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Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] erheben und sie abschneiden*). Die Nacht ist ruhig vorübergegangen. Die
Infurgenten, so vermuthet man, werden zu einer entscheidenden Bewegung
concentrirt, und man erwartet diese von einem Moment zum andern. Daß
die Niederlage der Neapolitaner bei Calatasimi beträchtlich war, unterliegt
keinem Zweifel; sie kostete ihnen mehrere hundert Mann und eine Kanone.
Die Insurgenten fiengen bei ihrem Vorrücken einen Brief**) des Generals
Landi auf, worin er um Hülfe fleht, und den Verlust des Geschützes damit
entschuldigt daß das Maulthier welches es trug getödtet worden sey. Dem
wird aber auf Seite der Insurgenten widersprochen; die Kanone war geladen
und lag auf der Lafette. Alles geschieht im Namen Italiens und Victor
Emmanuels. "Annexion" ist das Feldgeschrei, und dazu: "Keinen Ver-
gleich!" und: "Keine Republik!" Der neu angekommene neapolitanische
General Lanza, derselbe der im Jahr 1848 in Sicilien war, ist ein guter
Regimentsoberster, aber kein Feldherr. Er soll eine liberale Constitution in
der Tasche haben, aber die Sicilianer sagen: Es ist zu spät.


Man kann sich in Deutschland wohl nicht
leicht einen Begriff machen mit welchen Schwierigkeiten man hier zu kämpfen
hat um aus dem täglichen Wirrwarr von Lügen und Parteifärbungen die
Wahrheit herauszufinden. Auch nicht eine Partei sagt die Wahrheit um der
Wahrheit willen. Die "Unita Italiana" Mazzini's läßt den Frhrn. v. Bach
sich im Gefängniß zu Venedig erhängen, und der Monitore Toscano leistet
dem Gerücht Vorschub daß ein Sohn des Frhrn. v. Bruck in einer Audienz
dem Kaiser von Oesterreich einen Dolchstich versetzt habe! Aus Rom haben
nicht nur Depeschen der Regierung den im Scharmützel bei Le Grotte angeb-
lich erfolgten Tod des Freischärlers Cesare Orsini gemeldet, sondern der Be-
richt des Obersten Pimodan an Lamoriciere bestätigt, nach der "Gazzetta di
Venezia," diese Nachricht, aber ein Brief aus Scansano vom 25 Mai besagt
daß die beiden Hauptleute des Zambianchi'schen Corps, nämlich Andrea Sga-
rallino und Cesare Orsini, in Ketten geschlossen nach Florenz abgeführt wur-
den, und heute erfahren wir daß sich diese beiden Herren hier in der Fortezza
dabbasso befinden, aus der man, wie es heißt, gestern Abends 9 Uhr 27 Frei-
schärler desselben Corps, die am 24 Mai hieher gebracht wurden, wieder in
Freiheit gesetzt hat. Jene Hauptleute sollen übrigens durch eine vor Abgabe
der Waffen abgemachte Capitulation gegen jede ernste Strafe gesichert seyn.
Diese Capitulation ist vielleicht gar auf römischem Gebiet gemacht worden,
denn der Rückzug Zambianchi's von Latera nach Le Grotte, noch ehe man
einen Feind, oder vielmehr die päpstlichen Gendarmen, gesehen, soll in Folge
einer Depesche der Regierung erfolgt seyn, was "L'Unita Italiana" als be-
stätigt wieder gibt. Aber nicht die Rücksichten auf das Völkerrecht, sondern die
[Spaltenumbruch] Furcht vor den ächten Republicanern von denen sich etwa 30 in der Freischaar
befanden, hätte die Regierung zur Rückzugsordre veranlaßt, was jene Repu-
blicaner wieder sehr ungerecht finden, da sie bei jener Gelegenheit ja offen er-
klärt hätten daß die einzige mögliche Regierung in Italien die des Hauses
Savoyen sey -- solange dasselbe für die nationale Einheit kämpfe. Die ge-
nauen Berichte hiesiger Blätter über das Scharmützel bei Le Grotte besagen
endgültig daß auch die zwei früher als todt gemeldeten Freischärler sich wieder
eingefunden haben, daß ein dritter von seinen Wunden genesen wird, daß mit-
hin gar kein Verlust zu beklagen ist, wiewohl, als bestimmt erwiesen, nur 18
bis 20 Freischärler bei dem Handgemenge mit den Gendarmen, die von 60
bis auf 100 angegeben werden, zugegen waren, und von diesen letztern wenig-
stens 20 mausetodt machten, also nach der erfahrungsmäßigen Proportion
bei Gefechten wahrscheinlich auch noch 60 Gendarmen verwundeten, die nicht
existirten. -- Ein neues Journal "La Bandiera Italiana," das eine bedeu-
tende Stelle einnehmen zu wollen scheint, sagt: daß Piemont sich gegen Sici-
lien nicht so zögernd wie gegen Toscana zeigen dürfe, sondern daß es die In-
sel gleich nach dem Anschlußvotum "annexiren" müsse. -- In Bezug auf
Giovachino Taddei, berühmten Chemiker, Mitglied vieler Akademien, Sena-
tor, und einen der Vierzig der "Italienischen Gesellschaft," der gestern früh im
69. Lebensjahr gestorben ist, und heute unter patriotischen Ehren und Beglei-
tung der Nationalgarde beerdigt wird, sagt dieses Blatt: daß er zehn Jahre
lang durch die großh. Regierung Verfolgungen erlitten habe. -- Als der Car-
dinal Corsi in Turin in den Convent der Missionari geführt wurde, frug er:
ob das sein Gefängniß sey? Nein, antwortete man, er sey in voller Freiheit.
