Allgemeine Zeitung, Nr. 158, 6. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
dung. Ungewöhnlich hestig wüthete der Norweststurm auch an der Westküste Preußen. * Bonn, 2 Jun. Die Zahl der Studierenden an der hiesigen [] Berlin, 3 Jun. Es scheint außer Zweifel zu seyn daß Dr. Der Elberfelder Zeitung wird geschrieben: "Die Bezeichnung Nach der Elb. Ztg. hat das hiefige Cabinet vor ungefähr acht Tagen Der Redacteur der "Preußischen Jahrbücher," Dr. R. Haym, ist nach Oesterreich. [] Wien, 2 Jun. Von so vielen Seiten auch der Au- Wien, 2 Jun. Die Ostd. Post schreibt über die bereits gemel- [Spaltenumbruch]
dung. Ungewöhnlich heſtig wüthete der Norweſtſturm auch an der Weſtküſte Preußen. * Bonn, 2 Jun. Die Zahl der Studierenden an der hieſigen [⊥] Berlin, 3 Jun. Es ſcheint außer Zweifel zu ſeyn daß Dr. Der Elberfelder Zeitung wird geſchrieben: „Die Bezeichnung Nach der Elb. Ztg. hat das hiefige Cabinet vor ungefähr acht Tagen Der Redacteur der „Preußiſchen Jahrbücher,“ Dr. R. Haym, iſt nach Oeſterreich. [⩣] Wien, 2 Jun. Von ſo vielen Seiten auch der Au- Wien, 2 Jun. Die Oſtd. Poſt ſchreibt über die bereits gemel- <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="2632"/><cb/> dung. Ungewöhnlich heſtig wüthete der Norweſtſturm auch an der Weſtküſte<lb/> Schleswigs. Hier wurde die Mehrzahl der kleineren Halligen total von der<lb/> See überſchwemmt, und der dadurch angerichtete Schaden wird groß genug<lb/> ſeyn, da man in der jetzigen Jahreszeit auf ſo heftige Stürme nicht gefaßt<lb/> iſt. Hier ſind wir noch leidlich gnädig mit der bloßen Kälte und ſtark zer-<lb/> zausten Bäumen davon gekommen. — Geſtern lief ein ſchwediſd es, noch auf<lb/> hoher See in Brand gerathenes Dampfſchiff, das mit Getreide beladen war,<lb/> in den Köhlbrand ein. Es hatte das im Kohlenraum ausgebrochene Feuer<lb/> durch ununterbrochenes Arbeiten der Bemannung ſo weit zu bewältigen ge-<lb/> wußt, daß die Flammen wenigſtens nicht in Lichterlohe emporſchlugen. Von<lb/> Altona aus eilten ſofort Spritzen und Löſchmannſchaften zu Hülfe. —<lb/> Die Angelegenheiten zwiſchen dem Director des Stadttheaters und den Mit-<lb/> gliedern desſelben, das Perſonal des Orcheſters mit inbegriffen, ſind beigelegt.<lb/> Das Theater wird nicht geſchloſſen, in Ermangelung beſſerer Bedingungen,<lb/> aber die von einigen verlangt wurden, hat man weniger gute ſich gefallen<lb/> laſſen, um — größeren Fatalitäten zu entgehen. Mit den Directoren un-<lb/> ſeres Stadttheaters iſt nun einmal nicht zu ſpaßen. Das ſollten die HH.<lb/> Mimen wiſſen, und ſich von Anfang an danach richten. — Das Wetter ver-<lb/> ſpricht wieder Beſſerung, zeigt aber doch fortwährend einen bedenklichen Hang<lb/> zu übler Laune. Nur gegen die Fruchtbarkeit desſelben läßt ſich keine ge-<lb/> gründete Klage erheben.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#g">Preußen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Bonn,</hi> 2 Jun.