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Allgemeine Zeitung, Nr. 156, 4. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] geben, und erinnert dabei an die Kämpfe von Montebello, von Palestro,
Turbigo und Magenta, um zu behaupten daß Frankreich wohl eine Belohnung
verdiente. Diese Prätention würde sehr billig gewesen seyn, wenn man nicht
vor und während des italienischen Kriegs die Uneigennützigkeit Frankreichs so
sehr gerühmt, und fortwährend den Beweggrund der Louis Napoleon handeln
ließ: die Heirath des Prinzen Napoleon und die Abtretung Savoyens ver-
borgen hätte. Die rechte Hand führte das Schwert, und die linke war zum
Einstecken bereit. -- Abbe Duquesnoy, der in diesem Jahr die Fasten-
predigten in den Tuilerien gehalten hat, ist zum Bischof in partibus und zum
Gouverneur der Kinder Frankreichs ernannt worden.

Belgien.

Der heutige Moniteur belge bringt eine
Erklärung gegen die Nachricht der "Berliner Revue," wonach von Berlin ab-
gegangene und für London bestimmte Depeschen in Belgien geöffnet worden
wären. Das officielle Organ erklärt daß keine Reclamation irgend einer Art
weder an das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, noch an das der
öffentlichen Bauten wegen dieses schweren Mißbrauchs, den die belgische Post-
verwaltung begangen haben soll, gerichtet worden wäre. Diese Berichtigung
würde hinreichen den Werth der Behauptungen der "Berliner Revue" zu
beurtheilen. Uebrigens wären die Depeschen von England für Deutschland,
und umgekehrt, wie alle Transitdepeschen in verschlossenen, zugebundenen und
versiegelten Säcken eingeschlossen, die durch Belgien giengen ohne daß der
Inhalt dieser Säcke bekannt sey. Beiläufig bemerke ich daß König Leopold
niemals eine Indiscretion in Betreff seiner Depeschen zu befüchten haben
wird, indem derselbe wichtige Briefe für England oder für Deutschland niemals
der Post anvertraut, sondern sie einem seiner vertrauten Hausbeamten, und
stets einem Deutschen, übergibt, der die Reise damit nach ihrem Bestimmungs-
ort macht und sie nur an die Person der Adresse ausliefert.

Handels- und Börsennachrichten.

Die gestern dahier stattgefundene Generalversamm-
lung der Actionäre der Bank für Handel und Industrie war sehr besucht im Ber-
gleich zu den früheren Generalversammlungen. Es waren 63 Actionäre anwesend,
welche 427 Stimmen hatten und 85,89 Actien (ungefähr den zehuten Theil des
ganzen Actiencapitals) repräsentirten. Aus dem von dem ersten Director der Bank,
Hrn. Dr. Parcus, verlesenen (dießmal sehr umfangreich ausgearbeiteten) Geschäfts-
bericht ist leider als Hanptmoment ein Deficit von 804,898 fl. 301/2 kr. hervor-
zuheben. Der einzig mildernde Umstand der dieses Ergebniß begleitet, ist der daß
in diesem Deficit die lanfenden Risicos zum Vortrag auf del credere Conto mit
735,616 fl. 46 kr. verrechnet sind, und diese Summe voraussichtlich nicht erschöpst
wird. Die Bank hat also in diesem Jahr die Zinsen des Actiencapitals mit 4 Proc.
dieses Jahr nicht verdient, oder, wie der Geschäftsbericht dieß ausdrückt, die Bank
sieht in ihren Activen 4 Proc. unter pari. Auf der Tagesordnung standen zunächst
zwei Anträge der Berwaltung: 1) die Generalversammlung erklärt sich einverstanden
daß die bis zum 31 Dec. 1859 angekansten 20,000 Stück eigene Actien zum
Nominalwerth in die Bilanz vom 31 Dec. 1859 aufgenommen worden sind, und
daß die Differenz zwischen dem Ankaufspreis und dem Nominalwerth dieser Actien
zur Tilgung entstandener Berluste verwendet worden ist; 2) sollen auch in diesem
Jahr 20,000 Stück eigene Actien aufgekauft werden, und der Gewinn welcher sich
aus dem Ankauf dieser eigenen Actien durch die Differenz zwischen dem Ankaufs-
preis und dem Nominalwerth ergibt, soll zur Tilgung entstandener Verluste oder
zur Bermehrung des Reservefonds verwendet werden. Beide Anträge erhielten die
Zustimmung der Bersammlung. Hierauf wurde zur Berathung der vorgeschlagenen
Statutenänderungen geschritten. Zweck dieser Abänderungen ist es die Direction
von dem Verwaltungsrath unabhängiger zu machen. Der Verwaltungsrath soll
nur eine "überwachende" Behörde bilden. Die Versammlung erklärte sich mit deu
Aenderungen einverstanden. Nur ein Vorschlag: die Bedingungen der Zulassung
zur Generalversammlung, wurde abfällig, und bleibt es in dieser Beziehung bei der
alten Bestimmung im §. 32. Die Bersammlung dauerte von Morgens 11 bis
Abends 6 Uhr.