"Nun wenn ich frei bin," meinte er, "so gehe ich lieber gleich wieder nach Pisa
zurück."


Der "außerordentliche k. Commissär für die
Provinzen Neapel und Sicilien," Hr. La Farina, hat schon sein Mini-
sterium aus folgenden Mitgliedern gebildet: Poerio, Imbriani, Mancini,
Pisanelli und Interdonato. Nach La Nazione haben die Florentinischen
Frauen sich zur Unterstützung der Sicilianer vereinigt, und in allen toscani-
schen Orten bestehen Vereine zur Sammlung von Geldern. Nach der Unita
Italiana dagegen hat sich ein großer Theil der toscanischen Municipien,
darunter das Florentinische obenan, ziemlich karg gezeigt, indem sie nicht
nur die Anträge auf eine directe Unterstützung Siciliens zurückwiesen, son-
dern auch das während so vieler Monate für die Million Gewehre Gari-
baldi's gesammelte Geld jetzt nicht herausgeben wollen. Das unter dem
Generalgouverneur Ricasoli stehende Toscana macht hierin von den andern
italienischen Ländern eine wunderliche Ausnahme. Die Privatsammlungen
gehen indeß langsam vor sich; pünktlich aber vor allen erweist sich die Mazzi-
nistische Partei, welche, wie eben die Collecte der hiesigen Unita Italiana mit
1260 Lire zeigt, zur angekündigten Stunde auch ihre Gelder abschickt. In den
Summen, wie diese von den armen Arbeitern zusammengebracht werden, stehen
die Listen von La Nazione, die von allen Enden des Landes zusammen etwa
15,000 Lire betragen, in einem ärmlichen Verhältniß zu dem Vermögen der
besitzenden Classe. Das kleine Municipium von Sesto hat officiell 300 Lire
gespendet. -- Die außerordentlichen Beilagen der Allg. Ztg. kommen auch in
Toscana nie an, sowie überhaupt dieselbe durch die Post sehr zurückgesetzt
scheint. Sie kommt noch immer erst fünf Tage nach der Ausgabe hier an,
während preußische Blätter nur vier Tage brauchen. Dazu kommt noch daß
Ihre hiesigen Abonnenten mitten im Lauf des Abonnements oft auf längere
Zeit, eben bis in diesen Monat herein wieder ganze sechs Wochen lang, gar
keine Zeitung mehr erhielten, ohne daß die Postbeamten im Stande wären
für das unerklärliche Ausbleiben oder für das plötzliche Wiedererscheinen
einen Grund anzugeben. -- Die venetianischen Emigranten gründen hier ein
Wochenblatt für die Befreiung ihrer Provinz von österreichischer Herrschaft.


Der General Lanza in Palermo soll, die Unmög-
lichkeit einsehend seinen Posten noch länger zu behaupten, bereits ange-
fangen haben einen Theil der Truppen einzuschiffen. Ich habe Ihnen neulich
schon mitgetheilt daß eine zweite Expedition Freiwilliger im Begriff stehe nach
Sicilien abzugehen. Dießmal wird sie von La Farina (bekanntlich aus Sici-
lien gebürtig) selbst geleitet werden, der dort als der Repräsentant der bürger-
lichen Ordnung auftreten wird, um die allgemeine Abstimmung der "Annexion"
Siciliens an Piemont zu leiten, da Garibaldi sich mit der Politik nicht be-
schäftigen kann, und die Abstimmung so schnell und so energisch als möglich
durchgeführt werden soll, um den auswärtigen Mächten keine Zeit zu Re-
clamationen zu lassen. Uebrigens glaubt man daß La Farina außerdem noch
den Auftrag hat Garibaldi zu überwachen, da man befürchtet er möchte sich
wiederum von den Republicanern zu thörichten und verzweifelten Schritten
verleiten lassen. Der Plan der hiesigen Unionisten ist übrigens schon klar ge-
zeichnet: sobald La Farina eine provisorische Regierung installirt, und die In-
sel durch Garibaldi vollkommen von den königl. Truppen befreit ist, wird letz-
terer die Meerenge überschreiten, und die Revolution nach Calabrien tragen.
