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Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] Emmanuel "Kaiser von Italien." -- Eine scandalöse Geschichte beschästigt
seit einigen Tagen die Turiner. Man behauptet nämlich (relata refero)
daß der Baron Ricasoli einen großen Theil der der großherzoglichen Familie
von Toscana gehörigen Schmucksachen sich zugeeignet habe, und daß der Kö-
nig, als er davon erfuhr, dem Baron augenblicklich die Zurückgabe der
Schmucksachen befahl, da sie Eigenthum seines Onkels seyen, und er selbst
sie fortan bis zur endlichen Versöhnung in seine Hut nehmen wolle. Mehrere
Blätter haben diese unangenehme Geschichte bereits zu berühren gewagt. --
Der Senat wird heute den Vertrag von Zürich besprechen; ich glaube es ist
nicht überflüssig bei dieser Gelegenheit die Worte Farini's in Erinnerung zu
bringen, daß er diesen Vertrag für ganz unhaltbar betrachte, und daß er nie-
mals ein Portefeuille angenommen haben würde wenn er nicht die Ueberzen-
gung hätte daß dieser Vertrag keine Fessel für die Politik Piemonts sey.


Nach den Eröffnungen des Ministers der öffent-
lichen Arbeiten, Jacini, auf eine Interpellation des Deputirten von Genua,
Marchese Pareto, in Betreff der von Genua und dem ganzen Lande so sehr
gewünschten Verbindungsbahn zwischen letzterem Hafen und dem Bodensee
erfahren wir daß diese ganze Angelegenheit, anstatt einen Schritt vorwärts,
zwei rückwärts gethan hat. Jacini erklärt daß man früher allerdings den
Lukmanier als den Paß bezeichnet habe durch welchen von italienischer Seite
am leichtesten in das obere Rheinthal eingedrungen werden könne, und daß
für diese Linie nicht allein umfassende Studien von schweizerischer und von
sardinischer Seite gemacht worden seyen, sondern sich auch für dieselbe schon
verschiedene Gesellschaften gemeldet hätten; allein seitdem die Lombardei
Piemont einverleibt worden, stünden außer dem Lukmanier noch zwei
weitere Pässe zur Verfügung offen, die nun ebenfalls den einschläglichen
Studien unterworfen werden müßten. Man habe zu diesem Zweck eine Com-
mission niedergesetzt, an deren Spitze der berühmte Paleocapa stehe. Paleocapa
ist bekanntlich völlig erblindet! -- Schon früher und auch jetzt wieder kommt
es vor daß die lombardischen vorher im österreichischen Dienst gestandenen
Militärs bei Einberufung in den diesseitigen Dienst der Ordre keine Folge
leisten, sich ihr durch die Flucht entziehen, ja wohl der sie auffangenden
Gendarmerie thätlichen Widerstand entgegensetzen. So ereignete sich vor
wenigen Tagen zu Verolanuova, Provinz Brescia, ein trauriger Fall. Dort
weigerten sich ebenfalls einige solcher früheren österreichischen Soldaten der
Einberufung zu folgen, und forderten auch noch andere auf ein gleiches zu
thun. Die Carabinieri begaben sich an Ort und Stelle um die Rädelsführer
zu verhaften; allein diese hatten beschlossen sich zur Wehr zu setzen. Den
ersten eindringenden Carabinier erwartete ein mächtiger Axthieb, den aber
dieser abzuwenden vermochte; worauf er seinen Gegner mit dem Bajonnett
durchbohrte. Die übrigen gaben sich gefangen. Dieß ist nicht der einzige
Vorfall dieser Art, und beweist wie tief der Widerwille im lombardischen
Landvolk gegen alles Piemontesenthum wurzelt. -- Zu Florenz starb am
29 Mai, 69 Jahre alt, Professor Taddei, Senator des Königreichs, einer der
Vierzig der italienischen Gesellschaft und Mitglied vieler gelehrten Gesell-
schaften. Die Naturwissenschaften, besonders aber die Chemie, haben an ihm
einen ihrer eifrigsten Pfleger verloren.


Dieser Tage ist der französische Diplomat Hr.
d. Bretenil, welcher der hiesigen französischen Legation attachirt ist, nach
Florenz abgereist um dort zu verbleiben. -- In der letzten Kammersitzung
wurde der Gesetzvorschlag bezüglich einer Abänderung des Handels- und Zoll-
vertrags mit dem deutschen Zollverein ohne Discussion angenommen. --
Vor einigen Tagen wurden, wie ich Ihnen bereits geschrieben habe, mehrere
Geistliche verhaftet, nämlich Pater Protasi und Sapetti. Der Prior Pater
Granolio, so wie die Priester Rostagno und Albera. Man nahm die ge-
nauesten Haussuchungen vor, auch bei solchen Laien die zu strenger katholi-
scher Grundsätze verdächtig sind. Auch bei Don Bosco, Institutslehrer der
armen verwahrlosten Kinder in St. Luigi von Valdocco, wurde in seiner
Wohnung alles durchsucht, er selbst bis zum 27 Mai Abends in Freiheit be-
lassen, am folgenden Tag aber eingezogen. Auch einige Fremde, die vor kur-
zem nach Turin gekommen waren, wurden eingekerkert, so z. B. ein Hand-
lungsreisender im Hause Nr. 4 in Via Orfanelle.


