Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860.
Wien, 2 Jun. Die Oesterr. Ztg. schreibt über die Anrede des Wie der Oesterr. Ztg. mitgetheilt wird, ist Fürst Gagarin, der auf Die Redaction des Fortschritt hat unterm 31 Mai eine Verwarnung * Wien, Ende Mai. Im Laufe der jüngsten Zeit machte eine die Schweiz. [] Genf, 1 Jun. Die Gazette de Savoie hofft daß schon heute, oder
Wien, 2 Jun. Die Oeſterr. Ztg. ſchreibt über die Anrede des Wie der Oeſterr. Ztg. mitgetheilt wird, iſt Fürſt Gagarin, der auf Die Redaction des Fortſchritt hat unterm 31 Mai eine Verwarnung * Wien, Ende Mai. Im Laufe der jüngſten Zeit machte eine die Schweiz. [] Genf, 1 Jun. Die Gazette de Savoie hofft daß ſchon heute, oder <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p> <cit> <quote><pb facs="#f0004" n="2616"/><cb/> ankündigte, geruhte Allerhöchſtderſelbe zu erklären: „die Segnungen des Frie-<lb/> dens ſeyen doppelt werthvoll, weil ſie die nöthige Muße gönnen werden die<lb/> ganze Aufmerkſamkeit und Sorgfalt ungeſtört der erfolgreichen Löſung der<lb/> Aufgabe zu weihen Oeſterreichs innere Wohlfahrt und äußere Macht durch<lb/> zweckmäßige Entwicklung ſeiner reichen geiſtigen und materiellen Kräfte wie<lb/> durch zeitgemäße Verbeſſerungen in Geſetzgebung und Verwaltung dauernd<lb/> zu begründen.“ In dieſer Richtung unermüdlich thätig, hat Se. Majeſtät<lb/> das Bedürfniß erkannt über die Intereſſen und Wünſche der Bevölkerung<lb/> aller Theile des weiten Reichs Berichte und Vorſchläge von unmittelbar dabei<lb/> Betheiligten einzuholen. Die Erſtattung dieſer Aeußerungen wird die wich-<lb/> tigſte Aufgabe der Landesvertretungen ſeyn, welche in allen Kronländern ins<lb/> Leben treten werden. Aber auch im Mittelpunkt des Reichs will Se. Ma<lb/> jeſtät ſich des Beiraths treubewährter, erfahrener und unabhängiger Männer<lb/> erfreuen, deren reiches Wiſſen und erprobte Liebe für den allerhöchſten Thron<lb/> und das große öſterreichiſche Geſammtvaterland um ſo ſegensreicher wirken<lb/> werden, je ſchwieriger die zu löſende Aufgabe iſt. Se. Majeſtät hat die Aus-<lb/> führung dieſes Zwecks dem Reichsrath, der nach den bisherigen Normen fort-<lb/> beſtehen ſoll, anzuvertrauen, und demſelben hiezu eine Verſtärkung einzufügen<lb/> geruht. Sie, meine Herren, werden hieraus erkennen daß dem verſtärkten<lb/> Reichsrath die ehrenvolle Beſtimmung zugedacht iſt: „a s oberſter Rath des<lb/> Kaiſers und der Krone zu wirken.“ Zu Gliedern dieſes oberſten Raths-<lb/> körpers in Gemäßheit des Patents und der kaiſerlichen Verordnung vom<lb/> 5 März d. J. durch das allerhöchſte Vertrauen berufen, werden Sie, meine<lb/> Herren, alle Ihre Kraft zur Erreichung des uns geſteckten großen Zieles aufbie-<lb/> ten. Sie werden, ſtets eingedenk daß Se. Majeſtät bei Ihrer Berufung<lb/> den Zweck vor Augen hatte ſeinen oberſten Rath durch Männer zu verſtärken<lb/> welche, bei genauer Kenntniß der Verhältniſſe des Kronlandes welchem ſie<lb/> angehören, frei von jedem äußern Einfluß, über