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Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] Große und strittige Frage. Nur einen Fall; hätte es 1859 zu Wien eine
Rednerbühne gegeben und man von da aus für den Frieden gesprochen, so
hätte es Oesterreich nicht gewagt Piemont zu überfallen und durch den Krieg
den von England vorgeschlagenen Congreß zu verhindern. (Oesterreich hat
bloß von dem Staatsnothwehrrecht Gebrauch gemacht.) Der kaiserliche Brief
vom 5 Jan. ruft Frankreich zur friedlichen Thätigkeit. Aber die Geschäfte
gehen nur gut in ruhiger Zeit, und der zweifelhafte unsichere Zustand Euro-
pa's raubt ihnen die Thätigkeit welche der kaiserliche Brief ihnen anräth. Man
muß also Europa die Ruhe zurückgeben. Eine legislative, vollständigere und
öffentlichere Discussion würde Europa, wir sind es überzeugt, nicht von Seite
Frankreichs plötzliche, unvorhergesehene Entschließungen befürchten lassen.
Wir glauben fortwährend daß das Kaiserthum der Friede ist; wir fügen nur
ein Wort bei um unsern Gedanken vollständig auszudrücken: das liberale
Kaiserthum ist der Friede.


Die Note des gestrigen Moniteur ist wie ge-
wöhnlich der Gegenstand zweier sich gänzlich widersprechenden Auslegungen.
Die einen, welche sich der Noten erinnern die der Umwandlung der Rente,
dem Bruch mit Oesterreich oder der Annexion Mittelitaliens vorangegangen
sind, behaupten daß bei dieser Gelegenheit, wie bei so vielen anderen, die offi-
cielle Note das sichere Zeichen sey daß die Ereignisse, von welchen man die
Aufmerksamkeit abzulenken versuche, um so wahrscheinlicher und um so näher
seyen als man sie abzuläugnen sich bemühe. Andere meinen im Gegentheil daß
die französische Regierung, indem sie ernstliche Stürme sich in Europa bilden
sehe, Deutschland von einem solchen Gefühl der Feindseligkeit belebt daß es
nicht allein bereit scheine sich für einen politischen Krieg, sondern für einen
nationalen Krieg zu erheben, England bereit bei dem ersten Conflict von den
Leidenschaften Deutschlands Vortheil zu ziehen, für ihre Projecte eine schwer
zu übersteigende Schranke geahnt, und gedacht habe daß es Zeit sey der
Aufregung die sich auf der anderen Seite des Rheins gebildet hat Einhalt zu
thun. -- An der Börse war das Gerücht: der König von Neapel habe das
ganze diplomatische Corps versammelt, und eine europäische Intervention
verlangt. -- Der in diesen Tagen bei dem Marineministerium eingetroffene
Bericht aus China erwähnt eines ernsten Vorfalls, woraus hervorgeht daß
zwischen dem General der die französische Expedition commandirt und dem
Oberbefehlshaber der englischen Truppen eine Uneinigkeit besteht. Diese Un-
einigkeit sey in Betreff der Insel Tschusan, welche die Engländer besetzen wollten,
zum Ausbruch gekommen. General Montauban habe sich dem Vorhaben ener-
gisch widersetzt, indem er erklärt daß er förmliche Befehle empfangen die Eng-
länder keine Besitzergreifung vornehmen zu lassen. Dieser Zustand der Dinge
könnte für die Expedition bedauerliche Folgen haben, wenn es nicht gelänge
ihm ein Ende zu machen.

Italien.

Die Times hat jetzt einen Specialcorrespondenten auf
der Insel, und es liegt bereits ein Brief desselben d. d. Palermo
25 Mai vor, der im wesentlichen also lautet: "Sie stellen sich nicht vor wie
schwer es ist bestimmte Kunde über die Vorgänge in Sicilien zu erhalten. Zu
Land machen die ungewissen Gränzen in denen der Strom der Insurrection
sich bewegt alle Mittheilungen langsam und ungewiß, während zur See die
neapolitanische Regierung alles gethan hat um Hindernisse in den Weg zu
legen. Ihr Interesse ist es natürlich alle Küstenpunkte zu isoliren, um das
Zusammenhandeln der Aufständischen zu behindern. Namentlich bezüglich
des Verkehrs zwischen den Städten Messina und Palermo hat man das für
nöthig erachtet. Die Fälle ausgenommen wo ein fremmes Schiff von der
einen dieser Städte zur andern fuhr, ist der Verkehr zwischen denselben seit
Wochen unterbrochen; die wichtigsten Handels- und Wechselbriefe liegen auf
den verschiedenen Consulaten, ohne bestellt werden zu können. So waren
