F;e zur Unter&#x017F;tützung ver-<lb/>
&#x017F;chämter Armen verwendet, die man durch eine Verwei&#x017F;ung an den Ortsarmenverband<lb/>
beleidigen würde. Regierungscommi&#x017F;&#x017F;är <hi rendition="#g">Wulfshein</hi> bemerkt: daß mittel&#x017F;t die&#x017F;es<lb/>
Fonds bei bedürftigen Per&#x017F;onen gerade dem Zu&#x017F;tande vorgebeugt werden &#x017F;olle der &#x017F;ie<lb/>
zu Almo&#x017F;ennehmern qualificirt; es &#x017F;ei dieß gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen ein Beitrag zur Lö&#x017F;ung der<lb/>
&#x017F;ocialen Frage. Die aus dem &#xA75B;c. Fonds gewährten Unter&#x017F;tützungen betrügen in der<lb/>
Regel 10 bis 20 Thaler. Ein Antrag auf Schluß der Discu&#x017F;&#x017F;ion wird angenommen.<lb/>
In der hierauf erfolgenden Ab&#x017F;timmung wird der Rickert&#x2019;&#x017F;che Antrag abgelehnt. Bei<lb/>
den <hi rendition="#g">einmaligen</hi> und <hi rendition="#g">außerordentlichen</hi> Ausgaben des&#x017F;elben Etats, zu Tit. 2<lb/>
(für das &#x017F;tati&#x017F;ti&#x017F;che Bureau, Ko&#x017F;ten zur &#x017F;tati&#x017F;ti&#x017F;chen Verarbeitung des bei der Volkszäh-<lb/>
zählung des Jahrs 1871 gewonnenen Materials 68,600 Thlr.) con&#x017F;tatirt der Abgeord-<lb/>
nete <hi rendition="#g">Schmidt</hi> (Stettin) den gün&#x017F;tigen Erfolg der bei der letzten Volkszählung angewen-<lb/>
deten neuen Zählmethode, die zugleich, gegenüber den Ko&#x017F;ten der Zählung in andern<lb/>
Ländern, die bei weitem billig&#x017F;te &#x017F;ei und einen Triumph der &#x017F;tati&#x017F;ti&#x017F;chen Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaft bilde. Er bitte deßhalb die Po&#x017F;ition zu bewilligen, was auch mit großer Mehrheit<lb/>
ge&#x017F;chieht. Hiemit i&#x017F;t der Etat des Mini&#x017F;teriums des Innern erledigt, und das Haus<lb/>
vertagt &#x017F;ich gegen 4 Uhr bis Sonnabend 11 Uhr. (Tagesordnung: Etat des Handels-<lb/>
mini&#x017F;teriums.)</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline>(&#x2014;) <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/>
            <p>Der vorge&#x017F;tern vom Abgeordnetenhau&#x017F;e gefaßte<lb/>
Be&#x017F;chluß wegen Ein&#x017F;chränkung der kgl. Polizeiverwaltung in ver&#x017F;chiedenen größern<lb/>
Städten der Monarchie, &#x017F;owie wegen Uebertragung einzelner Zweige der Polizei-<lb/>
verwaltung an die Berliner Gemeinde wird von der Regierung nicht acceptirt wer-<lb/>
den. Darüber kann wenig&#x017F;tens ange&#x017F;ichts der von mini&#x017F;terieller Seite abgegebenen<lb/>
Erklärungen ein Zweifel nicht be&#x017F;tehen. Auch die &#x201E;N. A. Z.&#x201C; &#x017F;pricht &#x017F;ich heute<lb/>
principiell mit aller Ent&#x017F;chiedenheit gegen jenen Be&#x017F;chluß aus. Nach ihrer Dar-<lb/>
legung i&#x017F;t die Polizei im modernen Staat ein Ausfluß der Staatshoheit; die<lb/>
Städte üben die Polizei nicht mehr kraft eigenen Rechts, &#x017F;ondern kraft Bewilligung<lb/>
der Staatsgewalt; eine Rückübertragung des Staatshoheitrechts auf die Gemein-<lb/>
den wäre ein Zurückfallen in die mittelalterliche Zeit, in jene Zeit welche der &#x017F;char-<lb/>
fen Ausprägung der Staatsideen vorangegangen. Was von Seiten der liberalen<lb/>
Parteien zu Gun&#x017F;ten der Handhabung der Polizei durch die Gemeindeverwaltungen<lb/>
geltend gemacht worden, i&#x017F;t im übrigen wenig geeignet ihre Vorzüge vor könig-<lb/>
lichen Polizeiverwaltungen erkennen zu la&#x017F;&#x017F;en. Im Gegentheil wird die königliche<lb/>
Polizeiverwaltung immer vor der Gemeinde-Polizeiverwaltung den Vorzug größe-<lb/>
rer Ent&#x017F;chiedenheit voraus haben, da der Gemeindebeamte, der bekanntlich nur auf<lb/>
Zeit gewählt i&#x017F;t, immer mehr Rück&#x017F;ichten auf die Wähler zu nehmen hat als der<lb/>
fe&#x017F;t ange&#x017F;tellte Staatsdiener auf die Gemeinde-Angehörigen. &#x2014; In der heutigen<lb/>
Sitzung des Abgeordnetenhau&#x017F;es brachte Neichen&#x017F;perger die Frage wegen der offi-<lb/>
ciö&#x017F;en Pre&#x017F;&#x017F;e wieder zur Sprache. Die Antwort welche der Mini&#x017F;ter des Innern<lb/>
darauf ertheilte, bewies daß Hr. Duncker vollkommen Recht hatte wenn er meinte:<lb/>
daß die Worte des Hrn. Neichen&#x017F;perger nicht an der richtigen Stelle angebracht<lb/>
&#x017F;eien. Der preußi&#x017F;chen Regierung als &#x017F;olcher &#x017F;ind nach die&#x017F;er Richtung hin die Flü-<lb/>
