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Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 14. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] wöhnlichen Vorwürfe weiter. Er sei erst seit kurzem in London und habe da auch
die Theater besucht; diese kämen ihm in vieler Hinsicht ähnlich vor wie das parla-
mentarische Leben. Die Schauspieler thäten dort was sie wollten, möge das Publicum
nun klatschen oder nicht. In gleicher Weise stellte sich der ehrenwerthe Sir die brittische
Nation vor als ein Publicum, vor dem die Regierung Sensationsdramen von
eigener Erfindung aufführt. Wir denken denn doch daß die Schauspieler so ganz
ohne Instructionen nicht sind -- Instructionen die ihnen eben jene "ernsthafte
Sinnesweise der englischen Nation," an die der Redner so oft anklopft, dictirt hat.
Sein großer Fehler besteht aber darin daß er vergißt welche Mehrheit hinter der
Regierung steht. Da war doch Lord Derby, über dessen Liverpooler Rede wir
gestern berichteten, einsichtsvoller. Er besaß wenigstens die Klugheit die Ver-
gangenheit anzuerkennen, mit der Gegenwart gemäßigt zu verfahren, und alles auf
die Zukunft zu setzen. Letzteres scheint nun Hr. Pakington auch thun zu wollen,
wenn er den Conservativen von Rochdale räth das Wort "Fortschritt" auf ihre
Fahne zu schreiben; in Wahrheit aber würde er den "Rückschritt" wohl vorziehen.
Auch die Kundgebungen am Krankenbette des Prinzen von Wales deutete er als
Ausflüsse des conservativen Einflusses. Die "Times" bemerkt dazu: daß die eng-
lische Nation andere Gefühle im Grunde ihres Herzens hege als die eines conser-
vativen Politikers, und daß ihr die Gesundheit des Prinzen von Wales mehr am
Herzen liege als eine constitutionelle Predigt, die "in der Krankheit" des Prinzen vielen
die Augen geöffnet habe. Sie räth Hrn. Pakington an aufs Land zurückzugehen.
Nur in einem Punkte stimmt Lord Derby mit Hrn. Pakington überein: in dem
daß er seinen Freunden anräth zuzuwarten. Erst nur dann wenn sie die Mehrheit
haben, wird es ihre Pflicht und ihre Politik sein müssen die Verantwortlichkeiten
der Macht auf sich zu nehmen. Das ist eine weise Vorschrift, aber man wirft sich
dabei immer die Frage auf: ob sie in der That praktisch durchführbar ist. Als sich
die beiden letzten conservativen Administrationen bildeten, waren es gewiß nicht
die schlechtesten ihrer Mitglieder die sich weigerten die Last der Geschäfte und ihre
Verantwortlichkeit sich aufzubürden; aber sie wurden von den übrigen dazu ge-
drängt. Sie wußten wohl daß sie, wenn sie mit einer Minderheit handelten, ge-
zwungen sein würden den Willen der Opposition mehr durchzusetzen als ihren eige-
nen -- aber was wollten sie machen? Können nicht, so meint die "Times," wieder
ähnliche Zustände eintreten? Man braucht, was gar nicht so undenkbar wäre, bloß
anzunehmen daß das jetzige Ministerium im Laufe der kommenden Session in Miß-
credit geriethe. Es gibt dazu mehrere Anlässe, etwa die irische Universitätsfrage,
die Berufung Sir Robert Colliers und anderes, der kritischen Angriffe gar nicht zu
gedenken. Würde sich nun daraus eine ministerielle Niederlage entwickeln, wie
dann? Für die Conservativen selbst, wie für das Land, wäre es entschieden besser
wenn sie in der Opposition blieben. Wir wissen freilich alle daß dieß nicht gut
geht. Eine Partei die gar keine Hoffnung hat je die Macht zu erlangen stirbt all-
mählich ab, und wenn die Conservativen nicht hin und wieder die Süßigkeiten des
Amtes kosten, so werden sie davon absehen sich mit der Opposition zu beschäftigen.
Wenn Lord Derby sich genau an sein Programm halten könnte, so würde ihm die
Nation Gelegenheit geben während einer Saison seine Plane auszuführen. Sein
kühles, wenn nicht kaltes Urtheil, seine Geschäftstüchtigkeit und sein praktischer
Sinn lassen ihn eine Seite Sir Robert Peels repräsentiren. Aber wir fürchten
daß Lord Derby, wenn er mit der Macht bekleidet ist, durch seine Freunde gedrängt
würde die Schranken zu verlassen die er sich selbst in Liverpool gezogen hat. Man
muß daher hoffen daß das jetzige Ministerium in Kraft bleibt, an Kraft zunimmt,
und daß die conservative Opposition selbst das ihrige thut zu Gunsten des eigenen
Landes es in Kraft zu erhalten.

Ueber John Brights Stellung im Cabinet deim Ausbruche des Krieges
theilte in diesen Tagen Hr. T. L. Potter, Parlamentsmitglied für Rochdale, vor
dem liberalen Verein am letztern Orte, wo bekanntlich Brights Fabrik gelegen ist,
einige erwähnenswerthe Einzelheiten mit. Er erinnerte seine Zuhörer wie er im Juli
1870 mit unter jenen 7 Parlamentsmitgliedern gewesen welche die Vermehrung
der Armee um 20,000 Mann und eine nachträgliche Bewilligung von 2,000,000
Pf. St. nicht gewähren wollten, und rief dabei den Spottnamen der sieben weisen
Meister zurück, welcher der kleinen Schaar im Unterhause beigelegt wurde. Er be-
merkte ferner: die Torypartei habe ihm den Vorwurf ins Gesicht: geschleudert er
bedecke Rochdale mit Schande. In der Zwischenzeit sei übrigens Vright wieder-
genesen, und habe ihm, dem Redner, mitgetheilt daß er zu einer Zeit, wo seine Ge-
sundheit in sehr üblem Zustande war, von dieser Angelegenheit und ihrer Erörte-
rung vor dem Unterhause gehört habe, und daß er in Uebereinstimmung mit den
"sieben weisen Meistern," doch ohne etwas von ihrer Abstimmung zu wissen, in
Beziehung auf gerade diese Frage dem Premier seine Entlassung eingereicht habe.
Wahrscheinlich habe er indessen aus Rücksicht für die Stellung der Regierung nicht
auf seine Entlassung gedrungen. Heute gereiche es ihm, bemerkte Hr. Potter im
weiteren -- zur Befriedigung zu denken wie er damals gestimmt, und er sei fest
überzeugt: es gebe viele Unterhausmitglieder welche wünschten sie hätten damals
ein gleiches gethan, namentlich da bis zum heutigen Tage der damals begangene
grobe Fehler für die Regierung ein Stein des Anstoßes sei.

