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Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 15. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] Belegung ermöglicht eine bleibende Reinhaltung der Luft. Die unter den Bett-
gestellpsosten angebrachten Federn paralyfiren nach den übereinstimmenden Berich-
ten der Aerzte jeden Stoß, jede Erschütterung vollständig; das Fahren selbst ver-
ursacht somit nicht den mindesten Schmerz; es findet nur ein leises, kaum bemerk-
bares Wiegen statt, das aber, da die Schwingungen vollkommen gleichmäßig den
ganzen Körper treffen, eher wohlthuend wirkt als die entgegengesetzte Folge zu er-
zeugen vermag. Daß freilich dieses System, auch auf Leichtverwundete ausge-
dehnt, eine Verschwendung des Raumes in sich schließen würde, ist zweifellos;
wohl aber dürfte zu bedenken kommen ob in künftigen Bedürfnißfällen sich für
Bayern, mit Rücksicht auf die verschiedenen Arten und Abstufungen der Verwun-
dungen, nicht die Annahme eines gemischten Systems in der Weise empfehlen dürfte
daß neben gewöhnlichen Personenwagen zwei bis drei Wagen amerikanischen
Systems mit Doppellagerung in den Spitalzug eingeschlossen würden. So berichtet
beispielshalber der den Spitalzug II auf Fahrt 25 begleitende Oberarzt: daß die
Wunden der sitzend Transportirten vielfach unter dem Einflusse des Transports
gelitten hatten. Der den einzelnen Zügen beigegebene Reserve-Krankenwagen,
dessen Bodenfläche mit starkgefüllten Strohsäcken belegt war, bot gewiß eine nicht
zu unterschätzende Wohlthat; aber dieselbe konnte nur zu wenigen, und auch diesen
theilweise nur auf zu kurze Zeit, zugewendet werden. Sollten nun Wagen mit
Doppellagerung zur Einführung kommen, so bliebe nur der Wunsch auszusprechen
daß dieselben, ebenso wie die seither zum Transport Schwerverwundeter benütz-
ten, mit breiteren Thüren versehen würden, um die Ein- und Ausladung der
Patienten auf den Feldbetten selbst zu ermöglichen; vielleicht würde sich dieß gleich-
zeitig auch durch eine schmalere Construction der Feldbetten, welche wohl ohne
Nachtheil für die zu transportirenden Kranken erfolgen könnte, erleichtern lassen.
Die Größe der einem Spitalzuge mitzugebenden Materialbestände sodann wird
sich, sowohl was Lebensmittel als Leib - und Bettwäsche etc. betrifft, nach der
voraussichtlichen Dauer der Fahrt zu berechnen haben; der Inhalt des Medica-
mentenkastens wird sich danach verändern, beziehungsweise vermehren, je nach-
dem es sich im einzelnen Fall zumeist um die Evacuation Verwundeter oder Er-
krankter handelt. Wenn die Spitalzüge ihrer ersten Bestimmung nach zunächst nur
den Rücktransport der Opfer der einzelnen Gefechte und Schlachten im Auge haben,
so kann doch jeder Feldzug periodenweise die Aufgabe fast ausschließlicher Evacua-
tion Schwerkranker herbeiführen; dieß fiel z. B. ganz besonders einer Fahrt, der
31sten, der bayerischen Spitalzüge zu.

Neben der zweckentsprechenden technischen Einrichtung und der sorgfältigsten
Ausrüstung mit Depot-Gegenständen aller Art steht obenan die Beigabe eines mög-
lichst geschulten und aufopferungsfähigen Wartepersonals. Als die ersten Spital-
züge München und Würzburg verließen, waren dieselben von männlichen Wärtern
begleitet. Der freiwillig ausziehende Theil derselben -- meist Studierende der
Landesuniverfitäten -- wurde alsbald durch die Fortsetzung der Studien an weiterer
derartiger Bethätigung vaterländischen Sinnes behindert; hinsichtlich der bezahlten
Wärter aber trat -- so tüchtig und zuverlässig auch eine große Anzahl derselben war
-- doch mehrfach zu Tage daß sie nicht die Neigung und der Beruf zur Kranken-
pflege allein in Feindesland führte. Der bayerische Landeshülfsverein wandte sich
daher neuerdings an jene heiligen Stätten von welchen aus der freiwilligen Kran-
kenpflege seit Beginn des Krieges die größten und dankenswerthesten Opfer gebracht
worden waren. Mitglieder geistlicher Orden und Genossenschaften wetteiferten in
Bälde -- wie auf den Schlachtfeldern und in den Spitälern von Feindes- und
Freundesland -- so auch auf diesem Gebiet in nie ermüdender und sich selbst ver-
gessender Linderung der Leiden des Krieges. Elf Fahrten wurden von Schwestern
des Mutterhauses der barmherzigen Schwestern zu München, sechs von Schwestern
der Congregation der armen Franciscanerinnen zu Mallersdorf, fünf von Schwe-
stern des Ordens der Töchter des göttlichen Erlösers zu München, drei von Schwe-
stern des Mutterhauses der Töchter des göttlichen Erlösers zu Würzburg, zwei von
Schwestern des evangelischen Diakonifsenhauses zu Neuendettelsau, eine von Schwe-
stern des Mutterhauses der barmherzigen Schwestern zu Augsburg und von Schwe-
stern der Marienanstalt zu München begleitet. Diese edle Bereitwilligkeit der
geistlichen Orden und Genossenschaften ließ die auch in Bayern versuchte Beigabe
von (bezahlten) Pflegerinnen weltlichen Standes als nicht weiter begehrenswerth
erscheinen, und gewährte am natürlichsten und leichtesten die Möglichkeit den ein-
zelnen Spitalzügen mindestens für die Mehrzahl ihrer Fahrten das gleiche Pflege-
personal zuzutheilen, wie sie in der Regel auch von dem gleichen Zugscommandan-
ten geführt und -- wenigstens in der späteren Zeit -- auch von dem gleichen
Materialverwalter begleitet wurden.