gel allerdings läng&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;tark be&#x017F;chnitten, daß der Mini&#x017F;ter des Innern mit einem<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Recht behaupten konnte: nur über ein einziges officiö&#x017F;es Organ, die &#x201E;Prov.<lb/>
Corre&#x017F;p.,&#x201C; zu verfügen. Bekanntlich &#x017F;ind aber dem Für&#x017F;ten Bismarck die Zin&#x017F;en<lb/>
der den vertriebenen Für&#x017F;ten einbehaltenen Gelder zu Preß- und politi&#x017F;chen Zwecken<lb/>
zur Verfügung ge&#x017F;tellt, und außerdem erfreut &#x017F;ich der Reichskanzler noch &#x017F;ehr be-<lb/>
trächtlicher Dispo&#x017F;itionsfonds für ähnliche Zwecke, &#x017F;o daß al&#x017F;o in Wirklichkeit die<lb/>
officiö&#x017F;e Preßthätigkeit denn doch &#x017F;ich ungleich weiter ausdehnt als der Mini&#x017F;ter<lb/>
glauben machen will.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline>* <hi rendition="#b">Breslau,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/>
            <p>Aus Reichenbach wird gemeldet daß vom königl.<lb/>
Con&#x017F;i&#x017F;torium der Provinz Schle&#x017F;ien über die beiden Pa&#x017F;toren König und Lauter-<lb/>
bach da&#x017F;elb&#x017F;t die Amtsent&#x017F;etzung verhängt worden &#x017F;ei. Es &#x017F;teht den&#x017F;elben hiege-<lb/>
gen eine vierwöchige Recursfri&#x017F;t zu. Es handelt &#x017F;ich um einen Ge&#x017F;angbuch&#x017F;treit.<lb/>
Die Bedeutung die&#x017F;es Streites i&#x017F;t, wie jüng&#x017F;t in einem Leitartikel der &#x201E;Schle&#x017F;.<lb/>
Ztg.&#x201C; bemerkt wurde, größer geworden als die Veranla&#x017F;&#x017F;ung des&#x017F;elben voraus-<lb/>
&#x017F;etzen ließ, denn es wird in dem&#x017F;elben die allgemeine Frage zum Austrag gebracht<lb/>
werden mü&#x017F;&#x017F;en, welche &#x017F;chon in den &#x017F;ehr würdig gehaltenen Erklärungen der beiden<lb/>
&#x017F;uspendirten Gei&#x017F;tlichen König und Lauterbach aufgeworfen wurde: inwieweit die<lb/>
Staatsbehörde berechtigt i&#x017F;t ein&#x017F;eitige und von der Gemeinde nicht acceptirte Maß-<lb/>
regeln rück&#x017F;ichtlich der Einrichtung und äußeren Feier des Gottesdien&#x017F;tes durchzu-<lb/>
führen; und die&#x017F;e Frage führte zu der allgemeinen: ob und welche Bedeutung der<lb/>
Art. 15 der Verfa&#x017F;&#x017F;ung hat, daß die evangeli&#x017F;che und die katholi&#x017F;che Kirche ihre An-<lb/>
gelegenheiten &#x017F;elb&#x017F;tändig ordnen und verwalten.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline><hi rendition="#b">Fraukfurt a. M.,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/>
            <p>Nach einer Mittheilung des &#x201E;Frankfurter<lb/>
Journal&#x201C; &#x017F;oll Director Vogtherr vor einigen Tagen aus Ge&#x017F;undheitsrück&#x017F;ichten<lb/>
&#x017F;ein Mandat als Landtagsabgeordneter niedergelegt haben. &#x2014; In der heutigen<lb/>
Sitzung des Appellhofes wurde das Urtheil der zweiten In&#x017F;tanz in Sachen der<lb/>
Staatsanwalt&#x017F;chaft gegen Hrn. Voget verkündet. In beiden Sachen wurde das<lb/>
Urtheil der er&#x017F;ten In&#x017F;tanz be&#x017F;tätigt. Der Angeklagte i&#x017F;t &#x017F;omit von dem Vergehen<lb/>
gegen §. 131, wie von der wegen des Manteuffel-Artikels erhobenen Maje&#x017F;tätsbe-<lb/>
leidigung <hi rendition="#g">freige&#x017F;prochen</hi> worden.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline>* <hi rendition="#b">Aus Hannover,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/>
            <p>werden wir um Aufnahme folgender Be-<lb/>
richtigung er&#x017F;ucht: &#x201E;In Nr. 11 der &#x201E;Allg. Ztg.&#x201C; wird (in einer Corre&#x017F;pondenz<lb/>
aus Berlin) behauptet: die &#x201E;Neue Hannover&#x2019;&#x017F;che Zeitung&#x201C; in Hannover habe<lb/>
kaum zweihundert Abonnenten. Dieß i&#x017F;t unwahr. Die Zahl der Abonnen-<lb/>
ten beträgt nicht Zweihundert, &#x017F;ondern über <hi rendition="#g">Zwölf</hi>hundert, auch hat &#x017F;eit 1868<lb/>
die Zahl der Privatabonnenten nicht ab-, &#x017F;ondern zugenommen, und zwar fa&#x017F;t jedes<lb/>
Quartal. Verloren hat die &#x201E;N. H. Z.&#x201C; nur diejenigen Abonnenten welche zu<lb/>
hannover&#x2019;&#x017F;cher Zeit die Behörden aus Staats- oder Bureausfonds gehalten<lb/>