Für das Staff-College, die Generalstabsschule, bricht mit der Abschaffung
des Stellenkaufs eine neue bessere Zeit an. Bisher nahm man es mit der Quali-
fication für Generalstabsstellen und Adjutantur so wenig genau, daß eine Masse
solcher Stellen mit vornehmen und eleganten Officieren ohne wissenschaftliche
Befähigung oder natürliche Begabung besetzt war, während eine ganze Menge
tüchtiger Schüler des Staff-College in der Front dienen mußte, und viele
Jahre vergeblich auf andere Verwendung wartete. Die Erfahrungen des Krieges
in Frankreich, auf Seite der Franzosen sowohl als der deutschen Heere, werden
diesen Officieren wesentlich zum Vortheile gereichen. Aus dem Kriegsministerium
find über die weitere praktische Ausbildung solcher Officiere welche den Studien-
kreis der Generalstabsschule hinter sich haben, und zu anderen Waffengattungen
commandirt werden, längere Instructionen hervorgegangen, welche sich durchweg
an die Praxis der preußischen Armee anschließen und keiner besonderen Erwähnung
bedürfen. Auch in Bezug auf die Bedingungen für den Zulaß zum Staff-College
liegt eine neue Verfügung vor, welche auf den neuen Ersatz von 25 Officieren be-
reits Anwendung finden wird. Nach dieser Instruction muß jeder Officier welcher
fich zum Examen für die Generalstabsschule meldet wenigstens 5 Jahre gedient
haben, und ein Zeugniß von seinem Commandeur beibringen daß er im Regiment
sich als einen durchaus tüchtigen Officier bewiesen hat. Außerdem ist jedoch ein
zweites Zeugniß, ausgestellt vom Commandeur und von den im Rang auf denselben
zunächst folgenden zwei Officieren nöthig, welches über eine ganze Reihe verschiedener
Punkte Auskunft gibt. In demselben wird unter anderem mitgetheilt: ob die
Führung des Candidaten von Charakterfestigkeit und Umsicht zeugt, ob er mäßig
in seinen Gewohnheiten und nicht verschwenderisch in seiner Lebensweise ist, ob er
Gifer, Verständniß und Tact im Dienste zeigt, Thätigkeit und Thatkraft beweist,
und gute Augen hat. Sind alle Fragen über die hier angeführten Punkte in be-
[Spaltenumbruch] friedigender Weise beantwortet, so kommt noch die Haupt- und Schlußfrage aus-
zufüllen: "Ist seine Befähigung derart, daß sie ihn in Stand setzen würde die Pflich-
ten eines Generalstabsofficiers mit Tact und Umsicht und in einer Weise zu er-
füllen welche geeignet ist die muntere Ausführung der Befehle, welche er zu über-
bringen hat, zu sichern; oder aber sind seine Manieren und sein Charakter unange-
nehm, und solcherart daß sie ihn leicht in Uneinigkeit mit denjenigen bringen wür-
den welchen er beigesellt würde, oder mit denen er zufällig in Berührung käme."
Fallen die Zeugnisse alle genügend aus, so wird der betreffende Officier zum
Examen vor eine Commission von Officieren unter Vorsitz des Generaldirectors
für das Militärunterrichtswesen gezogen, wo er in schriftlichen Arbeiten den Nach-
weis zu führen hat daß er mit militärischem Planzeichnen, mit der Fortification,
Taktik, Kriegsgeschichte, Geographie, Mathematik, Deutsch und Französisch vertraut
ist. Auch eine gewisse Kenntniß im Hindostanischen ist erforderlich. Erst wenn
dieses Examen die Tüchtigkeit des Candidaten dargethan hat, kann seine Zulassung
in das Staff-College erfolgen.

Frankreich.

* Ein ganzer klerikaler Kreuzzug organisirt sich gegenwärtig gegen das vor-
gelegte Unterrichtsgesetz. Bekanntlich war schon vor einiger Zeit der Erzbischof
von Rouen mit seinen Suffraganen in einer Petition gegen das Gesetz zu Felde
gezogen. Nun haben der Bischof von Nevers, die Erzbischöfe und Bischöfe von
Cambrai, Bourges, Arras, Autun und Amiens, die Bischöfe der Normandie wie
der Bischof von Vannes ihre Zustimmung zu jener Petition erklärt. Der Bischof
von Beauvais glaubte in einem besonderen Schreiben an die Mitglieder der Natio-
nalversammlung sich wenden zu müssen, worin er versichert: der Mangel an Unter-
richt sei keineswegs so mißlich als man sich vorstelle. "Wir werden," ruft der Prä-
lat, "uns nicht scheuen es zu sagen und laut zu verkünden, trotz der Unpopularität
welche sich an die Feststellung einer solchen Thatsache knüpfen kann, der Mangel
an Unterricht ist für Frankreich nicht die schreckliche Gefahr wie man es gewöhnlich
zu sagen pflegt." Der Bischof schließt mit der Forderung: daß der Unterricht in
die Hände der Kirche zurückgegeben werde.

In dem großen Saale des Grand-Hotel wurde gestern eine Versammlung
von 700 bis 800 Pariser Industriellen abgehalten, die von den Syndikatskam-
mern eingeladen waren ihre Ansicht über die Steuerprojecte der Regierung und
über die Kündigung des Handelsvertrags abzugeben. Neben mehreren Kauf-
leuten und Fabricanten ließen sich auch die Abgeordneten Feray und Wolowski
in freihändlerischem Sinne vernehmen. Man beschloß zuletzt beinahe einstimmig
eine Tagesordnung welche "entschiedenen Protest erhebt gegen die Besteuerung
der Rohstoffe, dagegen alle anderen Lasten, als Zölle, nöthigenfalls willig zu
ertragen erklärt."

Das amtliche Blatt schreibt in gereiztem Tone: "Man liest im "Figaro"
vom 7 Januar: ""Man versichert daß Hr. Thiers in diesem Augenblicke mit dem
Pariser Gemeinderath wegen Verkaufs der Reste seines Hotels an der Place St.
Georges verhandelt; man würde die Trümmer wegräumen und an ihrer Stelle
einen Square anlegen. Was soll aber dann aus der von der Nationalversamm-
lung votirten Million werden?"" Dieses von dem "Figaro" hinterbrachte oder
erfundene Gerücht ist ganz und gar unbegründet. Es ist eine der tausend lügneri-
schen Erfindungen welchen dieses Blatt nur allzu oft seine Spalten öffnet, und die
es ohne Rücksicht auf die Personen und ohne Achtung der Wahrheit zu verbreiten
sich befleißigt."

Der Minister des Innern, Hr. Casimir Perier, ist durch den plötzlichen Tod
seiner Tochter, der Gräfin Segur, in Trauer versetzt worden.