die Ihnen vorgelegten Fra-<lb/> gen Ihre perſönlichen Anſichten ausſprechen, mit voller Offenheit die Be-<lb/> dürfniſſe und Intereſſen aller Schichten und Berufsclaſſen der Bevölkerung<lb/> zur allerhöchſten Kenntniß bringen, zugleich aber ſtets im Auge behalten daß<lb/> das Heil und die Wohlfahrt aller auf der Feſtigung der Rechte des Throns<lb/> und auf der Erhaltung der Einheit des Reichs beruhen. Von Sr. Majeſtät<lb/> dem Kaiſer, unſerm allergnädigſten Herrn, mit der ehrenvollen Aufgabe be-<lb/> traut Ihre Berathungen zu leiten, habe ich jedem von Ihnen, meine Herren,<lb/> die von Sr. Majeſtät genehmigte Geſchäftsordnung zur Darnachachtung mit-<lb/> getheilt, und lade Sie nunmehr ein den im §. 3 derſelben vorgeſchriebenen<lb/> Eid in meine Hände abzulegen. (<hi rendition="#g">Eidesleiſtung.</hi>) Bevor wir die uns zu-<lb/> gewieſene Arbeit beginnen, drängt es mich noch einige Worte an Sie, meine<lb/> Herren, zu richten. Empfangen Sie vor allem die Verſicherung daß ich die<lb/> Berathungen mit voller Unparteilichkeit leiten, zugleich aber ſtets auf genaue<lb/> Einhaltung der uns von Sr. Majeſtät gegebenen Geſchäftsordnung ſehen<lb/> werde. Ich bin überzeugt daß Sie, in richtiger Würdigung der Ihnen ge-<lb/> ſtellten großen Aufgabe, mich in meinen Bemühungen eifrig und redlich unter-<lb/> ſtützen, und alles aufbieten werden damit der verſtärkte Reichsrath den Er-<lb/> wartungen entſpreche welche Se. Majeſtät und das Geſammtvaterland auf<lb/> ihn ſetzen. Meine Herren! Groß und wichtig ſind die Arbeiten welche Sie<lb/> erwarten. Die größte und wichtigſte unter denſelben iſt Ihr Gutachten über die<lb/> Mittel und Wege abzugeben welche zur Regelung unſers Staatshaushalts einge-<lb/> ſchlagen werden ſollen. Umfaſſende Vorarbeiten haben in dieſer Richtung<lb/> ſtattgefunden, dieſelben werden Ihre Aufgabe erleichtern, von deren glück-<lb/> licher Loſung das Wohl Oeſterreichs abhängt. Aber auch den andern von<lb/> Sr. Majeſtät Ihrer Berathung zugewieſenen Vorlagen werden Sie, ich bin<lb/> es von Ihnen überzeugt, mit gleichem Eifer und gleicher Hingebung obliegen.<lb/> Meine Herren! Ernſt iſt die Lage des Vaterlandes in dem Augenblick in<lb/> welchem der verſtärkte Reichsrath ſich zum erſtenmal verſammelt, aber eine<lb/> beſſere Zukunft ſteht uns bevor, und ich beglückwünſche Sie, meine Herren,<lb/> daß Ihnen der ſchöne Beruf geworden zu ihrer Verwirklichung an hervor-<lb/> ragender Stelle mitzuwirken. Stets wollen wir uns den Wahlſpruch unſers<lb/> Kaiſers: „Mit vereinten Kräften,“ gegenwärtig halten und darnach wirken.<lb/> Indem ich die erſte Seſſion des verſtärkten Reichsraths für eröffnet erkläre,<lb/> theile ich Ihnen mit daß Se. Maj. unſer allergnädigſter Herr Se. Exc. den<lb/> Reichsrath v. Szögyeny und den Grafen Albert Noſtitz für die Dauer der<lb/> dießmaligen Seſſion zu Vicepräſidenten ernannt hat, und lade Sie ein zur<lb/> Wahl der gemäß §. 