</dateline><lb/> <p>Die Zahl der Studierenden an der hieſigen<lb/> Univerſität hat in dem laufenden Semeſter gegen das verfloſſene einen Zu-<lb/> wachs erfahren. — Ueber die Umtaufung der Koblenzer Straße, an welcher<lb/> Ernſt Moriz Arndt wohnte, in Arndtsſtraße hatten ſich in dem Schooße des<lb/> hieſigen Gemeinderaths lebhafte Debatten erhoben, ſo daß dieſe Angelegen-<lb/> heit zur Kenntniß der Regierung zu Köln gebracht wurde. Die Regierung<lb/> zu Köln hat nun erklärt daß die Stadt Bonn kein Recht habe der Koblenzer<lb/> Straße einen andern als den bisherigen Namen beizulegen, da dieſe Straße<lb/> eine Staatsſtraße ſey.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline><supplied>⊥</supplied><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 3 Jun.</dateline><lb/> <p>Es ſcheint außer Zweifel zu ſeyn daß <hi rendition="#aq">Dr.</hi><lb/> Ryno <hi rendition="#g">Quehl</hi> bei dem Manteuffel’ſchen Manifeſt die Feder geführt, und<lb/> die Vertheidigung desſelben durch eine der hieſigen Zeitungen vermittelt hat.<lb/> Jetzt erſt tauchen beim abermaligen Durchleſen der wunderlichen Lucubra-<lb/> tion alle die holden Erinnerungen an die politiſche Weisheit auf, womit<lb/> Preußen jahrelang aus der Garküche des Quehl’ſchen Preßbureau’s verſorgt<lb/> wurde — lauter Sprüche <hi rendition="#g">der richtigſten Mitte und der polizei-<lb/> lichſten Maßregelungen.</hi> Armer Manteuffel-Quehl, oder eigentlich<lb/> Quehl-Manteuffel! Alle „Eingeſandt“ zu Gunſten eurer Kaliſcher Pro-<lb/> clamation wollen nicht verfangen — ihr habt es keiner Partei recht gemacht,<lb/> und die Kreuz-Zeitung ſelbſt kehrt euch verächtlich den Rücken. Gewiß ha-<lb/> ben die Herren es noch nicht vergeſſen daß eben die Kreuz-Zeitung und ihre<lb/> Potsdamer Fürſprecher es waren die den ehemaligen Miniſterpräſidenten<lb/> zwangen ſeinen Seladon auf den Ruhepoſten nach Kopenhagen abgehen zu<lb/> laſſen. Wozu alſo ſich ängſtlich hinter die Perſon des Königs verkrie-<lb/> chen, da niemand beſſer als Hr. v. Manteuffel wiſſen muß daß er nicht dem<lb/> König, ſondern deſſen Rathgebern, den HH. v. Gerlach u. ſ. w., zu Willen<lb/> war! Daß er den drohenden Saturnalien der Reaction Einhalt that, iſt in<lb/> einem conſtitutionellen Staat kein Verdienſt, ſondern eher ein Vorwurf, da<lb/> mit Sicherheit angenommen werden kann daß Friedrich Wilhelm <hi rendition="#aq">IV</hi> den<lb/> Miniſterpräſtdenten nicht hätte fallen laſſen, auch wenn dieſer ſeine liberalen<lb/> Forderungen zehnmal höher ſtellte als er jemals that. Der Sultanismus<lb/> des Dirigenten des Preßbureau’s aber, den Zeitungen gegenüber, füllt eine<lb/> der ſchmutzigſten Blattſeiten der letzten zehn Jahre: es war ganz der Geiſt<lb/> Hinckeldey’ſcher Polizei-Allmacht, die bekanntlich ſo weit gieng, daß der Poli-<lb/> zeipräſident dem Staatsanwalt ins Geſicht ſagte: er könne ſich ſeinen, ob-<lb/> ſchon geſetzlich vorgeſchriebenen, Anforderungen nicht fügen. Solche Dinge<lb/> vergißt und verzeiht man nicht. Hr. v. <hi rendition="#g">Bardeleben,</hi> der Neffe, weiß ſich<lb/> als Nachfolger des Hrn. Quehl vorſichtiger zu benehmen, wenn es ihm auch<lb/> nicht gelingen will