Der Zugscommandant war, soweit es sich um Rücktransporte aus Frank-
reich handelte, ausnahmslos ein Officier. Daß hierin ein unbestrittener Vortheil
liegt, kann nicht wohl verkannt werden, und es dürfte sich diese Institution daher für
jeden künftigen Krieg unbedingt wieder empfehlen. Allerdings sind Lagen möglich
in welchen es als wünschenswerth erscheint daß der Zugscommandant streckenweise
seine militärische Eigenschaft nicht nach außen sichtbar werden lasse; aber dieß recht-
fertigt noch in keiner Weise den Vorschlag wegen dieser höchst seltenen Fälle von
einem militärischen Commando überhaupt absehen zu wollen. Die Vortheile
welche dasselbe unläugbar den Spitalzügen nach innen und außen bietet, sollten
denn doch nicht unberücksichtigt bleiben -- um so weniger als den geringen Fällen
in denen aus dem Standpunkte der Internationalität oder Neutralität etwa Be-
denken bervorgehen können, leicht anderweitig vorgebeugt zu werden vermöchte.

Wenn dem Zugscommandanten -- außer der allgemeinen Ueberwachung
des Zuges -- die Führung desselben an den Bestimmungsort und zurück, der hie-
durch erforderte Depeschenwechsel mit den vorgesetzten Behörden des Inlandes,
sowie der unmittelbare Verkehr mit den jeweiligen Etappencommandos und
Bahnhof - Inspectionen, dann auf dem Rückwege die Führung der Verzeichnisse,
die Aufrechterhaltung der Disciplin unter den Patienten und die im Benehmen mit
den Aerzten zu erfolgende Evacuation derselben obliegt, so hat der Materialver-
walter die Fürsorge für Verpflegung des kranken und des gesunden Personals wäh-
rend der ganzen Dauer der Fahrt im weitesten Sinne des Wortes zu bethätigen.
Die Leitung der von den Vereinen beigegebenen Pflegekräfte und des von gleicher
Seite beschafften Küchen- und Dienstpersonals theilt der Materialverwalter nach
[Spaltenumbruch] Belegung der Betten und Besetzung der Wagen selbstverständlich mit dem dirigi-
renden Arzte. Neben diesem hatte jeder Zug noch einen oder zwei begleitende
Aerzte und 2 bis 3 Assistenzärzte. Daß es wünschenswerth wäre für jeden Spital-
zug auch dieselben ärztlichen Kräfte, mindestens den gleichen Oberarzt, bleibend
zur Verfügung zu haben, bedarf wohl keiner besondern Hervorhebung. Einmal
würde der öftere und längere Verkehr zwischen Arzt, Zugscommandant und Ma-
terialverwalter dieselben einander näher führen, die Umgränzungen ihrer Wirkungs-
kreise klarer abheben als dieß bei einmaliger Fahrt der Fall zu sein pflegt, und ein
höchst gedeihliches Zusammenwirken aller erzielen. Dann aber läßt die erste An-
schauung von manchen Einrichtungen nur eine Seite hervortreten, und erzeugt --
im Zusammenhalt mit der mißgünstigen Stimmung zu welcher unvorhergesehene
Zwischenfälle der Fahrt (Stockungen, Umwege u. dgl.) den hieran Nichtgewöhnten
leicht veranlassen -- mitunter ein hartes Urtheil, das die wiederholte Anschauung
und Prüfung wohl um ein erbebliches abschwächen, wenn nicht ganz beseitigen
würde. Die Hauptsache aber bliebe immerhin daß der ständige Arzt mit der gan-
zen Einrichtung und dem vollen Bestande des Zuges, sowie mit den hauptsächlich-
sten Pflegekräften desselben, dann mit den möglichen Schicksalen der Fahrt nach
allen Richtungen bekannt wäre, und so zu sagen eine Routine gewänne die ebenso-
sehr ihm selbst wie den Patienten angenehm und förderlich sein müßte. Diese
Vorzüge sind -- als in der Natur der Sache gelegen -- auch in der That durch-
gängig hervorgetreten, je öfter ein und derselbe Arzt an Spitalzügen theilgenom-
men hatte.

Dieser allgemeinen Schilderung von den Einrichtungen der bayerischen Spi-
talzüge--bezüglich deren eingehender Erörterung und, soweit technische Verhältnisse
berührt werden, unübertrefflicher bildlicher Darstellung auf das in der Titelnote
allegirte ausgezeichnete Werk eines Mitgliedes des Centralausschusses des bayeri-
schen Landeshülfsvereins zu verweisen gestattet sein wird -- reiht sich gern die Be-
merkung an: daß die ersten Spitalzüge welche im Feindesland erschienen aus
Bayern und sreciell aus München gekommen waren.

Der Kunde von der ruhmreich geschlagenen Schlacht von Wörth folgte schon
am Abend des 7 Aug. 1870 die Entsendung des ersten, am Abende des kommen-
den Tages ungesäumt die des zweiten Zugs. Im ganzen sind die drei bayeri-
schen Spitalzüge 36mal ausgelaufen. Je drei dienten der Evacuation der Laza-
rethe um Weißenburg-Wörth und Metz; 4 giengen nach Libramont-Sedan und 2
suchten nach Absperrung der belgischen Bahnen über Pont-a-Mousson und Reims
dahin vorzudringen; 1 nahm in Amiens Verwundete aus der Schlacht von St.
Quentin auf; 1 wurde nach Mülhausen instradirt, um von Belfort her Belegung
zu finden; 19 galten den Verwundeten und Kranken bei Paris, sowie in und um
Orleans -- von diesen wurde einer (25.) nach Chartres, ein zweiter (26.) nach Le
Mans, ein dritter (28.) nach Orleans dirigirt; ein vierter (31.) passirte zur Zeit
des Ausbruches der Unruhen Mitte März die Enceinte von Paris, nahm in Bru-
noy aus den umliegenden Aufnahms - Feldspitälern Schwerkranke und Recon-
valescenten auf, und kehrte über Nuits und Chatillon sur Seine zurück.