auch meine Chancen hieher zu kommen nicht groß. Zu meinem Glück traf
der englische Handelsdampfer "Vulture" an dem nämlichen Tag wie ich in
Messina ein, und ich konnte ihn am folgenden Tage benutzen. Wir fuhren
ganz nahe an der malerischen Nordküste hin, ohne die geringste Bowegung
wahrzunehmen. Da es in Messina hieß: in Cefalu, einer halbwegs nach
Palermo gelegenen Stadt, sey eine provisorische Regierung errichtet, so blick-
ten wir mit Spannung nach dem Ras-uggelb (dem Hundevorgebirg; die
arabischen Namen kommen in Sicilien noch häufig vor), welches, unfern von
Cefalu, mit seinem spitzigen Pik kühn hervortritt. Ein großer Gebirgszug,
die neptunische Gebirgskette genannt, streicht durch ganz Sicilien von Osten
nach Westen, sich nach der Mitte hin auf 3000 bis 4000 Fuß erhebend, mit
auslaufenden Sporen nach dem Norden und Süden der Insel. Dieses Ge-
birge streicht, während es sich nach Süden und Osten allmählich abdacht, steil
und nahe längs der Nordküste, und zwischen Messina und Palermo hat man
es fortwährend im Auge. Seine Ausläufer nach der See bilden eine Reihe
von Vorgebirgen, mit dazwischen liegenden größern oder kleinern Buchten,
welche die vom Gebirge niederströmenden kleinen Flüsse aufnehmen. Ich er-
wähne diese Bodenbeschaffenheit, welche sich im Südwesten wiederholt, weni-
ger wegen ihres pittovesken Aussehens als weil sie die Natur des Aufstandes
[Spaltenumbruch] erklären hilft. Die vom Grundstock des nepiunischen Gebirges sich abzweigen-
den Querzüge bilden ebenso viele einzelne Insurrectionsbezirke, und geben
dem Aufstand jenen örtlichen Charakter welcher, vor Garibaldi's Ankunft, ein
Zusammenhandeln äußerst schwer, wenn nicht unmöglich, machte. Während
das ganze Land die Neapolitaner in gleichem Maße haßt, sind die meisten
dieser einzelnen Bezirke im Stande des neapolitanischen Regiments ohne viele
Schwierigkeit los zu werden. Neapel hatte das Innere der Insel niemals
militärisch besetzt, und die Verwaltung wurde dort durch eingeborne Sicilia-
ner gehandhabt. So brauchte man bloß diese und die wenige Polizeimann-
schaft zu verjagen. Ganz anders war es mit den um die Küste liegenden
großen Städten, welche die Neapolitaner in beträchtlicher Stärke besetzt hielten.
Das Capo Zaffarano ostwärts und das Capo di Gallo nordwärts bezeichnen
die Gränzen des die Bay von Palermo einschließenden Gebirges. Dieser
ganze Gebirgsumkreis, das hatten wir in Messina gehört, war von den In-
surgenten besetzt. Natürlich hatten wir auf dem Schiff alle unsere Ferngläser
am Auge, ehe wir noch nahe genug waren um irgendetwas unterscheiden zu
können. Es war Mittag als unser Lootse an Bord kam, und bald darauf
warfen wir Anker nahe am Leuchtthurm an der Spitze des Molo. -- Ein
Boot mit der neapolitanischen Flagge näherte sich uns, enthielt aber bloß die
Zollbeamten, welche bald fertig waren. Keine Spur der sonst unvermeid-
lichen Polizei! Wir fragten, und man sagte uns lachend: die ganze Polizei
habe sich entweder nach Neapel eingeschifft, oder sey sonstwie abhanden ge-
kommen. So waren hier die Dinge offenbar weiter als in Messina, denn
dort war die Polizei in der letzten Zeit bloß höflich geworden, hier aber war
sie verschwunden. Noch ein auffälligeres Zeichen der Zeit war wie Leute vom
Volk an Bord kamen, und ungescheut von den Ereignissen sprachen, über deren
Wendung alles erfreut war. Die Soldaten, bis auf etwa 1000 (?) Mann,
waren von der Stadt ausgerückt Garibaldi entgegen, dessen Angriff auf
Monreale man erwartete; dieser Ort liegt südlich von Palermo, an der Straße
nach Alcamo und Trapani. Während die Truppen diese Bewegung am 23
ausführten, stiegen bewaffnete Insurgenten vom Gebirge hernieder, aber nicht
auf Monreale, sondern in der Richtung auf Parco, einen kleinen Ort am Ge-
birgsabhang, nur 6 englische Meilen von Palermo. Die Truppen wandten
sich gegen den von dieser Seite unerwarteten Feind, und erlitten, wie man in
der Stadt erzählt, einen Verlust von 500 Mann. (Der Correspondent sah
in jener Richtung, und zugleich in der weiter nordwärts gelegenen Ebene