der miniſteriellen Preſſe kräftig aufzuhelfen. Wirklich<lb/> gediegene Artikel enthält allein das „Preußiſche Wochenblatt,“ an dem na-<lb/> mentlich ältere militäriſche Notabilitäten mitarbeiten. Es iſt Schade daß<lb/> nicht eine täglich erſcheinende Zeitung die Leitartikel bringt die jetzt faſt ſpur-<lb/> los verſchwinden. Ueberhaupt aber iſt es kein geringer Gewinn wenn her-<lb/> vorragende Perſönlichkeiten ſich an der Tagespreſſe betheiligen. — In der<lb/> Perſon eines Bruders des hieſigen Miniſterreſidenten hat Braſilien nun-<lb/> mehr einen Generalconſul in Stettin. So herzlich man den Braſilianern<lb/> Arbeitskräfte für ihr großes und fruchtbares Land wünſchen muß, ſo ſehr<lb/> muß man die unredlichen, zum Theil betrügeriſchen Mittel beklagen die fort-<lb/> während zu dieſem Behuf durch gewiſſenloſe Agenten in Anwendung kom-<lb/> men. Auch ſind aus den Jahren 1847 und 1852 Parceria-Verträge, welche<lb/> der damalige Generalconſul in Hamburg unterzeichnete, vorhanden, die zum<lb/> Verderben der Auswanderer ausſchlagen mußten. Nicht auf eine Verdäch-<lb/> tigung Braſtliens, ſondern lediglich auf eine Aenderung der von dort aus<lb/> betriebenen Einwanderung iſt es abgeſehen. Die Aufmerkſamkeit der Sach-<lb/><cb/> verſtändigen wendet ſich entſchieden Canada zu, bloß weil von Braſilien keine<lb/> Schritte geſchehen um das Schickſal der Einwanderer ſicherzuſtellen. — Das<lb/> von dem „Conſtitutionnel“ für Frankreich beanſpruchte Oberhoheitsrecht hat<lb/> auch hier gezündet: doch erſcheinen in Berlin nach wie vor zwei Blätter die<lb/> von L. Napoleon nicht das geringſte befürchten. — Von der in dieſer Woche<lb/> abzuhaltenden Berliner Paſtoralconferenz verſpricht man ſich einige ſcharfe<lb/> Ausfälle auf die miniſterielle Toleranz: Stahl namentlich als Präſident<lb/> wird ſeinem gedrückten Herzen Erleichterung verſchaffen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Elberfelder Zeitung</hi> wird geſchrieben: „Die Bezeichnung<lb/> &q;Mit Gott für König und Vaterland,“ welche bis jetzt auf ſämmtlichen Land-<lb/> wehrhelmen angebracht war, ſoll, einer allerhöchſten Beſtimmung zufolge,<lb/> fortan der Kopfbedeckung der geſammten Armee zur Zierde gereichen.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Nach der <hi rendition="#g">Elb. Ztg.</hi> hat das hiefige Cabinet vor ungefähr acht Tagen<lb/> den deutſchen Küſtenſtaaten den Entwurf zu einem gemeinſamen Vorſchlag<lb/> wegen Befeſtigung der deutſchen Küſten zum Beitritt und zur Unterſtützung<lb/> desſelben am Bunde unterbreitet. Von Hannover iſt eine beſondere Denk-<lb/> ſchrift hinſichtlich dieſer Frage ausgearbeitet und dem preußiſchen Entwurf<lb/> als Ergänzung beigefügt worden. Demſelben Blatte zufolge hat ſich Bayern<lb/> in Betreff der Vorfrage wegen Eintheilung der Bundesarmeecorps bezüglich<lb/> der Reſerve-Infanteriediviſionen der preußiſchen Auffaſſung, wonach die ſeit-<lb/> herige Eintheilung der Bundesarmeecorps aufrecht zu erhalten und die Reſerve-<lb/> Infanteriediviſionen intakt bleiben ſollen, angeſchloſſen. Eine vermittelnde<lb/> Stellung in dieſer Angelegenheit ſollen Baden und Württemberg einnehmen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Der Redacteur der „Preußiſchen Jahrbücher,“ <hi rendition="#aq">Dr.