Von den drei letzten Fahrten der bayerischen Spitalzüge bezweckten die bei-
den ersten den Rücktransport der noch in Süddeutschland befindlichen verwundeten
und kranken kriegsgefangenen Franzosen, der letztere die Verlegung der bayerischen
Feldspitäler aus der ersten in die zweite Occupationszone. Daß auch die auf den
Rücktransport der Gefangenen erwachsenen Kosten ebenso, wie bei den übrigen
Spitalzügen, von der kgl. Eisenbahn-Centralcommission und dem Landeshülfs-
verein getragen wurden, bedürfte an sich keiner besondern Hervorhebung, wenn
nicht in der Presse vielfach gegentheilige Anschauungen aufgetreten wären. Der
Präsident der Societe internationale de secours aux blesses militaires zu Pa-
ris, welcher um die zweitmalige Entsendung eines bayerischen Spitalzuges durch
Delegirte gebeten hatte, zollt den bayerischen Einrichtungen in einem Brief an das
internationale Comite zu Genf vom 22 Sept. (bulletin international, Geneve,
Octobre
1771) vollste Anerkennung; die Gesellschaft ließ auch ungesäumt mehrere
Wagen dieser Art construiren, um sie in zukünftigen Kriegen zur Verfügung stellen
zu können; während des Friedens sollen sie bei Eisenbahnunfällen Verwendung
finden.

Die beiden letzterwähnten Züge brachten 241 verwundete und kranke Kriegs-
gefangene nach Frankreich zurück; die vorausgegangenen 33 Fahrten dagegen trans-
portirten 8681 Krieger. Die hiernach sich ergebende Durchschnittszahl von 263
Mann wurde wiederholt um ein erhebliches überschritten: so weist die erste Fahrt
560, die 14. 566, die 2. 870 und die 17. sogar 881 Patienten aus. Die letztere
Fahrt hat einen um so bedeutendern Erfolg zu verzeichnen, als die Belegung hier
direct von den Schlachtfeldern Brie und Champigny bewerkstelligt wurde; die
große Anzahl und der Zustand der Aufgenommenen erheischte bei diesem Zug auf
Seiten des ärztlichen und des pflegenden Personals eine Anstrengung der Kräfte
und eine Bethätigung von Opferwilligkeit wie sie in gleichem Grade wohl niemals
sonst gefordert ward. Die Patienten der Züge wurden der überwiegenden Mehr-
zahl nach an bayerische Spitäler, insbesondere an Vereinsspitäler, welche unmittelbar
an den Bahnlinien oder doch denselben nahe lagen, abgegeben; es erfolgten aber
auch wiederholt größere Evacuationen in außerbayerische Spitäler, so namentlich
Stuttgart Halle, Wiesbaden, Hamburg, Düsseldorf, Oldenburg, Neuwied, Hom-
burg, Darmstadt und Mühlhausen in Thüringen. Soweit die Belegung bayerischer
Spitäler in Frage stand, erhielt der Zugscommandant schon vor dem Eintritt in
das Inland, welcher abwechslungsweise über Ulm und Würzburg geschah, ein
Verzeichniß jener Spitäler welche zur Entgegennahme bereitstanden, mit genauer
Angabe der Anzahl der unbelegten Betten und der Qualification der einzelnen
Lazarethe, ob dieselben nämlich zur Aufnahme Schwerverwundeter, Leichtverwun-
deter oder Kranker geeignet und bereit seien.

Möge es geglückt sein in vorstehendem ein gedrängtes Bild der trefflichen
Einrichtung und der reichen Thätigkeit der bayerischen Spitalzüge entworfen zu
haben, welches auch dieser Abtheilung der Krankenpflege in weitern Kreisen die
wohlverdiente Anerkennung sichert, und in einzelnen Punkten die Anregung zu
Verbesserungen bietet für etwaige künftige Bedürfnißfälle -- welche Gott verhüten
wolle!