Der Einzug Garibaldi's in Palermo ist also
Thatsache. Alle ministeriellen Blätter jubeln und jauchzen, und man lebt
der vollen Ueberzeugung daß Sicilien jedenfalls, und höchst wahrscheinlich
auch das neapolitanische Festland, für die gegenwärtige Dynastie verloren sey.
Rapoleon leide keinen Bourbonen mehr auf einem europäischen Thron! Von
Genua ziehen täglich Freiwillige nach Sicilien, die Regierung aber weiß
immer noch nichts. Die Sicilianer beklagen sich bereits: an Menschen
hätten sie keinen Mangel, nur an Waffen und Munition. Von den vielen
Proclamationen die in Sicilien das Licht der Welt erblickten, theile ich Ihnen
eine vom 20 Mai mit:

"Brüder! Als die polizeiliche Spionage von Maniscalco sah daß wir entschie-
den waren nach jeder Seite und zu jeder Zeit den gräulichen Despotismus der
bourbonischen Sippschaft zu bekämpfen, und als sie erkannte wie nahe wir dem Ziel
stunden, kühlte sie ihre Galle, indem sie die Hände in Bürgerblut tauchte. In
der That entblödeten sie sich gestern nicht, einzig weil einige enthusiastische Jüng-
linge in Lobrufe ausbrachen fürs Baterland und für seinen ersten Kämpfer, un-
sern glorreichen König Victor Emmanuel, zum zweitenmal Feuer zu geben auf das
waffenlose Volk, auf jenes Volk das bei gegebener Gelegenheit sie wie Staub zer-
strenen wird. Fort daher, fort für immer mit allen friedlichen Demonstrationen!
Das Comite fordert es zum Wohl des Baterlandes. Wer diesem heilsamen Be-
[Spaltenumbruch] fehl zuwiderhandelt, wird als Feind der Freiheit, als Satellit der Bourbonen be-
handelt. Brüder! Nichts bleibt uns als festzustehen mit Würde und Ausdauer bis
zum letzten Würfelwurf. Wir erwarten die Stunde des Triumphes, wo wir die
Freiheit erobern werden einzig mit dem Glanz unserer Waffen und mit dem Ruf:
Es lebe Italien, es lebe Victor Emmanuel, es lebe Garibaldi!!!

Die Geldsammlung des Municipiums in Florenz warf 100,000 Lire
ab. Gardone, ein Dorf von 1700 Einwohnern, votirte in einer Gemeinde-
versammlung 2500! Und die Regierung weiß nichts! Mit der Verfolgung
des Klerus begnügt sich unsere Polizei nicht mehr, die Stunde hat auch für
die Frauen geschlagen. Die Herzogin von Montmorency erfreute sich be-
reits eines Besuchs von ihrer Seite. Aus unserer Militärzeitung entnehmen
wir: "Von London, von Rochefort, von Toulon und von Marseille gehen ver-
schiedene Ladungen mit vielem Kriegsmaterial ab, die in Frankreich und Eng-
land auf Rechnung unserer Regierung bestellt wurden, mit demselben sollen
in kürzester Zeit alle unsere neuen Festungen versehen werden."


Wenn man auch nach den letzten Nachrichten
aus Sicilien die Siege der "Königlichen" nur belächeln darf, so muß man
sich doch auch hüten den Mittheilungen italienischer, namentlich hiesiger,
Journale über den Fortgang des "Garibaldi'schen Feldzugs" unbedingt Glau-
ben zu schenken. Es gibt hier Blätter, darunter der Movimento obenan, die
sich nicht scheuen die kolossalsten Enten über die Dinge in Sicilien in die Welt
zu schicken. Indessen wäre es sehr unklug wenn man deßhalb die Bewegung
in Sicilien so wie die dafür aufgewandten Mittel gering schätzen wollte. Der
Movimento ist sogar der Meinung daß die sardinische Regierung 20,000
Mann an die Küsten Siciliens werfen würde, falls der Feldzug Garibaldi's
unglücklich ausfiele. Das genannte Blatt stützt diese Ansicht auf die Mitthei-
lung von Truppenbewegungen nach Cagliari und Grosseto (im Toscanischen),
wo man zwei Lager, je zu 15,000 Mann, zu errichten gedenke. Diesen soll
auch eine Flottenabtheilung, natürlich zu einer allfälligen Landung, beigegeben
werden. Andererseits versichert man mir daß von hier zwei Emissäre Garibaldi's,
nämlich der Ungar Orban und der Garibaldi'sche "Intendant" Stagneti
nach London abgegangen seyen, um dort unter den Flüchtlingen neue Verstär-
kungen für Sicilien zu werden. Orban figurirt als eine Art Adjutant Tele-
ki's, und zählt mit seinem Patron zur Kossuth'schen Partei. Stagnetti soll
mit Geld wohl versehen seyn. Man spricht von 300,000 Fr. für die er hier
Londoner Wechsel kaufte. -- So eben erfahre ich daß von La Spezia wirklich
drei Kriegsdampfer nach Talamone --südlich von Grosseto -- abgiengen,
während andere Schiffe Befehl erhielten jeden Augenblick zum Auslanfen be-
reit zu seyn. -- Der Movimento bringt so eben die Nachricht von dem Tod
Nino Bixto's, der im Treffen bei Calatasimi gefallen. "Er wollte" -- heißt
es -- "eine Abtheilung Alpenjäger zum Sturm gegen ein von feindlichen
Schützen besetztes Landhaus führen, wobei er von einer Kugel tödtlich getroffen
wurde. Das Landhaus wurde von den Truppen Garibaldi's genommen,
welche, erbittert über den Tod Bixio's, den Reapolitanern keinen Pardon ga-
ben." Bixio gehörte zu den besten Garibaldi'schen Officieren, und stand
vor dem Jahr 1848 als Officier in päpstlichen Diensten. Beim Ausbruch
der italienischen Revolution schloß er sich derselben an, kämpfte in der Lom-
bardei gegen die Oesterreicher, und später in Rom gegen die Franzosen.
Garibaldi ernannte ihn während der Belagerung Roms zu seinem Adjutan-
ten, und verwendete ihn zu mehreren gefährlichen Unternehmungen. Bei der
Vertheidigung der Villa Spada*) wurde Bixio verwundet. Nach der Ein-
nahme Roms zog er sich mit Garibaldi nach S. Marino zurück, und begab sich
nach der Auflösung der Freischaar nach England. Den letzten italienischen
Feldzug machte er wieder an Garibaldi's Seite mit, nahm nach dem Frieden
von Villafranca seine Entlassung, und hielt sich bis zum Abgang der Gari-
baldi'schen Expedition theils in Florenz, theils in Genua auf. Bei Calato-
fimi erreichte ihn sein Schicksal!