hatten, weil die Röthigung dazu und die Vergütung dafür unter preußi&#x017F;cher Re-<lb/>
gierung weggefallen i&#x017F;t.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Oe&#x017F;terreichi&#x017F;ch-ungari&#x017F;che Monarchie.</hi> </head><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline>* <hi rendition="#b">Aus Oe&#x017F;terreich,</hi> 12. Jan.</dateline><lb/>
            <p>Der Adreßentwurf des Herrenhau&#x017F;es<lb/>
wird von den Blättern der Verfa&#x017F;&#x017F;ungspartei eben &#x017F;o beifällig begrüßt wie von<lb/>
denen der T&#x017F;chechen und Föderali&#x017F;ten böswillig glo&#x017F;&#x017F;ir<gap reason="lost" unit="chars" quantity="1"/> Im Abgeordnetenhau&#x017F;e<lb/>
wird die Adreßdebatte morgen &#x017F;chon beginnen; bei der Generaldebatte beab&#x017F;ichtigen<lb/>
die Polen ihre bereits im Aus&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;e abgegebene Erklärung zu wiederholen: daß &#x017F;ie<lb/>
die auf Galizien &#x017F;ich beziehende Stelle der Thronrede zwar freudig begrüßen, aber<lb/>
dem Mini&#x017F;terium nicht eher ihr Vertrauen &#x017F;chenken zu dürfen glauben bis &#x017F;ie<lb/>
die betreffenden Vorlagen kennen. Uebrigens werden die Polen für die Adre&#x017F;&#x017F;e<lb/><cb/>
&#x017F;timmen. Die Slovenen haben &#x017F;ich ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en in der morgigen Sitzung zu er-<lb/>
&#x017F;cheinen, eben&#x017F;o die Tiroler, mit alleiniger Ausnahme des Oberlandesgerichtsrathes<lb/>
Frhrn. v. Giovanelli. Die einzelnen Fractionen der Oppo&#x017F;ition &#x017F;cheinen die Fühlung<lb/>
unter einander verloren zu haben.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <p>Ueber die vom Grafen Andra&#x017F;&#x017F;y weiter beab&#x017F;ichtigten Per&#x017F;onaländerungen<lb/>
im diplomati&#x017F;chen Corps weiß der &#x201E;Pe&#x017F;ter Lloyd&#x201C; folgendes zu berichten. Graf<lb/>
Paar (Dresden) und Graf Walterskirchen (Stuttgart) &#x017F;ollen zunäch&#x017F;t eine andere<lb/>
Be&#x017F;timmung erhalten, und zwar an zwei nordi&#x017F;chen Höfen. Zu Mini&#x017F;ter-Re&#x017F;identen<lb/>
in Dresden und Stuttgart werden jüngere Mitglieder des diplomati&#x017F;chen Corps<lb/>
befördert werden, und man nennt als &#x017F;olche be&#x017F;onders den Legationsrath v. Francken-<lb/>
&#x017F;tein, der in der Zwi&#x017F;chenzeit von Graf Chotek bis zur Ernennung des Generals<lb/>
v. Langenau in St. Petersburg Ge&#x017F;chäftsträger war, und Hrn. v. Pfu&#x017F;ter&#x017F;chmid, der<lb/>
die Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft in Karlsruhe eine Zeitlang leitete. Auch der &#x017F;eit der Beförde-<lb/>
rung des Frhrn. v. Langenau be&#x017F;tehenden Vacanz im Haag wird bei die&#x017F;em An-<lb/>
laß ein Ende gemacht werden und für die&#x017F;en Po&#x017F;ten i&#x017F;t angeblich Hr. v. Haymerle,<lb/>
zuletzt Ge&#x017F;andter in Athen, de&#x017F;ignirt, der &#x017F;einer&#x017F;eits auf &#x017F;einem bisherigen Platze<lb/>
durch den früheren Generalcon&#x017F;ul in Bukare&#x017F;t, Frhrn. v. Pottenburg, er&#x017F;etzt wer-<lb/>
den &#x017F;oll.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <p>Nach einem Wiener Telegramm im &#x201E;Prager Abendblatt&#x201C; &#x017F;oll die Ueber-<lb/>
nahme des Finanzmini&#x017F;teriums durch <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Bre&#x017F;tel nunmehr ganz &#x017F;icher &#x017F;ein.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <p>Aus Ungarn kommt eine bemerkenswerthe Nachricht. Es wird nämlich<lb/>
einer kürzlich bei Gelegenheit der Eröffnung des katholi&#x017F;ch-politi&#x017F;chen Ca&#x017F;ino&#x2019;s in<lb/>
Preßburg vom Grafen Apponyi gehaltenen Rede, in welcher die&#x017F;er die Bildung einer<lb/>
katholi&#x017F;chen Partei im ungari&#x017F;chen Reichstage, re&#x017F;pective die Agitation zu Gun&#x017F;ten der<lb/>
Wahl von gut katholi&#x017F;chen Abgeordneten, empfiehlt, in deaki&#x017F;ti&#x017F;chen Krei&#x017F;en eine<lb/>
größere Bedeutung beigeme&#x017F;&#x017F;en. Wie verlautet, &#x017F;oll es bei die&#x017F;em einzelnen Ver-<lb/>
&#x017F;uche noch nicht &#x017F;ein Bewenden haben. Die Altcon&#x017F;ervativen und die Ultramontanen<lb/>
wollen eine um &#x017F;o größere Agitation entwickeln, als &#x017F;ie Grund haben anzunehmen<lb/>