[Spaltenumbruch] Belegung ermöglicht eine bleibende Reinhaltung der Luft. Die unter den Bett-
geſtellpſoſten angebrachten Federn paralyfiren nach den übereinſtimmenden Berich-
ten der Aerzte jeden Stoß, jede Erſchütterung vollſtändig; das Fahren ſelbſt ver-
urſacht ſomit nicht den mindeſten Schmerz; es findet nur ein leiſes, kaum bemerk-
bares Wiegen ſtatt, das aber, da die Schwingungen vollkommen gleichmäßig den
ganzen Körper treffen, eher wohlthuend wirkt als die entgegengeſetzte Folge zu er-
zeugen vermag. Daß freilich dieſes Syſtem, auch auf Leichtverwundete ausge-
dehnt, eine Verſchwendung des Raumes in ſich ſchließen würde, iſt zweifellos;
wohl aber dürfte zu bedenken kommen ob in künftigen Bedürfnißfällen ſich für
Bayern, mit Rückſicht auf die verſchiedenen Arten und Abſtufungen der Verwun-
dungen, nicht die Annahme eines gemiſchten Syſtems in der Weiſe empfehlen dürfte
daß neben gewöhnlichen Perſonenwagen zwei bis drei Wagen amerikaniſchen
Syſtems mit Doppellagerung in den Spitalzug eingeſchloſſen würden. So berichtet
beiſpielshalber der den Spitalzug II auf Fahrt 25 begleitende Oberarzt: daß die
Wunden der ſitzend Transportirten vielfach unter dem Einfluſſe des Transports
gelitten hatten. Der den einzelnen Zügen beigegebene Reſerve-Krankenwagen,
deſſen Bodenfläche mit ſtarkgefüllten Strohſäcken belegt war, bot gewiß eine nicht
zu unterſchätzende Wohlthat; aber dieſelbe konnte nur zu wenigen, und auch dieſen
theilweiſe nur auf zu kurze Zeit, zugewendet werden. Sollten nun Wagen mit
Doppellagerung zur Einführung kommen, ſo bliebe nur der Wunſch auszuſprechen
daß dieſelben, ebenſo wie die ſeither zum Transport Schwerverwundeter benütz-
ten, mit breiteren Thüren verſehen würden, um die Ein- und Ausladung der
Patienten auf den Feldbetten ſelbſt zu ermöglichen; vielleicht würde ſich dieß gleich-
zeitig auch durch eine ſchmalere Conſtruction der Feldbetten, welche wohl ohne
Nachtheil für die zu transportirenden Kranken erfolgen könnte, erleichtern laſſen.
Die Größe der einem Spitalzuge mitzugebenden Materialbeſtände ſodann wird
ſich, ſowohl was Lebensmittel als Leib - und Bettwäſche ꝛc. betrifft, nach der
vorausſichtlichen Dauer der Fahrt zu berechnen haben; der Inhalt des Medica-
mentenkaſtens wird ſich danach verändern, beziehungsweiſe vermehren, je nach-
dem es ſich im einzelnen Fall zumeiſt um die Evacuation Verwundeter oder Er-
krankter handelt. Wenn die Spitalzüge ihrer erſten Beſtimmung nach zunächſt nur
den Rücktransport der Opfer der einzelnen Gefechte und Schlachten im Auge haben,
ſo kann doch jeder Feldzug periodenweiſe die Aufgabe faſt ausſchließlicher Evacua-
tion Schwerkranker herbeiführen; dieß fiel z. B. ganz beſonders einer Fahrt, der
31ſten, der bayeriſchen Spitalzüge zu.

Neben der zweckentſprechenden techniſchen Einrichtung und der ſorgfältigſten
Ausrüſtung mit Depot-Gegenſtänden aller Art ſteht obenan die Beigabe eines mög-
lichſt geſchulten und aufopferungsfähigen Warteperſonals. Als die erſten Spital-
züge München und Würzburg verließen, waren dieſelben von männlichen Wärtern
begleitet. Der freiwillig ausziehende Theil derſelben — meiſt Studierende der
Landesuniverfitäten — wurde alsbald durch die Fortſetzung der Studien an weiterer
derartiger Bethätigung vaterländiſchen Sinnes behindert; hinſichtlich der bezahlten
Wärter aber trat — ſo tüchtig und zuverläſſig auch eine große Anzahl derſelben war
— doch mehrfach zu Tage daß ſie nicht die Neigung und der Beruf zur Kranken-
pflege allein in Feindesland führte. Der bayeriſche Landeshülfsverein wandte ſich
daher neuerdings an jene heiligen Stätten von welchen aus der freiwilligen Kran-
kenpflege ſeit Beginn des Krieges die größten und dankenswertheſten Opfer gebracht
worden waren. Mitglieder geiſtlicher Orden und Genoſſenſchaften wetteiferten in
Bälde — wie auf den Schlachtfeldern und in den Spitälern von Feindes- und
Freundesland — ſo auch auf dieſem Gebiet in nie ermüdender und ſich ſelbſt ver-
geſſender Linderung der Leiden des Krieges. Elf Fahrten wurden von Schweſtern
des Mutterhauſes der barmherzigen Schweſtern zu München, ſechs von Schweſtern
der Congregation der armen Franciscanerinnen zu Mallersdorf, fünf von Schwe-
ſtern des Ordens der Töchter des göttlichen Erlöſers zu München, drei von Schwe-
ſtern des Mutterhauſes der Töchter des göttlichen Erlöſers zu Würzburg, zwei von
Schweſtern des evangeliſchen Diakonifſenhauſes zu Neuendettelsau, eine von Schwe-
ſtern des Mutterhauſes der barmherzigen Schweſtern zu Augsburg und von Schwe-
ſtern der Marienanſtalt zu München begleitet. Dieſe edle Bereitwilligkeit der
geiſtlichen Orden und Genoſſenſchaften ließ die auch in Bayern verſuchte Beigabe
von (bezahlten) Pflegerinnen weltlichen Standes als nicht weiter begehrenswerth
erſcheinen, und gewährte am natürlichſten und leichteſten die Möglichkeit den ein-
zelnen Spitalzügen mindeſtens für die Mehrzahl ihrer Fahrten das gleiche Pflege-
perſonal zuzutheilen, wie ſie in der Regel auch von dem gleichen Zugscommandan-
ten geführt und — wenigſtens in der ſpäteren Zeit — auch von dem gleichen
Materialverwalter begleitet wurden.

Der Zugscommandant war, ſoweit es ſich um Rücktransporte aus Frank-
reich handelte, ausnahmslos ein Officier. Daß hierin ein unbeſtrittener Vortheil
liegt, kann nicht wohl verkannt werden, und es dürfte ſich dieſe Inſtitution daher für
jeden künftigen Krieg unbedingt wieder empfehlen. Allerdings ſind Lagen möglich
in welchen es als wünſchenswerth erſcheint daß der Zugscommandant ſtreckenweiſe
ſeine militäriſche Eigenſchaft nicht nach außen ſichtbar werden laſſe; aber dieß recht-
fertigt noch in keiner Weiſe den Vorſchlag wegen dieſer höchſt ſeltenen Fälle von
einem militäriſchen Commando überhaupt abſehen zu wollen. Die Vortheile
welche dasſelbe unläugbar den Spitalzügen nach innen und außen bietet, ſollten
denn doch nicht unberückſichtigt bleiben — um ſo weniger als den geringen Fällen
in denen aus dem Standpunkte der Internationalität oder Neutralität etwa Be-
denken bervorgehen können, leicht anderweitig vorgebeugt zu werden vermöchte.