Türkei.

Der Wiener Correspondent der Times schreibt: "Wie ich über
Warschau erfahre, ist die Zusammenziehung russischer Truppen an der tür-
kischen Gränze eine unzweifelhafte Thatsache. Außer dem 5ten Armeecorps,
welches am obern Pruth Stellung genommen hat, ist ein zweites Corps in
Beffarabien und Podolien concentrirt, und die beiden Corps zusammen bilden
eine Streitmacht von 60,000 Mann. Allen beurlaubten Soldaten ist be-
deutet sich für augenblickliche Rückkehr zu ihren Regimentern bereit zu halten.
Die hohe Pforte ihrerseits bietet alles auf ein tüchtiges Kriegsheer aufzustellen,
um den Abfall Serbiens und der Donau-Provinzen zu verhindern. Diese
Streitmacht ist jetzt auf fünf Punkten zusammengezogen. Die rumelische
Armee ist in vier Corps getheilt, welche in weiter Ausdehnung von der Her-
zegowina bis Bosnien stehen. Die zweite, zahlreichere, Armee bewacht
Serbien, und hat ihr Hauptquartier in Pristina. Die dritte, 30,000 Mann
stark, ist an der Donau concentrirt, bei Widdin, mit ihrer Referve in Sophia.
Die vierte steht zwischen der Donau und dem schwarzen Meer, d. h. zwischen
Silistria und Kustendsche; Reserve in Schumla. Außerdem sind 30,000 Mann
in Thessalien angesammelt, größtentheils Redifs, um nöthigenfalls gegen die
Griechen verwendet zu werden.

Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orgte.
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.
*) Soll wohl heißen Villa Panfili. Die Villa Spada liegt innerhald der
Stadt auf dem Monte Palatino, wo kein Kampf mit den Franzosen statt'sand.
Die Nachricht vom Tod Rino Bixio's wird übrigens in französischen Blättern
bestimmt widersprochen.

[Spaltenumbruch] Emmanuel „Kaiſer von Italien.“ — Eine ſcandalöſe Geſchichte beſchäſtigt
ſeit einigen Tagen die Turiner. Man behauptet nämlich (relata refero)
daß der Baron Ricaſoli einen großen Theil der der großherzoglichen Familie
von Toscana gehörigen Schmuckſachen ſich zugeeignet habe, und daß der Kö-
nig, als er davon erfuhr, dem Baron augenblicklich die Zurückgabe der
Schmuckſachen befahl, da ſie Eigenthum ſeines Onkels ſeyen, und er ſelbſt
ſie fortan bis zur endlichen Verſöhnung in ſeine Hut nehmen wolle. Mehrere
Blätter haben dieſe unangenehme Geſchichte bereits zu berühren gewagt. —
Der Senat wird heute den Vertrag von Zürich beſprechen; ich glaube es iſt
nicht überflüſſig bei dieſer Gelegenheit die Worte Farini’s in Erinnerung zu
bringen, daß er dieſen Vertrag für ganz unhaltbar betrachte, und daß er nie-
mals ein Portefeuille angenommen haben würde wenn er nicht die Ueberzen-
gung hätte daß dieſer Vertrag keine Feſſel für die Politik Piemonts ſey.