Nationalversammlung. Sitzung vom 10 Jan. Die Verhandlung über
die projectirte Steuer auf das bewegliche Vermögen wird fortgesetzt. Hr. Pages-Duport
unterstützt den Vorschlag unter Hinweis auf das Vorbild von Italien und Oesterreich, wo
diese Besteuerung, trotz alles Geschreies das sich in Europa erhob, dem Curse der Renten
keinen Eintrag zu thun vermochte. Hr. Tolain empfiehlt den Antrag unter den ge-
wohnten Ausfällen gegen die "Sparsamkeitssucht" der Bourgeoisie, in welcher jeder
gern nur Actionär oder Obligationär werden möchte. Hr. Benoist d'Azy bekämpft
die Vorlage vom Standpunkte der Eisenbahn-Industrie. -- Hier wird die Debatte ab-
gebrochen, nachdem man nur noch auf Antrag des Hrn. Thiers beschlossen hat das
Votum auch über diese Steuervorlage offen zu halten, bis man das Project eines
Zuschlags zu den drei directen Steuern und einer Besteuerung der Rohstoffe einer ver-
gleichenden Prüfung unterzogen habe. Hr. Buisson erstattet Bericht im Namen der
Militär-Commission über den Antrag auf Rückverlegung der Nationalversammlung
nach Paris. Die Commission spricht sich bekanntlich im verwerfenden Sinn aus. Die
Kammer, sagt sie, müsse sich selbst und ihren Grundsätzen treu bleiben; in Bordeaux
habe Hr. Thiers selbst anerkannt daß die Verlegung der Landesvertretung nach einem
andern Ort als Versailles eine constitutive Frage sei, die man nicht in Angriff nehmen
könne ohne das Land aufs neue zu spalten; man könne nur mit Schrecken daran denken
was geschehen wäre wenn die Kammer sich hätte vor dem 18 März nach Paris locken
lassen (sehr gut!); der Verwaltungsdienst möge allerdings unter diesen Verhältnissen
leiden, aber das Wohl des Landes müsse über die Bequemlichkeit der Regierungsbeamten
gestellt werden; noch weniger könne man von einer Vereinsamung der Kammer in Versailles
sprechen, da ihr hier so gut wie in Paris alle Kundgebungen der öffentlichen Meinung
zukommen, wogegen sie freilich von den Schlagworten der falschen öffentlichen Meinung
und dem wüsten Lärm der revolutionären Parteien verschont bleibe, wie es z. B. schon
jetzt heiße: die Nationalversammlung solle nur deßhalb nach Paris verlegt werden um
sich hier aufzulösen. (Bravo!) Man bleibe also, fährt der Bericht fort, in Versailles,
dem strategischen Hauptquartier von Paris. Damit wollen wir keinesfalls, wie man
aus Bosheit sagte, Paris, das sich im Kriege so heldenmüthig benahm, eine Strafe oder
Lection ertheilen, sondern nur der Hauptstadt wie dem ganzen Lande die Zeit lassen
sich in Ruhe von ihrem Fall wieder aufzurichten. (Lebhafter Beifall und Bewegung.) --
Man kehrt dann zur Finanzdebatte zurück und eröffnet die Verhandlung über die 20procen-
tige Besteuerung der Rohstoffe. Hr. Tirard hält diese Steuer für die verderblichste von
allen; sie würde eine viel schlimmere Inquisition nach sich ziehen als man von der Einkom-
mensteuer befürchtete, und namentlich die Pariser Industrie, welche oft für einen einzigen
Artikel die verschiedensten Rohstoffe combinire, würde diese erhöhten Zölle mit Draw-
backs nicht aushalten können. Herzog Decazes entwickelt ebenfalls die mit den Draw-
backs verbundenen Uebelstände und Mißbräuche; zudem könne die Regierung nach den
mit dem Auslande geschlossenen Handelsverträgen ja doch in einem Jahr keine wesent-
liche Veränderung an den Tarifen vornehmen. Auch berechnet der Redner an der Hand
statistischer Aufnahmen daß diese Steuer einmal viel weniger die Luxusartikel als die
Bedürfnisse der unvermögenden Leute (Baumwolle) treffen, zweitens aber nicht, wie die
Regierung annimmt, 60 Millionen, sondern höchst wahrscheinlich nur die Hälfte ein-
tragen würde. Dagegen erklärt sich Redner für eine Erhöhung der directen Steuern,
wobei der Grundbesitz es an patriotischer Bereitwilligkeit nicht fehlen lassen werde. (Zu-

[Spaltenumbruch] wöhnlichen Vorwürfe weiter. Er ſei erſt ſeit kurzem in London und habe da auch
die Theater beſucht; dieſe kämen ihm in vieler Hinſicht ähnlich vor wie das parla-
mentariſche Leben. Die Schauſpieler thäten dort was ſie wollten, möge das Publicum
nun klatſchen oder nicht. In gleicher Weiſe ſtellte ſich der ehrenwerthe Sir die brittiſche
Nation vor als ein Publicum, vor dem die Regierung Senſationsdramen von
eigener Erfindung aufführt. Wir denken denn doch daß die Schauſpieler ſo ganz
ohne Inſtructionen nicht ſind — Inſtructionen die ihnen eben jene „ernſthafte
Sinnesweiſe der engliſchen Nation,“ an die der Redner ſo oft anklopft, dictirt hat.
Sein großer Fehler beſteht aber darin daß er vergißt welche Mehrheit hinter der
Regierung ſteht. Da war doch Lord Derby, über deſſen Liverpooler Rede wir
geſtern berichteten, einſichtsvoller. Er beſaß wenigſtens die Klugheit die Ver-
gangenheit anzuerkennen, mit der Gegenwart gemäßigt zu verfahren, und alles auf
die Zukunft zu ſetzen. Letzteres ſcheint nun Hr. Pakington auch thun zu wollen,
wenn er den Conſervativen von Rochdale räth das Wort „Fortſchritt“ auf ihre
Fahne zu ſchreiben; in Wahrheit aber würde er den „Rückſchritt“ wohl vorziehen.
Auch die Kundgebungen am Krankenbette des Prinzen von Wales deutete er als
Ausflüſſe des conſervativen Einfluſſes. Die „Times“ bemerkt dazu: daß die eng-
liſche Nation andere Gefühle im Grunde ihres Herzens hege als die eines conſer-
vativen Politikers, und daß ihr die Geſundheit des Prinzen von Wales mehr am
Herzen liege als eine conſtitutionelle Predigt, die „in der Krankheit“ des Prinzen vielen
die Augen geöffnet habe. Sie räth Hrn. Pakington an aufs Land zurückzugehen.
Nur in einem Punkte ſtimmt Lord Derby mit Hrn. Pakington überein: in dem
daß er ſeinen Freunden anräth zuzuwarten. Erſt nur dann wenn ſie die Mehrheit
haben, wird es ihre Pflicht und ihre Politik ſein müſſen die Verantwortlichkeiten
der Macht auf ſich zu nehmen. Das iſt eine weiſe Vorſchrift, aber man wirft ſich
dabei immer die Frage auf: ob ſie in der That praktiſch durchführbar iſt. Als ſich
die beiden letzten conſervativen Adminiſtrationen bildeten, waren es gewiß nicht
die ſchlechteſten ihrer Mitglieder die ſich weigerten die Laſt der Geſchäfte und ihre
Verantwortlichkeit ſich aufzubürden; aber ſie wurden von den übrigen dazu ge-
drängt. Sie wußten wohl daß ſie, wenn ſie mit einer Minderheit handelten, ge-
zwungen ſein würden den Willen der Oppoſition mehr durchzuſetzen als ihren eige-
nen — aber was wollten ſie machen? Können nicht, ſo meint die „Times,“ wieder
ähnliche Zuſtände eintreten? Man braucht, was gar nicht ſo undenkbar wäre, bloß
anzunehmen daß das jetzige Miniſterium im Laufe der kommenden Seſſion in Miß-
credit geriethe. Es gibt dazu mehrere Anläſſe, etwa die iriſche Univerſitätsfrage,
die Berufung Sir Robert Colliers und anderes, der kritiſchen Angriffe gar nicht zu
gedenken. Würde ſich nun daraus eine miniſterielle Niederlage entwickeln, wie
dann? Für die Conſervativen ſelbſt, wie für das Land, wäre es entſchieden beſſer
wenn ſie in der Oppoſition blieben. Wir wiſſen freilich alle daß dieß nicht gut
geht. Eine Partei die gar keine Hoffnung hat je die Macht zu erlangen ſtirbt all-
mählich ab, und wenn die Conſervativen nicht hin und wieder die Süßigkeiten des
Amtes koſten, ſo werden ſie davon abſehen ſich mit der Oppoſition zu beſchäftigen.
Wenn Lord Derby ſich genau an ſein Programm halten könnte, ſo würde ihm die
Nation Gelegenheit geben während einer Saiſon ſeine Plane auszuführen. Sein
kühles, wenn nicht kaltes Urtheil, ſeine Geſchäftstüchtigkeit und ſein praktiſcher
Sinn laſſen ihn eine Seite Sir Robert Peels repräſentiren. Aber wir fürchten
daß Lord Derby, wenn er mit der Macht bekleidet iſt, durch ſeine Freunde gedrängt
würde die Schranken zu verlaſſen die er ſich ſelbſt in Liverpool gezogen hat. Man
muß daher hoffen daß das jetzige Miniſterium in Kraft bleibt, an Kraft zunimmt,
und daß die conſervative Oppoſition ſelbſt das ihrige thut zu Gunſten des eigenen
Landes es in Kraft zu erhalten.