Wenn dem Zugscommandanten — außer der allgemeinen Ueberwachung
des Zuges — die Führung desſelben an den Beſtimmungsort und zurück, der hie-
durch erforderte Depeſchenwechſel mit den vorgeſetzten Behörden des Inlandes,
ſowie der unmittelbare Verkehr mit den jeweiligen Etappencommandos und
Bahnhof - Inſpectionen, dann auf dem Rückwege die Führung der Verzeichniſſe,
die Aufrechterhaltung der Diſciplin unter den Patienten und die im Benehmen mit
den Aerzten zu erfolgende Evacuation derſelben obliegt, ſo hat der Materialver-
walter die Fürſorge für Verpflegung des kranken und des geſunden Perſonals wäh-
rend der ganzen Dauer der Fahrt im weiteſten Sinne des Wortes zu bethätigen.
Die Leitung der von den Vereinen beigegebenen Pflegekräfte und des von gleicher
Seite beſchafften Küchen- und Dienſtperſonals theilt der Materialverwalter nach
[Spaltenumbruch] Belegung der Betten und Beſetzung der Wagen ſelbſtverſtändlich mit dem dirigi-
renden Arzte. Neben dieſem hatte jeder Zug noch einen oder zwei begleitende
Aerzte und 2 bis 3 Aſſiſtenzärzte. Daß es wünſchenswerth wäre für jeden Spital-
zug auch dieſelben ärztlichen Kräfte, mindeſtens den gleichen Oberarzt, bleibend
zur Verfügung zu haben, bedarf wohl keiner beſondern Hervorhebung. Einmal
würde der öftere und längere Verkehr zwiſchen Arzt, Zugscommandant und Ma-
terialverwalter dieſelben einander näher führen, die Umgränzungen ihrer Wirkungs-
kreiſe klarer abheben als dieß bei einmaliger Fahrt der Fall zu ſein pflegt, und ein
höchſt gedeihliches Zuſammenwirken aller erzielen. Dann aber läßt die erſte An-
ſchauung von manchen Einrichtungen nur eine Seite hervortreten, und erzeugt —
im Zuſammenhalt mit der mißgünſtigen Stimmung zu welcher unvorhergeſehene
Zwiſchenfälle der Fahrt (Stockungen, Umwege u. dgl.) den hieran Nichtgewöhnten
leicht veranlaſſen — mitunter ein hartes Urtheil, das die wiederholte Anſchauung
und Prüfung wohl um ein erbebliches abſchwächen, wenn nicht ganz beſeitigen
würde. Die Hauptſache aber bliebe immerhin daß der ſtändige Arzt mit der gan-
zen Einrichtung und dem vollen Beſtande des Zuges, ſowie mit den hauptſächlich-
ſten Pflegekräften desſelben, dann mit den möglichen Schickſalen der Fahrt nach
allen Richtungen bekannt wäre, und ſo zu ſagen eine Routine gewänne die ebenſo-
ſehr ihm ſelbſt wie den Patienten angenehm und förderlich ſein müßte. Dieſe
Vorzüge ſind — als in der Natur der Sache gelegen — auch in der That durch-
gängig hervorgetreten, je öfter ein und derſelbe Arzt an Spitalzügen theilgenom-
men hatte.

Dieſer allgemeinen Schilderung von den Einrichtungen der bayeriſchen Spi-
talzüge—bezüglich deren eingehender Erörterung und, ſoweit techniſche Verhältniſſe
berührt werden, unübertrefflicher bildlicher Darſtellung auf das in der Titelnote
allegirte ausgezeichnete Werk eines Mitgliedes des Centralausſchuſſes des bayeri-
ſchen Landeshülfsvereins zu verweiſen geſtattet ſein wird — reiht ſich gern die Be-
merkung an: daß die erſten Spitalzüge welche im Feindesland erſchienen aus
Bayern und ſreciell aus München gekommen waren.

Der Kunde von der ruhmreich geſchlagenen Schlacht von Wörth folgte ſchon
am Abend des 7 Aug. 1870 die Entſendung des erſten, am Abende des kommen-
den Tages ungeſäumt die des zweiten Zugs. Im ganzen ſind die drei bayeri-
ſchen Spitalzüge 36mal ausgelaufen. Je drei dienten der Evacuation der Laza-
rethe um Weißenburg-Wörth und Metz; 4 giengen nach Libramont-Sedan und 2
ſuchten nach Abſperrung der belgiſchen Bahnen über Pont-à-Mouſſon und Reims
dahin vorzudringen; 1 nahm in Amiens Verwundete aus der Schlacht von St.
Quentin auf; 1 wurde nach Mülhauſen inſtradirt, um von Belfort her Belegung
zu finden; 19 galten den Verwundeten und Kranken bei Paris, ſowie in und um
Orleans — von dieſen wurde einer (25.) nach Chartres, ein zweiter (26.) nach Le
Mans, ein dritter (28.) nach Orleans dirigirt; ein vierter (31.) paſſirte zur Zeit
des Ausbruches der Unruhen Mitte März die Enceinte von Paris, nahm in Bru-
noy aus den umliegenden Aufnahms - Feldſpitälern Schwerkranke und Recon-
valeſcenten auf, und kehrte über Nuits und Châtillon ſur Seine zurück.