Nach den Eröffnungen des Miniſters der öffent-
lichen Arbeiten, Jacini, auf eine Interpellation des Deputirten von Genua,
Marcheſe Pareto, in Betreff der von Genua und dem ganzen Lande ſo ſehr
gewünſchten Verbindungsbahn zwiſchen letzterem Hafen und dem Bodenſee
erfahren wir daß dieſe ganze Angelegenheit, anſtatt einen Schritt vorwärts,
zwei rückwärts gethan hat. Jacini erklärt daß man früher allerdings den
Lukmanier als den Paß bezeichnet habe durch welchen von italieniſcher Seite
am leichteſten in das obere Rheinthal eingedrungen werden könne, und daß
für dieſe Linie nicht allein umfaſſende Studien von ſchweizeriſcher und von
ſardiniſcher Seite gemacht worden ſeyen, ſondern ſich auch für dieſelbe ſchon
verſchiedene Geſellſchaften gemeldet hätten; allein ſeitdem die Lombardei
Piemont einverleibt worden, ſtünden außer dem Lukmanier noch zwei
weitere Päſſe zur Verfügung offen, die nun ebenfalls den einſchläglichen
Studien unterworfen werden müßten. Man habe zu dieſem Zweck eine Com-
miſſion niedergeſetzt, an deren Spitze der berühmte Paleocapa ſtehe. Paleocapa
iſt bekanntlich völlig erblindet! — Schon früher und auch jetzt wieder kommt
es vor daß die lombardiſchen vorher im öſterreichiſchen Dienſt geſtandenen
Militärs bei Einberufung in den dieſſeitigen Dienſt der Ordre keine Folge
leiſten, ſich ihr durch die Flucht entziehen, ja wohl der ſie auffangenden
Gendarmerie thätlichen Widerſtand entgegenſetzen. So ereignete ſich vor
wenigen Tagen zu Verolanuova, Provinz Breſcia, ein trauriger Fall. Dort
weigerten ſich ebenfalls einige ſolcher früheren öſterreichiſchen Soldaten der
Einberufung zu folgen, und forderten auch noch andere auf ein gleiches zu
thun. Die Carabinieri begaben ſich an Ort und Stelle um die Rädelsführer
zu verhaften; allein dieſe hatten beſchloſſen ſich zur Wehr zu ſetzen. Den
erſten eindringenden Carabinier erwartete ein mächtiger Axthieb, den aber
dieſer abzuwenden vermochte; worauf er ſeinen Gegner mit dem Bajonnett
durchbohrte. Die übrigen gaben ſich gefangen. Dieß iſt nicht der einzige
Vorfall dieſer Art, und beweist wie tief der Widerwille im lombardiſchen
Landvolk gegen alles Piemonteſenthum wurzelt. — Zu Florenz ſtarb am
29 Mai, 69 Jahre alt, Profeſſor Taddei, Senator des Königreichs, einer der
Vierzig der italieniſchen Geſellſchaft und Mitglied vieler gelehrten Geſell-
ſchaften. Die Naturwiſſenſchaften, beſonders aber die Chemie, haben an ihm
einen ihrer eifrigſten Pfleger verloren.


Dieſer Tage iſt der franzöſiſche Diplomat Hr.
d. Bretenil, welcher der hieſigen franzöſiſchen Legation attachirt iſt, nach
Florenz abgereist um dort zu verbleiben. — In der letzten Kammerſitzung
wurde der Geſetzvorſchlag bezüglich einer Abänderung des Handels- und Zoll-
vertrags mit dem deutſchen Zollverein ohne Discuſſion angenommen. —
Vor einigen Tagen wurden, wie ich Ihnen bereits geſchrieben habe, mehrere
Geiſtliche verhaftet, nämlich Pater Protaſi und Sapetti. Der Prior Pater
Granolio, ſo wie die Prieſter Roſtagno und Albera. Man nahm die ge-
naueſten Hausſuchungen vor, auch bei ſolchen Laien die zu ſtrenger katholi-
ſcher Grundſätze verdächtig ſind. Auch bei Don Bosco, Inſtitutslehrer der
armen verwahrlosten Kinder in St. Luigi von Valdocco, wurde in ſeiner
Wohnung alles durchſucht, er ſelbſt bis zum 27 Mai Abends in Freiheit be-
laſſen, am folgenden Tag aber eingezogen. Auch einige Fremde, die vor kur-
zem nach Turin gekommen waren, wurden eingekerkert, ſo z. B. ein Hand-
lungsreiſender im Hauſe Nr. 4 in Via Orfanelle.


Der Einzug Garibaldi’s in Palermo iſt alſo
Thatſache. Alle miniſteriellen Blätter jubeln und jauchzen, und man lebt
der vollen Ueberzeugung daß Sicilien jedenfalls, und höchſt wahrſcheinlich
auch das neapolitaniſche Feſtland, für die gegenwärtige Dynaſtie verloren ſey.
Rapoleon leide keinen Bourbonen mehr auf einem europäiſchen Thron! Von
Genua ziehen täglich Freiwillige nach Sicilien, die Regierung aber weiß
immer noch nichts. Die Sicilianer beklagen ſich bereits: an Menſchen
hätten ſie keinen Mangel, nur an Waffen und Munition. Von den vielen
Proclamationen die in Sicilien das Licht der Welt erblickten, theile ich Ihnen
eine vom 20 Mai mit:

„Brüder! Als die polizeiliche Spionage von Maniſcalco ſah daß wir entſchie-
den waren nach jeder Seite und zu jeder Zeit den gräulichen Deſpotismus der
bourboniſchen Sippſchaft zu bekämpfen, und als ſie erkannte wie nahe wir dem Ziel
ſtunden, kühlte ſie ihre Galle, indem ſie die Hände in Bürgerblut tauchte. In
der That entblödeten ſie ſich geſtern nicht, einzig weil einige enthuſiaſtiſche Jüng-
linge in Lobrufe ausbrachen fürs Baterland und für ſeinen erſten Kämpfer, un-
ſern glorreichen König Victor Emmanuel, zum zweitenmal Feuer zu geben auf das
waffenloſe Volk, auf jenes Volk das bei gegebener Gelegenheit ſie wie Staub zer-
ſtrenen wird. Fort daher, fort für immer mit allen friedlichen Demonſtrationen!
Das Comité fordert es zum Wohl des Baterlandes. Wer dieſem heilſamen Be-
[Spaltenumbruch] fehl zuwiderhandelt, wird als Feind der Freiheit, als Satellit der Bourbonen be-
handelt. Brüder! Nichts bleibt uns als feſtzuſtehen mit Würde und Ausdauer bis
zum letzten Würfelwurf. Wir erwarten die Stunde des Triumphes, wo wir die
Freiheit erobern werden einzig mit dem Glanz unſerer Waffen und mit dem Ruf:
Es lebe Italien, es lebe Victor Emmanuel, es lebe Garibaldi!!!