Neueste Posten.

Seit den fürchterlichen Hagelschlägen vom
25 Juni 1844 und vom Jahr 1848 kann man sich in unserer Hauptstadt
und Umgegend wohl nicht leicht eines Wetters erinnern gleich dem das heute
Abend um 5 Uhr über München hereingebrochen. Nachdem die auf das
Künstlermaifest folgenden Gewitter uns kalte Pfingsitage, selbst mit Schnee-
schauer, gebracht hatten, kam gestern Abend um 9 Uhr ein äußerst heftiges
und hartnäckiges Gewitter aus Nordwesten, dem nun heute aus der nämlichen
Richtung die lichtgrauen Wetterwolken folgten, welche eine Viertelstunde lang
[Spaltenumbruch] fast in immerwährender Steigerung den Hagel herabsendeten, als ob Keulen-
schläge auf die Hausdächer fielen. Hunderte von Fensterscheiben sind zer-
trümmert, und manche Häuserfagaden zeigen keine ganze Scheibe mehr. Der
Starnberger Bahnzug soll, von dem Wetter überfallen, ebenfalls auf einer
Seite alle Fenster durch die eiergroßen Schlossen verloren haben, und der
Schaden in der Umgegend wird sich als erheblich herausstellen. Die Sonn-
tagslust unserer Münchener wurde so auf sehr unangenehme Art unter-
brochen.

Am 2 d. übermittelte Bankier Fröhlich der
biesigen Nuntiatur einen Wechsel von 115,000 fl. als Ertragssumme der
Sammlung für den Papst. Die Diöcese Augsburg ist daran mit 30,095 fl.
22 kr. betheiligt. -- Der Großherzog von Toscana wird nächsten Dienstag
sich nach seiner kürzlich erworbenen Villa am Bodensee in der Nähe Lindau's
begeben. -- Cornelius wird diese Woche auf der Dnrchreise von Rom nach
Berlin in unsere Stadt kommen, und ein paar Tage hier verweilen.

* Aus Wien erhalten wir die Rede des Kaisers (s. Beilage) und die
ersten Verhandlungen des Reichsraths stenographirt. Es war also eine Un-
wahrheit daß diese Verhandlungen geheim gehalten, oder aufs kürzeste zusammen-
gedrängt werden sollen. Dabei wollen wir bemerken daß schon seit einiger Zeit
der Sectionsrath im Ministerium des Aeußern, Frhr. Max v. Gagern (ein
jüngerer Bruder Heinrichs v. Gagern, auch Mitglied der Frankfurter Na-
tionalversammlung, früher in niederländischen Diensten), die oberste Leitung
der Preßangelegenheiten erhalten hat. Hr. Wit v. Döring ist so erkrankt,
daß er die Geschäfte abgeben mußte. Hr. Max v. Gagern ist ein Mann
der in seinem Leben ganz unbezweifelte Beweise seiner muthigen Selbständig-
keit abgelegt hat.