</hi> R. Haym, iſt nach<lb/> der <hi rendition="#g">Köln. Ztg.</hi> zum außerordentlichen Profeſſor in der philoſophiſchen Fa-<lb/> cultät der Univerſität zu Halle mit einem entſprechenden Gehalt ernannt<lb/> worden. Die bekanntlich ultraconſervative Facultät hatte ſich der Ernennung<lb/> ziemlich lebhaft widerſetzt. Die Vota der HH. Profeſſoren ſollen intereſſant<lb/> genug ausgefallen ſeyn. Leo ſprach fich im Sinne ſeines Volksblattes aus.<lb/> Ein anderes Mitglied ſoll bemerkt haben: wenn das Miniſterium ſeine<lb/> Freunde anſtellen wolle, ſo würde ſich gewiß in der Steuerverwaltung, im<lb/> Poſtfach, oder in der Polizei, Gelegenheit genug dazu finden!</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#g">Oeſterreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><supplied>⩣</supplied><hi rendition="#b">Wien,</hi> 2 Jun.</dateline><lb/> <p>Von ſo vielen Seiten auch der Au-<lb/> ſpruch auf unſer Intereſſe geltend gemacht wird, beſchäftigt doch kaum ein Er-<lb/> eigniß der Politik, nicht der Reichsrath, nicht der Kampf um Sicilien, nicht die<lb/> Friedensverſicherungen des Hrn. Fould, die Gemüther bei uns in dem Grad<lb/> wie der Proceß welcher ſeit vier Tagen vor den Schranken des Landesgerichts<lb/> verhandelt wird. Und dießmal iſt es nicht die blöde Neuigkeitsſucht allein,<lb/> welche nichts lieber hört und liest als Schauergeſchichten; der Menſch welcher<lb/> eines grauſenhaften Mords in ſo hohem Grad verdächtig iſt, der Commis<lb/> Schmidt, iſt in der That ein Vorwurf für pſychologiſche Studien. Die Laſt<lb/> der Indicien häuft ſich in dem Maß, daß ſchon jetzt das Urtheil eines Schwur-<lb/> gerichts nicht zweifelhaft ſeyn würde. Er weiß aber daß zu ſeiner vollſtändigen<lb/> Verurtheilung ſein Geſtändniß nothwendig iſt, und dieß verweigert er mit<lb/> einer Beharrlichkeit und Feſtigkeit die ſich durch nichts beirren laſſen. Es iſt<lb/> ihm auch offenbar nicht unbekannt daß das Zugeſtändniß: er ſey bei der That<lb/> zugegen geweſen, oder habe etwa während derſelben Wache geſtanden, einem<lb/> vollen Geſtändniß in den Wirkungen ziemlich gleichkommen würde, darum<lb/> bleibt er allen Gegenbeweiſen zum Trotz dabei er ſey erſt nach vollbrachter<lb/> That in den Laden des Hurtz zurückgekommen, da er nicht mehr läugnen kann<lb/> das Gewölbe Abends geſperrt zu haben. Aus der Borunterſuchung wurde<lb/> ſchon bekannt daß er den Mord ſelbſt einem „Berliner“ zuſchreibt; wie er<lb/> auf dieſen gekommen, zeigt ſich jetzt aus der Vernehmung eines reiſenden<lb/> Handlungscommis aus Berlin, welchen er bewegen wollte den Koffer mit der<lb/> Leiche über die Gränze nach Rußland zu ſchmuggeln. Wahrſcheinlich war<lb/> ſchon damals ſein Plan den Verdacht der Thäterſchaft auf jenen zu lenken.