Conca d'Oro, fortwährend Rauchsäulen aufsteigen, ohne daß man Schießen
hörte; man wußte nicht, war es das Zeichen eines fortdauernden Gefechts,
oder einer Feuersbrunst, "denn die neapolitanischen Truppen hatten Befehl
alles niederzubrennen wo sich ein Feind verstecken könne.") Ich hörte später
am Land: es seyen 25 Wagen mit Verwundeten in das Militärspital vor der
Stadt gebracht, aber diese mögen von dem Gefecht des vorigen Tags gewesen
seyn. Heute Morgens heißt es: man habe Verstärkung verlangt, aber bis
jetzt kann ich nur als gewiß melden daß Parco niedergebrannt ist, und daß die
Truppen sich von den Abhängen zurückgezogen haben. Daß die Höhen rings-
herum in der Gewalt der Insurgenten sind, zeigte die Nacht deutlich genug;
ihre Wachtfeuer brannten in weitem Halbkreis um die Stadt. Außer denen
unter Garibaldi's unmittelbarem Befehl sind zwei Corps Eingeborne im Feld,
welche die Zugänge von der Bay bewachen; jedes derselben soll 1200 bis
1500 Mann stark seyn. Aber im allgemeinen weiß man sehr wenig von dem
was draußen vorgeht; alles ist mehr oder minder nur Muthmaßung. Gewiß
ist nur daß die Neapolitaner nicht sehr siegesgewiß sind. Gestern segelten
zwei Dampfer, mit Flüchtlingen und ihrer Habe schwer beladen, nach Neapel
ab. Eine Barke um die andere fuhr mit Hausgeräth an uns vorüber. Die
Schlöte aller neapolitanischen Dampfboote rauchten den Tag und die Nacht
durch. Viele fuhren unruhig hin und her. Nachmittags gieng ich ans Land,
und es bot sich mir ein sonderbarer Anblick. Zahlreiches Volk schlenderte auf
der Marine (Kai) herum, und beobachtete die Bewegungen der neapolitani-
schen Dampfschiffe. Die Stadt ist bekanntlich von zwei langen Straßen durch-
zogen, die sich in rechtem Winkel durchschneiden. In zweien der also gebilde-
ten Quartiere schien kein Militär vorhanden zu seyn, ausgenommen an den
Ausgängen der Stadt; aber die zwei höher gelegenen Viertel, gegen die
Kathedrale und den königlichen Palast hin, befanden sich in regelmäßigem
Belagerungszustand. Auf jedem größeren Raum lagerten Truppen in Waffen,
überall standen oder schritten Schildwachen, und an den Ecken der Straßen
hielten Reiterabtheilungen. Patrouillen kreuzten sich in allen Richtungen.
Uebrigens durften die Städter hin und wieder gehen, und von den zahlreichen
Balvonen herabschauen. Auch Wagen und Equipagen durften fahren, und
der Verkehr nach außen war nicht abgeschnitten, wenigstens, einer Proclama-
tion des Platzcommandanten zufolge, nicht bei Tage. Fast alle Läden sind
geschlossen, und über den meisten steht die Aufschrift: "Fremdes Eigenthum"
-- welche Vorsichtsmaßregel freilich nicht viel helfen wird, denn die Soldaten
können nicht lesen. Indessen das Volk rechnet weniger auf die Ehrlichkeit der
Soldaten, als darauf daß sie zum Plündern keine Zeit haben werden. Wenn
sie gegen die Stadt her zurückgeschlagen werden, so wird sich die Bevölkerung

[Spaltenumbruch] Große und ſtrittige Frage. Nur einen Fall; hätte es 1859 zu Wien eine
Rednerbühne gegeben und man von da aus für den Frieden geſprochen, ſo
hätte es Oeſterreich nicht gewagt Piemont zu überfallen und durch den Krieg
den von England vorgeſchlagenen Congreß zu verhindern. (Oeſterreich hat
bloß von dem Staatsnothwehrrecht Gebrauch gemacht.) Der kaiſerliche Brief
vom 5 Jan. ruft Frankreich zur friedlichen Thätigkeit. Aber die Geſchäfte
gehen nur gut in ruhiger Zeit, und der zweifelhafte unſichere Zuſtand Euro-
pa’s raubt ihnen die Thätigkeit welche der kaiſerliche Brief ihnen anräth. Man
muß alſo Europa die Ruhe zurückgeben. Eine legislative, vollſtändigere und
öffentlichere Discuſſion würde Europa, wir ſind es überzeugt, nicht von Seite
Frankreichs plötzliche, unvorhergeſehene Entſchließungen befürchten laſſen.
Wir glauben fortwährend daß das Kaiſerthum der Friede iſt; wir fügen nur
ein Wort bei um unſern Gedanken vollſtändig auszudrücken: das liberale
Kaiſerthum iſt der Friede.


Die Note des geſtrigen Moniteur iſt wie ge-
wöhnlich der Gegenſtand zweier ſich gänzlich widerſprechenden Auslegungen.
