Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 14. Januar 1872.[Spaltenumbruch]
die in erster Linie die Gemeinden und dann die Landarmenverbände zur Unterstätzung (--) Berlin, 11 Jan. Der vorgestern vom Abgeordnetenhause gefaßte * Breslau, 11 Jan. Aus Reichenbach wird gemeldet daß vom königl. Fraukfurt a. M., 11 Jan. Nach einer Mittheilung des "Frankfurter * Aus Hannover, 11 Jan. werden wir um Aufnahme folgender Be- Oesterreichisch-ungarische Monarchie. * Aus Oesterreich, 12. Jan. Der Adreßentwurf des Herrenhauses Ueber die vom Grafen Andrassy weiter beabsichtigten Personaländerungen Nach einem Wiener Telegramm im "Prager Abendblatt" soll die Ueber- Aus Ungarn kommt eine bemerkenswerthe Nachricht. Es wird nämlich # Wien, 12 Jan. Ist es Courtoisie, ist es Berechnung -- genug das # Graz, 12 Jan. Erst die Praxis hat gelehrt wie viel an unseren so- Großbritanuien. London, 11 Jan. * Auch Hr. John Pakington hat sich gestern in einer sehr tristen Rede in [Spaltenumbruch]
die in erſter Linie die Gemeinden und dann die Landarmenverbände zur Unterſtätzung (—) Berlin, 11 Jan. Der vorgeſtern vom Abgeordnetenhauſe gefaßte * Breslau, 11 Jan. Aus Reichenbach wird gemeldet daß vom königl. Fraukfurt a. M., 11 Jan. Nach einer Mittheilung des „Frankfurter * Aus Hannover, 11 Jan. werden wir um Aufnahme folgender Be- Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie. * Aus Oeſterreich, 12. Jan. Der Adreßentwurf des Herrenhauſes Ueber die vom Grafen Andraſſy weiter beabſichtigten Perſonaländerungen Nach einem Wiener Telegramm im „Prager Abendblatt“ ſoll die Ueber- Aus Ungarn kommt eine bemerkenswerthe Nachricht. Es wird nämlich # Wien, 12 Jan. Iſt es Courtoiſie, iſt es Berechnung — genug das # Graz, 12 Jan. Erſt die Praxis hat gelehrt wie viel an unſeren ſo- Großbritanuien. London, 11 Jan. * Auch Hr. John Pakington hat ſich geſtern in einer ſehr triſten Rede in <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0004" n="[196]"/><cb/> die in erſter Linie die Gemeinden und dann die Landarmenverbände zur Unterſtätzung<lb/> heranziehe, keine Lücke laſſe in die der Staat einzutreten habe. Abg. <hi rendition="#g">Hahn</hi> empfiehlt<lb/> die Ablehnung des Antrags. Der Fonds werde vorzugsweiſe zur Unterſtützung ver-<lb/> ſchämter Armen verwendet, die man durch eine Verweiſung an den Ortsarmenverband<lb/> beleidigen würde. Regierungscommiſſär <hi rendition="#g">Wulfshein</hi> bemerkt: daß mittelſt dieſes<lb/> Fonds bei bedürftigen Perſonen gerade dem Zuſtande vorgebeugt werden ſolle der ſie<lb/> zu Almoſennehmern qualificirt; es ſei dieß gewiſſermaßen ein Beitrag zur Löſung der<lb/> ſocialen Frage. Die aus dem ꝛc. Fonds gewährten Unterſtützungen betrügen in der<lb/> Regel 10 bis 20 Thaler. Ein Antrag auf Schluß der Discuſſion wird angenommen.<lb/> In der hierauf erfolgenden Abſtimmung wird der Rickert’ſche Antrag abgelehnt. Bei<lb/> den <hi rendition="#g">einmaligen</hi> und <hi rendition="#g">außerordentlichen</hi> Ausgaben desſelben Etats, zu Tit. 2<lb/> (für das ſtatiſtiſche Bureau, Koſten zur ſtatiſtiſchen Verarbeitung des bei der Volkszäh-<lb/> zählung des Jahrs 1871 gewonnenen Materials 68,600 Thlr.) conſtatirt der Abgeord-<lb/> nete <hi rendition="#g">Schmidt</hi> (Stettin) den günſtigen Erfolg der bei der letzten Volkszählung angewen-<lb/> deten neuen Zählmethode, die zugleich, gegenüber den Koſten der Zählung in andern<lb/> Ländern, die bei weitem billigſte ſei und einen Triumph der ſtatiſtiſchen Wiſſen-<lb/> ſchaft bilde. Er bitte deßhalb die Poſition zu bewilligen, was auch mit großer Mehrheit<lb/> geſchieht. Hiemit iſt der Etat des Miniſteriums des Innern erledigt, und das Haus<lb/> vertagt ſich gegen 4 Uhr bis Sonnabend 11 Uhr. (Tagesordnung: Etat des Handels-<lb/> miniſteriums.