Die Geldſammlung des Municipiums in Florenz warf 100,000 Lire
ab. Gardone, ein Dorf von 1700 Einwohnern, votirte in einer Gemeinde-
verſammlung 2500! Und die Regierung weiß nichts! Mit der Verfolgung
des Klerus begnügt ſich unſere Polizei nicht mehr, die Stunde hat auch für
die Frauen geſchlagen. Die Herzogin von Montmorency erfreute ſich be-
reits eines Beſuchs von ihrer Seite. Aus unſerer Militärzeitung entnehmen
wir: „Von London, von Rochefort, von Toulon und von Marſeille gehen ver-
ſchiedene Ladungen mit vielem Kriegsmaterial ab, die in Frankreich und Eng-
land auf Rechnung unſerer Regierung beſtellt wurden, mit demſelben ſollen
in kürzeſter Zeit alle unſere neuen Feſtungen verſehen werden.“


Wenn man auch nach den letzten Nachrichten
aus Sicilien die Siege der „Königlichen“ nur belächeln darf, ſo muß man
ſich doch auch hüten den Mittheilungen italieniſcher, namentlich hieſiger,
Journale über den Fortgang des „Garibaldi’ſchen Feldzugs“ unbedingt Glau-
ben zu ſchenken. Es gibt hier Blätter, darunter der Movimento obenan, die
ſich nicht ſcheuen die koloſſalſten Enten über die Dinge in Sicilien in die Welt
zu ſchicken. Indeſſen wäre es ſehr unklug wenn man deßhalb die Bewegung
in Sicilien ſo wie die dafür aufgewandten Mittel gering ſchätzen wollte. Der
Movimento iſt ſogar der Meinung daß die ſardiniſche Regierung 20,000
Mann an die Küſten Siciliens werfen würde, falls der Feldzug Garibaldi’s
unglücklich ausfiele. Das genannte Blatt ſtützt dieſe Anſicht auf die Mitthei-
lung von Truppenbewegungen nach Cagliari und Groſſeto (im Toscaniſchen),
wo man zwei Lager, je zu 15,000 Mann, zu errichten gedenke. Dieſen ſoll
auch eine Flottenabtheilung, natürlich zu einer allfälligen Landung, beigegeben
werden. Andererſeits verſichert man mir daß von hier zwei Emiſſäre Garibaldi’s,
nämlich der Ungar Orban und der Garibaldi’ſche „Intendant“ Stagneti
nach London abgegangen ſeyen, um dort unter den Flüchtlingen neue Verſtär-
kungen für Sicilien zu werden. Orban figurirt als eine Art Adjutant Tele-
ki’s, und zählt mit ſeinem Patron zur Koſſuth’ſchen Partei. Stagnetti ſoll
mit Geld wohl verſehen ſeyn. Man ſpricht von 300,000 Fr. für die er hier
Londoner Wechſel kaufte. — So eben erfahre ich daß von La Spezia wirklich
drei Kriegsdampfer nach Talamone —ſüdlich von Groſſeto — abgiengen,
während andere Schiffe Befehl erhielten jeden Augenblick zum Auslanfen be-
reit zu ſeyn. — Der Movimento bringt ſo eben die Nachricht von dem Tod
Nino Bixto’s, der im Treffen bei Calataſimi gefallen. „Er wollte“ — heißt
es — „eine Abtheilung Alpenjäger zum Sturm gegen ein von feindlichen
Schützen beſetztes Landhaus führen, wobei er von einer Kugel tödtlich getroffen
wurde. Das Landhaus wurde von den Truppen Garibaldi’s genommen,
welche, erbittert über den Tod Bixio’s, den Reapolitanern keinen Pardon ga-
ben.“ Bixio gehörte zu den beſten Garibaldi’ſchen Officieren, und ſtand
vor dem Jahr 1848 als Officier in päpſtlichen Dienſten. Beim Ausbruch
der italieniſchen Revolution ſchloß er ſich derſelben an, kämpfte in der Lom-
bardei gegen die Oeſterreicher, und ſpäter in Rom gegen die Franzoſen.
Garibaldi ernannte ihn während der Belagerung Roms zu ſeinem Adjutan-
ten, und verwendete ihn zu mehreren gefährlichen Unternehmungen. Bei der
Vertheidigung der Villa Spada*) wurde Bixio verwundet. Nach der Ein-
nahme Roms zog er ſich mit Garibaldi nach S. Marino zurück, und begab ſich
nach der Auflöſung der Freiſchaar nach England. Den letzten italieniſchen
Feldzug machte er wieder an Garibaldi’s Seite mit, nahm nach dem Frieden
von Villafranca ſeine Entlaſſung, und hielt ſich bis zum Abgang der Gari-
baldi’ſchen Expedition theils in Florenz, theils in Genua auf. Bei Calato-
fimi erreichte ihn ſein Schickſal!

Türkei.