Die einen, welche ſich der Noten erinnern die der Umwandlung der Rente,
dem Bruch mit Oeſterreich oder der Annexion Mittelitaliens vorangegangen
ſind, behaupten daß bei dieſer Gelegenheit, wie bei ſo vielen anderen, die offi-
cielle Note das ſichere Zeichen ſey daß die Ereigniſſe, von welchen man die
Aufmerkſamkeit abzulenken verſuche, um ſo wahrſcheinlicher und um ſo näher
ſeyen als man ſie abzuläugnen ſich bemühe. Andere meinen im Gegentheil daß
die franzöſiſche Regierung, indem ſie ernſtliche Stürme ſich in Europa bilden
ſehe, Deutſchland von einem ſolchen Gefühl der Feindſeligkeit belebt daß es
nicht allein bereit ſcheine ſich für einen politiſchen Krieg, ſondern für einen
nationalen Krieg zu erheben, England bereit bei dem erſten Conflict von den
Leidenſchaften Deutſchlands Vortheil zu ziehen, für ihre Projecte eine ſchwer
zu überſteigende Schranke geahnt, und gedacht habe daß es Zeit ſey der
Aufregung die ſich auf der anderen Seite des Rheins gebildet hat Einhalt zu
thun. — An der Börſe war das Gerücht: der König von Neapel habe das
ganze diplomatiſche Corps verſammelt, und eine europäiſche Intervention
verlangt. — Der in dieſen Tagen bei dem Marineminiſterium eingetroffene
Bericht aus China erwähnt eines ernſten Vorfalls, woraus hervorgeht daß
zwiſchen dem General der die franzöſiſche Expedition commandirt und dem
Oberbefehlshaber der engliſchen Truppen eine Uneinigkeit beſteht. Dieſe Un-
einigkeit ſey in Betreff der Inſel Tſchuſan, welche die Engländer beſetzen wollten,
zum Ausbruch gekommen. General Montauban habe ſich dem Vorhaben ener-
giſch widerſetzt, indem er erklärt daß er förmliche Befehle empfangen die Eng-
länder keine Beſitzergreifung vornehmen zu laſſen. Dieſer Zuſtand der Dinge
könnte für die Expedition bedauerliche Folgen haben, wenn es nicht gelänge
ihm ein Ende zu machen.

Italien.

Die Times hat jetzt einen Specialcorreſpondenten auf
der Inſel, und es liegt bereits ein Brief desſelben d. d. Palermo
25 Mai vor, der im weſentlichen alſo lautet: „Sie ſtellen ſich nicht vor wie
ſchwer es iſt beſtimmte Kunde über die Vorgänge in Sicilien zu erhalten. Zu
Land machen die ungewiſſen Gränzen in denen der Strom der Inſurrection
ſich bewegt alle Mittheilungen langſam und ungewiß, während zur See die
neapolitaniſche Regierung alles gethan hat um Hinderniſſe in den Weg zu
legen. Ihr Intereſſe iſt es natürlich alle Küſtenpunkte zu iſoliren, um das
Zuſammenhandeln der Aufſtändiſchen zu behindern. Namentlich bezüglich
des Verkehrs zwiſchen den Städten Meſſina und Palermo hat man das für
nöthig erachtet. Die Fälle ausgenommen wo ein fremmes Schiff von der
einen dieſer Städte zur andern fuhr, iſt der Verkehr zwiſchen denſelben ſeit
Wochen unterbrochen; die wichtigſten Handels- und Wechſelbriefe liegen auf
den verſchiedenen Conſulaten, ohne beſtellt werden zu können. So waren
auch meine Chancen hieher zu kommen nicht groß. Zu meinem Glück traf
der engliſche Handelsdampfer „Vulture“ an dem nämlichen Tag wie ich in
Meſſina ein, und ich konnte ihn am folgenden Tage benutzen. Wir fuhren
ganz nahe an der maleriſchen Nordküſte hin, ohne die geringſte Bowegung
wahrzunehmen. Da es in Meſſina hieß: in Cefalu, einer halbwegs nach
Palermo gelegenen Stadt, ſey eine proviſoriſche Regierung errichtet, ſo blick-
ten wir mit Spannung nach dem Ras-uggelb (dem Hundevorgebirg; die
arabiſchen Namen kommen in Sicilien noch häufig vor), welches, unfern von
Cefalu, mit ſeinem ſpitzigen Pik kühn hervortritt. Ein großer Gebirgszug,
die neptuniſche Gebirgskette genannt, ſtreicht durch ganz Sicilien von Oſten
nach Weſten, ſich nach der Mitte hin auf 3000 bis 4000 Fuß erhebend, mit
auslaufenden Sporen nach dem Norden und Süden der Inſel. Dieſes Ge-
birge ſtreicht, während es ſich nach Süden und Oſten allmählich abdacht, ſteil
und nahe längs der Nordküſte, und zwiſchen Meſſina und Palermo hat man
es fortwährend im Auge. Seine Ausläufer nach der See bilden eine Reihe
von Vorgebirgen, mit dazwiſchen liegenden größern oder kleinern Buchten,
welche die vom Gebirge niederſtrömenden kleinen Flüſſe aufnehmen. Ich er-
wähne dieſe Bodenbeſchaffenheit, welche ſich im Südweſten wiederholt, weni-
ger wegen ihres pittovesken Ausſehens als weil ſie die Natur des Aufſtandes
[Spaltenumbruch] erklären hilft. Die vom Grundſtock des nepiuniſchen Gebirges ſich abzweigen-
den Querzüge bilden ebenſo viele einzelne Inſurrectionsbezirke, und geben
dem Aufſtand jenen örtlichen Charakter welcher, vor Garibaldi’s Ankunft, ein
Zuſammenhandeln äußerſt ſchwer, wenn nicht unmöglich, machte. Während
das ganze Land die Neapolitaner in gleichem Maße haßt, ſind die meiſten
dieſer einzelnen Bezirke im Stande des neapolitaniſchen Regiments ohne viele
Schwierigkeit los zu werden. Neapel hatte das Innere der Inſel niemals
militäriſch beſetzt, und die Verwaltung wurde dort durch eingeborne Sicilia-
ner gehandhabt. So brauchte man bloß dieſe und die wenige Polizeimann-
ſchaft zu verjagen. Ganz anders war es mit den um die Küſte liegenden
großen Städten, welche die Neapolitaner in beträchtlicher Stärke beſetzt hielten.