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>(—) <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/> <p>Der vorgeſtern vom Abgeordnetenhauſe gefaßte<lb/> Beſchluß wegen Einſchränkung der kgl. Polizeiverwaltung in verſchiedenen größern<lb/> Städten der Monarchie, ſowie wegen Uebertragung einzelner Zweige der Polizei-<lb/> verwaltung an die Berliner Gemeinde wird von der Regierung nicht acceptirt wer-<lb/> den. Darüber kann wenigſtens angeſichts der von miniſterieller Seite abgegebenen<lb/> Erklärungen ein Zweifel nicht beſtehen. Auch die „N. A. Z.“ ſpricht ſich heute<lb/> principiell mit aller Entſchiedenheit gegen jenen Beſchluß aus. Nach ihrer Dar-<lb/> legung iſt die Polizei im modernen Staat ein Ausfluß der Staatshoheit; die<lb/> Städte üben die Polizei nicht mehr kraft eigenen Rechts, ſondern kraft Bewilligung<lb/> der Staatsgewalt; eine Rückübertragung des Staatshoheitrechts auf die Gemein-<lb/> den wäre ein Zurückfallen in die mittelalterliche Zeit, in jene Zeit welche der ſchar-<lb/> fen Ausprägung der Staatsideen vorangegangen. Was von Seiten der liberalen<lb/> Parteien zu Gunſten der Handhabung der Polizei durch die Gemeindeverwaltungen<lb/> geltend gemacht worden, iſt im übrigen wenig geeignet ihre Vorzüge vor könig-<lb/> lichen Polizeiverwaltungen erkennen zu laſſen. Im Gegentheil wird die königliche<lb/> Polizeiverwaltung immer vor der Gemeinde-Polizeiverwaltung den Vorzug größe-<lb/> rer Entſchiedenheit voraus haben, da der Gemeindebeamte, der bekanntlich nur auf<lb/> Zeit gewählt iſt, immer mehr Rückſichten auf die Wähler zu nehmen hat als der<lb/> feſt angeſtellte Staatsdiener auf die Gemeinde-Angehörigen. — In der heutigen<lb/> Sitzung des Abgeordnetenhauſes brachte Neichenſperger die Frage wegen der offi-<lb/> ciöſen Preſſe wieder zur Sprache. Die Antwort welche der Miniſter des Innern<lb/> darauf ertheilte, bewies daß Hr. Duncker vollkommen Recht hatte wenn er meinte:<lb/> daß die Worte des Hrn. Neichenſperger nicht an der richtigen Stelle angebracht<lb/> ſeien. Der preußiſchen Regierung als ſolcher ſind nach dieſer Richtung hin die Flü-<lb/> gel allerdings längſt ſo ſtark beſchnitten, daß der Miniſter des Innern mit einem<lb/> gewiſſen Recht behaupten konnte: nur über ein einziges officiöſes Organ, die „Prov.<lb/> Correſp.,“ zu verfügen. Bekanntlich ſind aber dem Fürſten Bismarck die Zinſen<lb/> der den vertriebenen Fürſten einbehaltenen Gelder zu Preß- und politiſchen Zwecken<lb/> zur Verfügung geſtellt, und außerdem erfreut ſich der Reichskanzler noch ſehr be-<lb/> trächtlicher Dispoſitionsfonds für ähnliche Zwecke, ſo daß alſo in Wirklichkeit die<lb/> officiöſe Preßthätigkeit denn doch ſich ungleich weiter ausdehnt als der Miniſter<lb/> glauben machen will.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Breslau,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/> <p>Aus Reichenbach wird gemeldet daß vom königl.<lb/> Conſiſtorium der Provinz Schleſien über die beiden Paſtoren König und Lauter-<lb/> bach daſelbſt die Amtsentſetzung verhängt worden ſei. Es ſteht denſelben hiege-<lb/> gen eine vierwöchige Recursfriſt zu. Es handelt ſich um einen Geſangbuchſtreit.<lb/> Die Bedeutung dieſes Streites iſt, wie jüngſt in einem Leitartikel der „Schleſ.<lb/> Ztg.“ bemerkt wurde, größer geworden als die Veranlaſſung desſelben voraus-<lb/> ſetzen ließ, denn es wird in demſelben die allgemeine Frage zum Austrag gebracht<lb/> werden müſſen, welche ſchon in den ſehr würdig gehaltenen Erklärungen der beiden<lb/> ſuspendirten Geiſtlichen König und Lauterbach aufgeworfen wurde: inwieweit die<lb/> Staatsbehörde berechtigt iſt einſeitige und von der Gemeinde nicht acceptirte Maß-<lb/> regeln rückſichtlich der Einrichtung und äußeren Feier des Gottesdienſtes durchzu-<lb/> führen; und dieſe Frage führte zu der allgemeinen: ob und welche Bedeutung der<lb/> Art. 15 der Verfaſſung hat, daß die evangeliſche und die katholiſche Kirche ihre An-<lb/> gelegenheiten ſelbſtändig ordnen und verwalten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Fraukfurt a. M.,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/> <p>Nach einer Mittheilung des „Frankfurter<lb/> Journal“ ſoll Director Vogtherr vor einigen Tagen aus Geſundheitsrückſichten<lb/> ſein Mandat als Landtagsabgeordneter niedergelegt haben. — In der heutigen<lb/> Sitzung des Appellhofes wurde das Urtheil der zweiten Inſtanz in Sachen der<lb/> Staatsanwaltſchaft gegen Hrn. Voget verkündet. In beiden Sachen wurde das<lb/> Urtheil der erſten Inſtanz beſtätigt. Der Angeklagte iſt ſomit von dem Vergehen<lb/> gegen §. 