<lb/> Entſetzlich iſt bei einem ſo jungen Menſchen (Schmidt iſt erſt 21 Jahre alt)<lb/> mit welchem kalten Vorbedacht er an die That gieng, ſchon vorher zur Her-<lb/> ſtellung eines Alibi Schritte that, z. B. einen fingirten Ausgabepoſten ins<lb/> Caſſabuch ſchrieb, dann den Ermordeten als flüchtigen Dieb zu brandmarken<lb/> ſuchte, und das geraubte Geld mit liederlichen Dirnen verjubelte, als ob er<lb/> gar keine Entdeckung zu fürchten hätte. Uhr und Ringe des Ermordeten trug<lb/> er ſelbſt, in deſſen Rocke machte Schmidts zukünftiger Schwager Hochzeit!<lb/> Seine Frechheit verläßt ihn auch jetzt keinen Augenblick, der Anblick des<lb/> Koffers und die Kleidungsſtücke der Leiche machen keinen Eindruck auf ihn,<lb/> kein noch ſo greller Widerſpruch bringt ihn aus der Faſſung, und noch jetzt<lb/> ſucht er den Verdacht der Veruntreuung gegen den Ermordeten aufrecht zu<lb/> erhalten. Das Gericht hat es offenbar mit einer der gefährlichſten Ver-<lb/> brechernaturen zu thun. Der Andrang zu den Sitzungen war ſo groß, daß<lb/> ſchon wochenlang vorher über allen disponibeln Raum im Gerichtsſaal durch<lb/> Karten verfügt wurde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 2 Jun.</dateline><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Oſtd. Poſt</hi> ſchreibt über die bereits gemel-<lb/> dete Wiederbeſeitigung der orientaliſchen Frage: „Die neue orientaliſche<lb/> Frage welche Fürſt Gortſchakoff jüngſtens in die Welt zu ſchleudern ver-<lb/> ſuchte, iſt bereits abgethan und beſeitigt. (?) Zuverläſſige telegraphiſche Depe-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2632/0004]
dung. Ungewöhnlich heſtig wüthete der Norweſtſturm auch an der Weſtküſte
Schleswigs. Hier wurde die Mehrzahl der kleineren Halligen total von der
See überſchwemmt, und der dadurch angerichtete Schaden wird groß genug
ſeyn, da man in der jetzigen Jahreszeit auf ſo heftige Stürme nicht gefaßt
iſt. Hier ſind wir noch leidlich gnädig mit der bloßen Kälte und ſtark zer-
zausten Bäumen davon gekommen. — Geſtern lief ein ſchwediſd es, noch auf
hoher See in Brand gerathenes Dampfſchiff, das mit Getreide beladen war,
in den Köhlbrand ein. Es hatte das im Kohlenraum ausgebrochene Feuer
durch ununterbrochenes Arbeiten der Bemannung ſo weit zu bewältigen ge-
wußt, daß die Flammen wenigſtens nicht in Lichterlohe emporſchlugen. Von
Altona aus eilten ſofort Spritzen und Löſchmannſchaften zu Hülfe. —
Die Angelegenheiten zwiſchen dem Director des Stadttheaters und den Mit-
gliedern desſelben, das Perſonal des Orcheſters mit inbegriffen, ſind beigelegt.
Das Theater wird nicht geſchloſſen, in Ermangelung beſſerer Bedingungen,
aber die von einigen verlangt wurden, hat man weniger gute ſich gefallen
laſſen, um — größeren Fatalitäten zu entgehen. Mit den Directoren un-
ſeres Stadttheaters iſt nun einmal nicht zu ſpaßen. Das ſollten die HH.
Mimen wiſſen, und ſich von Anfang an danach richten. — Das Wetter ver-
ſpricht wieder Beſſerung, zeigt aber doch fortwährend einen bedenklichen Hang
zu übler Laune. Nur gegen die Fruchtbarkeit desſelben läßt ſich keine ge-
gründete Klage erheben.
Preußen.
* Bonn, 2 Jun.