daß in der näch&#x017F;ten fünfjährigen Legislatur-Periode im ungari&#x017F;chen Reichstag<lb/>
wichtige interconfe&#x017F;&#x017F;ionelle Ge&#x017F;etze werden verhandelt werden.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jComment" n="3">
            <dateline># <hi rendition="#b">Wien,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/>
            <p>I&#x017F;t es Courtoi&#x017F;ie, i&#x017F;t es Berechnung &#x2014; genug das<lb/>
Herrenhaus hat in der Adre&#x017F;&#x017F;e dem Abgeordnetenhau&#x017F;e die Priorität gela&#x017F;&#x017F;en: er&#x017F;t<lb/>
heut i&#x017F;t der &#x2014; wie &#x017F;eit Jahren, &#x017F;o auch dießmal &#x2014; vom Grafen Anton Auersperg<lb/>
(Ana&#x017F;ta&#x017F;ius Grün) gearbeitete Adreßentwurf der Pairs an die Oeffentlichkeit ge-<lb/>
treten. Er bildet keinen Gegen&#x017F;atz zu der Adre&#x017F;&#x017F;e des andern Hau&#x017F;es, er ergänzt<lb/>
&#x017F;ie, präci&#x017F;irt &#x017F;ie nur; doch fehlt es auch an leichten Correcturen nicht. Die Ver-<lb/>
urtheilung der Experimente des Cabinets Hohenwart i&#x017F;t eben &#x017F;o &#x017F;charf, vielleicht<lb/>
noch &#x017F;chärfer; doch i&#x017F;t der docirende Abhandlungston in welchem der concurrirende<lb/>
Entwurf &#x017F;ich gefallen mit Glück vermieden. Was die Wahlreform betrifft, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
deren Dringlichkeit in weit höherem Grade betont, und dem vom Abgeordnetenhau&#x017F;e<lb/>
ganz ignorirten Nothwahlge&#x017F;etz nur eine &#x017F;ehr zweifelhafte Berechtigung zuerkannt,<lb/>
die Reform endlich außerhalb jeder Verbindung mit der galizi&#x017F;chen Frage ge&#x017F;etzt,<lb/>
und die&#x017F;e Frage, ohne daß ihrer &#x017F;peciell gedacht würde, mit der ent&#x017F;chieden centrali-<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;chen Erklärung abgethan: daß den berechtigten Eigenthümlichkeiten der einzelnen<lb/>
Nationalitäten &#x017F;chon jetzt genügende Rechnung getragen worden, und daß noch<lb/>
weitergehende Zuge&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;e nur in voller Würdigung der Anforderungen des<lb/>
Ge&#x017F;ammt&#x017F;taates zu prüfen &#x017F;ein würden. Ein lei&#x017F;es Mißtrauen endlich blickt aus<lb/>
der Wendung heraus mit welcher für die Con&#x017F;olidirung der Verfa&#x017F;&#x017F;ungszu&#x017F;tände vor<lb/>
allem die &#x201E;unabgewendete&#x201C; &#x017F;chützende Huld des Kai&#x017F;ers erbeten wird. &#x2014; Graf Andra&#x017F;&#x017F;y<lb/>
trägt &#x017F;ich, wie die Blätter melden, mit der Ab&#x017F;icht: er&#x017F;tens die Rothbuch-Publicationen<lb/>
ganz fallen zu la&#x017F;&#x017F;en oder, wie die Mittheilung im Wortlaute gefaßt i&#x017F;t, vom Roth-<lb/>
buch nur den Um&#x017F;chlag beizubehalten, und zweitens den &#x017F;tarken Apparat &#x017F;eines<lb/>
Preßbureau&#x2019;s auf die be&#x017F;cheiden&#x017F;ten Dimen&#x017F;ionen zurückzuführen. &#x2014; Der Vater<lb/>
des ö&#x017F;terreichi&#x017F;chen Rothbuches i&#x017F;t bekanntlich Graf Beu&#x017F;t, von welchem heute das<lb/>
allerdings wenig verläßliche &#x201E;Vaterland&#x201C; zu erzählen weiß daß Hr. v. Hoffmann<lb/>
nach Salzburg ent&#x017F;endet &#x017F;ei, um &#x017F;einen früheren Chef zu ver&#x017F;tändigen daß er in<lb/>
Wien von niemandem &#x2014; erwartet werde.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline># <hi rendition="#b">Graz,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/>
            <p>Er&#x017F;t die Praxis hat gelehrt wie viel an un&#x017F;eren &#x017F;o-<lb/>
genannten interconfe&#x017F;&#x017F;ionellen Ge&#x017F;etzen noch wider&#x017F;innig, wie viel abänderungs-<lb/>
bedürftig i&#x017F;t. Zum Bewei&#x017F;e nur ein Bei&#x017F;piel. Wiederholt wurden &#x017F;chon die hier<lb/>
lebenden confe&#x017F;&#x017F;ionslo&#x017F;en Eltern des 11 Jahre alten Schülers Johann Pogotz von<lb/>
Seiten der Schuldirection aufgefordert, ihren Sohn am katholi&#x017F;chen Religions-<lb/>
unterricht theilnehmen zu la&#x017F;&#x017F;en; es &#x017F;ei der&#x017F;elbe nämlich, zur Zeit als die Eltern<lb/>
aus der katholi&#x017F;chen Kirche austraten, &#x017F;chon über &#x017F;ieben Jahre alt gewe&#x017F;en, und<lb/>
habe daher minde&#x017F;tens bis zum vollendeten 14. Lebensjahre in der katholi&#x017F;chen<lb/>
Kirche zu verbleiben. Die Eltern lei&#x017F;teten den Aufforderungen jedoch keine Folge,<lb/>