Von den drei letzten Fahrten der bayeriſchen Spitalzüge bezweckten die bei-
den erſten den Rücktransport der noch in Süddeutſchland befindlichen verwundeten
und kranken kriegsgefangenen Franzoſen, der letztere die Verlegung der bayeriſchen
Feldſpitäler aus der erſten in die zweite Occupationszone. Daß auch die auf den
Rücktransport der Gefangenen erwachſenen Koſten ebenſo, wie bei den übrigen
Spitalzügen, von der kgl. Eiſenbahn-Centralcommiſſion und dem Landeshülfs-
verein getragen wurden, bedürfte an ſich keiner beſondern Hervorhebung, wenn
nicht in der Preſſe vielfach gegentheilige Anſchauungen aufgetreten wären. Der
Präſident der Société internationale de secours aux blessés militaires zu Pa-
ris, welcher um die zweitmalige Entſendung eines bayeriſchen Spitalzuges durch
Delegirte gebeten hatte, zollt den bayeriſchen Einrichtungen in einem Brief an das
internationale Comité zu Genf vom 22 Sept. (bulletin international, Genève,
Octobre
1771) vollſte Anerkennung; die Geſellſchaft ließ auch ungeſäumt mehrere
Wagen dieſer Art conſtruiren, um ſie in zukünftigen Kriegen zur Verfügung ſtellen
zu können; während des Friedens ſollen ſie bei Eiſenbahnunfällen Verwendung
finden.

Die beiden letzterwähnten Züge brachten 241 verwundete und kranke Kriegs-
gefangene nach Frankreich zurück; die vorausgegangenen 33 Fahrten dagegen trans-
portirten 8681 Krieger. Die hiernach ſich ergebende Durchſchnittszahl von 263
Mann wurde wiederholt um ein erhebliches überſchritten: ſo weist die erſte Fahrt
560, die 14. 566, die 2. 870 und die 17. ſogar 881 Patienten aus. Die letztere
Fahrt hat einen um ſo bedeutendern Erfolg zu verzeichnen, als die Belegung hier
direct von den Schlachtfeldern Brie und Champigny bewerkſtelligt wurde; die
große Anzahl und der Zuſtand der Aufgenommenen erheiſchte bei dieſem Zug auf
Seiten des ärztlichen und des pflegenden Perſonals eine Anſtrengung der Kräfte
und eine Bethätigung von Opferwilligkeit wie ſie in gleichem Grade wohl niemals
ſonſt gefordert ward. Die Patienten der Züge wurden der überwiegenden Mehr-
zahl nach an bayeriſche Spitäler, insbeſondere an Vereinsſpitäler, welche unmittelbar
an den Bahnlinien oder doch denſelben nahe lagen, abgegeben; es erfolgten aber
auch wiederholt größere Evacuationen in außerbayeriſche Spitäler, ſo namentlich
Stuttgart Halle, Wiesbaden, Hamburg, Düſſeldorf, Oldenburg, Neuwied, Hom-
burg, Darmſtadt und Mühlhauſen in Thüringen. Soweit die Belegung bayeriſcher
Spitäler in Frage ſtand, erhielt der Zugscommandant ſchon vor dem Eintritt in
das Inland, welcher abwechslungsweiſe über Ulm und Würzburg geſchah, ein
Verzeichniß jener Spitäler welche zur Entgegennahme bereitſtanden, mit genauer
Angabe der Anzahl der unbelegten Betten und der Qualification der einzelnen
Lazarethe, ob dieſelben nämlich zur Aufnahme Schwerverwundeter, Leichtverwun-
deter oder Kranker geeignet und bereit ſeien.

Möge es geglückt ſein in vorſtehendem ein gedrängtes Bild der trefflichen
Einrichtung und der reichen Thätigkeit der bayeriſchen Spitalzüge entworfen zu
haben, welches auch dieſer Abtheilung der Krankenpflege in weitern Kreiſen die
wohlverdiente Anerkennung ſichert, und in einzelnen Punkten die Anregung zu
Verbeſſerungen bietet für etwaige künftige Bedürfnißfälle — welche Gott verhüten
wolle!