131, wie von der wegen des Manteuffel-Artikels erhobenen Majeſtätsbe-<lb/> leidigung <hi rendition="#g">freigeſprochen</hi> worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Aus Hannover,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/> <p>werden wir um Aufnahme folgender Be-<lb/> richtigung erſucht: „In Nr. 11 der „Allg. Ztg.“ wird (in einer Correſpondenz<lb/> aus Berlin) behauptet: die „Neue Hannover’ſche Zeitung“ in Hannover habe<lb/> kaum zweihundert Abonnenten. Dieß iſt unwahr. Die Zahl der Abonnen-<lb/> ten beträgt nicht Zweihundert, ſondern über <hi rendition="#g">Zwölf</hi>hundert, auch hat ſeit 1868<lb/> die Zahl der Privatabonnenten nicht ab-, ſondern zugenommen, und zwar faſt jedes<lb/> Quartal. Verloren hat die „N. H. Z.“ nur diejenigen Abonnenten welche zu<lb/> hannover’ſcher Zeit die Behörden aus Staats- oder Bureausfonds gehalten<lb/> hatten, weil die Röthigung dazu und die Vergütung dafür unter preußiſcher Re-<lb/> gierung weggefallen iſt.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Aus Oeſterreich,</hi> 12. Jan.</dateline><lb/> <p>Der Adreßentwurf des Herrenhauſes<lb/> wird von den Blättern der Verfaſſungspartei eben ſo beifällig begrüßt wie von<lb/> denen der Tſchechen und Föderaliſten böswillig gloſſir<gap reason="lost" unit="chars" quantity="1"/> Im Abgeordnetenhauſe<lb/> wird die Adreßdebatte morgen ſchon beginnen; bei der Generaldebatte beabſichtigen<lb/> die Polen ihre bereits im Ausſchuſſe abgegebene Erklärung zu wiederholen: daß ſie<lb/> die auf Galizien ſich beziehende Stelle der Thronrede zwar freudig begrüßen, aber<lb/> dem Miniſterium nicht eher ihr Vertrauen ſchenken zu dürfen glauben bis ſie<lb/> die betreffenden Vorlagen kennen. Uebrigens werden die Polen für die Adreſſe<lb/><cb/> ſtimmen. Die Slovenen haben ſich entſchloſſen in der morgigen Sitzung zu er-<lb/> ſcheinen, ebenſo die Tiroler, mit alleiniger Ausnahme des Oberlandesgerichtsrathes<lb/> Frhrn. v. Giovanelli. Die einzelnen Fractionen der Oppoſition ſcheinen die Fühlung<lb/> unter einander verloren zu haben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Ueber die vom Grafen Andraſſy weiter beabſichtigten Perſonaländerungen<lb/> im diplomatiſchen Corps weiß der „Peſter Lloyd“ folgendes zu berichten. Graf<lb/> Paar (Dresden) und Graf Walterskirchen (Stuttgart) ſollen zunächſt eine andere<lb/> Beſtimmung erhalten, und zwar an zwei nordiſchen Höfen. Zu Miniſter-Reſidenten<lb/> in Dresden und Stuttgart werden jüngere Mitglieder des diplomatiſchen Corps<lb/> befördert werden, und man nennt als ſolche beſonders den Legationsrath v. Francken-<lb/> ſtein, der in der Zwiſchenzeit von Graf Chotek bis zur Ernennung des Generals<lb/> v. Langenau in St. Petersburg Geſchäftsträger war, und Hrn. v. Pfuſterſchmid, der<lb/> die Geſandtſchaft in Karlsruhe eine Zeitlang leitete. Auch der ſeit der Beförde-<lb/> rung des Frhrn. v. Langenau beſtehenden Vacanz im Haag wird bei dieſem An-<lb/> laß ein Ende gemacht werden und für dieſen Poſten iſt angeblich Hr. v. Haymerle,<lb/> zuletzt Geſandter in Athen, deſignirt, der ſeinerſeits auf ſeinem bisherigen Platze<lb/> durch den früheren Generalconſul in Bukareſt, Frhrn. v. Pottenburg, erſetzt wer-<lb/> den ſoll.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Nach einem Wiener Telegramm im „Prager Abendblatt“ ſoll die Ueber-<lb/> nahme des Finanzminiſteriums durch <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Breſtel nunmehr ganz ſicher ſein.