&#x017F;o daß die Schuldirection darüber die Anzeige an den Stadt&#x017F;chulrath er&#x017F;tatten<lb/>
mußte. Die&#x017F;er befand &#x017F;ich in einer eigenthümlichen Lage. Er konnte der Ueber-<lb/>
zeugung &#x017F;ich nicht ver&#x017F;chließen daß es wider&#x017F;innig und &#x017F;chädlich für die Zukunft<lb/>
des Knaben &#x017F;ei, wenn man ihn gegen den Willen der Eltern zur Theilnahme an<lb/>
dem Religionsunterricht einer Confe&#x017F;&#x017F;ion zwinge, der jene nicht mehr angehöre.<lb/>
Doch i&#x017F;t der Wortlaut des Ge&#x017F;etzes allzu deutlich, und der Stadt&#x017F;chulrath mußte<lb/>
den Eltern des Kindes neuerlich bedeuten daß &#x017F;ie be&#x017F;traft und ihr Sohn zwangs-<lb/>
wei&#x017F;e zur Schule gebracht werden müßte, wenn er nicht binnen drei Tagen in der<lb/>
katholi&#x017F;chen Religions&#x017F;tunde er&#x017F;cheine. Zugleich wandte &#x017F;ich aber der Stadt&#x017F;chul-<lb/>
rath an den Landes&#x017F;chulrath, und bat die&#x017F;en allen Einfluß aufzuwenden damit<lb/>
derlei Ungereimtheiten endlich aus dem Ge&#x017F;etz entfernt werden mögen.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Großbritanuien.</hi> </head><lb/>
          <div type="jComment" n="3">
            <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/>
            <p>* Auch Hr. John Pakington hat &#x017F;ich ge&#x017F;tern in einer &#x017F;ehr tri&#x017F;ten Rede in<lb/>
Rochdale den Con&#x017F;ervativen gegenüber ausgela&#x017F;&#x017F;en, in Ausdrücken, welche die<lb/>
&#x201E;Times&#x201C; nicht umhin kann mit einiger Ironie zu be&#x017F;prechen, da &#x017F;ie &#x017F;ich von tiefem<lb/>
Mitleid mit dem Schick&#x017F;al eines &#x017F;o würdigen Mannes ergriffen &#x017F;ieht. Freilich haben<lb/>
wenige das Recht &#x017F;ich &#x017F;o mit der con&#x017F;ervativen Partei zu identificiren wie Sir John<lb/>
und es i&#x017F;t daher nicht unmöglich daß &#x017F;eine Gefühle über das Scheitern ihrer Hoff-<lb/>
nungen in Wahrheit einen per&#x017F;önlichen Charakter angenommen haben. Er &#x017F;tellt<lb/>
die Con&#x017F;ervativen und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t als Leute dar welche in ewigem Kampfe begriffen<lb/>
&#x017F;ind mit einem grauenhaften Fatum, das in der Ge&#x017F;talt der Regierung über ihnen<lb/>
&#x017F;chwebt. Dann be&#x017F;pricht er die innere Politik der letzten drei Jahre mit eben&#x017F;o<lb/>
viel Demuth wie Ent&#x017F;chiedenheit, &#x201E;und da &#x017F;teht er denn nicht an zu &#x017F;agen:&#x201C; daß die<lb/>
Regierung in ihrer Verwaltung der maritimen Angelegenheiten eben&#x017F;o &#x017F;ehr durch<lb/>
confu&#x017F;e Anordnungen wie durch Malheur &#x017F;ich ausgezeichnet hat. Und nun die ge-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[196]/0004] die in erſter Linie die Gemeinden und dann die Landarmenverbände zur Unterſtätzung heranziehe, keine Lücke laſſe in die der Staat einzutreten habe. Abg. Hahn empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Der Fonds werde vorzugsweiſe zur Unterſtützung ver- ſchämter Armen verwendet, die man durch eine Verweiſung an den Ortsarmenverband beleidigen würde. Regierungscommiſſär Wulfshein bemerkt: daß mittelſt dieſes Fonds bei bedürftigen Perſonen gerade dem Zuſtande vorgebeugt werden ſolle der ſie zu Almoſennehmern qualificirt; es ſei dieß gewiſſermaßen ein Beitrag zur Löſung der ſocialen Frage. Die aus dem ꝛc. Fonds gewährten Unterſtützungen betrügen in der Regel 10 bis 20 Thaler. Ein Antrag auf Schluß der Discuſſion wird angenommen. In der hierauf erfolgenden Abſtimmung wird der Rickert’ſche Antrag abgelehnt. Bei den einmaligen und außerordentlichen Ausgaben desſelben Etats, zu Tit. 2 (für das ſtatiſtiſche Bureau, Koſten zur ſtatiſtiſchen Verarbeitung des bei der Volkszäh- zählung des Jahrs 1871 gewonnenen Materials 68,600 Thlr.) conſtatirt der Abgeord- nete Schmidt (Stettin) den günſtigen Erfolg der bei der letzten Volkszählung angewen- deten neuen Zählmethode, die zugleich, gegenüber den Koſten der Zählung in andern Ländern, die bei weitem billigſte ſei und einen Triumph der ſtatiſtiſchen Wiſſen- ſchaft bilde. Er bitte deßhalb die Poſition zu bewilligen, was auch mit großer Mehrheit geſchieht. Hiemit iſt der Etat des Miniſteriums des Innern erledigt, und das Haus vertagt ſich gegen 4 Uhr bis Sonnabend 11 Uhr. (Tagesordnung: Etat des Handels- miniſteriums.) (—) Berlin, 11 Jan. Der vorgeſtern vom Abgeordnetenhauſe gefaßte Beſchluß wegen Einſchränkung der kgl. Polizeiverwaltung in verſchiedenen größern Städten der Monarchie, ſowie wegen Uebertragung einzelner Zweige der Polizei- verwaltung an die Berliner Gemeinde wird von der Regierung nicht acceptirt wer- den. Darüber kann wenigſtens angeſichts der von miniſterieller Seite abgegebenen Erklärungen ein Zweifel nicht beſtehen. Auch die „N. A. Z.