Ueber John Brights Stellung im Cabinet deim Ausbruche des Krieges
theilte in dieſen Tagen Hr. T. L. Potter, Parlamentsmitglied für Rochdale, vor
dem liberalen Verein am letztern Orte, wo bekanntlich Brights Fabrik gelegen iſt,
einige erwähnenswerthe Einzelheiten mit. Er erinnerte ſeine Zuhörer wie er im Juli
1870 mit unter jenen 7 Parlamentsmitgliedern geweſen welche die Vermehrung
der Armee um 20,000 Mann und eine nachträgliche Bewilligung von 2,000,000
Pf. St. nicht gewähren wollten, und rief dabei den Spottnamen der ſieben weiſen
Meiſter zurück, welcher der kleinen Schaar im Unterhauſe beigelegt wurde. Er be-
merkte ferner: die Torypartei habe ihm den Vorwurf ins Geſicht: geſchleudert er
bedecke Rochdale mit Schande. In der Zwiſchenzeit ſei übrigens Vright wieder-
geneſen, und habe ihm, dem Redner, mitgetheilt daß er zu einer Zeit, wo ſeine Ge-
ſundheit in ſehr üblem Zuſtande war, von dieſer Angelegenheit und ihrer Erörte-
rung vor dem Unterhauſe gehört habe, und daß er in Uebereinſtimmung mit den
„ſieben weiſen Meiſtern,“ doch ohne etwas von ihrer Abſtimmung zu wiſſen, in
Beziehung auf gerade dieſe Frage dem Premier ſeine Entlaſſung eingereicht habe.
Wahrſcheinlich habe er indeſſen aus Rückſicht für die Stellung der Regierung nicht
auf ſeine Entlaſſung gedrungen. Heute gereiche es ihm, bemerkte Hr. Potter im
weiteren — zur Befriedigung zu denken wie er damals geſtimmt, und er ſei feſt
überzeugt: es gebe viele Unterhausmitglieder welche wünſchten ſie hätten damals
ein gleiches gethan, namentlich da bis zum heutigen Tage der damals begangene
grobe Fehler für die Regierung ein Stein des Anſtoßes ſei.

Für das Staff-College, die Generalſtabsſchule, bricht mit der Abſchaffung
des Stellenkaufs eine neue beſſere Zeit an. Bisher nahm man es mit der Quali-
fication für Generalſtabsſtellen und Adjutantur ſo wenig genau, daß eine Maſſe
ſolcher Stellen mit vornehmen und eleganten Officieren ohne wiſſenſchaftliche
Befähigung oder natürliche Begabung beſetzt war, während eine ganze Menge
tüchtiger Schüler des Staff-College in der Front dienen mußte, und viele
Jahre vergeblich auf andere Verwendung wartete. Die Erfahrungen des Krieges
in Frankreich, auf Seite der Franzoſen ſowohl als der deutſchen Heere, werden
dieſen Officieren weſentlich zum Vortheile gereichen. Aus dem Kriegsminiſterium
find über die weitere praktiſche Ausbildung ſolcher Officiere welche den Studien-
kreis der Generalſtabsſchule hinter ſich haben, und zu anderen Waffengattungen
commandirt werden, längere Inſtructionen hervorgegangen, welche ſich durchweg
an die Praxis der preußiſchen Armee anſchließen und keiner beſonderen Erwähnung
bedürfen. Auch in Bezug auf die Bedingungen für den Zulaß zum Staff-College
liegt eine neue Verfügung vor, welche auf den neuen Erſatz von 25 Officieren be-
reits Anwendung finden wird. Nach dieſer Inſtruction muß jeder Officier welcher
fich zum Examen für die Generalſtabsſchule meldet wenigſtens 5 Jahre gedient
haben, und ein Zeugniß von ſeinem Commandeur beibringen daß er im Regiment
ſich als einen durchaus tüchtigen Officier bewieſen hat. Außerdem iſt jedoch ein
zweites Zeugniß, ausgeſtellt vom Commandeur und von den im Rang auf denſelben
zunächſt folgenden zwei Officieren nöthig, welches über eine ganze Reihe verſchiedener
Punkte Auskunft gibt. In demſelben wird unter anderem mitgetheilt: ob die
Führung des Candidaten von Charakterfeſtigkeit und Umſicht zeugt, ob er mäßig
in ſeinen Gewohnheiten und nicht verſchwenderiſch in ſeiner Lebensweiſe iſt, ob er
Gifer, Verſtändniß und Tact im Dienſte zeigt, Thätigkeit und Thatkraft beweist,
und gute Augen hat. Sind alle Fragen über die hier angeführten Punkte in be-
[Spaltenumbruch] friedigender Weiſe beantwortet, ſo kommt noch die Haupt- und Schlußfrage aus-
zufüllen: „Iſt ſeine Befähigung derart, daß ſie ihn in Stand ſetzen würde die Pflich-
ten eines Generalſtabsofficiers mit Tact und Umſicht und in einer Weiſe zu er-
füllen welche geeignet iſt die muntere Ausführung der Befehle, welche er zu über-
bringen hat, zu ſichern; oder aber ſind ſeine Manieren und ſein Charakter unange-
nehm, und ſolcherart daß ſie ihn leicht in Uneinigkeit mit denjenigen bringen wür-
den welchen er beigeſellt würde, oder mit denen er zufällig in Berührung käme.“
Fallen die Zeugniſſe alle genügend aus, ſo wird der betreffende Officier zum
Examen vor eine Commiſſion von Officieren unter Vorſitz des Generaldirectors
für das Militärunterrichtsweſen gezogen, wo er in ſchriftlichen Arbeiten den Nach-
weis zu führen hat daß er mit militäriſchem Planzeichnen, mit der Fortification,
Taktik, Kriegsgeſchichte, Geographie, Mathematik, Deutſch und Franzöſiſch vertraut
iſt. Auch eine gewiſſe Kenntniß im Hindoſtaniſchen iſt erforderlich. Erſt wenn
dieſes Examen die Tüchtigkeit des Candidaten dargethan hat, kann ſeine Zulaſſung
in das Staff-College erfolgen.

Frankreich.

* Ein ganzer klerikaler Kreuzzug organiſirt ſich gegenwärtig gegen das vor-
gelegte Unterrichtsgeſetz. Bekanntlich war ſchon vor einiger Zeit der Erzbiſchof
von Rouen mit ſeinen Suffraganen in einer Petition gegen das Geſetz zu Felde
gezogen. Nun haben der Biſchof von Nevers, die Erzbiſchöfe und Biſchöfe von
Cambrai, Bourges, Arras, Autun und Amiens, die Biſchöfe der Normandie wie
der Biſchof von Vannes ihre Zuſtimmung zu jener Petition erklärt. Der Biſchof
von Beauvais glaubte in einem beſonderen Schreiben an die Mitglieder der Natio-
nalverſammlung ſich wenden zu müſſen, worin er verſichert: der Mangel an Unter-
richt ſei keineswegs ſo mißlich als man ſich vorſtelle. „Wir werden,“ ruft der Prä-
lat, „uns nicht ſcheuen es zu ſagen und laut zu verkünden, trotz der Unpopularität
welche ſich an die Feſtſtellung einer ſolchen Thatſache knüpfen kann, der Mangel
an Unterricht iſt für Frankreich nicht die ſchreckliche Gefahr wie man es gewöhnlich
zu ſagen pflegt.“ Der Biſchof ſchließt mit der Forderung: daß der Unterricht in
die Hände der Kirche zurückgegeben werde.