* In Palermo ist also Garibaldi Herr, und die angeblich 25,000
Mann starke neapolitanische Garnison räumt die Stadt. Wenn da nicht
Verrath im Spiel ist, wie bei der Landung in Marsala, wo die neapolitani-
schen Seeofficiere eine noch unaufgeklärte Rolle spielten, so ist das schwer be-
greiflich. Ein Heer von 25,000 Mann jagt man doch nicht mit ein paar Tausend
Freischärler und den zusammengerafften Haufen einer aufrührerischen Stadt
davon. Zwar entrollt die Times ein Schauergemälde der in Sicilien begangenen
Unthaten, um die Verwandlung der Milde des Volks in blutigen Haß gegen
seine Unterdrücker klar zu machen. Sie beruft sich hiebei auf französische und
italienische Berichte. Nun wollen wir gewiß nicht die Lobredner des neapo-
litanischen Polizeiregiments machen, aber die Lügenhaftigkeit der französischen
und italienischen Blätter beim Anfang des letzten Kriegs, wo sie die schreck-
lichsten Geschichten über die österreichische Armee vorbrachten, verbunden mit
der Verdrehungskunst der Times in Bezug auf Ungarn, Griechenland,
Neapel etc., ist doch zu bekannt um hier nicht die stärksten Uebertreibungen zu ver-
muthen. Nun, Garibaldi ist in Palermo, und eine sicilische Deputation geht nach
Turin, um dem König Victor Emmanuel abermals eine Krone zu Füßen zu legen.
Zwar scheiden noch Rom und Neapel das neue Besitzthum von seinen "annexir-
ten" Provinzen, und in diesen selbst ist ein bedrohlicher Geist erwacht, aber der
Wille Napoleons und der Geist Cavours werden auch da Rath zu schaffen
wissen. So wäre also die ganze italienische Halbinsel, nebst Sicilien, dem
Entschluß eines Mannes preisgegeben der noch vor zwölf Jahren vergeblich
sich um die sicilische Krone beworben hatte. (S. Reuchlin.) Was er damit
anfangen wird, das werden wir wahrscheinlich erst erfahren wenn auch das
Loos über Neapel und den Kirchenstaat geworfen ist. Wenn man dazu be-
denkt daß auch in China die Flotten sich auf einen Angriff rüsten, und daß in
der Türkei die nachhaltigsten Bewegungen bevorzustehen scheinen, so kenn
man sich über die Pariser Friedensversicherungen, die den Deutschen gelten,
nicht eben wundern, auch wenn man ihnen nicht mit den preußischen "Con-
cessionen" geantwortet hätte. (S. den Artikel über die Eröffnung der
Trierer Bahn.)



Berichtigung.

In der gestrigen Beilage S. 2591, Sp. 2 im Berliner Artikel ist Z. 32
von unten statt "die gemeinsame Absicht" zu lesen: "die gemeinsame Pflicht."



Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges.

Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.



[irrelevantes Material]

[Spaltenumbruch] geben, und erinnert dabei an die Kämpfe von Montebello, von Paleſtro,
Turbigo und Magenta, um zu behaupten daß Frankreich wohl eine Belohnung
verdiente. Dieſe Prätention würde ſehr billig geweſen ſeyn, wenn man nicht
vor und während des italieniſchen Kriegs die Uneigennützigkeit Frankreichs ſo
ſehr gerühmt, und fortwährend den Beweggrund der Louis Napoleon handeln
ließ: die Heirath des Prinzen Napoleon und die Abtretung Savoyens ver-
borgen hätte. Die rechte Hand führte das Schwert, und die linke war zum
Einſtecken bereit. — Abbé Duquesnoy, der in dieſem Jahr die Faſten-
predigten in den Tuilerien gehalten hat, iſt zum Biſchof in partibus und zum
Gouverneur der Kinder Frankreichs ernannt worden.

Belgien.

Der heutige Moniteur belge bringt eine
Erklärung gegen die Nachricht der „Berliner Revue,“ wonach von Berlin ab-
gegangene und für London beſtimmte Depeſchen in Belgien geöffnet worden
wären. Das officielle Organ erklärt daß keine Reclamation irgend einer Art
weder an das Miniſterium der auswärtigen Angelegenheiten, noch an das der
öffentlichen Bauten wegen dieſes ſchweren Mißbrauchs, den die belgiſche Poſt-
verwaltung begangen haben ſoll, gerichtet worden wäre. Dieſe Berichtigung
würde hinreichen den Werth der Behauptungen der „Berliner Revue“ zu
beurtheilen. Uebrigens wären die Depeſchen von England für Deutſchland,
und umgekehrt, wie alle Tranſitdepeſchen in verſchloſſenen, zugebundenen und
verſiegelten Säcken eingeſchloſſen, die durch Belgien giengen ohne daß der
Inhalt dieſer Säcke bekannt ſey. Beiläufig bemerke ich daß König Leopold
niemals eine Indiscretion in Betreff ſeiner Depeſchen zu befüchten haben
wird, indem derſelbe wichtige Briefe für England oder für Deutſchland niemals
der Poſt anvertraut, ſondern ſie einem ſeiner vertrauten Hausbeamten, und
ſtets einem Deutſchen, übergibt, der die Reiſe damit nach ihrem Beſtimmungs-
ort macht und ſie nur an die Perſon der Adreſſe ausliefert.