19 der Geſchäftsordnung zur Controle der Sitzungspro-<lb/> tokolle zu beſtimmenden beiden Reichsräthe durch ſchriftliche Angabe der von<lb/> jedem von Ihnen beantragten beiden Namen zu ſchreiten, wobei ich Ihnen<lb/> zugleich bekannt gebe daß ich zu demſelben Zweck bereits Ihre Excellenzen die<lb/> beiden ſtändigen Reichsräthe Graf Mercandin und Frhr. v. Lichtenfels be-<lb/> ſtimmt habe.“</quote> </cit> </p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 2 Jun.</dateline><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Oeſterr. Ztg.</hi> ſchreibt über die Anrede des<lb/> Kaiſers an den Reichsrath: Vor allem iſt es der Gedanke der Reichseinheit<lb/> welcher in der Rede vom Thron herab als Cardinalpunkt vorangeſtellt wird.<lb/> Die Freunde des Geſammiſtaates haben in neueſter Zeit zu fürchten begonnen<lb/> das mühſame Werk eines Jahrzehnts erſchüttert zu ſehen. Andere wurden<lb/> von der Bangigkeit beſchlichen es könnte wieder wie vordem ein Unterſchied<lb/> zwiſchen einem und dem anderen Reichstheile, eine particuläre Begünſtigung<lb/> einzelner Länder ſtattfinden. Das Wort des Kaiſers hat dieſe Wolken zer-<lb/> ſtrent. Das Band welches die ganze Monarchie umſchlingt ſoll nicht ge-<lb/> lockert, es ſoll in Oeſterreich keine particuläre, ſondern eine alle Länder und<lb/> Völker gleichmäßig treffende geſetzliche Freiheit beſtehen. Alle Länder, alle<lb/><cb/> Volksſtämme ſollen gleich bérechtigt und gleich verpflichtet ſeyn. In allen<lb/> Stämmen iſt das Nationalitätsbewußtſeyn wach geworden. Keiner derſelben<lb/> aber hat Kraft, keiner iſt groß genug um als mächtiger Nationalverband allein<lb/> zu ſtehen. Nur wenn ſie alle ſich gleich achten, alle gleichen Schutz genießen,<lb/> alle „in brüderlicher Eintracht zu einem mächtigen Ganzen verbunden ſind“<lb/> vermögen ſie auszuharren und auszuhalten. Dieſe Conföderation der Bölker<lb/> und Stämme zu ſeyn, iſt die Aufgabe des Oſtreiches, ſie kann nur durch ein<lb/> einheitliches politiſches Band ermöglicht werden. Geſchichtliche Thatſachen,<lb/> gemeinſamer Ruhm, gemeinſames Leid und Freude ketten uns nicht minder<lb/> aneinander als die weiteſtverzweigten und bis in die tiefſten Schichten hinab-<lb/> reichenden Intereſſen. Diejenigen welche hier einen Schnitt, einen Riß ver-<lb/> ſuchen — eine Auflöſung iſt nicht möglich — müßten tief ins eigene Fleiſch<lb/> hinein ſchneiden. Nur die verhärtetſte Ehr- und Eigenſucht vermag zu ſolch<lb/> frevelhaftem Beginnen ſich zu vermeſſen, und die tiefen Wanden nicht zu<lb/> ſcheuen welche ſie einem und allen Ländern des Reiches ſchlagen würden.<lb/> Die Worte des Kaiſers können in allen braven Herzen, in allen verſtändigen<lb/> Köpfen nur lauten Widerhall finden. Oeſterreich ſoll nach außen mächtig,<lb/> im Innern glücklich ſeyn. Beides hängt innig zuſammen; beides iſt unzer-<lb/> trennlich. Nur wenn die Völker zufrieden und befriedigt, nur wenn ihr ge-<lb/> meinſames Wohl und Glück feſt gegründet iſt, ſteht der Staat mit markigen<lb/> Knochen auf feſtem Boden, nur dann vermag er jedem Feind, weß Namens,<lb/> ohne Furcht zu trotzen, kann er jeder Gefahr ruhig ins Auge ſchauen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Wie der <hi rendition="#g">Oeſterr. Ztg.