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Aus Ungarn kommt eine bemerkenswerthe Nachricht. Es wird nämlich<lb/> einer kürzlich bei Gelegenheit der Eröffnung des katholiſch-politiſchen Caſino’s in<lb/> Preßburg vom Grafen Apponyi gehaltenen Rede, in welcher dieſer die Bildung einer<lb/> katholiſchen Partei im ungariſchen Reichstage, reſpective die Agitation zu Gunſten der<lb/> Wahl von gut katholiſchen Abgeordneten, empfiehlt, in deakiſtiſchen Kreiſen eine<lb/> größere Bedeutung beigemeſſen. Wie verlautet, ſoll es bei dieſem einzelnen Ver-<lb/> ſuche noch nicht ſein Bewenden haben. Die Altconſervativen und die Ultramontanen<lb/> wollen eine um ſo größere Agitation entwickeln, als ſie Grund haben anzunehmen<lb/> daß in der nächſten fünfjährigen Legislatur-Periode im ungariſchen Reichstag<lb/> wichtige interconfeſſionelle Geſetze werden verhandelt werden.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline># <hi rendition="#b">Wien,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Iſt es Courtoiſie, iſt es Berechnung — genug das<lb/> Herrenhaus hat in der Adreſſe dem Abgeordnetenhauſe die Priorität gelaſſen: erſt<lb/> heut iſt der — wie ſeit Jahren, ſo auch dießmal — vom Grafen Anton Auersperg<lb/> (Anaſtaſius Grün) gearbeitete Adreßentwurf der Pairs an die Oeffentlichkeit ge-<lb/> treten. Er bildet keinen Gegenſatz zu der Adreſſe des andern Hauſes, er ergänzt<lb/> ſie, präciſirt ſie nur; doch fehlt es auch an leichten Correcturen nicht. Die Ver-<lb/> urtheilung der Experimente des Cabinets Hohenwart iſt eben ſo ſcharf, vielleicht<lb/> noch ſchärfer; doch iſt der docirende Abhandlungston in welchem der concurrirende<lb/> Entwurf ſich gefallen mit Glück vermieden. Was die Wahlreform betrifft, ſo iſt<lb/> deren Dringlichkeit in weit höherem Grade betont, und dem vom Abgeordnetenhauſe<lb/> ganz ignorirten Nothwahlgeſetz nur eine ſehr zweifelhafte Berechtigung zuerkannt,<lb/> die Reform endlich außerhalb jeder Verbindung mit der galiziſchen Frage geſetzt,<lb/> und dieſe Frage, ohne daß ihrer ſpeciell gedacht würde, mit der entſchieden centrali-<lb/> ſtiſchen Erklärung abgethan: daß den berechtigten Eigenthümlichkeiten der einzelnen<lb/> Nationalitäten ſchon jetzt genügende Rechnung getragen worden, und daß noch<lb/> weitergehende Zugeſtändniſſe nur in voller Würdigung der Anforderungen des<lb/> Geſammtſtaates zu prüfen ſein würden. Ein leiſes Mißtrauen endlich blickt aus<lb/> der Wendung heraus mit welcher für die Conſolidirung der Verfaſſungszuſtände vor<lb/> allem die „unabgewendete“ ſchützende Huld des Kaiſers erbeten wird. — Graf Andraſſy<lb/> trägt ſich, wie die Blätter melden, mit der Abſicht: erſtens die Rothbuch-Publicationen<lb/> ganz fallen zu laſſen oder, wie die Mittheilung im Wortlaute gefaßt iſt, vom Roth-<lb/> buch nur den Umſchlag beizubehalten, und zweitens den ſtarken Apparat ſeines<lb/> Preßbureau’s auf die beſcheidenſten Dimenſionen zurückzuführen. — Der Vater<lb/> des öſterreichiſchen Rothbuches iſt bekanntlich Graf Beuſt, von welchem heute das<lb/> allerdings wenig verläßliche „Vaterland“ zu erzählen weiß daß Hr. v. Hoffmann<lb/> nach Salzburg entſendet ſei, um ſeinen früheren Chef zu verſtändigen daß er in<lb/> Wien von niemandem — erwartet werde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline># <hi rendition="#b">Graz,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Erſt die Praxis hat gelehrt wie viel an unſeren ſo-<lb/> genannten interconfeſſionellen Geſetzen noch widerſinnig, wie viel abänderungs-<lb/> bedürftig iſt. Zum Beweiſe nur ein Beiſpiel. Wiederholt wurden ſchon die hier<lb/> lebenden confeſſionsloſen Eltern des 11 Jahre alten Schülers Johann Pogotz von<lb/> Seiten der Schuldirection aufgefordert, ihren Sohn am katholiſchen Religions-<lb/> unterricht theilnehmen zu laſſen; es ſei derſelbe nämlich, zur Zeit als die Eltern<lb/> aus der katholiſchen Kirche austraten, ſchon über ſieben Jahre alt geweſen, und<lb/> habe daher mindeſtens bis zum vollendeten 14. Lebensjahre in der katholiſchen<lb/> Kirche zu verbleiben. Die Eltern leiſteten den Aufforderungen jedoch keine Folge,<lb/> ſo daß die Schuldirection darüber die Anzeige an den Stadtſchulrath erſtatten<lb/> mußte. Dieſer befand ſich in einer eigenthümlichen Lage. Er konnte der Ueber-<lb/> zeugung ſich nicht verſchließen daß es widerſinnig und ſchädlich für die Zukunft<lb/> des Knaben ſei, wenn man ihn gegen den Willen der Eltern zur Theilnahme an<lb/> dem Religionsunterricht einer Confeſſion zwinge, der jene nicht mehr angehöre.