Handels- und Börſennachrichten.

Die geſtern dahier ſtattgefundene Generalverſamm-
lung der Actionäre der Bank für Handel und Induſtrie war ſehr beſucht im Ber-
gleich zu den früheren Generalverſammlungen. Es waren 63 Actionäre anweſend,
welche 427 Stimmen hatten und 85,89 Actien (ungefähr den zehuten Theil des
ganzen Actiencapitals) repräſentirten. Aus dem von dem erſten Director der Bank,
Hrn. Dr. Parcus, verleſenen (dießmal ſehr umfangreich ausgearbeiteten) Geſchäfts-
bericht iſt leider als Hanptmoment ein Deficit von 804,898 fl. 30½ kr. hervor-
zuheben. Der einzig mildernde Umſtand der dieſes Ergebniß begleitet, iſt der daß
in dieſem Deficit die lanfenden Riſicos zum Vortrag auf del credere Conto mit
735,616 fl. 46 kr. verrechnet ſind, und dieſe Summe vorausſichtlich nicht erſchöpſt
wird. Die Bank hat alſo in dieſem Jahr die Zinſen des Actiencapitals mit 4 Proc.
dieſes Jahr nicht verdient, oder, wie der Geſchäftsbericht dieß ausdrückt, die Bank
ſieht in ihren Activen 4 Proc. unter pari. Auf der Tagesordnung ſtanden zunächſt
zwei Anträge der Berwaltung: 1) die Generalverſammlung erklärt ſich einverſtanden
daß die bis zum 31 Dec. 1859 angekanſten 20,000 Stück eigene Actien zum
Nominalwerth in die Bilanz vom 31 Dec. 1859 aufgenommen worden ſind, und
daß die Differenz zwiſchen dem Ankaufspreis und dem Nominalwerth dieſer Actien
zur Tilgung entſtandener Berluſte verwendet worden iſt; 2) ſollen auch in dieſem
Jahr 20,000 Stück eigene Actien aufgekauft werden, und der Gewinn welcher ſich
aus dem Ankauf dieſer eigenen Actien durch die Differenz zwiſchen dem Ankaufs-
preis und dem Nominalwerth ergibt, ſoll zur Tilgung entſtandener Verluſte oder
zur Bermehrung des Reſervefonds verwendet werden. Beide Anträge erhielten die
Zuſtimmung der Berſammlung. Hierauf wurde zur Berathung der vorgeſchlagenen
Statutenänderungen geſchritten. Zweck dieſer Abänderungen iſt es die Direction
von dem Verwaltungsrath unabhängiger zu machen. Der Verwaltungsrath ſoll
nur eine „überwachende“ Behörde bilden. Die Verſammlung erklärte ſich mit deu
Aenderungen einverſtanden. Nur ein Vorſchlag: die Bedingungen der Zulaſſung
zur Generalverſammlung, wurde abfällig, und bleibt es in dieſer Beziehung bei der
alten Beſtimmung im §. 32. Die Berſammlung dauerte von Morgens 11 bis
Abends 6 Uhr.



Neueſte Poſten.

Seit den fürchterlichen Hagelſchlägen vom
25 Juni 1844 und vom Jahr 1848 kann man ſich in unſerer Hauptſtadt
und Umgegend wohl nicht leicht eines Wetters erinnern gleich dem das heute
Abend um 5 Uhr über München hereingebrochen. Nachdem die auf das
Künſtlermaifeſt folgenden Gewitter uns kalte Pfingſitage, ſelbſt mit Schnee-
ſchauer, gebracht hatten, kam geſtern Abend um 9 Uhr ein äußerſt heftiges
und hartnäckiges Gewitter aus Nordweſten, dem nun heute aus der nämlichen
Richtung die lichtgrauen Wetterwolken folgten, welche eine Viertelſtunde lang
[Spaltenumbruch] faſt in immerwährender Steigerung den Hagel herabſendeten, als ob Keulen-
ſchläge auf die Hausdächer fielen. Hunderte von Fenſterſcheiben ſind zer-
trümmert, und manche Häuſerfagaden zeigen keine ganze Scheibe mehr. Der
Starnberger Bahnzug ſoll, von dem Wetter überfallen, ebenfalls auf einer
Seite alle Fenſter durch die eiergroßen Schloſſen verloren haben, und der
Schaden in der Umgegend wird ſich als erheblich herausſtellen. Die Sonn-
tagsluſt unſerer Münchener wurde ſo auf ſehr unangenehme Art unter-
brochen.