Man spricht hier ganz offen von der unabweisbaren Nothwendigkeit: das
ganze Königreich Neapel mit dem neuen Italien zu vereinigen unter Victor

*) "Palermo," sagt ein Pariser Blatt, "liegt in der Biegung einer Bay, an
der Mündung des Flüßchens Oreto. Die alte Stadt ist mit einem 21/2 Lieues
langen bastionirten Wall umschlossen, der sich in ziemlich schlechtem Zustand be-
findet. Die neue Stadt erstreckt sich jenseits der Fortificationen, an der Straße
nach Monreale. An dieser Stelle hat die Umwallung eine ungefähr 300 Metres
breite Lücke. Die eigentliche Schutzwehr Palermo's sind die Werke nach dem
Meer hin, bestehend aus zwei Hauptforts, das eine, Castel-Lucio am äußersten
Ende des Hafens, das andere, Castellamare, eine sehr große rechtwinklige
Citadelle. Der Hafen ist durch einen 400 Metres langen Molo geschlossen,
mit einem Leuchtthurm auf der einen, einer Batterie auf der andern Seite.
Garibaldi kam am 26 Mai vor Palermo an, und besetzte am folgenden Tag
die neue Stadt. Die Bevölkerung erklärte sich alsbald zu Gunsten des Auf-
stands, und General Lanza fand es rathsam die Vertheidigung des südlichen
Stadttheils nicht fortzusetzen, sondern sich auf das starke Castellamare zurück-
zuziehen."
**) Dieser Brief lautete (nach der Neapeler Correspondenz der Times) also:
"Calatasimi, 15 Mai. (Höchst dringend.) Excellenz! Hülfe, Hülfe! (ajuto!
pronto ajuto!
) Die heute Morgens von Salemi ausgerückten Banden haben
alle Höhen südlich und südwestlich von Calatasimi besetzt. Die eine Hälfte
meiner Colonne rückte auf Schußweite vor, und griff die Rebellen an, welche
zu Tausenden auf allen Punkten hervorkamen. Das Feuer wurde gut unter-
halten, aber Massen von Sicilianern hatten sich mit den italienischeu Banden
vereinigt. Wir haben den Befehlshaber der italienischen Freischaaren getödtet,
und ihre Fahne erobert. Unglücklicherweise fiel ein Geschütz vom Rücken eines
Maulthiers das erschossen wurde, und blieb in den Händen der Rebellen; das
durchschneidet meine Seele mit Schmerz. Meine Colonne war genöthigt unter
fortwährendem Feuer auf Calatafimi zurückzugehen, wo ich mich auf der
Defensive halte, da die Rebellen in großer Anzahl uns anzugreifen Miene
machen. Ich bitte daher Ew. Exc. dringend mir eine tüchtige Verstärkung an
Infanterie und wenigstens noch eine halbe Batterie zu schicken, da die seind-
lichen Massen zahlreich und hartnäckig (ostinatamente) kampflustig sind. Ich
fürchte in meiner Stellung angegriffen zu werden. Ich will mich vertheidigen
so lang als möglich; aber wenn ich nicht schnelle Hülfe erhalte, so weiß ich in
der That nicht wie es ausgehen wird. Die Munition der Artillerie ist fast
erschöpft, die der Infanterie beträchtlich vermindert. Ich habe 62 Verwundete;
die Todten kann ich im Augenblick nicht genau angeben, da ich gleich nach dem
Rückzug schreibe. Nöthigenfalls muß ich mich auf Alcamo zurückziehen. Meine
Eolonne ist von Feinden umringt welche die Mühlen angegriffen, und das für
die Truppen bereitete Mehl genommen haben. Die Colonne focht lebhaft von
10 Uhr Bormittags bis Nachmittags 5 Uhr, wo ich meinen Rückzug antrat.
Der commandirende General, Marschall Landi." -- Derselbe Correspondent
fügt bei: wenn die Truppen in Sicilien nicht gut zusammengehalten würden,
wäre "ausgedehute Desertion" zu befürchten. Eine solche scheint wirklich statt-
gefunden zu haben.

[Spaltenumbruch] erheben und ſie abſchneiden*). Die Nacht iſt ruhig vorübergegangen. Die
Infurgenten, ſo vermuthet man, werden zu einer entſcheidenden Bewegung
concentrirt, und man erwartet dieſe von einem Moment zum andern. Daß
die Niederlage der Neapolitaner bei Calataſimi beträchtlich war, unterliegt
keinem Zweifel; ſie koſtete ihnen mehrere hundert Mann und eine Kanone.
Die Inſurgenten fiengen bei ihrem Vorrücken einen Brief**) des Generals
Landi auf, worin er um Hülfe fleht, und den Verluſt des Geſchützes damit
entſchuldigt daß das Maulthier welches es trug getödtet worden ſey. Dem
wird aber auf Seite der Inſurgenten widerſprochen; die Kanone war geladen
und lag auf der Lafette. Alles geſchieht im Namen Italiens und Victor
Emmanuels. „Annexion“ iſt das Feldgeſchrei, und dazu: „Keinen Ver-
gleich!“ und: „Keine Republik!“ Der neu angekommene neapolitaniſche
General Lanza, derſelbe der im Jahr 1848 in Sicilien war, iſt ein guter
Regimentsoberſter, aber kein Feldherr. Er ſoll eine liberale Conſtitution in
der Taſche haben, aber die Sicilianer ſagen: Es iſt zu ſpät.