</hi> mitgetheilt wird, iſt Fürſt Gagarin, der auf<lb/> ſeiner Reiſe nach Turin hier durchgekommen, der Ueberbringer weiterer In-<lb/> ſtructionen für den Grafen Stackelberg, ſo wie eines eigenhändigen Schrei-<lb/> bens des Kaiſers Alexander an den König Victor Emmanuel, welche ſich auf<lb/> die Haltung des Turiner Cabinets in Betreff der Garibaldi-Expedition be-<lb/> ziehen ſollen. Bekanntlich hatte Graf Stackelberg bereits vor einigen Wo-<lb/> chen in einer Audienz dem König Victor Emmanuel darauf bezügliche Auden-<lb/> tungen gemacht, da das St. Petersburger Cabinet durch eine Fortſetzung der<lb/> bisherigen Politik Piemonts weitere Complicationen in Italien befürchtet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die Redaction des <hi rendition="#g">Fortſchritt</hi> hat unterm 31 Mai eine Verwarnung<lb/> erhalten, weil das Journal in neuerer Zeit die Gränzen welche das Preßge-<lb/> ſetz der Tageslitteratur vorzeichnet mehrfach überſchritten habe. Unter den<lb/> bezeichneten Artikeln befindet ſich auch der: „Aufklärungen über den<lb/> Frhrn. v. Bruck“ in Nr. 120, in welchem ein in der officiellen Wiener Ztg.<lb/> vorgekommener unliebſamer Druckfehler zum Anlaß genommen worden ſey<lb/> die Regierung in niedriger Weiſe zu verdächtigen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Wien,</hi> Ende Mai.</dateline><lb/> <p>Im Laufe der jüngſten Zeit machte eine die<lb/> Ehre des Directors der Staatsdruckerei, Hofrath Auer, verunglimpfende<lb/> Notiz die Runde durch mehrere auswärtige Blätter. Obwohl dieſes Gerücht<lb/> den Stempel böswilliger Erfindung an der Stirne trägt, und von hieſigen<lb/> Blättern bereits Widerlegung erfahren hat, ſo iſt es doch vielleicht nicht über-<lb/> flüſſig wenn ich Ihnen aus verläßlicher Quelle die Lügenhaftigkeit des Ge-<lb/> rüchts ausdrücklich verſichere. — Vor einigen Tagen hat Hofrath Auer ein<lb/> ſehr ſinniges Geſchenk aus Sydney in Neuholland erhalten. Es iſt ein in<lb/> Silber gefaßtes als Schreibzeug dienendes Caſuar-Ei. Es ruht auf Farn-<lb/> kräutern von getriebenem Silber; auf dem Deckel des Schreibzeugs befindet<lb/> ſich ein Caſuar mit mehreren Jungen aus maſſivem Silber dargeſtellt. Die<lb/> Silberarbeit iſt ſehr geſchmackvoll und mit wahrhaft künſtleriſchem Sinn von<lb/> Hrn. Hogarth, dem erſten Mann ſeines Fachs in Sydney, ausgeführt. Das<lb/> ſchöne Geſchenk kommt von Hrn. Degotardi, einem gebornen Oeſterreicher,<lb/> der ſeit vielen Jahren als Buchdrucker in Sydney anſäſſig iſt, einem äußerſt<lb/> thätigen und ſtrebſamen Mann, der für Neuholland zu werden verſpricht was<lb/> Hofrath Auer für Oeſterreich und Deutſchland geworden iſt. Er beſchränkt<lb/> ſich nicht auf die Typographie im engern Sinn, ſondern er beſchäftigt ſich mit<lb/> allen graphiſchen Künſten, wie Lithographie, Holzſchnitt, Photographie, Gal-<lb/> vanoplaſtik, Naturſelbſtdruck ꝛc. Er iſt der Gründer und war der Redacteur<lb/> der „Auſtraliſchen deutſchen Zeitung.