Am 2 d. übermittelte Bankier Fröhlich der
bieſigen Nuntiatur einen Wechſel von 115,000 fl. als Ertragsſumme der
Sammlung für den Papſt. Die Diöceſe Augsburg iſt daran mit 30,095 fl.
22 kr. betheiligt. — Der Großherzog von Toscana wird nächſten Dienſtag
ſich nach ſeiner kürzlich erworbenen Villa am Bodenſee in der Nähe Lindau’s
begeben. — Cornelius wird dieſe Woche auf der Dnrchreiſe von Rom nach
Berlin in unſere Stadt kommen, und ein paar Tage hier verweilen.

* Aus Wien erhalten wir die Rede des Kaiſers (ſ. Beilage) und die
erſten Verhandlungen des Reichsraths ſtenographirt. Es war alſo eine Un-
wahrheit daß dieſe Verhandlungen geheim gehalten, oder aufs kürzeſte zuſammen-
gedrängt werden ſollen. Dabei wollen wir bemerken daß ſchon ſeit einiger Zeit
der Sectionsrath im Miniſterium des Aeußern, Frhr. Max v. Gagern (ein
jüngerer Bruder Heinrichs v. Gagern, auch Mitglied der Frankfurter Na-
tionalverſammlung, früher in niederländiſchen Dienſten), die oberſte Leitung
der Preßangelegenheiten erhalten hat. Hr. Wit v. Döring iſt ſo erkrankt,
daß er die Geſchäfte abgeben mußte. Hr. Max v. Gagern iſt ein Mann
der in ſeinem Leben ganz unbezweifelte Beweiſe ſeiner muthigen Selbſtändig-
keit abgelegt hat.

* In Palermo iſt alſo Garibaldi Herr, und die angeblich 25,000
Mann ſtarke neapolitaniſche Garniſon räumt die Stadt. Wenn da nicht
Verrath im Spiel iſt, wie bei der Landung in Marſala, wo die neapolitani-
ſchen Seeofficiere eine noch unaufgeklärte Rolle ſpielten, ſo iſt das ſchwer be-
greiflich. Ein Heer von 25,000 Mann jagt man doch nicht mit ein paar Tauſend
Freiſchärler und den zuſammengerafften Haufen einer aufrühreriſchen Stadt
davon. Zwar entrollt die Times ein Schauergemälde der in Sicilien begangenen
Unthaten, um die Verwandlung der Milde des Volks in blutigen Haß gegen
ſeine Unterdrücker klar zu machen. Sie beruft ſich hiebei auf franzöſiſche und
italieniſche Berichte. Nun wollen wir gewiß nicht die Lobredner des neapo-
litaniſchen Polizeiregiments machen, aber die Lügenhaftigkeit der franzöſiſchen
und italieniſchen Blätter beim Anfang des letzten Kriegs, wo ſie die ſchreck-
lichſten Geſchichten über die öſterreichiſche Armee vorbrachten, verbunden mit
der Verdrehungskunſt der Times in Bezug auf Ungarn, Griechenland,
Neapel ꝛc., iſt doch zu bekannt um hier nicht die ſtärkſten Uebertreibungen zu ver-
muthen. Nun, Garibaldi iſt in Palermo, und eine ſiciliſche Deputation geht nach
Turin, um dem König Victor Emmanuel abermals eine Krone zu Füßen zu legen.
Zwar ſcheiden noch Rom und Neapel das neue Beſitzthum von ſeinen „annexir-
ten“ Provinzen, und in dieſen ſelbſt iſt ein bedrohlicher Geiſt erwacht, aber der
Wille Napoleons und der Geiſt Cavours werden auch da Rath zu ſchaffen
wiſſen. So wäre alſo die ganze italieniſche Halbinſel, nebſt Sicilien, dem
Entſchluß eines Mannes preisgegeben der noch vor zwölf Jahren vergeblich
ſich um die ſiciliſche Krone beworben hatte. (S. Reuchlin.) Was er damit
anfangen wird, das werden wir wahrſcheinlich erſt erfahren wenn auch das
Loos über Neapel und den Kirchenſtaat geworfen iſt. Wenn man dazu be-
denkt daß auch in China die Flotten ſich auf einen Angriff rüſten, und daß in
der Türkei die nachhaltigſten Bewegungen bevorzuſtehen ſcheinen, ſo kenn
man ſich über die Pariſer Friedensverſicherungen, die den Deutſchen gelten,
nicht eben wundern, auch wenn man ihnen nicht mit den preußiſchen „Con-
ceſſionen“ geantwortet hätte. (S. den Artikel über die Eröffnung der
Trierer Bahn.)