Man kann ſich in Deutſchland wohl nicht
leicht einen Begriff machen mit welchen Schwierigkeiten man hier zu kämpfen
hat um aus dem täglichen Wirrwarr von Lügen und Parteifärbungen die
Wahrheit herauszufinden. Auch nicht eine Partei ſagt die Wahrheit um der
Wahrheit willen. Die „Unità Italiana“ Mazzini’s läßt den Frhrn. v. Bach
ſich im Gefängniß zu Venedig erhängen, und der Monitore Toscano leiſtet
dem Gerücht Vorſchub daß ein Sohn des Frhrn. v. Bruck in einer Audienz
dem Kaiſer von Oeſterreich einen Dolchſtich verſetzt habe! Aus Rom haben
nicht nur Depeſchen der Regierung den im Scharmützel bei Le Grotte angeb-
lich erfolgten Tod des Freiſchärlers Ceſare Orſini gemeldet, ſondern der Be-
richt des Oberſten Pimodan an Lamoricière beſtätigt, nach der „Gazzetta di
Venezia,“ dieſe Nachricht, aber ein Brief aus Scanſano vom 25 Mai beſagt
daß die beiden Hauptleute des Zambianchi’ſchen Corps, nämlich Andrea Sga-
rallino und Ceſare Orſini, in Ketten geſchloſſen nach Florenz abgeführt wur-
den, und heute erfahren wir daß ſich dieſe beiden Herren hier in der Fortezza
dabbaſſo befinden, aus der man, wie es heißt, geſtern Abends 9 Uhr 27 Frei-
ſchärler desſelben Corps, die am 24 Mai hieher gebracht wurden, wieder in
Freiheit geſetzt hat. Jene Hauptleute ſollen übrigens durch eine vor Abgabe
der Waffen abgemachte Capitulation gegen jede ernſte Strafe geſichert ſeyn.
Dieſe Capitulation iſt vielleicht gar auf römiſchem Gebiet gemacht worden,
denn der Rückzug Zambianchi’s von Latera nach Le Grotte, noch ehe man
einen Feind, oder vielmehr die päpſtlichen Gendarmen, geſehen, ſoll in Folge
einer Depeſche der Regierung erfolgt ſeyn, was „L’Unità Italiana“ als be-
ſtätigt wieder gibt. Aber nicht die Rückſichten auf das Völkerrecht, ſondern die
[Spaltenumbruch] Furcht vor den ächten Republicanern von denen ſich etwa 30 in der Freiſchaar
befanden, hätte die Regierung zur Rückzugsordre veranlaßt, was jene Repu-
blicaner wieder ſehr ungerecht finden, da ſie bei jener Gelegenheit ja offen er-
klärt hätten daß die einzige mögliche Regierung in Italien die des Hauſes
Savoyen ſey — ſolange dasſelbe für die nationale Einheit kämpfe. Die ge-
nauen Berichte hieſiger Blätter über das Scharmützel bei Le Grotte beſagen
endgültig daß auch die zwei früher als todt gemeldeten Freiſchärler ſich wieder
eingefunden haben, daß ein dritter von ſeinen Wunden geneſen wird, daß mit-
hin gar kein Verluſt zu beklagen iſt, wiewohl, als beſtimmt erwieſen, nur 18
bis 20 Freiſchärler bei dem Handgemenge mit den Gendarmen, die von 60
bis auf 100 angegeben werden, zugegen waren, und von dieſen letztern wenig-
ſtens 20 mauſetodt machten, alſo nach der erfahrungsmäßigen Proportion
bei Gefechten wahrſcheinlich auch noch 60 Gendarmen verwundeten, die nicht
exiſtirten. — Ein neues Journal „La Bandiera Italiana,“ das eine bedeu-
tende Stelle einnehmen zu wollen ſcheint, ſagt: daß Piemont ſich gegen Sici-
lien nicht ſo zögernd wie gegen Toscana zeigen dürfe, ſondern daß es die In-
ſel gleich nach dem Anſchlußvotum „annexiren“ müſſe. — In Bezug auf
Giovachino Taddei, berühmten Chemiker, Mitglied vieler Akademien, Sena-
tor, und einen der Vierzig der „Italieniſchen Geſellſchaft,“ der geſtern früh im
69. Lebensjahr geſtorben iſt, und heute unter patriotiſchen Ehren und Beglei-
tung der Nationalgarde beerdigt wird, ſagt dieſes Blatt: daß er zehn Jahre
lang durch die großh. Regierung Verfolgungen erlitten habe. — Als der Car-
dinal Corſi in Turin in den Convent der Miſſionari geführt wurde, frug er:
ob das ſein Gefängniß ſey? Nein, antwortete man, er ſey in voller Freiheit.