“ ſpricht ſich heute principiell mit aller Entſchiedenheit gegen jenen Beſchluß aus. Nach ihrer Dar- legung iſt die Polizei im modernen Staat ein Ausfluß der Staatshoheit; die Städte üben die Polizei nicht mehr kraft eigenen Rechts, ſondern kraft Bewilligung der Staatsgewalt; eine Rückübertragung des Staatshoheitrechts auf die Gemein- den wäre ein Zurückfallen in die mittelalterliche Zeit, in jene Zeit welche der ſchar- fen Ausprägung der Staatsideen vorangegangen. Was von Seiten der liberalen Parteien zu Gunſten der Handhabung der Polizei durch die Gemeindeverwaltungen geltend gemacht worden, iſt im übrigen wenig geeignet ihre Vorzüge vor könig- lichen Polizeiverwaltungen erkennen zu laſſen. Im Gegentheil wird die königliche Polizeiverwaltung immer vor der Gemeinde-Polizeiverwaltung den Vorzug größe- rer Entſchiedenheit voraus haben, da der Gemeindebeamte, der bekanntlich nur auf Zeit gewählt iſt, immer mehr Rückſichten auf die Wähler zu nehmen hat als der feſt angeſtellte Staatsdiener auf die Gemeinde-Angehörigen. — In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauſes brachte Neichenſperger die Frage wegen der offi- ciöſen Preſſe wieder zur Sprache. Die Antwort welche der Miniſter des Innern darauf ertheilte, bewies daß Hr. Duncker vollkommen Recht hatte wenn er meinte: daß die Worte des Hrn. Neichenſperger nicht an der richtigen Stelle angebracht ſeien. Der preußiſchen Regierung als ſolcher ſind nach dieſer Richtung hin die Flü- gel allerdings längſt ſo ſtark beſchnitten, daß der Miniſter des Innern mit einem gewiſſen Recht behaupten konnte: nur über ein einziges officiöſes Organ, die „Prov. Correſp.,“ zu verfügen. Bekanntlich ſind aber dem Fürſten Bismarck die Zinſen der den vertriebenen Fürſten einbehaltenen Gelder zu Preß- und politiſchen Zwecken zur Verfügung geſtellt, und außerdem erfreut ſich der Reichskanzler noch ſehr be- trächtlicher Dispoſitionsfonds für ähnliche Zwecke, ſo daß alſo in Wirklichkeit die officiöſe Preßthätigkeit denn doch ſich ungleich weiter ausdehnt als der Miniſter glauben machen will. * Breslau, 11 Jan. Aus Reichenbach wird gemeldet daß vom königl. Conſiſtorium der Provinz Schleſien über die beiden Paſtoren König und Lauter- bach daſelbſt die Amtsentſetzung verhängt worden ſei. Es ſteht denſelben hiege- gen eine vierwöchige Recursfriſt zu. Es handelt ſich um einen Geſangbuchſtreit. Die Bedeutung dieſes Streites iſt, wie jüngſt in einem Leitartikel der „Schleſ. Ztg.“ bemerkt wurde, größer geworden als die Veranlaſſung desſelben voraus- ſetzen ließ, denn es wird in demſelben die allgemeine Frage zum Austrag gebracht werden müſſen, welche ſchon in den ſehr würdig gehaltenen Erklärungen der beiden ſuspendirten Geiſtlichen König und Lauterbach aufgeworfen wurde: inwieweit die Staatsbehörde berechtigt iſt einſeitige und von der Gemeinde nicht acceptirte Maß- regeln rückſichtlich der Einrichtung und äußeren Feier des Gottesdienſtes durchzu- führen; und dieſe Frage führte zu der allgemeinen: ob und welche Bedeutung der Art. 15 der Verfaſſung hat, daß die evangeliſche und die katholiſche Kirche ihre An- gelegenheiten ſelbſtändig ordnen und verwalten. Fraukfurt a. M., 11 Jan. Nach einer Mittheilung des „Frankfurter Journal“ ſoll Director Vogtherr vor einigen Tagen aus Geſundheitsrückſichten ſein Mandat als Landtagsabgeordneter niedergelegt haben. — In der heutigen Sitzung des Appellhofes wurde das Urtheil der zweiten Inſtanz in Sachen der Staatsanwaltſchaft gegen Hrn. Voget verkündet. In beiden Sachen wurde das Urtheil der erſten Inſtanz beſtätigt. Der Angeklagte iſt ſomit von dem Vergehen gegen §. 131, wie von der wegen des Manteuffel-Artikels erhobenen Majeſtätsbe- leidigung freigeſprochen worden. * Aus Hannover, 11 Jan. werden wir um Aufnahme folgender Be- richtigung erſucht: „In Nr. 11 der „Allg. Ztg.