Das Capo Zaffarano oſtwärts und das Capo di Gallo nordwärts bezeichnen
die Gränzen des die Bay von Palermo einſchließenden Gebirges. Dieſer
ganze Gebirgsumkreis, das hatten wir in Meſſina gehört, war von den In-
ſurgenten beſetzt. Natürlich hatten wir auf dem Schiff alle unſere Ferngläſer
am Auge, ehe wir noch nahe genug waren um irgendetwas unterſcheiden zu
können. Es war Mittag als unſer Lootſe an Bord kam, und bald darauf
warfen wir Anker nahe am Leuchtthurm an der Spitze des Molo. — Ein
Boot mit der neapolitaniſchen Flagge näherte ſich uns, enthielt aber bloß die
Zollbeamten, welche bald fertig waren. Keine Spur der ſonſt unvermeid-
lichen Polizei! Wir fragten, und man ſagte uns lachend: die ganze Polizei
habe ſich entweder nach Neapel eingeſchifft, oder ſey ſonſtwie abhanden ge-
kommen. So waren hier die Dinge offenbar weiter als in Meſſina, denn
dort war die Polizei in der letzten Zeit bloß höflich geworden, hier aber war
ſie verſchwunden. Noch ein auffälligeres Zeichen der Zeit war wie Leute vom
Volk an Bord kamen, und ungeſcheut von den Ereigniſſen ſprachen, über deren
Wendung alles erfreut war. Die Soldaten, bis auf etwa 1000 (?) Mann,
waren von der Stadt ausgerückt Garibaldi entgegen, deſſen Angriff auf
Monreale man erwartete; dieſer Ort liegt ſüdlich von Palermo, an der Straße
nach Alcamo und Trapani. Während die Truppen dieſe Bewegung am 23
ausführten, ſtiegen bewaffnete Inſurgenten vom Gebirge hernieder, aber nicht
auf Monreale, ſondern in der Richtung auf Parco, einen kleinen Ort am Ge-
birgsabhang, nur 6 engliſche Meilen von Palermo. Die Truppen wandten
ſich gegen den von dieſer Seite unerwarteten Feind, und erlitten, wie man in
der Stadt erzählt, einen Verluſt von 500 Mann. (Der Correſpondent ſah
in jener Richtung, und zugleich in der weiter nordwärts gelegenen Ebene
Conca d’Oro, fortwährend Rauchſäulen aufſteigen, ohne daß man Schießen
hörte; man wußte nicht, war es das Zeichen eines fortdauernden Gefechts,
oder einer Feuersbrunſt, „denn die neapolitaniſchen Truppen hatten Befehl
alles niederzubrennen wo ſich ein Feind verſtecken könne.“) Ich hörte ſpäter
am Land: es ſeyen 25 Wagen mit Verwundeten in das Militärſpital vor der
Stadt gebracht, aber dieſe mögen von dem Gefecht des vorigen Tags geweſen
ſeyn. Heute Morgens heißt es: man habe Verſtärkung verlangt, aber bis
jetzt kann ich nur als gewiß melden daß Parco niedergebrannt iſt, und daß die
Truppen ſich von den Abhängen zurückgezogen haben. Daß die Höhen rings-
herum in der Gewalt der Inſurgenten ſind, zeigte die Nacht deutlich genug;
ihre Wachtfeuer brannten in weitem Halbkreis um die Stadt. Außer denen
unter Garibaldi’s unmittelbarem Befehl ſind zwei Corps Eingeborne im Feld,
welche die Zugänge von der Bay bewachen; jedes derſelben ſoll 1200 bis
1500 Mann ſtark ſeyn. Aber im allgemeinen weiß man ſehr wenig von dem
was draußen vorgeht; alles iſt mehr oder minder nur Muthmaßung. Gewiß
iſt nur daß die Neapolitaner nicht ſehr ſiegesgewiß ſind. Geſtern ſegelten
zwei Dampfer, mit Flüchtlingen und ihrer Habe ſchwer beladen, nach Neapel
ab. Eine Barke um die andere fuhr mit Hausgeräth an uns vorüber. Die
Schlöte aller neapolitaniſchen Dampfboote rauchten den Tag und die Nacht
durch. Viele fuhren unruhig hin und her. Nachmittags gieng ich ans Land,
und es bot ſich mir ein ſonderbarer Anblick. Zahlreiches Volk ſchlenderte auf
der Marine (Kai) herum, und beobachtete die Bewegungen der neapolitani-
ſchen Dampfſchiffe. Die Stadt iſt bekanntlich von zwei langen Straßen durch-
zogen, die ſich in rechtem Winkel durchſchneiden. In zweien der alſo gebilde-
ten Quartiere ſchien kein Militär vorhanden zu ſeyn, ausgenommen an den
Ausgängen der Stadt; aber die zwei höher gelegenen Viertel, gegen die
Kathedrale und den königlichen Palaſt hin, befanden ſich in regelmäßigem
Belagerungszuſtand. Auf jedem größeren Raum lagerten Truppen in Waffen,
überall ſtanden oder ſchritten Schildwachen, und an den Ecken der Straßen
hielten Reiterabtheilungen. Patrouillen kreuzten ſich in allen Richtungen.