<lb/> Doch iſt der Wortlaut des Geſetzes allzu deutlich, und der Stadtſchulrath mußte<lb/> den Eltern des Kindes neuerlich bedeuten daß ſie beſtraft und ihr Sohn zwangs-<lb/> weiſe zur Schule gebracht werden müßte, wenn er nicht binnen drei Tagen in der<lb/> katholiſchen Religionsſtunde erſcheine. Zugleich wandte ſich aber der Stadtſchul-<lb/> rath an den Landesſchulrath, und bat dieſen allen Einfluß aufzuwenden damit<lb/> derlei Ungereimtheiten endlich aus dem Geſetz entfernt werden mögen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritanuien.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/> <p>* Auch Hr. John Pakington hat ſich geſtern in einer ſehr triſten Rede in<lb/> Rochdale den Conſervativen gegenüber ausgelaſſen, in Ausdrücken, welche die<lb/> „Times“ nicht umhin kann mit einiger Ironie zu beſprechen, da ſie ſich von tiefem<lb/> Mitleid mit dem Schickſal eines ſo würdigen Mannes ergriffen ſieht. Freilich haben<lb/> wenige das Recht ſich ſo mit der conſervativen Partei zu identificiren wie Sir John<lb/> und es iſt daher nicht unmöglich daß ſeine Gefühle über das Scheitern ihrer Hoff-<lb/> nungen in Wahrheit einen perſönlichen Charakter angenommen haben. Er ſtellt<lb/> die Conſervativen und ſich ſelbſt als Leute dar welche in ewigem Kampfe begriffen<lb/> ſind mit einem grauenhaften Fatum, das in der Geſtalt der Regierung über ihnen<lb/> ſchwebt. Dann beſpricht er die innere Politik der letzten drei Jahre mit ebenſo<lb/> viel Demuth wie Entſchiedenheit, „und da ſteht er denn nicht an zu ſagen:“ daß die<lb/> Regierung in ihrer Verwaltung der maritimen Angelegenheiten ebenſo ſehr durch<lb/> confuſe Anordnungen wie durch Malheur ſich ausgezeichnet hat. Und nun die ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[196]/0004]
die in erſter Linie die Gemeinden und dann die Landarmenverbände zur Unterſtätzung
heranziehe, keine Lücke laſſe in die der Staat einzutreten habe. Abg. Hahn empfiehlt
die Ablehnung des Antrags. Der Fonds werde vorzugsweiſe zur Unterſtützung ver-
ſchämter Armen verwendet, die man durch eine Verweiſung an den Ortsarmenverband
beleidigen würde. Regierungscommiſſär Wulfshein bemerkt: daß mittelſt dieſes
Fonds bei bedürftigen Perſonen gerade dem Zuſtande vorgebeugt werden ſolle der ſie
zu Almoſennehmern qualificirt; es ſei dieß gewiſſermaßen ein Beitrag zur Löſung der
ſocialen Frage. Die aus dem ꝛc. Fonds gewährten Unterſtützungen betrügen in der
Regel 10 bis 20 Thaler. Ein Antrag auf Schluß der Discuſſion wird angenommen.
In der hierauf erfolgenden Abſtimmung wird der Rickert’ſche Antrag abgelehnt. Bei
den einmaligen und außerordentlichen Ausgaben desſelben Etats, zu Tit. 2
(für das ſtatiſtiſche Bureau, Koſten zur ſtatiſtiſchen Verarbeitung des bei der Volkszäh-
zählung des Jahrs 1871 gewonnenen Materials 68,600 Thlr.) conſtatirt der Abgeord-
nete Schmidt (Stettin) den günſtigen Erfolg der bei der letzten Volkszählung angewen-
deten neuen Zählmethode, die zugleich, gegenüber den Koſten der Zählung in andern
Ländern, die bei weitem billigſte ſei und einen Triumph der ſtatiſtiſchen Wiſſen-
ſchaft bilde. Er bitte deßhalb die Poſition zu bewilligen, was auch mit großer Mehrheit
geſchieht. Hiemit iſt der Etat des Miniſteriums des Innern erledigt, und das Haus
vertagt ſich gegen 4 Uhr bis Sonnabend 11 Uhr. (Tagesordnung: Etat des Handels-
miniſteriums.)
(—) Berlin, 11 Jan.