“ wird (in einer Correſpondenz aus Berlin) behauptet: die „Neue Hannover’ſche Zeitung“ in Hannover habe kaum zweihundert Abonnenten. Dieß iſt unwahr. Die Zahl der Abonnen- ten beträgt nicht Zweihundert, ſondern über Zwölfhundert, auch hat ſeit 1868 die Zahl der Privatabonnenten nicht ab-, ſondern zugenommen, und zwar faſt jedes Quartal. Verloren hat die „N. H. Z.“ nur diejenigen Abonnenten welche zu hannover’ſcher Zeit die Behörden aus Staats- oder Bureausfonds gehalten hatten, weil die Röthigung dazu und die Vergütung dafür unter preußiſcher Re- gierung weggefallen iſt. Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie. * Aus Oeſterreich, 12. Jan. Der Adreßentwurf des Herrenhauſes wird von den Blättern der Verfaſſungspartei eben ſo beifällig begrüßt wie von denen der Tſchechen und Föderaliſten böswillig gloſſir_ Im Abgeordnetenhauſe wird die Adreßdebatte morgen ſchon beginnen; bei der Generaldebatte beabſichtigen die Polen ihre bereits im Ausſchuſſe abgegebene Erklärung zu wiederholen: daß ſie die auf Galizien ſich beziehende Stelle der Thronrede zwar freudig begrüßen, aber dem Miniſterium nicht eher ihr Vertrauen ſchenken zu dürfen glauben bis ſie die betreffenden Vorlagen kennen. Uebrigens werden die Polen für die Adreſſe ſtimmen. Die Slovenen haben ſich entſchloſſen in der morgigen Sitzung zu er- ſcheinen, ebenſo die Tiroler, mit alleiniger Ausnahme des Oberlandesgerichtsrathes Frhrn. v. Giovanelli. Die einzelnen Fractionen der Oppoſition ſcheinen die Fühlung unter einander verloren zu haben. Ueber die vom Grafen Andraſſy weiter beabſichtigten Perſonaländerungen im diplomatiſchen Corps weiß der „Peſter Lloyd“ folgendes zu berichten. Graf Paar (Dresden) und Graf Walterskirchen (Stuttgart) ſollen zunächſt eine andere Beſtimmung erhalten, und zwar an zwei nordiſchen Höfen. Zu Miniſter-Reſidenten in Dresden und Stuttgart werden jüngere Mitglieder des diplomatiſchen Corps befördert werden, und man nennt als ſolche beſonders den Legationsrath v. Francken- ſtein, der in der Zwiſchenzeit von Graf Chotek bis zur Ernennung des Generals v. Langenau in St. Petersburg Geſchäftsträger war, und Hrn. v. Pfuſterſchmid, der die Geſandtſchaft in Karlsruhe eine Zeitlang leitete. Auch der ſeit der Beförde- rung des Frhrn. v. Langenau beſtehenden Vacanz im Haag wird bei dieſem An- laß ein Ende gemacht werden und für dieſen Poſten iſt angeblich Hr. v. Haymerle, zuletzt Geſandter in Athen, deſignirt, der ſeinerſeits auf ſeinem bisherigen Platze durch den früheren Generalconſul in Bukareſt, Frhrn. v. Pottenburg, erſetzt wer- den ſoll. Nach einem Wiener Telegramm im „Prager Abendblatt“ ſoll die Ueber- nahme des Finanzminiſteriums durch Dr. Breſtel nunmehr ganz ſicher ſein. Aus Ungarn kommt eine bemerkenswerthe Nachricht. Es wird nämlich einer kürzlich bei Gelegenheit der Eröffnung des katholiſch-politiſchen Caſino’s in Preßburg vom Grafen Apponyi gehaltenen Rede, in welcher dieſer die Bildung einer katholiſchen Partei im ungariſchen Reichstage, reſpective die Agitation zu Gunſten der Wahl von gut katholiſchen Abgeordneten, empfiehlt, in deakiſtiſchen Kreiſen eine größere Bedeutung beigemeſſen. Wie verlautet, ſoll es bei dieſem einzelnen Ver- ſuche noch nicht ſein Bewenden haben. Die Altconſervativen und die Ultramontanen wollen eine um ſo größere Agitation entwickeln, als ſie Grund haben anzunehmen daß in der nächſten fünfjährigen Legislatur-Periode im ungariſchen Reichstag wichtige interconfeſſionelle Geſetze werden verhandelt werden. # Wien, 12 Jan. Iſt es Courtoiſie, iſt es Berechnung — genug das Herrenhaus hat in der Adreſſe dem Abgeordnetenhauſe die Priorität gelaſſen: erſt heut iſt der — wie ſeit Jahren, ſo auch dießmal — vom Grafen Anton Auersperg (Anaſtaſius Grün) gearbeitete Adreßentwurf der Pairs an die Oeffentlichkeit ge- treten. Er bildet keinen Gegenſatz zu der Adreſſe des andern Hauſes, er ergänzt ſie, präciſirt ſie nur; doch fehlt es auch an leichten Correcturen nicht. Die Ver- urtheilung der Experimente des Cabinets Hohenwart iſt eben ſo ſcharf, vielleicht noch ſchärfer; doch iſt der docirende Abhandlungston in welchem der concurrirende Entwurf ſich gefallen mit Glück vermieden. Was die Wahlreform betrifft, ſo iſt deren Dringlichkeit in weit höherem Grade