Die Zahl der Studierenden an der hieſigen
Univerſität hat in dem laufenden Semeſter gegen das verfloſſene einen Zu-
wachs erfahren. — Ueber die Umtaufung der Koblenzer Straße, an welcher
Ernſt Moriz Arndt wohnte, in Arndtsſtraße hatten ſich in dem Schooße des
hieſigen Gemeinderaths lebhafte Debatten erhoben, ſo daß dieſe Angelegen-
heit zur Kenntniß der Regierung zu Köln gebracht wurde. Die Regierung
zu Köln hat nun erklärt daß die Stadt Bonn kein Recht habe der Koblenzer
Straße einen andern als den bisherigen Namen beizulegen, da dieſe Straße
eine Staatsſtraße ſey.
⊥ Berlin, 3 Jun.
Es ſcheint außer Zweifel zu ſeyn daß Dr.
Ryno Quehl bei dem Manteuffel’ſchen Manifeſt die Feder geführt, und
die Vertheidigung desſelben durch eine der hieſigen Zeitungen vermittelt hat.
Jetzt erſt tauchen beim abermaligen Durchleſen der wunderlichen Lucubra-
tion alle die holden Erinnerungen an die politiſche Weisheit auf, womit
Preußen jahrelang aus der Garküche des Quehl’ſchen Preßbureau’s verſorgt
wurde — lauter Sprüche der richtigſten Mitte und der polizei-
lichſten Maßregelungen. Armer Manteuffel-Quehl, oder eigentlich
Quehl-Manteuffel! Alle „Eingeſandt“ zu Gunſten eurer Kaliſcher Pro-
clamation wollen nicht verfangen — ihr habt es keiner Partei recht gemacht,
und die Kreuz-Zeitung ſelbſt kehrt euch verächtlich den Rücken. Gewiß ha-
ben die Herren es noch nicht vergeſſen daß eben die Kreuz-Zeitung und ihre
Potsdamer Fürſprecher es waren die den ehemaligen Miniſterpräſidenten
zwangen ſeinen Seladon auf den Ruhepoſten nach Kopenhagen abgehen zu
laſſen. Wozu alſo ſich ängſtlich hinter die Perſon des Königs verkrie-
chen, da niemand beſſer als Hr. v. Manteuffel wiſſen muß daß er nicht dem
König, ſondern deſſen Rathgebern, den HH. v. Gerlach u. ſ. w., zu Willen
war! Daß er den drohenden Saturnalien der Reaction Einhalt that, iſt in
einem conſtitutionellen Staat kein Verdienſt, ſondern eher ein Vorwurf, da
mit Sicherheit angenommen werden kann daß Friedrich Wilhelm IV den
Miniſterpräſtdenten nicht hätte fallen laſſen, auch wenn dieſer ſeine liberalen
Forderungen zehnmal höher ſtellte als er jemals that. Der Sultanismus
des Dirigenten des Preßbureau’s aber, den Zeitungen gegenüber, füllt eine
der ſchmutzigſten Blattſeiten der letzten zehn Jahre: es war ganz der Geiſt
Hinckeldey’ſcher Polizei-Allmacht, die bekanntlich ſo weit gieng, daß der Poli-
zeipräſident dem Staatsanwalt ins Geſicht ſagte: er könne ſich ſeinen, ob-
ſchon geſetzlich vorgeſchriebenen, Anforderungen nicht fügen. Solche Dinge
vergißt und verzeiht man nicht. Hr. v. Bardeleben, der Neffe, weiß ſich
als Nachfolger des Hrn. Quehl vorſichtiger zu benehmen, wenn es ihm auch
nicht gelingen will der miniſteriellen Preſſe kräftig aufzuhelfen. Wirklich
gediegene Artikel enthält allein das „Preußiſche Wochenblatt,“ an dem na-
mentlich ältere militäriſche Notabilitäten mitarbeiten. Es iſt Schade daß
nicht eine täglich erſcheinende Zeitung die Leitartikel bringt die jetzt faſt ſpur-
los verſchwinden. Ueberhaupt aber iſt es kein geringer Gewinn wenn her-
vorragende Perſönlichkeiten ſich an der Tagespreſſe betheiligen. — In der