“ Er war es auch dem die Novara-<lb/> Fahrer während ihres Aufenthalts in Sydney zum Theil den überaus glänzen-<lb/> den und herzlichen Empfang zu verdanken hatten der ihnen von Seite der dort<lb/> lebenden Deutſchen zu Theil wurde.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline><supplied>&#xfffc;</supplied><hi rendition="#b">Genf,</hi> 1 Jun.</dateline><lb/> <p>Die Gazette de Savoie hofft daß ſchon heute, oder<lb/> ſpäteſtens morgen, die Proclamation des Anſchluſſes erfolgen werde. 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ankündigte, geruhte Allerhöchſtderſelbe zu erklären: „die Segnungen des Frie-
dens ſeyen doppelt werthvoll, weil ſie die nöthige Muße gönnen werden die
ganze Aufmerkſamkeit und Sorgfalt ungeſtört der erfolgreichen Löſung der
Aufgabe zu weihen Oeſterreichs innere Wohlfahrt und äußere Macht durch
zweckmäßige Entwicklung ſeiner reichen geiſtigen und materiellen Kräfte wie
durch zeitgemäße Verbeſſerungen in Geſetzgebung und Verwaltung dauernd
zu begründen.“ In dieſer Richtung unermüdlich thätig, hat Se. Majeſtät
das Bedürfniß erkannt über die Intereſſen und Wünſche der Bevölkerung
aller Theile des weiten Reichs Berichte und Vorſchläge von unmittelbar dabei
Betheiligten einzuholen. Die Erſtattung dieſer Aeußerungen wird die wich-
tigſte Aufgabe der Landesvertretungen ſeyn, welche in allen Kronländern ins
Leben treten werden. Aber auch im Mittelpunkt des Reichs will Se. Ma
jeſtät ſich des Beiraths treubewährter, erfahrener und unabhängiger Männer
erfreuen, deren reiches Wiſſen und erprobte Liebe für den allerhöchſten Thron
und das große öſterreichiſche Geſammtvaterland um ſo ſegensreicher wirken
werden, je ſchwieriger die zu löſende Aufgabe iſt. Se. Majeſtät hat die Aus-
führung dieſes Zwecks dem Reichsrath, der nach den bisherigen Normen fort-
beſtehen ſoll, anzuvertrauen, und demſelben hiezu eine Verſtärkung einzufügen
geruht. Sie, meine Herren, werden hieraus erkennen daß dem verſtärkten
Reichsrath die ehrenvolle Beſtimmung zugedacht iſt: „a s oberſter Rath des
Kaiſers und der Krone zu wirken.“ Zu Gliedern dieſes oberſten Raths-
körpers in Gemäßheit des Patents und der kaiſerlichen Verordnung vom
5 März d. J. durch das allerhöchſte Vertrauen berufen, werden Sie, meine
Herren, alle Ihre Kraft zur Erreichung des uns geſteckten großen Zieles aufbie-
ten. Sie werden, ſtets eingedenk daß Se. Majeſtät bei Ihrer Berufung
den Zweck vor Augen hatte ſeinen oberſten Rath durch Männer zu verſtärken
welche, bei genauer Kenntniß der Verhältniſſe des Kronlandes welchem ſie
angehören, frei von jedem äußern Einfluß, über die Ihnen vorgelegten Fra-
gen Ihre perſönlichen Anſichten ausſprechen, mit voller Offenheit die Be-
dürfniſſe und Intereſſen aller Schichten und Berufsclaſſen der Bevölkerung
zur allerhöchſten Kenntniß bringen, zugleich aber ſtets im Auge behalten daß