„Nun wenn ich frei bin,“ meinte er, „ſo gehe ich lieber gleich wieder nach Piſa
zurück.“


Der „außerordentliche k. Commiſſär für die
Provinzen Neapel und Sicilien,“ Hr. La Farina, hat ſchon ſein Mini-
ſterium aus folgenden Mitgliedern gebildet: Poerio, Imbriani, Mancini,
Piſanelli und Interdonato. Nach La Nazione haben die Florentiniſchen
Frauen ſich zur Unterſtützung der Sicilianer vereinigt, und in allen toscani-
ſchen Orten beſtehen Vereine zur Sammlung von Geldern. Nach der Unità
Italiana dagegen hat ſich ein großer Theil der toscaniſchen Municipien,
darunter das Florentiniſche obenan, ziemlich karg gezeigt, indem ſie nicht
nur die Anträge auf eine directe Unterſtützung Siciliens zurückwieſen, ſon-
dern auch das während ſo vieler Monate für die Million Gewehre Gari-
baldi’s geſammelte Geld jetzt nicht herausgeben wollen. Das unter dem
Generalgouverneur Ricaſoli ſtehende Toscana macht hierin von den andern
italieniſchen Ländern eine wunderliche Ausnahme. Die Privatſammlungen
gehen indeß langſam vor ſich; pünktlich aber vor allen erweist ſich die Mazzi-
niſtiſche Partei, welche, wie eben die Collecte der hieſigen Unità Italiana mit
1260 Lire zeigt, zur angekündigten Stunde auch ihre Gelder abſchickt. In den
Summen, wie dieſe von den armen Arbeitern zuſammengebracht werden, ſtehen
die Liſten von La Nazione, die von allen Enden des Landes zuſammen etwa
15,000 Lire betragen, in einem ärmlichen Verhältniß zu dem Vermögen der
beſitzenden Claſſe. Das kleine Municipium von Seſto hat officiell 300 Lire
geſpendet. — Die außerordentlichen Beilagen der Allg. Ztg. kommen auch in
Toscana nie an, ſowie überhaupt dieſelbe durch die Poſt ſehr zurückgeſetzt
ſcheint. Sie kommt noch immer erſt fünf Tage nach der Ausgabe hier an,
während preußiſche Blätter nur vier Tage brauchen. Dazu kommt noch daß
Ihre hieſigen Abonnenten mitten im Lauf des Abonnements oft auf längere
Zeit, eben bis in dieſen Monat herein wieder ganze ſechs Wochen lang, gar
keine Zeitung mehr erhielten, ohne daß die Poſtbeamten im Stande wären
für das unerklärliche Ausbleiben oder für das plötzliche Wiedererſcheinen
einen Grund anzugeben. — Die venetianiſchen Emigranten gründen hier ein
Wochenblatt für die Befreiung ihrer Provinz von öſterreichiſcher Herrſchaft.


Der General Lanza in Palermo ſoll, die Unmög-
lichkeit einſehend ſeinen Poſten noch länger zu behaupten, bereits ange-
fangen haben einen Theil der Truppen einzuſchiffen. Ich habe Ihnen neulich
ſchon mitgetheilt daß eine zweite Expedition Freiwilliger im Begriff ſtehe nach
Sicilien abzugehen. Dießmal wird ſie von La Farina (bekanntlich aus Sici-
lien gebürtig) ſelbſt geleitet werden, der dort als der Repräſentant der bürger-
lichen Ordnung auftreten wird, um die allgemeine Abſtimmung der „Annexion“
Siciliens an Piemont zu leiten, da Garibaldi ſich mit der Politik nicht be-
ſchäftigen kann, und die Abſtimmung ſo ſchnell und ſo energiſch als möglich
durchgeführt werden ſoll, um den auswärtigen Mächten keine Zeit zu Re-
clamationen zu laſſen. Uebrigens glaubt man daß La Farina außerdem noch
den Auftrag hat Garibaldi zu überwachen, da man befürchtet er möchte ſich
wiederum von den Republicanern zu thörichten und verzweifelten Schritten
verleiten laſſen. Der Plan der hieſigen Unioniſten iſt übrigens ſchon klar ge-
zeichnet: ſobald La Farina eine proviſoriſche Regierung inſtallirt, und die In-
ſel durch Garibaldi vollkommen von den königl. Truppen befreit iſt, wird letz-
terer die Meerenge überſchreiten, und die Revolution nach Calabrien tragen.
Man ſpricht hier ganz offen von der unabweisbaren Nothwendigkeit: das
ganze Königreich Neapel mit dem neuen Italien zu vereinigen unter Victor

*) „Palermo,“ ſagt ein Pariſer Blatt, „liegt in der Biegung einer Bay, an
der Mündung des Flüßchens Oreto. Die alte Stadt iſt mit einem 2½ Lieues
langen baſtionirten Wall umſchloſſen, der ſich in ziemlich ſchlechtem Zuſtand be-
findet. Die neue Stadt erſtreckt ſich jenſeits der Fortificationen, an der Straße
nach Monreale. An dieſer Stelle hat die Umwallung eine ungefähr 300 Mètres
breite Lücke. Die eigentliche Schutzwehr Palermo’s ſind die Werke nach dem
Meer hin, beſtehend aus zwei Hauptforts, das eine, Caſtel-Lucio am äußerſten
Ende des Hafens, das andere, Caſtellamare, eine ſehr große rechtwinklige
Citadelle. Der Hafen iſt durch einen 400 Mètres langen Molo geſchloſſen,
mit einem Leuchtthurm auf der einen, einer Batterie auf der andern Seite.