In dem großen Saale des Grand-Hôtel wurde geſtern eine Verſammlung
von 700 bis 800 Pariſer Induſtriellen abgehalten, die von den Syndikatskam-
mern eingeladen waren ihre Anſicht über die Steuerprojecte der Regierung und
über die Kündigung des Handelsvertrags abzugeben. Neben mehreren Kauf-
leuten und Fabricanten ließen ſich auch die Abgeordneten Féray und Wolowski
in freihändleriſchem Sinne vernehmen. Man beſchloß zuletzt beinahe einſtimmig
eine Tagesordnung welche „entſchiedenen Proteſt erhebt gegen die Beſteuerung
der Rohſtoffe, dagegen alle anderen Laſten, als Zölle, nöthigenfalls willig zu
ertragen erklärt.“

Das amtliche Blatt ſchreibt in gereiztem Tone: „Man liest im „Figaro“
vom 7 Januar: „„Man verſichert daß Hr. Thiers in dieſem Augenblicke mit dem
Pariſer Gemeinderath wegen Verkaufs der Reſte ſeines Hôtels an der Place St.
Georges verhandelt; man würde die Trümmer wegräumen und an ihrer Stelle
einen Square anlegen. Was ſoll aber dann aus der von der Nationalverſamm-
lung votirten Million werden?““ Dieſes von dem „Figaro“ hinterbrachte oder
erfundene Gerücht iſt ganz und gar unbegründet. Es iſt eine der tauſend lügneri-
ſchen Erfindungen welchen dieſes Blatt nur allzu oft ſeine Spalten öffnet, und die
es ohne Rückſicht auf die Perſonen und ohne Achtung der Wahrheit zu verbreiten
ſich befleißigt.“

Der Miniſter des Innern, Hr. Caſimir Périer, iſt durch den plötzlichen Tod
ſeiner Tochter, der Gräfin Ségur, in Trauer verſetzt worden.

Nationalverſammlung. Sitzung vom 10 Jan. Die Verhandlung über
die projectirte Steuer auf das bewegliche Vermögen wird fortgeſetzt. Hr. Pagés-Duport
unterſtützt den Vorſchlag unter Hinweis auf das Vorbild von Italien und Oeſterreich, wo
dieſe Beſteuerung, trotz alles Geſchreies das ſich in Europa erhob, dem Curſe der Renten
keinen Eintrag zu thun vermochte. Hr. Tolain empfiehlt den Antrag unter den ge-
wohnten Ausfällen gegen die „Sparſamkeitsſucht“ der Bourgeoiſie, in welcher jeder
gern nur Actionär oder Obligationär werden möchte. Hr. Benoiſt d’Azy bekämpft
die Vorlage vom Standpunkte der Eiſenbahn-Induſtrie. — Hier wird die Debatte ab-
gebrochen, nachdem man nur noch auf Antrag des Hrn. Thiers beſchloſſen hat das
Votum auch über dieſe Steuervorlage offen zu halten, bis man das Project eines
Zuſchlags zu den drei directen Steuern und einer Beſteuerung der Rohſtoffe einer ver-
gleichenden Prüfung unterzogen habe. Hr. Buiſſon erſtattet Bericht im Namen der
Militär-Commiſſion über den Antrag auf Rückverlegung der Nationalverſammlung
nach Paris. Die Commiſſion ſpricht ſich bekanntlich im verwerfenden Sinn aus. Die
Kammer, ſagt ſie, müſſe ſich ſelbſt und ihren Grundſätzen treu bleiben; in Bordeaux
habe Hr. Thiers ſelbſt anerkannt daß die Verlegung der Landesvertretung nach einem
andern Ort als Verſailles eine conſtitutive Frage ſei, die man nicht in Angriff nehmen
könne ohne das Land aufs neue zu ſpalten; man könne nur mit Schrecken daran denken
was geſchehen wäre wenn die Kammer ſich hätte vor dem 18 März nach Paris locken
laſſen (ſehr gut!); der Verwaltungsdienſt möge allerdings unter dieſen Verhältniſſen
leiden, aber das Wohl des Landes müſſe über die Bequemlichkeit der Regierungsbeamten
geſtellt werden; noch weniger könne man von einer Vereinſamung der Kammer in Verſailles
ſprechen, da ihr hier ſo gut wie in Paris alle Kundgebungen der öffentlichen Meinung
zukommen, wogegen ſie freilich von den Schlagworten der falſchen öffentlichen Meinung
und dem wüſten Lärm der revolutionären Parteien verſchont bleibe, wie es z. B. ſchon
jetzt heiße: die Nationalverſammlung ſolle nur deßhalb nach Paris verlegt werden um
ſich hier aufzulöſen. (Bravo!) Man bleibe alſo, fährt der Bericht fort, in Verſailles,
dem ſtrategiſchen Hauptquartier von Paris. Damit wollen wir keinesfalls, wie man
aus Bosheit ſagte, Paris, das ſich im Kriege ſo heldenmüthig benahm, eine Strafe oder
Lection ertheilen, ſondern nur der Hauptſtadt wie dem ganzen Lande die Zeit laſſen
ſich in Ruhe von ihrem Fall wieder aufzurichten. (Lebhafter Beifall und Bewegung.) —
Man kehrt dann zur Finanzdebatte zurück und eröffnet die Verhandlung über die 20procen-
tige Beſteuerung der Rohſtoffe. Hr. Tirard hält dieſe Steuer für die verderblichſte von
allen; ſie würde eine viel ſchlimmere Inquiſition nach ſich ziehen als man von der Einkom-
menſteuer befürchtete, und namentlich die Pariſer Induſtrie, welche oft für einen einzigen
Artikel die verſchiedenſten Rohſtoffe combinire, würde dieſe erhöhten Zölle mit Draw-
backs nicht aushalten können. Herzog Decazes entwickelt ebenfalls die mit den Draw-
backs verbundenen Uebelſtände und Mißbräuche; zudem könne die Regierung nach den
mit dem Auslande geſchloſſenen Handelsverträgen ja doch in einem Jahr keine weſent-
liche Veränderung an den Tarifen vornehmen. Auch berechnet der Redner an der Hand
ſtatiſtiſcher Aufnahmen daß dieſe Steuer einmal viel weniger die Luxusartikel als die
Bedürfniſſe der unvermögenden Leute (Baumwolle) treffen, zweitens aber nicht, wie die
Regierung annimmt, 60 Millionen, ſondern höchſt wahrſcheinlich nur die Hälfte ein-
tragen würde. Dagegen erklärt ſich Redner für eine Erhöhung der directen Steuern,
wobei der Grundbeſitz es an patriotiſcher Bereitwilligkeit nicht fehlen laſſen werde. (Zu-