das Heil und die Wohlfahrt aller auf der Feſtigung der Rechte des Throns
und auf der Erhaltung der Einheit des Reichs beruhen. Von Sr. Majeſtät
dem Kaiſer, unſerm allergnädigſten Herrn, mit der ehrenvollen Aufgabe be-
traut Ihre Berathungen zu leiten, habe ich jedem von Ihnen, meine Herren,
die von Sr. Majeſtät genehmigte Geſchäftsordnung zur Darnachachtung mit-
getheilt, und lade Sie nunmehr ein den im §. 3 derſelben vorgeſchriebenen
Eid in meine Hände abzulegen. (Eidesleiſtung.) Bevor wir die uns zu-
gewieſene Arbeit beginnen, drängt es mich noch einige Worte an Sie, meine
Herren, zu richten. Empfangen Sie vor allem die Verſicherung daß ich die
Berathungen mit voller Unparteilichkeit leiten, zugleich aber ſtets auf genaue
Einhaltung der uns von Sr. Majeſtät gegebenen Geſchäftsordnung ſehen
werde. Ich bin überzeugt daß Sie, in richtiger Würdigung der Ihnen ge-
ſtellten großen Aufgabe, mich in meinen Bemühungen eifrig und redlich unter-
ſtützen, und alles aufbieten werden damit der verſtärkte Reichsrath den Er-
wartungen entſpreche welche Se. Majeſtät und das Geſammtvaterland auf
ihn ſetzen. Meine Herren! Groß und wichtig ſind die Arbeiten welche Sie
erwarten. Die größte und wichtigſte unter denſelben iſt Ihr Gutachten über die
Mittel und Wege abzugeben welche zur Regelung unſers Staatshaushalts einge-
ſchlagen werden ſollen. Umfaſſende Vorarbeiten haben in dieſer Richtung
ſtattgefunden, dieſelben werden Ihre Aufgabe erleichtern, von deren glück-
licher Loſung das Wohl Oeſterreichs abhängt. Aber auch den andern von
Sr. Majeſtät Ihrer Berathung zugewieſenen Vorlagen werden Sie, ich bin
es von Ihnen überzeugt, mit gleichem Eifer und gleicher Hingebung obliegen.
Meine Herren! Ernſt iſt die Lage des Vaterlandes in dem Augenblick in
welchem der verſtärkte Reichsrath ſich zum erſtenmal verſammelt, aber eine
beſſere Zukunft ſteht uns bevor, und ich beglückwünſche Sie, meine Herren,
daß Ihnen der ſchöne Beruf geworden zu ihrer Verwirklichung an hervor-
ragender Stelle mitzuwirken. Stets wollen wir uns den Wahlſpruch unſers
Kaiſers: „Mit vereinten Kräften,“ gegenwärtig halten und darnach wirken.
Indem ich die erſte Seſſion des verſtärkten Reichsraths für eröffnet erkläre,
theile ich Ihnen mit daß Se. Maj. unſer allergnädigſter Herr Se. Exc. den
Reichsrath v. Szögyeny und den Grafen Albert Noſtitz für die Dauer der
dießmaligen Seſſion zu Vicepräſidenten ernannt hat, und lade Sie ein zur
Wahl der gemäß §. 19 der Geſchäftsordnung zur Controle der Sitzungspro-
tokolle zu beſtimmenden beiden Reichsräthe durch ſchriftliche Angabe der von
jedem von Ihnen beantragten beiden Namen zu ſchreiten, wobei ich Ihnen
zugleich bekannt gebe daß ich zu demſelben Zweck bereits Ihre Excellenzen die
beiden ſtändigen Reichsräthe Graf Mercandin und Frhr. v. Lichtenfels be-
ſtimmt habe.“
Wien, 2 Jun.
Die Oeſterr. Ztg. ſchreibt über die Anrede des
Kaiſers an den Reichsrath: Vor allem iſt es der Gedanke der Reichseinheit
welcher in der Rede vom Thron herab als Cardinalpunkt vorangeſtellt wird.