Der vorgeſtern vom Abgeordnetenhauſe gefaßte
Beſchluß wegen Einſchränkung der kgl. Polizeiverwaltung in verſchiedenen größern
Städten der Monarchie, ſowie wegen Uebertragung einzelner Zweige der Polizei-
verwaltung an die Berliner Gemeinde wird von der Regierung nicht acceptirt wer-
den. Darüber kann wenigſtens angeſichts der von miniſterieller Seite abgegebenen
Erklärungen ein Zweifel nicht beſtehen. Auch die „N. A. Z.“ ſpricht ſich heute
principiell mit aller Entſchiedenheit gegen jenen Beſchluß aus. Nach ihrer Dar-
legung iſt die Polizei im modernen Staat ein Ausfluß der Staatshoheit; die
Städte üben die Polizei nicht mehr kraft eigenen Rechts, ſondern kraft Bewilligung
der Staatsgewalt; eine Rückübertragung des Staatshoheitrechts auf die Gemein-
den wäre ein Zurückfallen in die mittelalterliche Zeit, in jene Zeit welche der ſchar-
fen Ausprägung der Staatsideen vorangegangen. Was von Seiten der liberalen
Parteien zu Gunſten der Handhabung der Polizei durch die Gemeindeverwaltungen
geltend gemacht worden, iſt im übrigen wenig geeignet ihre Vorzüge vor könig-
lichen Polizeiverwaltungen erkennen zu laſſen. Im Gegentheil wird die königliche
Polizeiverwaltung immer vor der Gemeinde-Polizeiverwaltung den Vorzug größe-
rer Entſchiedenheit voraus haben, da der Gemeindebeamte, der bekanntlich nur auf
Zeit gewählt iſt, immer mehr Rückſichten auf die Wähler zu nehmen hat als der
feſt angeſtellte Staatsdiener auf die Gemeinde-Angehörigen. — In der heutigen
Sitzung des Abgeordnetenhauſes brachte Neichenſperger die Frage wegen der offi-
ciöſen Preſſe wieder zur Sprache. Die Antwort welche der Miniſter des Innern
darauf ertheilte, bewies daß Hr. Duncker vollkommen Recht hatte wenn er meinte:
daß die Worte des Hrn. Neichenſperger nicht an der richtigen Stelle angebracht
ſeien. Der preußiſchen Regierung als ſolcher ſind nach dieſer Richtung hin die Flü-
gel allerdings längſt ſo ſtark beſchnitten, daß der Miniſter des Innern mit einem
gewiſſen Recht behaupten konnte: nur über ein einziges officiöſes Organ, die „Prov.
Correſp.,“ zu verfügen. Bekanntlich ſind aber dem Fürſten Bismarck die Zinſen
der den vertriebenen Fürſten einbehaltenen Gelder zu Preß- und politiſchen Zwecken
zur Verfügung geſtellt, und außerdem erfreut ſich der Reichskanzler noch ſehr be-
trächtlicher Dispoſitionsfonds für ähnliche Zwecke, ſo daß alſo in Wirklichkeit die
officiöſe Preßthätigkeit denn doch ſich ungleich weiter ausdehnt als der Miniſter
glauben machen will.
* Breslau, 11 Jan.
Aus Reichenbach wird gemeldet daß vom königl.
Conſiſtorium der Provinz Schleſien über die beiden Paſtoren König und Lauter-
bach daſelbſt die Amtsentſetzung verhängt worden ſei. Es ſteht denſelben hiege-
gen eine vierwöchige Recursfriſt zu. Es handelt ſich um einen Geſangbuchſtreit.
Die Bedeutung dieſes Streites iſt, wie jüngſt in einem Leitartikel der „Schleſ.
Ztg.“ bemerkt wurde, größer geworden als die Veranlaſſung desſelben voraus-
ſetzen ließ, denn es wird in demſelben die allgemeine Frage zum Austrag gebracht
werden müſſen, welche ſchon in den ſehr würdig gehaltenen Erklärungen der beiden
ſuspendirten Geiſtlichen König und Lauterbach aufgeworfen wurde: inwieweit die
Staatsbehörde berechtigt iſt einſeitige und von der Gemeinde nicht acceptirte Maß-
regeln rückſichtlich der Einrichtung und äußeren Feier des Gottesdienſtes durchzu-
führen; und dieſe Frage führte zu der allgemeinen: ob und welche Bedeutung der
Art. 15 der Verfaſſung hat, daß die evangeliſche und die katholiſche Kirche ihre An-
gelegenheiten ſelbſtändig ordnen und verwalten.
Fraukfurt a. M., 11 Jan.
Nach einer Mittheilung des „Frankfurter
Journal“ ſoll Director Vogtherr vor einigen Tagen aus Geſundheitsrückſichten
ſein Mandat als Landtagsabgeordneter niedergelegt haben. — In der heutigen
Sitzung des Appellhofes wurde das Urtheil der zweiten Inſtanz in Sachen der
Staatsanwaltſchaft gegen Hrn. Voget verkündet. In beiden Sachen wurde das
Urtheil der erſten Inſtanz beſtätigt. Der Angeklagte iſt ſomit von dem Vergehen
gegen §. 131, wie von der wegen des Manteuffel-Artikels erhobenen Majeſtätsbe-
leidigung freigeſprochen worden.
* Aus Hannover, 11 Jan.
werden wir um Aufnahme folgender Be-
richtigung erſucht: „In Nr. 11 der „Allg. Ztg.“ wird (in einer Correſpondenz
aus Berlin) behauptet: die „Neue Hannover’ſche Zeitung“ in Hannover habe
kaum zweihundert Abonnenten. Dieß iſt unwahr. Die Zahl der Abonnen-
ten beträgt nicht Zweihundert, ſondern über Zwölfhundert, auch hat ſeit 1868
die Zahl der Privatabonnenten nicht ab-, ſondern zugenommen, und zwar faſt jedes
Quartal. Verloren hat die „N. H. Z.“ nur diejenigen Abonnenten welche zu
hannover’ſcher Zeit die Behörden aus Staats- oder Bureausfonds gehalten
hatten, weil die Röthigung dazu und die Vergütung dafür unter preußiſcher Re-
gierung weggefallen iſt.
Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie.
* Aus Oeſterreich, 12. Jan.
Der Adreßentwurf des Herrenhauſes
wird von den Blättern der Verfaſſungspartei eben ſo beifällig begrüßt wie von
denen der Tſchechen und Föderaliſten böswillig gloſſir_ Im Abgeordnetenhauſe
wird die Adreßdebatte morgen ſchon beginnen; bei der Generaldebatte beabſichtigen
die Polen ihre bereits im Ausſchuſſe abgegebene Erklärung zu wiederholen: daß ſie
die auf Galizien ſich beziehende Stelle der Thronrede zwar freudig begrüßen, aber
dem Miniſterium nicht eher ihr Vertrauen ſchenken zu dürfen glauben bis ſie
die betreffenden Vorlagen kennen. Uebrigens werden die Polen für die Adreſſe
ſtimmen. Die Slovenen haben ſich entſchloſſen in der morgigen Sitzung zu er-
ſcheinen, ebenſo die Tiroler, mit alleiniger Ausnahme des Oberlandesgerichtsrathes
Frhrn. v. Giovanelli. Die einzelnen Fractionen der Oppoſition ſcheinen die Fühlung
unter einander verloren zu haben.
Ueber die vom Grafen Andraſſy weiter beabſichtigten Perſonaländerungen
im diplomatiſchen Corps weiß der „Peſter Lloyd“ folgendes zu berichten. Graf
Paar (Dresden) und Graf Walterskirchen (Stuttgart) ſollen zunächſt eine andere
Beſtimmung erhalten, und zwar an zwei nordiſchen Höfen. Zu Miniſter-Reſidenten
in Dresden und Stuttgart werden jüngere Mitglieder des diplomatiſchen Corps
befördert werden, und man nennt als ſolche beſonders den Legationsrath v. Francken-
ſtein, der in der Zwiſchenzeit von Graf Chotek bis zur Ernennung des Generals
v. Langenau in St. Petersburg Geſchäftsträger war, und Hrn. v. Pfuſterſchmid, der
die Geſandtſchaft in Karlsruhe eine Zeitlang leitete. Auch der ſeit der Beförde-
rung des Frhrn. v. Langenau beſtehenden Vacanz im Haag wird bei dieſem An-
laß ein Ende gemacht werden und für dieſen Poſten iſt angeblich Hr. v. Haymerle,
zuletzt Geſandter in Athen, deſignirt, der ſeinerſeits auf ſeinem bisherigen Platze
durch den früheren Generalconſul in Bukareſt, Frhrn. v. Pottenburg, erſetzt wer-
den ſoll.
Nach einem Wiener Telegramm im „Prager Abendblatt“ ſoll die Ueber-
nahme des Finanzminiſteriums durch Dr. Breſtel nunmehr ganz ſicher ſein.
Aus Ungarn kommt eine bemerkenswerthe Nachricht. Es wird nämlich
einer kürzlich bei Gelegenheit der Eröffnung des katholiſch-politiſchen Caſino’s in
Preßburg vom Grafen Apponyi gehaltenen Rede, in welcher dieſer die Bildung einer
katholiſchen Partei im ungariſchen Reichstage, reſpective die Agitation zu Gunſten der
Wahl von gut katholiſchen Abgeordneten, empfiehlt, in deakiſtiſchen Kreiſen eine
größere Bedeutung beigemeſſen. Wie verlautet, ſoll es bei dieſem einzelnen Ver-
ſuche noch nicht ſein Bewenden haben. Die Altconſervativen und die Ultramontanen
wollen eine um ſo größere Agitation entwickeln, als ſie Grund haben anzunehmen
daß in der nächſten fünfjährigen Legislatur-Periode im ungariſchen Reichstag
wichtige interconfeſſionelle Geſetze werden verhandelt werden.