Garibaldi kam am 26 Mai vor Palermo an, und beſetzte am folgenden Tag
die neue Stadt. Die Bevölkerung erklärte ſich alsbald zu Gunſten des Auf-
ſtands, und General Lanza fand es rathſam die Vertheidigung des ſüdlichen
Stadttheils nicht fortzuſetzen, ſondern ſich auf das ſtarke Caſtellamare zurück-
zuziehen.“
**) Dieſer Brief lautete (nach der Neapeler Correſpondenz der Times) alſo:
„Calataſimi, 15 Mai. (Höchſt dringend.) Excellenz! Hülfe, Hülfe! (ajuto!
pronto ajuto!
) Die heute Morgens von Salemi ausgerückten Banden haben
alle Höhen ſüdlich und ſüdweſtlich von Calataſimi beſetzt. Die eine Hälfte
meiner Colonne rückte auf Schußweite vor, und griff die Rebellen an, welche
zu Tauſenden auf allen Punkten hervorkamen. Das Feuer wurde gut unter-
halten, aber Maſſen von Sicilianern hatten ſich mit den italieniſcheu Banden
vereinigt. Wir haben den Befehlshaber der italieniſchen Freiſchaaren getödtet,
und ihre Fahne erobert. Unglücklicherweiſe fiel ein Geſchütz vom Rücken eines
Maulthiers das erſchoſſen wurde, und blieb in den Händen der Rebellen; das
durchſchneidet meine Seele mit Schmerz. Meine Colonne war genöthigt unter
fortwährendem Feuer auf Calatafimi zurückzugehen, wo ich mich auf der
Defenſive halte, da die Rebellen in großer Anzahl uns anzugreifen Miene
machen. Ich bitte daher Ew. Exc. dringend mir eine tüchtige Verſtärkung an
Infanterie und wenigſtens noch eine halbe Batterie zu ſchicken, da die ſeind-
lichen Maſſen zahlreich und hartnäckig (ostinatamente) kampfluſtig ſind. Ich
fürchte in meiner Stellung angegriffen zu werden. Ich will mich vertheidigen
ſo lang als möglich; aber wenn ich nicht ſchnelle Hülfe erhalte, ſo weiß ich in
der That nicht wie es ausgehen wird. Die Munition der Artillerie iſt faſt
erſchöpft, die der Infanterie beträchtlich vermindert. Ich habe 62 Verwundete;
die Todten kann ich im Augenblick nicht genau angeben, da ich gleich nach dem
Rückzug ſchreibe. Nöthigenfalls muß ich mich auf Alcamo zurückziehen. Meine
Eolonne iſt von Feinden umringt welche die Mühlen angegriffen, und das für
die Truppen bereitete Mehl genommen haben. Die Colonne focht lebhaft von
10 Uhr Bormittags bis Nachmittags 5 Uhr, wo ich meinen Rückzug antrat.
Der commandirende General, Marſchall Landi.“ — Derſelbe Correſpondent
fügt bei: wenn die Truppen in Sicilien nicht gut zuſammengehalten würden,
wäre „ausgedehute Deſertion“ zu befürchten. Eine ſolche ſcheint wirklich ſtatt-
gefunden zu haben.