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Sinneswei&#x017F;e der engli&#x017F;chen Nation,&#x201C; an die der Redner &#x017F;o oft anklopft, dictirt hat.<lb/>
Sein großer Fehler be&#x017F;teht aber darin daß er vergißt welche Mehrheit hinter der<lb/>
Regierung &#x017F;teht. Da war doch Lord Derby, über de&#x017F;&#x017F;en Liverpooler Rede wir<lb/>
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Fahne zu &#x017F;chreiben; in Wahrheit aber würde er den &#x201E;Rück&#x017F;chritt&#x201C; wohl vorziehen.<lb/>
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            <p>Ueber John Brights Stellung im Cabinet deim Ausbruche des Krieges<lb/>
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Pf. St. nicht gewähren wollten, und rief dabei den Spottnamen der &#x017F;ieben wei&#x017F;en<lb/>
Mei&#x017F;ter zurück, welcher der kleinen Schaar im Unterhau&#x017F;e beigelegt wurde. Er be-<lb/>
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bedecke Rochdale mit Schande. In der Zwi&#x017F;chenzeit &#x017F;ei übrigens Vright wieder-<lb/>
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&#x017F;undheit in &#x017F;ehr üblem Zu&#x017F;tande war, von die&#x017F;er Angelegenheit und ihrer Erörte-<lb/>
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            <p>Für das Staff-College, die General&#x017F;tabs&#x017F;chule, bricht mit der Ab&#x017F;chaffung<lb/>
des Stellenkaufs eine neue be&#x017F;&#x017F;ere Zeit an. Bisher nahm man es mit der Quali-<lb/>
fication für General&#x017F;tabs&#x017F;tellen und Adjutantur &#x017F;o wenig genau, daß eine Ma&#x017F;&#x017F;e<lb/>
&#x017F;olcher Stellen mit vornehmen und eleganten Officieren ohne wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche<lb/>
Befähigung oder natürliche Begabung be&#x017F;etzt war, während eine ganze Menge<lb/>
tüchtiger Schüler des Staff-College in der Front dienen mußte, und viele<lb/>
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reits Anwendung finden wird. Nach die&#x017F;er In&#x017F;truction muß jeder Officier welcher<lb/>
fich zum Examen für die General&#x017F;tabs&#x017F;chule meldet wenig&#x017F;tens 5 Jahre gedient<lb/>
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&#x017F;ich als einen durchaus tüchtigen Officier bewie&#x017F;en hat. Außerdem i&#x017F;t jedoch ein<lb/>
zweites Zeugniß, ausge&#x017F;tellt vom Commandeur und von den im Rang auf den&#x017F;elben<lb/>
zunäch&#x017F;t folgenden zwei Officieren nöthig, welches über eine ganze Reihe ver&#x017F;chiedener<lb/>
Punkte Auskunft gibt. In dem&#x017F;elben wird unter anderem mitgetheilt: ob die<lb/>
Führung des Candidaten von Charakterfe&#x017F;tigkeit und Um&#x017F;icht zeugt, ob er mäßig<lb/>
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Gifer, Ver&#x017F;tändniß und Tact im Dien&#x017F;te zeigt, Thätigkeit und Thatkraft beweist,<lb/>
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den welchen er beige&#x017F;ellt würde, oder mit denen er zufällig in Berührung käme.&#x201C;<lb/>
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Examen vor eine Commi&#x017F;&#x017F;ion von Officieren unter Vor&#x017F;itz des Generaldirectors<lb/>
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Taktik, Kriegsge&#x017F;chichte, Geographie, Mathematik, Deut&#x017F;ch und Franzö&#x017F;i&#x017F;ch vertraut<lb/>
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von Rouen mit &#x017F;einen Suffraganen in einer Petition gegen das Ge&#x017F;etz zu Felde<lb/>
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Cambrai, Bourges, Arras, Autun und Amiens, die Bi&#x017F;chöfe der Normandie wie<lb/>
der Bi&#x017F;chof von Vannes ihre Zu&#x017F;timmung zu jener Petition erklärt. Der Bi&#x017F;chof<lb/>
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Militär-Commi&#x017F;&#x017F;ion über den Antrag auf Rückverlegung der Nationalver&#x017F;ammlung<lb/>
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habe Hr. Thiers &#x017F;elb&#x017F;t anerkannt daß die Verlegung der Landesvertretung nach einem<lb/>
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könne ohne das Land aufs neue zu &#x017F;palten; man könne nur mit Schrecken daran denken<lb/>
was ge&#x017F;chehen wäre wenn die Kammer &#x017F;ich hätte vor dem 18 März nach Paris locken<lb/>
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leiden, aber das Wohl des Landes mü&#x017F;&#x017F;e über die Bequemlichkeit der Regierungsbeamten<lb/>
ge&#x017F;tellt werden; noch weniger könne man von einer Verein&#x017F;amung der Kammer in Ver&#x017F;ailles<lb/>
&#x017F;prechen, da ihr hier &#x017F;o gut wie in Paris alle Kundgebungen der öffentlichen Meinung<lb/>
zukommen, wogegen &#x017F;ie freilich von den Schlagworten der fal&#x017F;chen öffentlichen Meinung<lb/>
und dem wü&#x017F;ten Lärm der revolutionären Parteien ver&#x017F;chont bleibe, wie es z. B. &#x017F;chon<lb/>
jetzt heiße: die Nationalver&#x017F;ammlung &#x017F;olle nur deßhalb nach Paris verlegt werden um<lb/>
&#x017F;ich hier aufzulö&#x017F;en. (Bravo!) Man bleibe al&#x017F;o, fährt der Bericht fort, in Ver&#x017F;ailles,<lb/>
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Lection ertheilen, &#x017F;ondern nur der Haupt&#x017F;tadt wie dem ganzen Lande die Zeit la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich in Ruhe von ihrem Fall wieder aufzurichten. (Lebhafter Beifall und Bewegung.) &#x2014;<lb/>
Man kehrt dann zur Finanzdebatte zurück und eröffnet die Verhandlung über die 20procen-<lb/>
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[[197]/0005] wöhnlichen Vorwürfe weiter. Er ſei erſt ſeit kurzem in London und habe da auch die Theater beſucht; dieſe kämen ihm in vieler Hinſicht ähnlich vor wie das parla- mentariſche Leben. Die Schauſpieler thäten dort was ſie wollten, möge das Publicum nun klatſchen oder nicht. In gleicher Weiſe ſtellte ſich der ehrenwerthe Sir die brittiſche Nation vor als ein Publicum, vor dem die Regierung Senſationsdramen von eigener Erfindung aufführt. Wir denken denn doch daß die Schauſpieler ſo ganz ohne Inſtructionen nicht ſind — Inſtructionen die ihnen eben jene „ernſthafte Sinnesweiſe der engliſchen Nation,“ an die der Redner ſo oft anklopft, dictirt hat. Sein großer Fehler beſteht aber darin daß er vergißt welche Mehrheit hinter der Regierung ſteht. Da war doch Lord Derby, über deſſen Liverpooler Rede wir geſtern berichteten, einſichtsvoller. Er beſaß wenigſtens die Klugheit die Ver- gangenheit anzuerkennen, mit der Gegenwart gemäßigt zu verfahren, und alles auf die Zukunft zu ſetzen. Letzteres ſcheint nun Hr. Pakington auch thun zu wollen, wenn er den Conſervativen von Rochdale räth das Wort „Fortſchritt“ auf ihre Fahne zu ſchreiben; in Wahrheit aber würde er den „Rückſchritt“ wohl vorziehen. Auch die Kundgebungen am Krankenbette des Prinzen von Wales deutete er als Ausflüſſe des conſervativen Einfluſſes. Die „Times“ bemerkt dazu: daß die eng- liſche Nation andere Gefühle im Grunde ihres Herzens hege als