Uebrigens durften die Städter hin und wieder gehen, und von den zahlreichen
Balvonen herabſchauen. Auch Wagen und Equipagen durften fahren, und
der Verkehr nach außen war nicht abgeſchnitten, wenigſtens, einer Proclama-
tion des Platzcommandanten zufolge, nicht bei Tage. Faſt alle Läden ſind
geſchloſſen, und über den meiſten ſteht die Aufſchrift: „Fremdes Eigenthum“
— welche Vorſichtsmaßregel freilich nicht viel helfen wird, denn die Soldaten
können nicht leſen. Indeſſen das Volk rechnet weniger auf die Ehrlichkeit der
Soldaten, als darauf daß ſie zum Plündern keine Zeit haben werden. Wenn
ſie gegen die Stadt her zurückgeſchlagen werden, ſo wird ſich die Bevölkerung

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[2618/0006] Große und ſtrittige Frage. Nur einen Fall; hätte es 1859 zu Wien eine Rednerbühne gegeben und man von da aus für den Frieden geſprochen, ſo hätte es Oeſterreich nicht gewagt Piemont zu überfallen und durch den Krieg den von England vorgeſchlagenen Congreß zu verhindern. (Oeſterreich hat bloß von dem Staatsnothwehrrecht Gebrauch gemacht.) Der kaiſerliche Brief vom 5 Jan. ruft Frankreich zur friedlichen Thätigkeit. Aber die Geſchäfte gehen nur gut in ruhiger Zeit, und der zweifelhafte unſichere Zuſtand Euro- pa’s raubt ihnen die Thätigkeit welche der kaiſerliche Brief ihnen anräth. Man muß alſo Europa die Ruhe zurückgeben. Eine legislative, vollſtändigere und öffentlichere Discuſſion würde Europa, wir ſind es überzeugt, nicht von Seite Frankreichs plötzliche, unvorhergeſehene Entſchließungen befürchten laſſen. Wir glauben fortwährend daß das Kaiſerthum der Friede iſt; wir fügen nur ein Wort bei um unſern Gedanken vollſtändig auszudrücken: das liberale Kaiſerthum iſt der Friede. &#xfffc; Paris, 2 Jun. Die Note des geſtrigen Moniteur iſt wie ge- wöhnlich der Gegenſtand zweier ſich gänzlich widerſprechenden Auslegungen. Die einen, welche ſich der Noten erinnern die der Umwandlung der Rente, dem Bruch mit Oeſterreich oder der Annexion Mittelitaliens vorangegangen ſind, behaupten daß bei dieſer Gelegenheit, wie bei ſo vielen anderen, die offi- cielle Note das ſichere Zeichen ſey daß die Ereigniſſe, von welchen man die Aufmerkſamkeit abzulenken verſuche, um ſo wahrſcheinlicher und um ſo näher ſeyen als man ſie abzuläugnen ſich bemühe. Andere meinen im Gegentheil daß die franzöſiſche Regierung, indem ſie ernſtliche Stürme ſich in Europa bilden ſehe, Deutſchland von einem ſolchen Gefühl der Feindſeligkeit belebt daß es nicht allein bereit ſcheine ſich für einen politiſchen Krieg, ſondern für einen nationalen Krieg zu erheben, England bereit bei dem erſten Conflict von den Leidenſchaften Deutſchlands Vortheil zu ziehen, für ihre Projecte eine ſchwer zu überſteigende Schranke geahnt, und gedacht habe daß es Zeit ſey der Aufregung die ſich auf der anderen Seite des Rheins gebildet hat Einhalt zu thun. — An der Börſe war das Gerücht: der König von Neapel habe das ganze diplomatiſche Corps verſammelt, und eine europäiſche Intervention verlangt. — Der in dieſen Tagen bei dem Marineminiſterium eingetroffene Bericht aus China erwähnt eines ernſten Vorfalls, woraus hervorgeht daß zwiſchen dem General der die franzöſiſche Expedition commandirt und dem Oberbefehlshaber der engliſchen Truppen eine Uneinigkeit beſteht. Dieſe Un- einigkeit ſey in Betreff der Inſel Tſchuſan, welche die Engländer beſetzen wollten, zum Ausbruch gekommen. General Montauban habe ſich dem Vorhaben ener- giſch widerſetzt, indem er erklärt daß er förmliche Befehle empfangen die Eng- länder keine Beſitzergreifung vornehmen zu laſſen. Dieſer Zuſtand der Dinge könnte für die Expedition bedauerliche Folgen haben, wenn es nicht gelänge ihm ein Ende zu machen. Italien. Sicilien. Die Times hat jetzt einen Specialcorreſpondenten auf der Inſel, und es liegt bereits ein Brief desſelben d. d. Palermo 25 Mai vor, der im weſentlichen alſo lautet: „Sie ſtellen ſich nicht vor wie ſchwer