Berichtigung.

In der geſtrigen Beilage S. 2591, Sp. 2 im Berliner Artikel iſt Z. 32
von unten ſtatt „die gemeinſame Abſicht“ zu leſen: „die gemeinſame Pflicht.“



Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges.

Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.



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[2604/0008] geben, und erinnert dabei an die Kämpfe von Montebello, von Paleſtro, Turbigo und Magenta, um zu behaupten daß Frankreich wohl eine Belohnung verdiente. Dieſe Prätention würde ſehr billig geweſen ſeyn, wenn man nicht vor und während des italieniſchen Kriegs die Uneigennützigkeit Frankreichs ſo ſehr gerühmt, und fortwährend den Beweggrund der Louis Napoleon handeln ließ: die Heirath des Prinzen Napoleon und die Abtretung Savoyens ver- borgen hätte. Die rechte Hand führte das Schwert, und die linke war zum Einſtecken bereit. — Abbé Duquesnoy, der in dieſem Jahr die Faſten- predigten in den Tuilerien gehalten hat, iſt zum Biſchof in partibus und zum Gouverneur der Kinder Frankreichs ernannt worden. Belgien. ⎈ Brüſſel, 1 Jun. Der heutige Moniteur belge bringt eine Erklärung gegen die Nachricht der „Berliner Revue,“ wonach von Berlin ab- gegangene und für London beſtimmte Depeſchen in Belgien geöffnet worden wären. Das officielle Organ erklärt daß keine Reclamation irgend einer Art weder an das Miniſterium der auswärtigen Angelegenheiten, noch an das der öffentlichen Bauten wegen dieſes ſchweren Mißbrauchs, den die belgiſche Poſt- verwaltung begangen haben ſoll, gerichtet worden wäre. Dieſe Berichtigung würde hinreichen den Werth der Behauptungen der „Berliner Revue“ zu beurtheilen. Uebrigens wären die Depeſchen von England für Deutſchland, und umgekehrt, wie alle Tranſitdepeſchen in verſchloſſenen, zugebundenen und verſiegelten Säcken eingeſchloſſen, die durch Belgien giengen ohne daß der Inhalt dieſer Säcke bekannt ſey. Beiläufig bemerke ich daß König Leopold niemals eine Indiscretion in Betreff ſeiner Depeſchen zu befüchten haben wird, indem derſelbe wichtige Briefe für England oder für Deutſchland niemals der Poſt anvertraut, ſondern ſie einem ſeiner vertrauten Hausbeamten, und ſtets einem Deutſchen, übergibt, der die Reiſe damit nach ihrem Beſtimmungs- ort macht und ſie nur an die Perſon der Adreſſe ausliefert. Handels- und Börſennachrichten. ** Darmſtadt, 1 Jun. Die geſtern dahier ſtattgefundene Generalverſamm- lung der Actionäre der Bank für Handel und Induſtrie war ſehr beſucht im Ber- gleich zu den früheren Generalverſammlungen. Es waren 63 Actionäre anweſend, welche 427 Stimmen hatten und 85,89 Actien (ungefähr den zehuten Theil des ganzen Actiencapitals) repräſentirten. Aus dem von dem erſten Director der Bank, Hrn. Dr. Parcus, verleſenen (dießmal ſehr umfangreich ausgearbeiteten) Geſchäfts- bericht iſt leider als Hanptmoment ein Deficit von 804,898 fl. 30½ kr. hervor- zuheben. Der einzig mildernde Umſtand der dieſes Ergebniß begleitet, iſt der daß in dieſem Deficit die lanfenden Riſicos zum Vortrag auf del credere Conto mit 735,616 fl. 46 kr. verrechnet ſind, und dieſe Summe vorausſichtlich nicht erſchöpſt wird. Die Bank hat alſo in dieſem Jahr die Zinſen des Actiencapitals mit 4 Proc. dieſes