die eines conſer- vativen Politikers, und daß ihr die Geſundheit des Prinzen von Wales mehr am Herzen liege als eine conſtitutionelle Predigt, die „in der Krankheit“ des Prinzen vielen die Augen geöffnet habe. Sie räth Hrn. Pakington an aufs Land zurückzugehen. Nur in einem Punkte ſtimmt Lord Derby mit Hrn. Pakington überein: in dem daß er ſeinen Freunden anräth zuzuwarten. Erſt nur dann wenn ſie die Mehrheit haben, wird es ihre Pflicht und ihre Politik ſein müſſen die Verantwortlichkeiten der Macht auf ſich zu nehmen. Das iſt eine weiſe Vorſchrift, aber man wirft ſich dabei immer die Frage auf: ob ſie in der That praktiſch durchführbar iſt. Als ſich die beiden letzten conſervativen Adminiſtrationen bildeten, waren es gewiß nicht die ſchlechteſten ihrer Mitglieder die ſich weigerten die Laſt der Geſchäfte und ihre Verantwortlichkeit ſich aufzubürden; aber ſie wurden von den übrigen dazu ge- drängt. Sie wußten wohl daß ſie, wenn ſie mit einer Minderheit handelten, ge- zwungen ſein würden den Willen der Oppoſition mehr durchzuſetzen als ihren eige- nen — aber was wollten ſie machen? Können nicht, ſo meint die „Times,“ wieder ähnliche Zuſtände eintreten? Man braucht, was gar nicht ſo undenkbar wäre, bloß anzunehmen daß das jetzige Miniſterium im Laufe der kommenden Seſſion in Miß- credit geriethe. Es gibt dazu mehrere Anläſſe, etwa die iriſche Univerſitätsfrage, die Berufung Sir Robert Colliers und anderes, der kritiſchen Angriffe gar nicht zu gedenken. Würde ſich nun daraus eine miniſterielle Niederlage entwickeln, wie dann? Für die Conſervativen ſelbſt, wie für das Land, wäre es entſchieden beſſer wenn ſie in der Oppoſition blieben. Wir wiſſen freilich alle daß dieß nicht gut geht. Eine Partei die gar keine Hoffnung hat je die Macht zu erlangen ſtirbt all- mählich ab, und wenn die Conſervativen nicht hin und wieder die Süßigkeiten des Amtes koſten, ſo werden ſie davon abſehen ſich mit der Oppoſition zu beſchäftigen. Wenn Lord Derby ſich genau an ſein Programm halten könnte, ſo würde ihm die Nation Gelegenheit geben während einer Saiſon ſeine Plane auszuführen. Sein kühles, wenn nicht kaltes Urtheil, ſeine Geſchäftstüchtigkeit und ſein praktiſcher Sinn laſſen ihn eine Seite Sir Robert Peels repräſentiren. Aber wir fürchten daß Lord Derby, wenn er mit der Macht bekleidet iſt, durch ſeine Freunde gedrängt würde die Schranken zu verlaſſen die er ſich ſelbſt in Liverpool gezogen hat. Man muß daher hoffen daß das jetzige Miniſterium in Kraft bleibt, an Kraft zunimmt, und daß die conſervative Oppoſition ſelbſt das ihrige thut zu Gunſten des eigenen Landes es in Kraft zu erhalten. Ueber John Brights Stellung im Cabinet deim Ausbruche des Krieges theilte in dieſen Tagen Hr. T. L. Potter, Parlamentsmitglied für Rochdale, vor dem liberalen Verein am letztern Orte, wo bekanntlich Brights Fabrik gelegen iſt, einige erwähnenswerthe Einzelheiten mit. Er erinnerte ſeine Zuhörer wie er im Juli 1870 mit unter jenen 7 Parlamentsmitgliedern geweſen welche die Vermehrung der Armee um 20,000 Mann und eine nachträgliche Bewilligung von 2,000,000 Pf. St. nicht gewähren wollten, und rief dabei den Spottnamen der ſieben weiſen Meiſter zurück, welcher der kleinen Schaar im Unterhauſe beigelegt wurde. Er be- merkte ferner: die Torypartei habe ihm den Vorwurf ins Geſicht: geſchleudert er bedecke Rochdale mit Schande. In der Zwiſchenzeit ſei übrigens Vright wieder- geneſen, und habe ihm, dem Redner, mitgetheilt daß er zu einer Zeit, wo ſeine Ge- ſundheit in ſehr üblem Zuſtande war, von dieſer Angelegenheit und ihrer Erörte- rung vor dem Unterhauſe gehört habe, und daß er in Uebereinſtimmung mit den „ſieben weiſen Meiſtern,“ doch ohne etwas von ihrer Abſtimmung zu wiſſen, in Beziehung auf gerade dieſe Frage dem Premier ſeine Entlaſſung eingereicht habe. Wahrſcheinlich habe er indeſſen aus Rückſicht für die Stellung der Regierung nicht auf ſeine Entlaſſung gedrungen. Heute gereiche es ihm, bemerkte Hr. Potter im weiteren — zur Befriedigung zu denken wie er damals geſtimmt, und er ſei feſt überzeugt: es gebe viele Unterhausmitglieder welche wünſchten ſie hätten damals ein gleiches gethan, namentlich da bis zum heutigen Tage der damals begangene grobe Fehler für die Regierung ein Stein des Anſtoßes ſei. Für das Staff-College, die Generalſtabsſchule, bricht mit der Abſchaffung des Stellenkaufs eine neue beſſere Zeit an. Bisher nahm man es mit der Quali- fication für Generalſtabsſtellen und Adjutantur ſo wenig genau, daß eine Maſſe ſolcher Stellen mit vornehmen und eleganten Officieren ohne wiſſenſchaftliche Befähigung oder natürliche Begabung beſetzt war, während eine ganze Menge tüchtiger Schüler des Staff-College in der Front dienen mußte, und viele Jahre vergeblich auf andere Verwendung wartete. Die Erfahrungen des Krieges in Frankreich, auf Seite der Franzoſen ſowohl als der deutſchen Heere, werden dieſen Officieren weſentlich zum Vortheile gereichen. Aus dem Kriegsminiſterium find über die weitere praktiſche Ausbildung ſolcher Officiere welche den Studien- kreis der Generalſtabsſchule hinter ſich haben, und zu anderen Waffengattungen commandirt werden, längere Inſtructionen hervorgegangen, welche ſich durchweg an die Praxis der preußiſchen Armee anſchließen und keiner beſonderen Erwähnung bedürfen. Auch in Bezug auf die Bedingungen für den Zulaß zum Staff-College liegt eine neue Verfügung vor, welche auf den neuen Erſatz von 25 Officieren be- reits Anwendung finden wird. Nach dieſer Inſtruction muß jeder Officier welcher fich zum Examen für die Generalſtabsſchule meldet wenigſtens 5 Jahre gedient haben, und ein Zeugniß von ſeinem Commandeur beibringen daß er im Regiment ſich als einen durchaus tüchtigen Officier bewieſen hat. Außerdem iſt jedoch ein zweites Zeugniß, ausgeſtellt vom Commandeur und von den im Rang auf denſelben zunächſt folgenden zwei Officieren nöthig, welches über eine ganze Reihe verſchiedener Punkte Auskunft gibt. In demſelben wird unter anderem mitgetheilt: ob die Führung des Candidaten von Charakterfeſtigkeit und Umſicht zeugt, ob er mäßig in ſeinen Gewohnheiten und nicht verſchwenderiſch in ſeiner Lebensweiſe iſt, ob er Gifer, Verſtändniß und Tact im Dienſte zeigt, Thätigkeit und Thatkraft beweist, und gute Augen hat. Sind alle Fragen über die hier angeführten Punkte in be- friedigender Weiſe beantwortet, ſo kommt noch die Haupt- und Schlußfrage aus- zufüllen: „Iſt ſeine Befähigung derart, daß ſie ihn in Stand ſetzen würde die Pflich- ten eines Generalſtabsofficiers mit Tact und Umſicht und in einer Weiſe zu er- füllen welche geeignet iſt die muntere Ausführung der Befehle, welche er zu über- bringen hat, zu ſichern; oder aber ſind ſeine Manieren und ſein Charakter unange- nehm, und ſolcherart daß ſie ihn leicht in Uneinigkeit mit denjenigen bringen wür- den welchen er beigeſellt würde, oder mit denen er zufällig in Berührung käme.