# Wien, 12 Jan.
Iſt es Courtoiſie, iſt es Berechnung — genug das
Herrenhaus hat in der Adreſſe dem Abgeordnetenhauſe die Priorität gelaſſen: erſt
heut iſt der — wie ſeit Jahren, ſo auch dießmal — vom Grafen Anton Auersperg
(Anaſtaſius Grün) gearbeitete Adreßentwurf der Pairs an die Oeffentlichkeit ge-
treten. Er bildet keinen Gegenſatz zu der Adreſſe des andern Hauſes, er ergänzt
ſie, präciſirt ſie nur; doch fehlt es auch an leichten Correcturen nicht. Die Ver-
urtheilung der Experimente des Cabinets Hohenwart iſt eben ſo ſcharf, vielleicht
noch ſchärfer; doch iſt der docirende Abhandlungston in welchem der concurrirende
Entwurf ſich gefallen mit Glück vermieden. Was die Wahlreform betrifft, ſo iſt
deren Dringlichkeit in weit höherem Grade betont, und dem vom Abgeordnetenhauſe
ganz ignorirten Nothwahlgeſetz nur eine ſehr zweifelhafte Berechtigung zuerkannt,
die Reform endlich außerhalb jeder Verbindung mit der galiziſchen Frage geſetzt,
und dieſe Frage, ohne daß ihrer ſpeciell gedacht würde, mit der entſchieden centrali-
ſtiſchen Erklärung abgethan: daß den berechtigten Eigenthümlichkeiten der einzelnen
Nationalitäten ſchon jetzt genügende Rechnung getragen worden, und daß noch
weitergehende Zugeſtändniſſe nur in voller Würdigung der Anforderungen des
Geſammtſtaates zu prüfen ſein würden. Ein leiſes Mißtrauen endlich blickt aus
der Wendung heraus mit welcher für die Conſolidirung der Verfaſſungszuſtände vor
allem die „unabgewendete“ ſchützende Huld des Kaiſers erbeten wird. — Graf Andraſſy
trägt ſich, wie die Blätter melden, mit der Abſicht: erſtens die Rothbuch-Publicationen
ganz fallen zu laſſen oder, wie die Mittheilung im Wortlaute gefaßt iſt, vom Roth-
buch nur den Umſchlag beizubehalten, und zweitens den ſtarken Apparat ſeines
Preßbureau’s auf die beſcheidenſten Dimenſionen zurückzuführen. — Der Vater
des öſterreichiſchen Rothbuches iſt bekanntlich Graf Beuſt, von welchem heute das
allerdings wenig verläßliche „Vaterland“ zu erzählen weiß daß Hr. v. Hoffmann
nach Salzburg entſendet ſei, um ſeinen früheren Chef zu verſtändigen daß er in
Wien von niemandem — erwartet werde.
# Graz, 12 Jan.
Erſt die Praxis hat gelehrt wie viel an unſeren ſo-
genannten interconfeſſionellen Geſetzen noch widerſinnig, wie viel abänderungs-
bedürftig iſt. Zum Beweiſe nur ein Beiſpiel. Wiederholt wurden ſchon die hier
lebenden confeſſionsloſen Eltern des 11 Jahre alten Schülers Johann Pogotz von
Seiten der Schuldirection aufgefordert, ihren Sohn am katholiſchen Religions-
unterricht theilnehmen zu laſſen; es ſei derſelbe nämlich, zur Zeit als die Eltern
aus der katholiſchen Kirche austraten, ſchon über ſieben Jahre alt geweſen, und
habe daher mindeſtens bis zum vollendeten 14. Lebensjahre in der katholiſchen
Kirche zu verbleiben. Die Eltern leiſteten den Aufforderungen jedoch keine Folge,
ſo daß die Schuldirection darüber die Anzeige an den Stadtſchulrath erſtatten
mußte. Dieſer befand ſich in einer eigenthümlichen Lage. Er konnte der Ueber-
zeugung ſich nicht verſchließen daß es widerſinnig und ſchädlich für die Zukunft
des Knaben ſei, wenn man ihn gegen den Willen der Eltern zur Theilnahme an
dem Religionsunterricht einer Confeſſion zwinge, der jene nicht mehr angehöre.
Doch iſt der Wortlaut des Geſetzes allzu deutlich, und der Stadtſchulrath mußte
den Eltern des Kindes neuerlich bedeuten daß ſie beſtraft und ihr Sohn zwangs-
weiſe zur Schule gebracht werden müßte, wenn er nicht binnen drei Tagen in der
katholiſchen Religionsſtunde erſcheine. Zugleich wandte ſich aber der Stadtſchul-
rath an den Landesſchulrath, und bat dieſen allen Einfluß aufzuwenden damit
derlei Ungereimtheiten endlich aus dem Geſetz entfernt werden mögen.
Großbritanuien.
London, 11 Jan.
* Auch Hr. John Pakington hat ſich geſtern in einer ſehr triſten Rede in
Rochdale den Conſervativen gegenüber ausgelaſſen, in Ausdrücken, welche die
„Times“ nicht umhin kann mit einiger Ironie zu beſprechen, da ſie ſich von tiefem
Mitleid mit dem Schickſal eines ſo würdigen Mannes ergriffen ſieht. Freilich haben
wenige das Recht ſich ſo mit der conſervativen Partei zu identificiren wie Sir John
und es iſt daher nicht unmöglich daß ſeine Gefühle über das Scheitern ihrer Hoff-
nungen in Wahrheit einen perſönlichen Charakter angenommen haben. Er ſtellt
die Conſervativen und ſich ſelbſt als Leute dar welche in ewigem Kampfe begriffen
ſind mit einem grauenhaften Fatum, das in der Geſtalt der Regierung über ihnen
ſchwebt. Dann beſpricht er die innere Politik der letzten drei Jahre mit ebenſo
viel Demuth wie Entſchiedenheit, „und da ſteht er denn nicht an zu ſagen:“ daß die
Regierung in ihrer Verwaltung der maritimen Angelegenheiten ebenſo ſehr durch
confuſe Anordnungen wie durch Malheur ſich ausgezeichnet hat. Und nun die ge-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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