Perſon eines Bruders des hieſigen Miniſterreſidenten hat Braſilien nun-
mehr einen Generalconſul in Stettin. So herzlich man den Braſilianern
Arbeitskräfte für ihr großes und fruchtbares Land wünſchen muß, ſo ſehr
muß man die unredlichen, zum Theil betrügeriſchen Mittel beklagen die fort-
während zu dieſem Behuf durch gewiſſenloſe Agenten in Anwendung kom-
men. Auch ſind aus den Jahren 1847 und 1852 Parceria-Verträge, welche
der damalige Generalconſul in Hamburg unterzeichnete, vorhanden, die zum
Verderben der Auswanderer ausſchlagen mußten. Nicht auf eine Verdäch-
tigung Braſtliens, ſondern lediglich auf eine Aenderung der von dort aus
betriebenen Einwanderung iſt es abgeſehen. Die Aufmerkſamkeit der Sach-
verſtändigen wendet ſich entſchieden Canada zu, bloß weil von Braſilien keine
Schritte geſchehen um das Schickſal der Einwanderer ſicherzuſtellen. — Das
von dem „Conſtitutionnel“ für Frankreich beanſpruchte Oberhoheitsrecht hat
auch hier gezündet: doch erſcheinen in Berlin nach wie vor zwei Blätter die
von L. Napoleon nicht das geringſte befürchten. — Von der in dieſer Woche
abzuhaltenden Berliner Paſtoralconferenz verſpricht man ſich einige ſcharfe
Ausfälle auf die miniſterielle Toleranz: Stahl namentlich als Präſident
wird ſeinem gedrückten Herzen Erleichterung verſchaffen.
Der Elberfelder Zeitung wird geſchrieben: „Die Bezeichnung
&q;Mit Gott für König und Vaterland,“ welche bis jetzt auf ſämmtlichen Land-
wehrhelmen angebracht war, ſoll, einer allerhöchſten Beſtimmung zufolge,
fortan der Kopfbedeckung der geſammten Armee zur Zierde gereichen.“
Nach der Elb. Ztg. hat das hiefige Cabinet vor ungefähr acht Tagen
den deutſchen Küſtenſtaaten den Entwurf zu einem gemeinſamen Vorſchlag
wegen Befeſtigung der deutſchen Küſten zum Beitritt und zur Unterſtützung
desſelben am Bunde unterbreitet. Von Hannover iſt eine beſondere Denk-
ſchrift hinſichtlich dieſer Frage ausgearbeitet und dem preußiſchen Entwurf
als Ergänzung beigefügt worden. Demſelben Blatte zufolge hat ſich Bayern
in Betreff der Vorfrage wegen Eintheilung der Bundesarmeecorps bezüglich
der Reſerve-Infanteriediviſionen der preußiſchen Auffaſſung, wonach die ſeit-
herige Eintheilung der Bundesarmeecorps aufrecht zu erhalten und die Reſerve-
Infanteriediviſionen intakt bleiben ſollen, angeſchloſſen. Eine vermittelnde
Stellung in dieſer Angelegenheit ſollen Baden und Württemberg einnehmen.
Der Redacteur der „Preußiſchen Jahrbücher,“ Dr. R. Haym, iſt nach
der Köln. Ztg. zum außerordentlichen Profeſſor in der philoſophiſchen Fa-
cultät der Univerſität zu Halle mit einem entſprechenden Gehalt ernannt
worden. Die bekanntlich ultraconſervative Facultät hatte ſich der Ernennung
ziemlich lebhaft widerſetzt. Die Vota der HH. Profeſſoren ſollen intereſſant
genug ausgefallen ſeyn. Leo ſprach fich im Sinne ſeines Volksblattes aus.
Ein anderes Mitglied ſoll bemerkt haben: wenn das Miniſterium ſeine
Freunde anſtellen wolle, ſo würde ſich gewiß in der Steuerverwaltung, im
Poſtfach, oder in der Polizei, Gelegenheit genug dazu finden!
Oeſterreich.
⩣ Wien, 2 Jun.