es iſt beſtimmte Kunde über die Vorgänge in Sicilien zu erhalten. Zu Land machen die ungewiſſen Gränzen in denen der Strom der Inſurrection ſich bewegt alle Mittheilungen langſam und ungewiß, während zur See die neapolitaniſche Regierung alles gethan hat um Hinderniſſe in den Weg zu legen. Ihr Intereſſe iſt es natürlich alle Küſtenpunkte zu iſoliren, um das Zuſammenhandeln der Aufſtändiſchen zu behindern. Namentlich bezüglich des Verkehrs zwiſchen den Städten Meſſina und Palermo hat man das für nöthig erachtet. Die Fälle ausgenommen wo ein fremmes Schiff von der einen dieſer Städte zur andern fuhr, iſt der Verkehr zwiſchen denſelben ſeit Wochen unterbrochen; die wichtigſten Handels- und Wechſelbriefe liegen auf den verſchiedenen Conſulaten, ohne beſtellt werden zu können. So waren auch meine Chancen hieher zu kommen nicht groß. Zu meinem Glück traf der engliſche Handelsdampfer „Vulture“ an dem nämlichen Tag wie ich in Meſſina ein, und ich konnte ihn am folgenden Tage benutzen. Wir fuhren ganz nahe an der maleriſchen Nordküſte hin, ohne die geringſte Bowegung wahrzunehmen. Da es in Meſſina hieß: in Cefalu, einer halbwegs nach Palermo gelegenen Stadt, ſey eine proviſoriſche Regierung errichtet, ſo blick- ten wir mit Spannung nach dem Ras-uggelb (dem Hundevorgebirg; die arabiſchen Namen kommen in Sicilien noch häufig vor), welches, unfern von Cefalu, mit ſeinem ſpitzigen Pik kühn hervortritt. Ein großer Gebirgszug, die neptuniſche Gebirgskette genannt, ſtreicht durch ganz Sicilien von Oſten nach Weſten, ſich nach der Mitte hin auf 3000 bis 4000 Fuß erhebend, mit auslaufenden Sporen nach dem Norden und Süden der Inſel. Dieſes Ge- birge ſtreicht, während es ſich nach Süden und Oſten allmählich abdacht, ſteil und nahe längs der Nordküſte, und zwiſchen Meſſina und Palermo hat man es fortwährend im Auge. Seine Ausläufer nach der See bilden eine Reihe von Vorgebirgen, mit dazwiſchen liegenden größern oder kleinern Buchten, welche die vom Gebirge niederſtrömenden kleinen Flüſſe aufnehmen. Ich er- wähne dieſe Bodenbeſchaffenheit, welche ſich im Südweſten wiederholt, weni- ger wegen ihres pittovesken Ausſehens als weil ſie die Natur des Aufſtandes erklären hilft. Die vom Grundſtock des nepiuniſchen Gebirges ſich abzweigen- den Querzüge bilden ebenſo viele einzelne Inſurrectionsbezirke, und geben dem Aufſtand jenen örtlichen Charakter welcher, vor Garibaldi’s Ankunft, ein Zuſammenhandeln äußerſt ſchwer, wenn nicht unmöglich, machte. Während das ganze Land die Neapolitaner in gleichem Maße haßt, ſind die meiſten dieſer einzelnen Bezirke im Stande des neapolitaniſchen Regiments ohne viele Schwierigkeit los zu werden. Neapel hatte das Innere der Inſel niemals militäriſch beſetzt, und die Verwaltung wurde dort durch eingeborne Sicilia- ner gehandhabt. So brauchte man bloß dieſe und die wenige Polizeimann- ſchaft zu verjagen. Ganz anders war es mit den um die Küſte liegenden großen Städten, welche die Neapolitaner in beträchtlicher Stärke beſetzt hielten. Das Capo Zaffarano oſtwärts und das Capo di Gallo nordwärts bezeichnen die Gränzen des die Bay von Palermo einſchließenden Gebirges. Dieſer ganze Gebirgsumkreis, das hatten wir in Meſſina gehört, war von den In- ſurgenten beſetzt. Natürlich hatten wir auf dem Schiff alle unſere Ferngläſer am Auge, ehe wir noch nahe genug waren um irgendetwas unterſcheiden zu können. Es war Mittag als unſer Lootſe an Bord kam, und bald darauf warfen wir Anker nahe am Leuchtthurm an der Spitze des Molo. — Ein Boot mit der neapolitaniſchen Flagge näherte ſich uns, enthielt aber bloß die Zollbeamten, welche bald fertig waren. Keine Spur der ſonſt unvermeid- lichen Polizei! Wir fragten, und man ſagte uns lachend: die ganze Polizei habe ſich entweder nach Neapel eingeſchifft, oder ſey ſonſtwie abhanden ge- kommen. So waren hier die Dinge offenbar weiter als in Meſſina, denn dort war die Polizei in der letzten Zeit bloß höflich geworden, hier