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[211/0003] Belegung ermöglicht eine bleibende Reinhaltung der Luft. Die unter den Bett- geſtellpſoſten angebrachten Federn paralyfiren nach den übereinſtimmenden Berich- ten der Aerzte jeden Stoß, jede Erſchütterung vollſtändig; das Fahren ſelbſt ver- urſacht ſomit nicht den mindeſten Schmerz; es findet nur ein leiſes, kaum bemerk- bares Wiegen ſtatt, das aber, da die Schwingungen vollkommen gleichmäßig den ganzen Körper treffen, eher wohlthuend wirkt als die entgegengeſetzte Folge zu er- zeugen vermag. 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Wenn die Spitalzüge ihrer erſten Beſtimmung nach zunächſt nur den Rücktransport der Opfer der einzelnen Gefechte und Schlachten im Auge haben, ſo kann doch jeder Feldzug periodenweiſe die Aufgabe faſt ausſchließlicher Evacua- tion Schwerkranker herbeiführen; dieß fiel z. B. ganz beſonders einer Fahrt, der 31ſten, der bayeriſchen Spitalzüge zu. Neben der zweckentſprechenden techniſchen Einrichtung und der ſorgfältigſten Ausrüſtung mit Depot-Gegenſtänden aller Art ſteht obenan die Beigabe eines mög- lichſt geſchulten und aufopferungsfähigen Warteperſonals. Als die erſten Spital- züge München und Würzburg verließen, waren dieſelben von männlichen Wärtern begleitet. Der freiwillig ausziehende Theil derſelben — meiſt Studierende der Landesuniverfitäten — wurde alsbald durch die Fortſetzung der Studien an weiterer derartiger Bethätigung vaterländiſchen Sinnes behindert; hinſichtlich der bezahlten Wärter aber trat — ſo tüchtig und zuverläſſig auch eine große Anzahl derſelben war — doch mehrfach zu Tage daß ſie nicht die Neigung und der Beruf zur Kranken- pflege allein in Feindesland führte. Der bayeriſche Landeshülfsverein wandte ſich daher neuerdings an jene heiligen Stätten von welchen aus der freiwilligen Kran- kenpflege ſeit Beginn des Krieges die größten und dankenswertheſten Opfer gebracht worden waren. Mitglieder geiſtlicher Orden und Genoſſenſchaften wetteiferten in Bälde — wie auf den Schlachtfeldern und in den Spitälern von Feindes- und Freundesland — ſo auch auf dieſem Gebiet in nie ermüdender und ſich ſelbſt ver- geſſender Linderung der Leiden des Krieges. Elf Fahrten wurden von Schweſtern des Mutterhauſes der barmherzigen Schweſtern zu München, ſechs von Schweſtern der Congregation der armen Franciscanerinnen zu Mallersdorf, fünf von Schwe- ſtern des Ordens der Töchter des göttlichen Erlöſers zu München, drei von Schwe- ſtern des Mutterhauſes der Töchter des göttlichen Erlöſers zu Würzburg, zwei von Schweſtern des evangeliſchen Diakonifſenhauſes zu Neuendettelsau, eine von Schwe- ſtern des Mutterhauſes der barmherzigen Schweſtern zu Augsburg und von Schwe- ſtern der Marienanſtalt zu München begleitet. 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Allerdings ſind Lagen möglich in welchen es als wünſchenswerth erſcheint daß der Zugscommandant ſtreckenweiſe ſeine militäriſche Eigenſchaft nicht nach außen ſichtbar werden laſſe; aber dieß recht- fertigt noch in keiner Weiſe den Vorſchlag wegen dieſer höchſt ſeltenen Fälle von einem militäriſchen Commando überhaupt abſehen zu wollen. Die Vortheile welche dasſelbe unläugbar den Spitalzügen nach innen und außen bietet, ſollten denn doch nicht unberückſichtigt bleiben — um ſo weniger als den geringen Fällen in denen aus dem Standpunkte der Internationalität oder Neutralität etwa Be- denken bervorgehen können, leicht anderweitig vorgebeugt zu werden vermöchte. Wenn dem Zugscommandanten — außer der allgemeinen Ueberwachung des Zuges — die Führung desſelben an den Beſtimmungsort und zurück, der hie- durch erforderte Depeſchenwechſel mit den vorgeſetzten Behörden des Inlandes, ſowie der unmittelbare Verkehr mit den jeweiligen Etappencommandos und Bahnhof - Inſpectionen, dann auf dem Rückwege die Führung der Verzeichniſſe, die Aufrechterhaltung der Diſciplin unter den Patienten und die im Benehmen mit den Aerzten zu erfolgende Evacuation derſelben obliegt, ſo hat der Materialver- walter die Fürſorge für Verpflegung des kranken und des geſunden Perſonals wäh- rend der ganzen Dauer der Fahrt im weiteſten Sinne des Wortes zu bethätigen. Die Leitung der von den Vereinen beigegebenen Pflegekräfte und des von gleicher Seite beſchafften Küchen- und Dienſtperſonals theilt der Materialverwalter nach Belegung der Betten und Beſetzung der Wagen ſelbſtverſtändlich mit dem dirigi- renden Arzte. Neben dieſem hatte jeder Zug noch einen oder zwei begleitende Aerzte und 2 bis 3 Aſſiſtenzärzte. Daß es wünſchenswerth wäre für jeden Spital- zug auch dieſelben ärztlichen Kräfte, mindeſtens den gleichen Oberarzt, bleibend zur Verfügung zu haben, bedarf wohl keiner beſondern Hervorhebung. Einmal würde der öftere und längere Verkehr zwiſchen Arzt, Zugscommandant und Ma- terialverwalter dieſelben einander näher führen, die Umgränzungen ihrer Wirkungs- kreiſe klarer abheben als dieß bei einmaliger Fahrt der Fall zu ſein pflegt, und ein höchſt gedeihliches Zuſammenwirken aller erzielen. Dann aber läßt die erſte An- ſchauung von manchen Einrichtungen nur eine Seite hervortreten, und erzeugt — im Zuſammenhalt mit der mißgünſtigen Stimmung zu welcher unvorhergeſehene Zwiſchenfälle der Fahrt (Stockungen, Umwege u. dgl.) den hieran Nichtgewöhnten leicht veranlaſſen — mitunter ein hartes Urtheil, das die wiederholte Anſchauung und Prüfung wohl um ein erbebliches abſchwächen, wenn nicht ganz beſeitigen würde. Die Hauptſache aber bliebe immerhin daß der ſtändige Arzt mit der gan- zen