Der Wiener Correſpondent der Times ſchreibt: „Wie ich über
Warſchau erfahre, iſt die Zuſammenziehung ruſſiſcher Truppen an der tür-
kiſchen Gränze eine unzweifelhafte Thatſache. Außer dem 5ten Armeecorps,
welches am obern Pruth Stellung genommen hat, iſt ein zweites Corps in
Beffarabien und Podolien concentrirt, und die beiden Corps zuſammen bilden
eine Streitmacht von 60,000 Mann. Allen beurlaubten Soldaten iſt be-
deutet ſich für augenblickliche Rückkehr zu ihren Regimentern bereit zu halten.
Die hohe Pforte ihrerſeits bietet alles auf ein tüchtiges Kriegsheer aufzuſtellen,
um den Abfall Serbiens und der Donau-Provinzen zu verhindern. Dieſe
Streitmacht iſt jetzt auf fünf Punkten zuſammengezogen. Die rumeliſche
Armee iſt in vier Corps getheilt, welche in weiter Ausdehnung von der Her-
zegowina bis Bosnien ſtehen. Die zweite, zahlreichere, Armee bewacht
Serbien, und hat ihr Hauptquartier in Priſtina. Die dritte, 30,000 Mann
ſtark, iſt an der Donau concentrirt, bei Widdin, mit ihrer Referve in Sophia.
Die vierte ſteht zwiſchen der Donau und dem ſchwarzen Meer, d. h. zwiſchen
Siliſtria und Kuſtendſche; Reſerve in Schumla. Außerdem ſind 30,000 Mann
in Theſſalien angeſammelt, größtentheils Redifs, um nöthigenfalls gegen die
Griechen verwendet zu werden.

Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orgte.
Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.
*) Soll wohl heißen Villa Panfili. Die Villa Spada liegt innerhald der
Stadt auf dem Monte Palatino, wo kein Kampf mit den Franzoſen ſtatt’ſand.
Die Nachricht vom Tod Rino Bixio’s wird übrigens in franzöſiſchen Blättern
beſtimmt widerſprochen.
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[2620/0008] Emmanuel „Kaiſer von Italien.“ — Eine ſcandalöſe Geſchichte beſchäſtigt ſeit einigen Tagen die Turiner. Man behauptet nämlich (relata refero) daß der Baron Ricaſoli einen großen Theil der der großherzoglichen Familie von Toscana gehörigen Schmuckſachen ſich zugeeignet habe, und daß der Kö- nig, als er davon erfuhr, dem Baron augenblicklich die Zurückgabe der Schmuckſachen befahl, da ſie Eigenthum ſeines Onkels ſeyen, und er ſelbſt ſie fortan bis zur endlichen Verſöhnung in ſeine Hut nehmen wolle. Mehrere Blätter haben dieſe unangenehme Geſchichte bereits zu berühren gewagt. — Der Senat wird heute den Vertrag von Zürich beſprechen; ich glaube es iſt nicht überflüſſig bei dieſer Gelegenheit die Worte Farini’s in Erinnerung zu bringen, daß er dieſen Vertrag für ganz unhaltbar betrachte, und daß er nie- mals ein Portefeuille angenommen haben würde wenn er nicht die Ueberzen- gung hätte daß dieſer Vertrag keine Feſſel für die Politik Piemonts ſey. ↓ Turin, 1 Jun. Nach den Eröffnungen des Miniſters der öffent- lichen Arbeiten, Jacini, auf eine Interpellation des Deputirten von Genua, Marcheſe Pareto, in Betreff der von Genua und dem ganzen Lande ſo ſehr gewünſchten Verbindungsbahn zwiſchen letzterem Hafen und dem Bodenſee erfahren wir daß dieſe ganze Angelegenheit, anſtatt einen Schritt vorwärts, zwei rückwärts gethan hat. Jacini erklärt daß man früher allerdings den Lukmanier als den Paß bezeichnet habe durch welchen von italieniſcher Seite am leichteſten in das obere Rheinthal eingedrungen werden könne, und daß für dieſe Linie nicht allein umfaſſende Studien von ſchweizeriſcher und von ſardiniſcher Seite gemacht worden ſeyen, ſondern ſich auch für dieſelbe ſchon verſchiedene Geſellſchaften gemeldet hätten; allein ſeitdem die Lombardei Piemont einverleibt worden, ſtünden außer dem Lukmanier noch zwei weitere Päſſe zur Verfügung offen, die nun ebenfalls den einſchläglichen Studien unterworfen werden müßten. Man habe zu dieſem Zweck eine Com- miſſion niedergeſetzt, an deren Spitze der berühmte Paleocapa ſtehe. Paleocapa iſt bekanntlich völlig erblindet! — Schon früher und auch jetzt wieder kommt es vor daß die lombardiſchen vorher im öſterreichiſchen Dienſt geſtandenen Militärs bei Einberufung in den dieſſeitigen Dienſt der Ordre keine Folge leiſten, ſich ihr durch die Flucht entziehen, ja wohl der ſie auffangenden Gendarmerie thätlichen Widerſtand entgegenſetzen. So ereignete ſich vor wenigen Tagen zu Verolanuova, Provinz Breſcia, ein trauriger Fall. Dort weigerten ſich ebenfalls einige ſolcher früheren öſterreichiſchen Soldaten der Einberufung zu folgen, und forderten auch noch andere auf ein gleiches zu thun. Die Carabinieri begaben ſich an Ort und Stelle um die Rädelsführer zu verhaften; allein dieſe hatten beſchloſſen ſich zur Wehr zu ſetzen. Den erſten eindringenden Carabinier erwartete ein mächtiger Axthieb, den aber dieſer abzuwenden vermochte; worauf er ſeinen Gegner mit dem Bajonnett durchbohrte. Die übrigen gaben ſich gefangen. Dieß iſt nicht der einzige Vorfall dieſer Art, und beweist wie tief der Widerwille im lombardiſchen Landvolk gegen alles Piemonteſenthum wurzelt. — Zu Florenz ſtarb am 29 Mai, 69 Jahre alt, Profeſſor Taddei, Senator des Königreichs, einer der Vierzig der italieniſchen Geſellſchaft und Mitglied vieler gelehrten Geſell- ſchaften. Die Naturwiſſenſchaften, beſonders aber die Chemie, haben an ihm einen ihrer eifrigſten Pfleger verloren. ✕ Turin, 1 Juni. Dieſer Tage iſt der franzöſiſche Diplomat Hr. d. Bretenil, welcher der hieſigen franzöſiſchen Legation attachirt iſt, nach Florenz abgereist um dort zu verbleiben. — In der letzten Kammerſitzung wurde der Geſetzvorſchlag bezüglich einer Abänderung des Handels- und Zoll- vertrags mit dem deutſchen Zollverein ohne Discuſſion angenommen. — Vor einigen Tagen wurden, wie ich Ihnen bereits geſchrieben habe, mehrere Geiſtliche verhaftet, nämlich Pater Protaſi und Sapetti. Der Prior Pater Granolio, ſo wie die Prieſter Roſtagno und Albera. Man nahm die ge- naueſten Hausſuchungen vor, auch bei ſolchen Laien die zu ſtrenger katholi- ſcher Grundſätze verdächtig ſind. Auch bei Don Bosco, Inſtitutslehrer der armen verwahrlosten Kinder in St. Luigi von Valdocco, wurde in ſeiner Wohnung alles durchſucht, er ſelbſt bis zum 27 Mai Abends in Freiheit be- laſſen, am folgenden Tag aber eingezogen. Auch einige Fremde, die vor kur- zem nach Turin gekommen waren, wurden eingekerkert, ſo z. B. ein Hand- lungsreiſender im Hauſe Nr. 4 in Via Orfanelle. ✕ Turin, 2 Jun. Der Einzug Garibaldi’s in Palermo iſt alſo Thatſache. Alle miniſteriellen Blätter jubeln und jauchzen, und man lebt der vollen Ueberzeugung daß Sicilien jedenfalls, und höchſt wahrſcheinlich auch das neapolitaniſche Feſtland, für die gegenwärtige Dynaſtie verloren ſey. Rapoleon leide keinen Bourbonen mehr auf einem europäiſchen Thron! Von Genua ziehen täglich Freiwillige nach Sicilien, die Regierung aber weiß immer noch nichts. Die Sicilianer beklagen ſich bereits: an Menſchen hätten ſie keinen Mangel, nur an Waffen und Munition. Von den vielen Proclamationen die in Sicilien das Licht der Welt erblickten, theile ich Ihnen eine vom 20 Mai mit: „Brüder! Als die polizeiliche Spionage von Maniſcalco ſah daß wir entſchie- den waren nach jeder Seite und zu jeder Zeit den gräulichen Deſpotismus der bourboniſchen Sippſchaft zu bekämpfen, und als ſie erkannte wie nahe wir dem Ziel ſtunden, kühlte ſie ihre Galle, indem ſie die Hände in Bürgerblut tauchte. In der That entblödeten ſie ſich geſtern nicht, einzig weil einige enthuſiaſtiſche Jüng- linge in Lobrufe ausbrachen fürs Baterland und für ſeinen erſten Kämpfer, un- ſern glorreichen König Victor Emmanuel, zum zweitenmal Feuer zu geben auf das waffenloſe Volk, auf jenes Volk das bei gegebener Gelegenheit ſie wie Staub zer- ſtrenen wird. Fort daher, fort für immer mit allen friedlichen Demonſtrationen! Das Comité fordert es zum Wohl des Baterlandes. Wer dieſem heilſamen Be- fehl zuwiderhandelt, wird als Feind der Freiheit, als Satellit der Bourbonen be- handelt. Brüder! Nichts bleibt uns als feſtzuſtehen mit Würde und Ausdauer bis zum letzten Würfelwurf. Wir erwarten die Stunde des Triumphes, wo wir die Freiheit erobern werden einzig mit dem Glanz unſerer Waffen und mit dem Ruf: Es lebe Italien, es lebe Victor Emmanuel, es lebe Garibaldi!!! Palermo, 20 Mai 1860. Das Comité.