Jahr nicht verdient, oder, wie der Geſchäftsbericht dieß ausdrückt, die Bank ſieht in ihren Activen 4 Proc. unter pari. Auf der Tagesordnung ſtanden zunächſt zwei Anträge der Berwaltung: 1) die Generalverſammlung erklärt ſich einverſtanden daß die bis zum 31 Dec. 1859 angekanſten 20,000 Stück eigene Actien zum Nominalwerth in die Bilanz vom 31 Dec. 1859 aufgenommen worden ſind, und daß die Differenz zwiſchen dem Ankaufspreis und dem Nominalwerth dieſer Actien zur Tilgung entſtandener Berluſte verwendet worden iſt; 2) ſollen auch in dieſem Jahr 20,000 Stück eigene Actien aufgekauft werden, und der Gewinn welcher ſich aus dem Ankauf dieſer eigenen Actien durch die Differenz zwiſchen dem Ankaufs- preis und dem Nominalwerth ergibt, ſoll zur Tilgung entſtandener Verluſte oder zur Bermehrung des Reſervefonds verwendet werden. Beide Anträge erhielten die Zuſtimmung der Berſammlung. Hierauf wurde zur Berathung der vorgeſchlagenen Statutenänderungen geſchritten. Zweck dieſer Abänderungen iſt es die Direction von dem Verwaltungsrath unabhängiger zu machen. Der Verwaltungsrath ſoll nur eine „überwachende“ Behörde bilden. Die Verſammlung erklärte ſich mit deu Aenderungen einverſtanden. Nur ein Vorſchlag: die Bedingungen der Zulaſſung zur Generalverſammlung, wurde abfällig, und bleibt es in dieſer Beziehung bei der alten Beſtimmung im §. 32. Die Berſammlung dauerte von Morgens 11 bis Abends 6 Uhr. Neueſte Poſten. ✕ München, 3 Juni. Seit den fürchterlichen Hagelſchlägen vom 25 Juni 1844 und vom Jahr 1848 kann man ſich in unſerer Hauptſtadt und Umgegend wohl nicht leicht eines Wetters erinnern gleich dem das heute Abend um 5 Uhr über München hereingebrochen. Nachdem die auf das Künſtlermaifeſt folgenden Gewitter uns kalte Pfingſitage, ſelbſt mit Schnee- ſchauer, gebracht hatten, kam geſtern Abend um 9 Uhr ein äußerſt heftiges und hartnäckiges Gewitter aus Nordweſten, dem nun heute aus der nämlichen Richtung die lichtgrauen Wetterwolken folgten, welche eine Viertelſtunde lang faſt in immerwährender Steigerung den Hagel herabſendeten, als ob Keulen- ſchläge auf die Hausdächer fielen. Hunderte von Fenſterſcheiben ſind zer- trümmert, und manche Häuſerfagaden zeigen keine ganze Scheibe mehr. Der Starnberger Bahnzug ſoll, von dem Wetter überfallen, ebenfalls auf einer Seite alle Fenſter durch die eiergroßen Schloſſen verloren haben, und der Schaden in der Umgegend wird ſich als erheblich herausſtellen. Die Sonn- tagsluſt unſerer Münchener wurde ſo auf ſehr unangenehme Art unter- brochen. .X. München, 3 Juni. Am 2 d. übermittelte Bankier Fröhlich der bieſigen Nuntiatur einen Wechſel von 115,000 fl. als Ertragsſumme der Sammlung für den Papſt. Die Diöceſe Augsburg iſt daran mit 30,095 fl. 22 kr. betheiligt. — Der Großherzog von Toscana wird nächſten Dienſtag ſich nach ſeiner kürzlich erworbenen Villa am Bodenſee in der Nähe Lindau’s begeben. — Cornelius wird dieſe Woche auf der Dnrchreiſe von Rom nach Berlin in unſere Stadt kommen, und ein paar Tage hier verweilen. * Aus Wien erhalten wir die Rede des Kaiſers (ſ. Beilage) und die erſten Verhandlungen des Reichsraths ſtenographirt. Es war alſo eine Un- wahrheit daß dieſe Verhandlungen geheim gehalten, oder aufs