Einrichtung und dem vollen Beſtande des Zuges, ſowie mit den hauptſächlich- ſten Pflegekräften desſelben, dann mit den möglichen Schickſalen der Fahrt nach allen Richtungen bekannt wäre, und ſo zu ſagen eine Routine gewänne die ebenſo- ſehr ihm ſelbſt wie den Patienten angenehm und förderlich ſein müßte. Dieſe Vorzüge ſind — als in der Natur der Sache gelegen — auch in der That durch- gängig hervorgetreten, je öfter ein und derſelbe Arzt an Spitalzügen theilgenom- men hatte. Dieſer allgemeinen Schilderung von den Einrichtungen der bayeriſchen Spi- talzüge—bezüglich deren eingehender Erörterung und, ſoweit techniſche Verhältniſſe berührt werden, unübertrefflicher bildlicher Darſtellung auf das in der Titelnote allegirte ausgezeichnete Werk eines Mitgliedes des Centralausſchuſſes des bayeri- ſchen Landeshülfsvereins zu verweiſen geſtattet ſein wird — reiht ſich gern die Be- merkung an: daß die erſten Spitalzüge welche im Feindesland erſchienen aus Bayern und ſreciell aus München gekommen waren. Der Kunde von der ruhmreich geſchlagenen Schlacht von Wörth folgte ſchon am Abend des 7 Aug. 1870 die Entſendung des erſten, am Abende des kommen- den Tages ungeſäumt die des zweiten Zugs. Im ganzen ſind die drei bayeri- ſchen Spitalzüge 36mal ausgelaufen. Je drei dienten der Evacuation der Laza- rethe um Weißenburg-Wörth und Metz; 4 giengen nach Libramont-Sedan und 2 ſuchten nach Abſperrung der belgiſchen Bahnen über Pont-à-Mouſſon und Reims dahin vorzudringen; 1 nahm in Amiens Verwundete aus der Schlacht von St. Quentin auf; 1 wurde nach Mülhauſen inſtradirt, um von Belfort her Belegung zu finden; 19 galten den Verwundeten und Kranken bei Paris, ſowie in und um Orleans — von dieſen wurde einer (25.) nach Chartres, ein zweiter (26.) nach Le Mans, ein dritter (28.) nach Orleans dirigirt; ein vierter (31.) paſſirte zur Zeit des Ausbruches der Unruhen Mitte März die Enceinte von Paris, nahm in Bru- noy aus den umliegenden Aufnahms - Feldſpitälern Schwerkranke und Recon- valeſcenten auf, und kehrte über Nuits und Châtillon ſur Seine zurück. Von den drei letzten Fahrten der bayeriſchen Spitalzüge bezweckten die bei- den erſten den Rücktransport der noch in Süddeutſchland befindlichen verwundeten und kranken kriegsgefangenen Franzoſen, der letztere die Verlegung der bayeriſchen Feldſpitäler aus der erſten in die zweite Occupationszone. Daß auch die auf den Rücktransport der Gefangenen erwachſenen Koſten ebenſo, wie bei den übrigen Spitalzügen, von der kgl. Eiſenbahn-Centralcommiſſion und dem Landeshülfs- verein getragen wurden, bedürfte an ſich keiner beſondern Hervorhebung, wenn nicht in der Preſſe vielfach gegentheilige Anſchauungen aufgetreten wären. Der Präſident der Société internationale de secours aux blessés militaires zu Pa- ris, welcher um die zweitmalige Entſendung eines bayeriſchen Spitalzuges durch Delegirte gebeten hatte, zollt den bayeriſchen Einrichtungen in einem Brief an das internationale Comité zu Genf vom 22 Sept. (bulletin international, Genève, Octobre 1771) vollſte Anerkennung; die Geſellſchaft ließ auch ungeſäumt mehrere Wagen dieſer Art conſtruiren, um ſie in zukünftigen Kriegen zur Verfügung ſtellen zu können; während des Friedens ſollen ſie bei Eiſenbahnunfällen Verwendung finden. Die beiden letzterwähnten Züge brachten 241 verwundete und kranke Kriegs- gefangene nach Frankreich zurück; die vorausgegangenen 33 Fahrten dagegen trans- portirten 8681 Krieger. Die hiernach ſich ergebende Durchſchnittszahl von 263 Mann wurde wiederholt um ein erhebliches überſchritten: ſo weist die erſte Fahrt 560, die 14. 566, die 2. 870 und die 17. ſogar 881 Patienten aus. Die letztere Fahrt hat einen um ſo bedeutendern Erfolg zu verzeichnen, als die Belegung hier direct von den Schlachtfeldern Brie und Champigny bewerkſtelligt wurde; die große Anzahl und der Zuſtand der Aufgenommenen erheiſchte bei dieſem Zug auf Seiten des ärztlichen und des pflegenden Perſonals eine Anſtrengung der Kräfte und eine Bethätigung von Opferwilligkeit wie ſie in gleichem Grade wohl niemals ſonſt gefordert ward. Die Patienten der Züge wurden der überwiegenden Mehr- zahl nach an bayeriſche Spitäler, insbeſondere an Vereinsſpitäler, welche unmittelbar an den Bahnlinien oder doch denſelben nahe lagen, abgegeben; es erfolgten aber auch wiederholt größere Evacuationen in außerbayeriſche Spitäler, ſo namentlich Stuttgart Halle, Wiesbaden, Hamburg, Düſſeldorf, Oldenburg, Neuwied, Hom- burg, Darmſtadt und Mühlhauſen in Thüringen. Soweit die Belegung bayeriſcher Spitäler in Frage ſtand, erhielt der Zugscommandant ſchon vor dem Eintritt in das Inland, welcher abwechslungsweiſe über Ulm und Würzburg geſchah, ein Verzeichniß jener Spitäler welche zur Entgegennahme bereitſtanden, mit genauer Angabe der Anzahl der unbelegten Betten und der Qualification der einzelnen Lazarethe, ob dieſelben nämlich zur Aufnahme Schwerverwundeter, Leichtverwun- deter oder Kranker geeignet und bereit ſeien. Möge es geglückt ſein in vorſtehendem ein gedrängtes Bild der trefflichen Einrichtung und der reichen Thätigkeit der bayeriſchen Spitalzüge entworfen zu haben, welches auch dieſer Abtheilung der Krankenpflege in weitern Kreiſen die wohlverdiente Anerkennung ſichert, und in einzelnen Punkten die Anregung zu Verbeſſerungen bietet für etwaige künftige Bedürfnißfälle — welche Gott verhüten wolle!

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 15. Januar 1872, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine15_1872/3>, abgerufen am 24.11.2024.