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[2619/0007] erheben und ſie abſchneiden *). Die Nacht iſt ruhig vorübergegangen. Die Infurgenten, ſo vermuthet man, werden zu einer entſcheidenden Bewegung concentrirt, und man erwartet dieſe von einem Moment zum andern. Daß die Niederlage der Neapolitaner bei Calataſimi beträchtlich war, unterliegt keinem Zweifel; ſie koſtete ihnen mehrere hundert Mann und eine Kanone. Die Inſurgenten fiengen bei ihrem Vorrücken einen Brief **) des Generals Landi auf, worin er um Hülfe fleht, und den Verluſt des Geſchützes damit entſchuldigt daß das Maulthier welches es trug getödtet worden ſey. Dem wird aber auf Seite der Inſurgenten widerſprochen; die Kanone war geladen und lag auf der Lafette. Alles geſchieht im Namen Italiens und Victor Emmanuels. „Annexion“ iſt das Feldgeſchrei, und dazu: „Keinen Ver- gleich!“ und: „Keine Republik!“ Der neu angekommene neapolitaniſche General Lanza, derſelbe der im Jahr 1848 in Sicilien war, iſt ein guter Regimentsoberſter, aber kein Feldherr. 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Aus Rom haben nicht nur Depeſchen der Regierung den im Scharmützel bei Le Grotte angeb- lich erfolgten Tod des Freiſchärlers Ceſare Orſini gemeldet, ſondern der Be- richt des Oberſten Pimodan an Lamoricière beſtätigt, nach der „Gazzetta di Venezia,“ dieſe Nachricht, aber ein Brief aus Scanſano vom 25 Mai beſagt daß die beiden Hauptleute des Zambianchi’ſchen Corps, nämlich Andrea Sga- rallino und Ceſare Orſini, in Ketten geſchloſſen nach Florenz abgeführt wur- den, und heute erfahren wir daß ſich dieſe beiden Herren hier in der Fortezza dabbaſſo befinden, aus der man, wie es heißt, geſtern Abends 9 Uhr 27 Frei- ſchärler desſelben Corps, die am 24 Mai hieher gebracht wurden, wieder in Freiheit geſetzt hat. Jene Hauptleute ſollen übrigens durch eine vor Abgabe der Waffen abgemachte Capitulation gegen jede ernſte Strafe geſichert ſeyn. Dieſe Capitulation iſt vielleicht gar auf römiſchem Gebiet gemacht worden, denn der Rückzug Zambianchi’s von Latera nach Le Grotte, noch ehe man einen Feind, oder vielmehr die päpſtlichen Gendarmen, geſehen, ſoll in Folge einer Depeſche der Regierung erfolgt ſeyn, was „L’Unità Italiana“ als be- ſtätigt wieder gibt. Aber nicht die Rückſichten auf das Völkerrecht, ſondern die Furcht vor den ächten Republicanern von denen ſich etwa 30 in der Freiſchaar befanden, hätte die Regierung zur Rückzugsordre veranlaßt, was jene Repu- blicaner wieder ſehr ungerecht finden, da ſie bei jener Gelegenheit ja offen er- klärt hätten daß die einzige mögliche Regierung in Italien die des Hauſes Savoyen ſey — ſolange dasſelbe für die nationale Einheit kämpfe. Die ge- nauen Berichte hieſiger Blätter über das Scharmützel bei Le Grotte beſagen endgültig daß auch die zwei früher als todt gemeldeten Freiſchärler ſich wieder eingefunden haben, daß ein dritter von ſeinen Wunden geneſen wird, daß mit- hin gar kein Verluſt zu beklagen iſt, wiewohl, als beſtimmt erwieſen, nur 18 bis 20 Freiſchärler bei dem Handgemenge mit den Gendarmen, die von 60 bis auf 100 angegeben werden, zugegen waren, und von dieſen letztern wenig- ſtens 20 mauſetodt machten, alſo nach der erfahrungsmäßigen Proportion bei Gefechten wahrſcheinlich auch noch 60 Gendarmen verwundeten, die nicht exiſtirten. — Ein neues Journal „La Bandiera Italiana,“ das eine bedeu- tende Stelle einnehmen zu wollen ſcheint, ſagt: daß Piemont ſich gegen Sici- lien nicht ſo zögernd wie gegen Toscana zeigen dürfe, ſondern daß es die In- ſel gleich nach dem Anſchlußvotum „annexiren“ müſſe. — In Bezug auf Giovachino Taddei, berühmten Chemiker, Mitglied vieler Akademien, Sena- tor, und einen der Vierzig der „Italieniſchen Geſellſchaft,“ der geſtern früh im 69. 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Nach der Unità Italiana dagegen hat ſich ein großer Theil der toscaniſchen Municipien, darunter das Florentiniſche obenan, ziemlich karg gezeigt, indem ſie nicht nur die Anträge auf eine directe Unterſtützung Siciliens zurückwieſen, ſon- dern auch das während ſo vieler Monate für die Million Gewehre Gari- baldi’s geſammelte Geld jetzt nicht herausgeben wollen. Das unter dem Generalgouverneur Ricaſoli ſtehende Toscana macht hierin von den andern italieniſchen Ländern eine wunderliche Ausnahme. Die Privatſammlungen gehen indeß langſam vor ſich; pünktlich aber vor allen erweist ſich die Mazzi- niſtiſche Partei, welche, wie eben die Collecte der hieſigen Unità Italiana mit 1260 Lire zeigt, zur angekündigten Stunde auch ihre Gelder abſchickt. In den Summen, wie dieſe von den armen Arbeitern zuſammengebracht werden, ſtehen die Liſten von La Nazione, die von allen Enden des Landes zuſammen etwa 15,000 Lire betragen, in einem ärmlichen Verhältniß