“ Fallen die Zeugniſſe alle genügend aus, ſo wird der betreffende Officier zum Examen vor eine Commiſſion von Officieren unter Vorſitz des Generaldirectors für das Militärunterrichtsweſen gezogen, wo er in ſchriftlichen Arbeiten den Nach- weis zu führen hat daß er mit militäriſchem Planzeichnen, mit der Fortification, Taktik, Kriegsgeſchichte, Geographie, Mathematik, Deutſch und Franzöſiſch vertraut iſt. Auch eine gewiſſe Kenntniß im Hindoſtaniſchen iſt erforderlich. Erſt wenn dieſes Examen die Tüchtigkeit des Candidaten dargethan hat, kann ſeine Zulaſſung in das Staff-College erfolgen. Frankreich. Paris, 11 Jan. * Ein ganzer klerikaler Kreuzzug organiſirt ſich gegenwärtig gegen das vor- gelegte Unterrichtsgeſetz. Bekanntlich war ſchon vor einiger Zeit der Erzbiſchof von Rouen mit ſeinen Suffraganen in einer Petition gegen das Geſetz zu Felde gezogen. Nun haben der Biſchof von Nevers, die Erzbiſchöfe und Biſchöfe von Cambrai, Bourges, Arras, Autun und Amiens, die Biſchöfe der Normandie wie der Biſchof von Vannes ihre Zuſtimmung zu jener Petition erklärt. Der Biſchof von Beauvais glaubte in einem beſonderen Schreiben an die Mitglieder der Natio- nalverſammlung ſich wenden zu müſſen, worin er verſichert: der Mangel an Unter- richt ſei keineswegs ſo mißlich als man ſich vorſtelle. „Wir werden,“ ruft der Prä- lat, „uns nicht ſcheuen es zu ſagen und laut zu verkünden, trotz der Unpopularität welche ſich an die Feſtſtellung einer ſolchen Thatſache knüpfen kann, der Mangel an Unterricht iſt für Frankreich nicht die ſchreckliche Gefahr wie man es gewöhnlich zu ſagen pflegt.“ Der Biſchof ſchließt mit der Forderung: daß der Unterricht in die Hände der Kirche zurückgegeben werde. In dem großen Saale des Grand-Hôtel wurde geſtern eine Verſammlung von 700 bis 800 Pariſer Induſtriellen abgehalten, die von den Syndikatskam- mern eingeladen waren ihre Anſicht über die Steuerprojecte der Regierung und über die Kündigung des Handelsvertrags abzugeben. Neben mehreren Kauf- leuten und Fabricanten ließen ſich auch die Abgeordneten Féray und Wolowski in freihändleriſchem Sinne vernehmen. Man beſchloß zuletzt beinahe einſtimmig eine Tagesordnung welche „entſchiedenen Proteſt erhebt gegen die Beſteuerung der Rohſtoffe, dagegen alle anderen Laſten, als Zölle, nöthigenfalls willig zu ertragen erklärt.“ Das amtliche Blatt ſchreibt in gereiztem Tone: „Man liest im „Figaro“ vom 7 Januar: „„Man verſichert daß Hr. Thiers in dieſem Augenblicke mit dem Pariſer Gemeinderath wegen Verkaufs der Reſte ſeines Hôtels an der Place St. Georges verhandelt; man würde die Trümmer wegräumen und an ihrer Stelle einen Square anlegen. Was ſoll aber dann aus der von der Nationalverſamm- lung votirten Million werden?““ Dieſes von dem „Figaro“ hinterbrachte oder erfundene Gerücht iſt ganz und gar unbegründet. Es iſt eine der tauſend lügneri- ſchen Erfindungen welchen dieſes Blatt nur allzu oft ſeine Spalten öffnet, und die es ohne Rückſicht auf die Perſonen und ohne Achtung der Wahrheit zu verbreiten ſich befleißigt.“ Der Miniſter des Innern, Hr. Caſimir Périer, iſt durch den plötzlichen Tod ſeiner Tochter, der Gräfin Ségur, in Trauer verſetzt worden. Nationalverſammlung. Sitzung vom 10 Jan. Die Verhandlung über die projectirte Steuer auf das bewegliche Vermögen wird fortgeſetzt. Hr. Pagés-Duport unterſtützt den Vorſchlag unter Hinweis auf das Vorbild von Italien und Oeſterreich, wo dieſe Beſteuerung, trotz alles Geſchreies das ſich in Europa erhob, dem Curſe der Renten keinen Eintrag zu thun vermochte. Hr. Tolain empfiehlt den Antrag unter den ge- wohnten Ausfällen gegen die „Sparſamkeitsſucht“ der Bourgeoiſie, in welcher jeder gern nur Actionär oder Obligationär werden möchte. Hr. Benoiſt d’Azy bekämpft die Vorlage vom Standpunkte der Eiſenbahn-Induſtrie. — Hier wird die Debatte ab- gebrochen, nachdem man nur noch auf Antrag des Hrn. Thiers beſchloſſen hat das Votum auch über dieſe Steuervorlage offen zu halten, bis man das Project eines Zuſchlags zu den drei directen Steuern und einer Beſteuerung der Rohſtoffe einer ver- gleichenden Prüfung unterzogen habe. Hr. Buiſſon erſtattet Bericht im Namen der Militär-Commiſſion über den Antrag auf Rückverlegung der Nationalverſammlung nach Paris. Die Commiſſion ſpricht ſich bekanntlich im verwerfenden Sinn aus. Die Kammer, ſagt ſie, müſſe ſich ſelbſt und ihren Grundſätzen treu bleiben; in Bordeaux habe Hr. Thiers ſelbſt anerkannt daß die Verlegung der Landesvertretung nach einem andern Ort als Verſailles eine conſtitutive Frage ſei, die man nicht in Angriff nehmen könne ohne das Land aufs neue zu ſpalten; man könne nur mit Schrecken daran denken was geſchehen wäre wenn die Kammer ſich hätte vor dem 18 März nach Paris locken laſſen (ſehr gut!); der Verwaltungsdienſt möge allerdings unter dieſen Verhältniſſen leiden, aber das Wohl des Landes müſſe über die Bequemlichkeit der Regierungsbeamten geſtellt werden; noch weniger könne man von einer Vereinſamung der Kammer in Verſailles ſprechen, da ihr hier ſo gut wie in Paris alle Kundgebungen der öffentlichen Meinung zukommen, wogegen ſie freilich von den Schlagworten der falſchen öffentlichen Meinung und dem wüſten Lärm der revolutionären Parteien verſchont bleibe, wie es z. B. ſchon jetzt heiße: die Nationalverſammlung ſolle nur deßhalb nach Paris verlegt werden um ſich hier aufzulöſen. (Bravo!) Man bleibe alſo, fährt der Bericht fort, in Verſailles, dem ſtrategiſchen Hauptquartier von Paris. Damit wollen wir keinesfalls, wie man aus Bosheit ſagte, Paris, das ſich im Kriege ſo heldenmüthig benahm, eine Strafe oder Lection ertheilen, ſondern nur der Hauptſtadt wie dem ganzen Lande die Zeit laſſen ſich in Ruhe von ihrem Fall wieder aufzurichten. (Lebhafter Beifall und Bewegung.) — Man kehrt dann zur Finanzdebatte zurück und eröffnet die Verhandlung über die 20procen- tige Beſteuerung der Rohſtoffe. Hr. Tirard hält dieſe Steuer für die verderblichſte von allen; ſie würde eine viel ſchlimmere Inquiſition nach ſich ziehen als man von der Einkom- menſteuer befürchtete, und namentlich die Pariſer Induſtrie, welche oft für einen einzigen Artikel die verſchiedenſten Rohſtoffe combinire, würde dieſe erhöhten Zölle mit Draw- backs nicht aushalten können. Herzog Decazes entwickelt ebenfalls die mit den Draw- backs verbundenen Uebelſtände und Mißbräuche; zudem könne die Regierung nach den mit dem Auslande geſchloſſenen Handelsverträgen ja doch in einem Jahr keine weſent- liche Veränderung an den Tarifen vornehmen. Auch berechnet der Redner an der Hand ſtatiſtiſcher Aufnahmen daß dieſe Steuer einmal viel weniger die Luxusartikel als die Bedürfniſſe der unvermögenden Leute (Baumwolle) treffen, zweitens aber nicht, wie die Regierung annimmt, 60 Millionen, ſondern höchſt wahrſcheinlich nur die Hälfte ein- tragen würde. Dagegen erklärt ſich Redner für eine Erhöhung der directen Steuern, wobei der Grundbeſitz es an patriotiſcher Bereitwilligkeit nicht fehlen laſſen werde. (Zu-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 14. Januar 1872, S. [197]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine14_1872/5>, abgerufen am 21.11.2024.