Die Freunde des Geſammiſtaates haben in neueſter Zeit zu fürchten begonnen
das mühſame Werk eines Jahrzehnts erſchüttert zu ſehen. Andere wurden
von der Bangigkeit beſchlichen es könnte wieder wie vordem ein Unterſchied
zwiſchen einem und dem anderen Reichstheile, eine particuläre Begünſtigung
einzelner Länder ſtattfinden. Das Wort des Kaiſers hat dieſe Wolken zer-
ſtrent. Das Band welches die ganze Monarchie umſchlingt ſoll nicht ge-
lockert, es ſoll in Oeſterreich keine particuläre, ſondern eine alle Länder und
Völker gleichmäßig treffende geſetzliche Freiheit beſtehen. Alle Länder, alle
Volksſtämme ſollen gleich bérechtigt und gleich verpflichtet ſeyn. In allen
Stämmen iſt das Nationalitätsbewußtſeyn wach geworden. Keiner derſelben
aber hat Kraft, keiner iſt groß genug um als mächtiger Nationalverband allein
zu ſtehen. Nur wenn ſie alle ſich gleich achten, alle gleichen Schutz genießen,
alle „in brüderlicher Eintracht zu einem mächtigen Ganzen verbunden ſind“
vermögen ſie auszuharren und auszuhalten. Dieſe Conföderation der Bölker
und Stämme zu ſeyn, iſt die Aufgabe des Oſtreiches, ſie kann nur durch ein
einheitliches politiſches Band ermöglicht werden. Geſchichtliche Thatſachen,
gemeinſamer Ruhm, gemeinſames Leid und Freude ketten uns nicht minder
aneinander als die weiteſtverzweigten und bis in die tiefſten Schichten hinab-
reichenden Intereſſen. Diejenigen welche hier einen Schnitt, einen Riß ver-
ſuchen — eine Auflöſung iſt nicht möglich — müßten tief ins eigene Fleiſch
hinein ſchneiden. Nur die verhärtetſte Ehr- und Eigenſucht vermag zu ſolch
frevelhaftem Beginnen ſich zu vermeſſen, und die tiefen Wanden nicht zu
ſcheuen welche ſie einem und allen Ländern des Reiches ſchlagen würden.
Die Worte des Kaiſers können in allen braven Herzen, in allen verſtändigen
Köpfen nur lauten Widerhall finden. Oeſterreich ſoll nach außen mächtig,
im Innern glücklich ſeyn. Beides hängt innig zuſammen; beides iſt unzer-
trennlich. Nur wenn die Völker zufrieden und befriedigt, nur wenn ihr ge-
meinſames Wohl und Glück feſt gegründet iſt, ſteht der Staat mit markigen
Knochen auf feſtem Boden, nur dann vermag er jedem Feind, weß Namens,
ohne Furcht zu trotzen, kann er jeder Gefahr ruhig ins Auge ſchauen.
Wie der Oeſterr. Ztg. mitgetheilt wird, iſt Fürſt Gagarin, der auf
ſeiner Reiſe nach Turin hier durchgekommen, der Ueberbringer weiterer In-
ſtructionen für den Grafen Stackelberg, ſo wie eines eigenhändigen Schrei-
bens des Kaiſers Alexander an den König Victor Emmanuel, welche ſich auf
die Haltung des Turiner Cabinets in Betreff der Garibaldi-Expedition be-
ziehen ſollen. Bekanntlich hatte Graf Stackelberg bereits vor einigen Wo-
chen in einer Audienz dem König Victor Emmanuel darauf bezügliche Auden-
tungen gemacht, da das St. Petersburger Cabinet durch eine Fortſetzung der
bisherigen Politik Piemonts weitere Complicationen in Italien befürchtet.