kürzeſte zuſammen- gedrängt werden ſollen. Dabei wollen wir bemerken daß ſchon ſeit einiger Zeit der Sectionsrath im Miniſterium des Aeußern, Frhr. Max v. Gagern (ein jüngerer Bruder Heinrichs v. Gagern, auch Mitglied der Frankfurter Na- tionalverſammlung, früher in niederländiſchen Dienſten), die oberſte Leitung der Preßangelegenheiten erhalten hat. Hr. Wit v. Döring iſt ſo erkrankt, daß er die Geſchäfte abgeben mußte. Hr. Max v. Gagern iſt ein Mann der in ſeinem Leben ganz unbezweifelte Beweiſe ſeiner muthigen Selbſtändig- keit abgelegt hat. * In Palermo iſt alſo Garibaldi Herr, und die angeblich 25,000 Mann ſtarke neapolitaniſche Garniſon räumt die Stadt. Wenn da nicht Verrath im Spiel iſt, wie bei der Landung in Marſala, wo die neapolitani- ſchen Seeofficiere eine noch unaufgeklärte Rolle ſpielten, ſo iſt das ſchwer be- greiflich. Ein Heer von 25,000 Mann jagt man doch nicht mit ein paar Tauſend Freiſchärler und den zuſammengerafften Haufen einer aufrühreriſchen Stadt davon. Zwar entrollt die Times ein Schauergemälde der in Sicilien begangenen Unthaten, um die Verwandlung der Milde des Volks in blutigen Haß gegen ſeine Unterdrücker klar zu machen. Sie beruft ſich hiebei auf franzöſiſche und italieniſche Berichte. Nun wollen wir gewiß nicht die Lobredner des neapo- litaniſchen Polizeiregiments machen, aber die Lügenhaftigkeit der franzöſiſchen und italieniſchen Blätter beim Anfang des letzten Kriegs, wo ſie die ſchreck- lichſten Geſchichten über die öſterreichiſche Armee vorbrachten, verbunden mit der Verdrehungskunſt der Times in Bezug auf Ungarn, Griechenland, Neapel ꝛc., iſt doch zu bekannt um hier nicht die ſtärkſten Uebertreibungen zu ver- muthen. Nun, Garibaldi iſt in Palermo, und eine ſiciliſche Deputation geht nach Turin, um dem König Victor Emmanuel abermals eine Krone zu Füßen zu legen. Zwar ſcheiden noch Rom und Neapel das neue Beſitzthum von ſeinen „annexir- ten“ Provinzen, und in dieſen ſelbſt iſt ein bedrohlicher Geiſt erwacht, aber der Wille Napoleons und der Geiſt Cavours werden auch da Rath zu ſchaffen wiſſen. So wäre alſo die ganze italieniſche Halbinſel, nebſt Sicilien, dem Entſchluß eines Mannes preisgegeben der noch vor zwölf Jahren vergeblich ſich um die ſiciliſche Krone beworben hatte. (S. Reuchlin.) Was er damit anfangen wird, das werden wir wahrſcheinlich erſt erfahren wenn auch das Loos über Neapel und den Kirchenſtaat geworfen iſt. Wenn man dazu be- denkt daß auch in China die Flotten ſich auf einen Angriff rüſten, und daß in der Türkei die nachhaltigſten Bewegungen bevorzuſtehen ſcheinen, ſo kenn man ſich über die Pariſer Friedensverſicherungen, die den Deutſchen gelten, nicht eben wundern, auch wenn man ihnen nicht mit den preußiſchen „Con- ceſſionen“ geantwortet hätte. (S. den Artikel über die Eröffnung der Trierer Bahn.) Berichtigung. In der geſtrigen Beilage S. 2591, Sp. 2 im Berliner Artikel iſt Z. 32 von unten ſtatt „die gemeinſame Abſicht“ zu leſen: „die gemeinſame Pflicht.“ Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. _

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 156, 4. Juni 1860, S. 2604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine156_1860/8>, abgerufen am 02.06.2024.