Von ſo vielen Seiten auch der Au-
ſpruch auf unſer Intereſſe geltend gemacht wird, beſchäftigt doch kaum ein Er-
eigniß der Politik, nicht der Reichsrath, nicht der Kampf um Sicilien, nicht die
Friedensverſicherungen des Hrn. Fould, die Gemüther bei uns in dem Grad
wie der Proceß welcher ſeit vier Tagen vor den Schranken des Landesgerichts
verhandelt wird. Und dießmal iſt es nicht die blöde Neuigkeitsſucht allein,
welche nichts lieber hört und liest als Schauergeſchichten; der Menſch welcher
eines grauſenhaften Mords in ſo hohem Grad verdächtig iſt, der Commis
Schmidt, iſt in der That ein Vorwurf für pſychologiſche Studien. Die Laſt
der Indicien häuft ſich in dem Maß, daß ſchon jetzt das Urtheil eines Schwur-
gerichts nicht zweifelhaft ſeyn würde. Er weiß aber daß zu ſeiner vollſtändigen
Verurtheilung ſein Geſtändniß nothwendig iſt, und dieß verweigert er mit
einer Beharrlichkeit und Feſtigkeit die ſich durch nichts beirren laſſen. Es iſt
ihm auch offenbar nicht unbekannt daß das Zugeſtändniß: er ſey bei der That
zugegen geweſen, oder habe etwa während derſelben Wache geſtanden, einem
vollen Geſtändniß in den Wirkungen ziemlich gleichkommen würde, darum
bleibt er allen Gegenbeweiſen zum Trotz dabei er ſey erſt nach vollbrachter
That in den Laden des Hurtz zurückgekommen, da er nicht mehr läugnen kann
das Gewölbe Abends geſperrt zu haben. Aus der Borunterſuchung wurde
ſchon bekannt daß er den Mord ſelbſt einem „Berliner“ zuſchreibt; wie er
auf dieſen gekommen, zeigt ſich jetzt aus der Vernehmung eines reiſenden
Handlungscommis aus Berlin, welchen er bewegen wollte den Koffer mit der
Leiche über die Gränze nach Rußland zu ſchmuggeln. Wahrſcheinlich war
ſchon damals ſein Plan den Verdacht der Thäterſchaft auf jenen zu lenken.
Entſetzlich iſt bei einem ſo jungen Menſchen (Schmidt iſt erſt 21 Jahre alt)
mit welchem kalten Vorbedacht er an die That gieng, ſchon vorher zur Her-
ſtellung eines Alibi Schritte that, z. B. einen fingirten Ausgabepoſten ins
Caſſabuch ſchrieb, dann den Ermordeten als flüchtigen Dieb zu brandmarken
ſuchte, und das geraubte Geld mit liederlichen Dirnen verjubelte, als ob er
gar keine Entdeckung zu fürchten hätte. Uhr und Ringe des Ermordeten trug
er ſelbſt, in deſſen Rocke machte Schmidts zukünftiger Schwager Hochzeit!
Seine Frechheit verläßt ihn auch jetzt keinen Augenblick, der Anblick des
Koffers und die Kleidungsſtücke der Leiche machen keinen Eindruck auf ihn,
kein noch ſo greller Widerſpruch bringt ihn aus der Faſſung, und noch jetzt
ſucht er den Verdacht der Veruntreuung gegen den Ermordeten aufrecht zu
erhalten. Das Gericht hat es offenbar mit einer der gefährlichſten Ver-
brechernaturen zu thun. Der Andrang zu den Sitzungen war ſo groß, daß
ſchon wochenlang vorher über allen disponibeln Raum im Gerichtsſaal durch
Karten verfügt wurde.
Wien, 2 Jun.
Die Oſtd. Poſt ſchreibt über die bereits gemel-
dete Wiederbeſeitigung der orientaliſchen Frage: „Die neue orientaliſche
Frage welche Fürſt Gortſchakoff jüngſtens in die Welt zu ſchleudern ver-
ſuchte, iſt bereits abgethan und beſeitigt. (?) Zuverläſſige telegraphiſche Depe-
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(2021-11-18T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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