Die Redaction des Fortſchritt hat unterm 31 Mai eine Verwarnung
erhalten, weil das Journal in neuerer Zeit die Gränzen welche das Preßge-
ſetz der Tageslitteratur vorzeichnet mehrfach überſchritten habe. Unter den
bezeichneten Artikeln befindet ſich auch der: „Aufklärungen über den
Frhrn. v. Bruck“ in Nr. 120, in welchem ein in der officiellen Wiener Ztg.
vorgekommener unliebſamer Druckfehler zum Anlaß genommen worden ſey
die Regierung in niedriger Weiſe zu verdächtigen.
* Wien, Ende Mai.
Im Laufe der jüngſten Zeit machte eine die
Ehre des Directors der Staatsdruckerei, Hofrath Auer, verunglimpfende
Notiz die Runde durch mehrere auswärtige Blätter. Obwohl dieſes Gerücht
den Stempel böswilliger Erfindung an der Stirne trägt, und von hieſigen
Blättern bereits Widerlegung erfahren hat, ſo iſt es doch vielleicht nicht über-
flüſſig wenn ich Ihnen aus verläßlicher Quelle die Lügenhaftigkeit des Ge-
rüchts ausdrücklich verſichere. — Vor einigen Tagen hat Hofrath Auer ein
ſehr ſinniges Geſchenk aus Sydney in Neuholland erhalten. Es iſt ein in
Silber gefaßtes als Schreibzeug dienendes Caſuar-Ei. Es ruht auf Farn-
kräutern von getriebenem Silber; auf dem Deckel des Schreibzeugs befindet
ſich ein Caſuar mit mehreren Jungen aus maſſivem Silber dargeſtellt. Die
Silberarbeit iſt ſehr geſchmackvoll und mit wahrhaft künſtleriſchem Sinn von
Hrn. Hogarth, dem erſten Mann ſeines Fachs in Sydney, ausgeführt. Das
ſchöne Geſchenk kommt von Hrn. Degotardi, einem gebornen Oeſterreicher,
der ſeit vielen Jahren als Buchdrucker in Sydney anſäſſig iſt, einem äußerſt
thätigen und ſtrebſamen Mann, der für Neuholland zu werden verſpricht was
Hofrath Auer für Oeſterreich und Deutſchland geworden iſt. Er beſchränkt
ſich nicht auf die Typographie im engern Sinn, ſondern er beſchäftigt ſich mit
allen graphiſchen Künſten, wie Lithographie, Holzſchnitt, Photographie, Gal-
vanoplaſtik, Naturſelbſtdruck ꝛc. Er iſt der Gründer und war der Redacteur
der „Auſtraliſchen deutſchen Zeitung.“ Er war es auch dem die Novara-
Fahrer während ihres Aufenthalts in Sydney zum Theil den überaus glänzen-
den und herzlichen Empfang zu verdanken hatten der ihnen von Seite der dort
lebenden Deutſchen zu Theil wurde.
Schweiz.
 Genf, 1 Jun.
Die Gazette de Savoie hofft daß ſchon heute, oder
ſpäteſtens morgen, die Proclamation des Anſchluſſes erfolgen werde. Die
Geiſtlichkeit hat nicht einmal auf das „le roi est mort“ gewartet, um ihr
„vive le roi!“ zu rufen, denn ſchon vor einigen Tagen haben die General-
vicare der Diöceſe Annecy den Klerus in einem Rundſchreiben aufgefordert
die Kirchengebete den Umſtänden entſprechend abzuändern, und den Anſchluß
Savoyens an Frankreich unmittelbar nach der Publication durch einen großen
kirchlichen Act mit Meſſe, Tedeum, Ausſtellung des Allerheiligſten, Bene-
diction u. ſ. w. zu feiern. In einigen Dörfern ließen die übereifrigen Syn-
dics ſchon vorgeſtern wieder franzöſiſche Flaggen aushängen. Die Garniſon
von Chambery war an demſelben Tag auf 5000 Mann gebracht; die Agen-
ten des franzöſiſchen Chauvinismus, darunter auch viele dem Samen Abra-
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(2021-08-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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