aber war ſie verſchwunden. Noch ein auffälligeres Zeichen der Zeit war wie Leute vom Volk an Bord kamen, und ungeſcheut von den Ereigniſſen ſprachen, über deren Wendung alles erfreut war. Die Soldaten, bis auf etwa 1000 (?) Mann, waren von der Stadt ausgerückt Garibaldi entgegen, deſſen Angriff auf Monreale man erwartete; dieſer Ort liegt ſüdlich von Palermo, an der Straße nach Alcamo und Trapani. Während die Truppen dieſe Bewegung am 23 ausführten, ſtiegen bewaffnete Inſurgenten vom Gebirge hernieder, aber nicht auf Monreale, ſondern in der Richtung auf Parco, einen kleinen Ort am Ge- birgsabhang, nur 6 engliſche Meilen von Palermo. Die Truppen wandten ſich gegen den von dieſer Seite unerwarteten Feind, und erlitten, wie man in der Stadt erzählt, einen Verluſt von 500 Mann. (Der Correſpondent ſah in jener Richtung, und zugleich in der weiter nordwärts gelegenen Ebene Conca d’Oro, fortwährend Rauchſäulen aufſteigen, ohne daß man Schießen hörte; man wußte nicht, war es das Zeichen eines fortdauernden Gefechts, oder einer Feuersbrunſt, „denn die neapolitaniſchen Truppen hatten Befehl alles niederzubrennen wo ſich ein Feind verſtecken könne.“) Ich hörte ſpäter am Land: es ſeyen 25 Wagen mit Verwundeten in das Militärſpital vor der Stadt gebracht, aber dieſe mögen von dem Gefecht des vorigen Tags geweſen ſeyn. Heute Morgens heißt es: man habe Verſtärkung verlangt, aber bis jetzt kann ich nur als gewiß melden daß Parco niedergebrannt iſt, und daß die Truppen ſich von den Abhängen zurückgezogen haben. Daß die Höhen rings- herum in der Gewalt der Inſurgenten ſind, zeigte die Nacht deutlich genug; ihre Wachtfeuer brannten in weitem Halbkreis um die Stadt. Außer denen unter Garibaldi’s unmittelbarem Befehl ſind zwei Corps Eingeborne im Feld, welche die Zugänge von der Bay bewachen; jedes derſelben ſoll 1200 bis 1500 Mann ſtark ſeyn. Aber im allgemeinen weiß man ſehr wenig von dem was draußen vorgeht; alles iſt mehr oder minder nur Muthmaßung. Gewiß iſt nur daß die Neapolitaner nicht ſehr ſiegesgewiß ſind. Geſtern ſegelten zwei Dampfer, mit Flüchtlingen und ihrer Habe ſchwer beladen, nach Neapel ab. Eine Barke um die andere fuhr mit Hausgeräth an uns vorüber. Die Schlöte aller neapolitaniſchen Dampfboote rauchten den Tag und die Nacht durch. Viele fuhren unruhig hin und her. Nachmittags gieng ich ans Land, und es bot ſich mir ein ſonderbarer Anblick. Zahlreiches Volk ſchlenderte auf der Marine (Kai) herum, und beobachtete die Bewegungen der neapolitani- ſchen Dampfſchiffe. Die Stadt iſt bekanntlich von zwei langen Straßen durch- zogen, die ſich in rechtem Winkel durchſchneiden. In zweien der alſo gebilde- ten Quartiere ſchien kein Militär vorhanden zu ſeyn, ausgenommen an den Ausgängen der Stadt; aber die zwei höher gelegenen Viertel, gegen die Kathedrale und den königlichen Palaſt hin, befanden ſich in regelmäßigem Belagerungszuſtand. Auf jedem größeren Raum lagerten Truppen in Waffen, überall ſtanden oder ſchritten Schildwachen, und an den Ecken der Straßen hielten Reiterabtheilungen. Patrouillen kreuzten ſich in allen Richtungen. Uebrigens durften die Städter hin und wieder gehen, und von den zahlreichen Balvonen herabſchauen. Auch Wagen und Equipagen durften fahren, und der Verkehr nach außen war nicht abgeſchnitten, wenigſtens, einer Proclama- tion des Platzcommandanten zufolge, nicht bei Tage. Faſt alle Läden ſind geſchloſſen, und über den meiſten ſteht die Aufſchrift: „Fremdes Eigenthum“ — welche Vorſichtsmaßregel freilich nicht viel helfen wird, denn die Soldaten können nicht leſen. Indeſſen das Volk rechnet weniger auf die Ehrlichkeit der Soldaten, als darauf daß ſie zum Plündern keine Zeit haben werden. Wenn ſie gegen die Stadt her zurückgeſchlagen werden, ſo wird ſich die Bevölkerung

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860, S. 2618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine157_1860/6>, abgerufen am 23.11.2024.