“ Die Geldſammlung des Municipiums in Florenz warf 100,000 Lire ab. Gardone, ein Dorf von 1700 Einwohnern, votirte in einer Gemeinde- verſammlung 2500! Und die Regierung weiß nichts! Mit der Verfolgung des Klerus begnügt ſich unſere Polizei nicht mehr, die Stunde hat auch für die Frauen geſchlagen. Die Herzogin von Montmorency erfreute ſich be- reits eines Beſuchs von ihrer Seite. Aus unſerer Militärzeitung entnehmen wir: „Von London, von Rochefort, von Toulon und von Marſeille gehen ver- ſchiedene Ladungen mit vielem Kriegsmaterial ab, die in Frankreich und Eng- land auf Rechnung unſerer Regierung beſtellt wurden, mit demſelben ſollen in kürzeſter Zeit alle unſere neuen Feſtungen verſehen werden.“ △ Genua, 30 Mai. Wenn man auch nach den letzten Nachrichten aus Sicilien die Siege der „Königlichen“ nur belächeln darf, ſo muß man ſich doch auch hüten den Mittheilungen italieniſcher, namentlich hieſiger, Journale über den Fortgang des „Garibaldi’ſchen Feldzugs“ unbedingt Glau- ben zu ſchenken. Es gibt hier Blätter, darunter der Movimento obenan, die ſich nicht ſcheuen die koloſſalſten Enten über die Dinge in Sicilien in die Welt zu ſchicken. Indeſſen wäre es ſehr unklug wenn man deßhalb die Bewegung in Sicilien ſo wie die dafür aufgewandten Mittel gering ſchätzen wollte. Der Movimento iſt ſogar der Meinung daß die ſardiniſche Regierung 20,000 Mann an die Küſten Siciliens werfen würde, falls der Feldzug Garibaldi’s unglücklich ausfiele. Das genannte Blatt ſtützt dieſe Anſicht auf die Mitthei- lung von Truppenbewegungen nach Cagliari und Groſſeto (im Toscaniſchen), wo man zwei Lager, je zu 15,000 Mann, zu errichten gedenke. Dieſen ſoll auch eine Flottenabtheilung, natürlich zu einer allfälligen Landung, beigegeben werden. Andererſeits verſichert man mir daß von hier zwei Emiſſäre Garibaldi’s, nämlich der Ungar Orban und der Garibaldi’ſche „Intendant“ Stagneti nach London abgegangen ſeyen, um dort unter den Flüchtlingen neue Verſtär- kungen für Sicilien zu werden. Orban figurirt als eine Art Adjutant Tele- ki’s, und zählt mit ſeinem Patron zur Koſſuth’ſchen Partei. Stagnetti ſoll mit Geld wohl verſehen ſeyn. Man ſpricht von 300,000 Fr. für die er hier Londoner Wechſel kaufte. — So eben erfahre ich daß von La Spezia wirklich drei Kriegsdampfer nach Talamone —ſüdlich von Groſſeto — abgiengen, während andere Schiffe Befehl erhielten jeden Augenblick zum Auslanfen be- reit zu ſeyn. — Der Movimento bringt ſo eben die Nachricht von dem Tod Nino Bixto’s, der im Treffen bei Calataſimi gefallen. „Er wollte“ — heißt es — „eine Abtheilung Alpenjäger zum Sturm gegen ein von feindlichen Schützen beſetztes Landhaus führen, wobei er von einer Kugel tödtlich getroffen wurde. Das Landhaus wurde von den Truppen Garibaldi’s genommen, welche, erbittert über den Tod Bixio’s, den Reapolitanern keinen Pardon ga- ben.“ Bixio gehörte zu den beſten Garibaldi’ſchen Officieren, und ſtand vor dem Jahr 1848 als Officier in päpſtlichen Dienſten. Beim Ausbruch der italieniſchen Revolution ſchloß er ſich derſelben an, kämpfte in der Lom- bardei gegen die Oeſterreicher, und ſpäter in Rom gegen die Franzoſen. Garibaldi ernannte ihn während der Belagerung Roms zu ſeinem Adjutan- ten, und verwendete ihn zu mehreren gefährlichen Unternehmungen. Bei der Vertheidigung der Villa Spada *) wurde Bixio verwundet. Nach der Ein- nahme Roms zog er ſich mit Garibaldi nach S. Marino zurück, und begab ſich nach der Auflöſung der Freiſchaar nach England. Den letzten italieniſchen Feldzug machte er wieder an Garibaldi’s Seite mit, nahm nach dem Frieden von Villafranca ſeine Entlaſſung, und hielt ſich bis zum Abgang der Gari- baldi’ſchen Expedition theils in Florenz, theils in Genua auf. Bei Calato- fimi erreichte ihn ſein Schickſal! Türkei. Der Wiener Correſpondent der Times ſchreibt: „Wie ich über Warſchau erfahre, iſt die Zuſammenziehung ruſſiſcher Truppen an der tür- kiſchen Gränze eine unzweifelhafte Thatſache. Außer dem 5ten Armeecorps, welches am obern Pruth Stellung genommen hat, iſt ein zweites Corps in Beffarabien und Podolien concentrirt, und die beiden Corps zuſammen bilden eine Streitmacht von 60,000 Mann. Allen beurlaubten Soldaten iſt be- deutet ſich für augenblickliche Rückkehr zu ihren Regimentern bereit zu halten. Die hohe Pforte ihrerſeits bietet alles auf ein tüchtiges Kriegsheer aufzuſtellen, um den Abfall Serbiens und der Donau-Provinzen zu verhindern. Dieſe Streitmacht iſt jetzt auf fünf Punkten zuſammengezogen. Die rumeliſche Armee iſt in vier Corps getheilt, welche in weiter Ausdehnung von der Her- zegowina bis Bosnien ſtehen. Die zweite, zahlreichere, Armee bewacht Serbien, und hat ihr Hauptquartier in Priſtina. Die dritte, 30,000 Mann ſtark, iſt an der Donau concentrirt, bei Widdin, mit ihrer Referve in Sophia. Die vierte ſteht zwiſchen der Donau und dem ſchwarzen Meer, d. h. zwiſchen Siliſtria und Kuſtendſche; Reſerve in Schumla. Außerdem ſind 30,000 Mann in Theſſalien angeſammelt, größtentheils Redifs, um nöthigenfalls gegen die Griechen verwendet zu werden. Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orgte. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. *) Soll wohl heißen Villa Panfili. Die Villa Spada liegt innerhald der Stadt auf dem Monte Palatino, wo kein Kampf mit den Franzoſen ſtatt’ſand. Die Nachricht vom Tod Rino Bixio’s wird übrigens in franzöſiſchen Blättern beſtimmt widerſprochen.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-08-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860, S. 2620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine157_1860/8>, abgerufen am 21.11.2024.