zu dem Vermögen der beſitzenden Claſſe. Das kleine Municipium von Seſto hat officiell 300 Lire geſpendet. — Die außerordentlichen Beilagen der Allg. Ztg. kommen auch in Toscana nie an, ſowie überhaupt dieſelbe durch die Poſt ſehr zurückgeſetzt ſcheint. Sie kommt noch immer erſt fünf Tage nach der Ausgabe hier an, während preußiſche Blätter nur vier Tage brauchen. Dazu kommt noch daß Ihre hieſigen Abonnenten mitten im Lauf des Abonnements oft auf längere Zeit, eben bis in dieſen Monat herein wieder ganze ſechs Wochen lang, gar keine Zeitung mehr erhielten, ohne daß die Poſtbeamten im Stande wären für das unerklärliche Ausbleiben oder für das plötzliche Wiedererſcheinen einen Grund anzugeben. — Die venetianiſchen Emigranten gründen hier ein Wochenblatt für die Befreiung ihrer Provinz von öſterreichiſcher Herrſchaft. &#x1D706; Turin, 1 Jun. Der General Lanza in Palermo ſoll, die Unmög- lichkeit einſehend ſeinen Poſten noch länger zu behaupten, bereits ange- fangen haben einen Theil der Truppen einzuſchiffen. Ich habe Ihnen neulich ſchon mitgetheilt daß eine zweite Expedition Freiwilliger im Begriff ſtehe nach Sicilien abzugehen. Dießmal wird ſie von La Farina (bekanntlich aus Sici- lien gebürtig) ſelbſt geleitet werden, der dort als der Repräſentant der bürger- lichen Ordnung auftreten wird, um die allgemeine Abſtimmung der „Annexion“ Siciliens an Piemont zu leiten, da Garibaldi ſich mit der Politik nicht be- ſchäftigen kann, und die Abſtimmung ſo ſchnell und ſo energiſch als möglich durchgeführt werden ſoll, um den auswärtigen Mächten keine Zeit zu Re- clamationen zu laſſen. Uebrigens glaubt man daß La Farina außerdem noch den Auftrag hat Garibaldi zu überwachen, da man befürchtet er möchte ſich wiederum von den Republicanern zu thörichten und verzweifelten Schritten verleiten laſſen. Der Plan der hieſigen Unioniſten iſt übrigens ſchon klar ge- zeichnet: ſobald La Farina eine proviſoriſche Regierung inſtallirt, und die In- ſel durch Garibaldi vollkommen von den königl. Truppen befreit iſt, wird letz- terer die Meerenge überſchreiten, und die Revolution nach Calabrien tragen. Man ſpricht hier ganz offen von der unabweisbaren Nothwendigkeit: das ganze Königreich Neapel mit dem neuen Italien zu vereinigen unter Victor *) „Palermo,“ ſagt ein Pariſer Blatt, „liegt in der Biegung einer Bay, an der Mündung des Flüßchens Oreto. Die alte Stadt iſt mit einem 2½ Lieues langen baſtionirten Wall umſchloſſen, der ſich in ziemlich ſchlechtem Zuſtand be- findet. Die neue Stadt erſtreckt ſich jenſeits der Fortificationen, an der Straße nach Monreale. An dieſer Stelle hat die Umwallung eine ungefähr 300 Mètres breite Lücke. Die eigentliche Schutzwehr Palermo’s ſind die Werke nach dem Meer hin, beſtehend aus zwei Hauptforts, das eine, Caſtel-Lucio am äußerſten Ende des Hafens, das andere, Caſtellamare, eine ſehr große rechtwinklige Citadelle. 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Wir haben den Befehlshaber der italieniſchen Freiſchaaren getödtet, und ihre Fahne erobert. Unglücklicherweiſe fiel ein Geſchütz vom Rücken eines Maulthiers das erſchoſſen wurde, und blieb in den Händen der Rebellen; das durchſchneidet meine Seele mit Schmerz. Meine Colonne war genöthigt unter fortwährendem Feuer auf Calatafimi zurückzugehen, wo ich mich auf der Defenſive halte, da die Rebellen in großer Anzahl uns anzugreifen Miene machen. Ich bitte daher Ew. Exc. dringend mir eine tüchtige Verſtärkung an Infanterie und wenigſtens noch eine halbe Batterie zu ſchicken, da die ſeind- lichen Maſſen zahlreich und hartnäckig (ostinatamente) kampfluſtig ſind. Ich fürchte in meiner Stellung angegriffen zu werden. Ich will mich vertheidigen ſo lang als möglich; aber wenn ich nicht ſchnelle Hülfe erhalte, ſo weiß ich in der That nicht wie es ausgehen wird. Die Munition der Artillerie iſt faſt erſchöpft, die der Infanterie beträchtlich vermindert. Ich habe 62 Verwundete; die Todten kann ich im Augenblick nicht genau angeben, da ich gleich nach dem Rückzug ſchreibe. Nöthigenfalls muß ich mich auf Alcamo zurückziehen. Meine Eolonne iſt von Feinden umringt welche die Mühlen angegriffen, und das für die Truppen bereitete Mehl genommen haben. Die Colonne focht lebhaft von 10 Uhr Bormittags bis Nachmittags 5 Uhr, wo ich meinen Rückzug antrat. Der commandirende General, Marſchall Landi.“ — Derſelbe Correſpondent fügt bei: wenn die Truppen in Sicilien nicht gut zuſammengehalten würden, wäre „ausgedehute Deſertion“ zu befürchten. Eine ſolche ſcheint wirklich ſtatt- gefunden zu haben.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-08-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860, S. 2619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine157_1860/7>, abgerufen am 01.06.2024.