betont, und dem vom Abgeordnetenhauſe ganz ignorirten Nothwahlgeſetz nur eine ſehr zweifelhafte Berechtigung zuerkannt, die Reform endlich außerhalb jeder Verbindung mit der galiziſchen Frage geſetzt, und dieſe Frage, ohne daß ihrer ſpeciell gedacht würde, mit der entſchieden centrali- ſtiſchen Erklärung abgethan: daß den berechtigten Eigenthümlichkeiten der einzelnen Nationalitäten ſchon jetzt genügende Rechnung getragen worden, und daß noch weitergehende Zugeſtändniſſe nur in voller Würdigung der Anforderungen des Geſammtſtaates zu prüfen ſein würden. Ein leiſes Mißtrauen endlich blickt aus der Wendung heraus mit welcher für die Conſolidirung der Verfaſſungszuſtände vor allem die „unabgewendete“ ſchützende Huld des Kaiſers erbeten wird. — Graf Andraſſy trägt ſich, wie die Blätter melden, mit der Abſicht: erſtens die Rothbuch-Publicationen ganz fallen zu laſſen oder, wie die Mittheilung im Wortlaute gefaßt iſt, vom Roth- buch nur den Umſchlag beizubehalten, und zweitens den ſtarken Apparat ſeines Preßbureau’s auf die beſcheidenſten Dimenſionen zurückzuführen. — Der Vater des öſterreichiſchen Rothbuches iſt bekanntlich Graf Beuſt, von welchem heute das allerdings wenig verläßliche „Vaterland“ zu erzählen weiß daß Hr. v. Hoffmann nach Salzburg entſendet ſei, um ſeinen früheren Chef zu verſtändigen daß er in Wien von niemandem — erwartet werde. # Graz, 12 Jan. Erſt die Praxis hat gelehrt wie viel an unſeren ſo- genannten interconfeſſionellen Geſetzen noch widerſinnig, wie viel abänderungs- bedürftig iſt. Zum Beweiſe nur ein Beiſpiel. Wiederholt wurden ſchon die hier lebenden confeſſionsloſen Eltern des 11 Jahre alten Schülers Johann Pogotz von Seiten der Schuldirection aufgefordert, ihren Sohn am katholiſchen Religions- unterricht theilnehmen zu laſſen; es ſei derſelbe nämlich, zur Zeit als die Eltern aus der katholiſchen Kirche austraten, ſchon über ſieben Jahre alt geweſen, und habe daher mindeſtens bis zum vollendeten 14. Lebensjahre in der katholiſchen Kirche zu verbleiben. Die Eltern leiſteten den Aufforderungen jedoch keine Folge, ſo daß die Schuldirection darüber die Anzeige an den Stadtſchulrath erſtatten mußte. Dieſer befand ſich in einer eigenthümlichen Lage. Er konnte der Ueber- zeugung ſich nicht verſchließen daß es widerſinnig und ſchädlich für die Zukunft des Knaben ſei, wenn man ihn gegen den Willen der Eltern zur Theilnahme an dem Religionsunterricht einer Confeſſion zwinge, der jene nicht mehr angehöre. Doch iſt der Wortlaut des Geſetzes allzu deutlich, und der Stadtſchulrath mußte den Eltern des Kindes neuerlich bedeuten daß ſie beſtraft und ihr Sohn zwangs- weiſe zur Schule gebracht werden müßte, wenn er nicht binnen drei Tagen in der katholiſchen Religionsſtunde erſcheine. Zugleich wandte ſich aber der Stadtſchul- rath an den Landesſchulrath, und bat dieſen allen Einfluß aufzuwenden damit derlei Ungereimtheiten endlich aus dem Geſetz entfernt werden mögen. Großbritanuien. London, 11 Jan. * Auch Hr. John Pakington hat ſich geſtern in einer ſehr triſten Rede in Rochdale den Conſervativen gegenüber ausgelaſſen, in Ausdrücken, welche die „Times“ nicht umhin kann mit einiger Ironie zu beſprechen, da ſie ſich von tiefem Mitleid mit dem Schickſal eines ſo würdigen Mannes ergriffen ſieht. Freilich haben wenige das Recht ſich ſo mit der conſervativen Partei zu identificiren wie Sir John und es iſt daher nicht unmöglich daß ſeine Gefühle über das Scheitern ihrer Hoff- nungen in Wahrheit einen perſönlichen Charakter angenommen haben. Er ſtellt die Conſervativen und ſich ſelbſt als Leute dar welche in ewigem Kampfe begriffen ſind mit einem grauenhaften Fatum, das in der Geſtalt der Regierung über ihnen ſchwebt. Dann beſpricht er die innere Politik der letzten drei Jahre mit ebenſo viel Demuth wie Entſchiedenheit, „und da ſteht er denn nicht an zu ſagen:“ daß die Regierung in ihrer Verwaltung der maritimen Angelegenheiten ebenſo ſehr durch confuſe Anordnungen wie durch Malheur ſich ausgezeichnet hat. Und nun die ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine14_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine14_1872/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 14. Januar 1872, S. [196]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine14_1872/4>, abgerufen am 13.06.2024.