Allgemeine Zeitung, Nr. 161, 9. Juni 1860.hergestellt war, vergaß man die herbe Mahnung (wenigstens in vielen Fällen) Der bürgerliche Statthalter in Oberöfterreich wurde nach gut verrich- Daß Hr. Fischer em mit Kraft und Geschick geführtes Steuer nicht ganz Nicht was Hr. Fischer in Oberösterreich gethan, sondern wie er es ge- Zeit und Fortschritt haben im heidnischen Alterthum die Orakel stumm Um eine Provinz gut und gedeihlich zu verwalten, wäre nach der Meinung Maximen wie diese waren in Oesterreich ziemlich neu; besonders aber Hr. Fischer weiß recht gut daß man nicht von jedem Adeligen die Talente Indessen weiß jedermann daß diese Vorurtheile in Oesterreich über kurz Herr Fischer wehrt sich gegen die ungerechten Vorwürfe seiner Gegner, Das statistische Gemälde der wegen ihrer fleißigen und anstelligen Land- Dr. Fischers Apologie ist ein wahrhaft staatmännisches Vademecum, wel- Wenn Hr. Fischer behauptet: das Leben ruhe nicht, die menschliche Ge- In Ungarn z. B. möchte Hr. Fischer, gegen die in Wien (zum Theil) Selbst mit der liberalen Studienordnung des Revolutionsjahres 1848 Italien. [] Neapel, 1 Jun. Das officielle Journal, statt von Palermo zu weglassen, da wir bereits darüber näheres wissen.) Neueste Posten. Berlin, 7 Jun. Der Prinz-Regent und der Prinz Friedrich Wilhelm *) Man hat doch der Beispiele genug wie auch in Oesterreich die bürgerlichen Namen (Bach unter anderen, den Fischer stets Freund genannt hatte), einen sehr hervorragenden Rang einnahmen. **) Die nicht gewußt zu haben scheinen daß Fürst Metternich und alle Minister
nach ihm ganz tüchtig arbeiteten. Wir erinnern nur an Ficquelmont, Wessen- berg, Schwarzenberg, Stadion, Thun aus den aristokratischen Kreisen, und an Kübeck, Kraus, Schmerling, Bruck, Bach, die aus dem Bürgerthum sich erhoben und Arbeit gewiß nicht verschmäht haben. hergeſtellt war, vergaß man die herbe Mahnung (wenigſtens in vielen Fällen) Der bürgerliche Statthalter in Oberöfterreich wurde nach gut verrich- Daß Hr. Fiſcher em mit Kraft und Geſchick geführtes Steuer nicht ganz Nicht was Hr. Fiſcher in Oberöſterreich gethan, ſondern wie er es ge- Zeit und Fortſchritt haben im heidniſchen Alterthum die Orakel ſtumm Um eine Provinz gut und gedeihlich zu verwalten, wäre nach der Meinung Maximen wie dieſe waren in Oeſterreich ziemlich neu; beſonders aber Hr. Fiſcher weiß recht gut daß man nicht von jedem Adeligen die Talente Indeſſen weiß jedermann daß dieſe Vorurtheile in Oeſterreich über kurz Herr Fiſcher wehrt ſich gegen die ungerechten Vorwürfe ſeiner Gegner, Das ſtatiſtiſche Gemälde der wegen ihrer fleißigen und anſtelligen Land- Dr. Fiſchers Apologie iſt ein wahrhaft ſtaatmänniſches Vademecum, wel- Wenn Hr. Fiſcher behauptet: das Leben ruhe nicht, die menſchliche Ge- In Ungarn z. B. möchte Hr. Fiſcher, gegen die in Wien (zum Theil) Selbſt mit der liberalen Studienordnung des Revolutionsjahres 1848 Italien. [⌗] Neapel, 1 Jun. Das officielle Journal, ſtatt von Palermo zu weglaſſen, da wir bereits darüber näheres wiſſen.) Neueſte Poſten. Berlin, 7 Jun. Der Prinz-Regent und der Prinz Friedrich Wilhelm *) Man hat doch der Beiſpiele genug wie auch in Oeſterreich die bürgerlichen Namen (Bach unter anderen, den Fiſcher ſtets Freund genannt hatte), einen ſehr hervorragenden Rang einnahmen. **) Die nicht gewußt zu haben ſcheinen daß Fürſt Metternich und alle Miniſter
nach ihm ganz tüchtig arbeiteten. Wir erinnern nur an Ficquelmont, Weſſen- berg, Schwarzenberg, Stadion, Thun aus den ariſtokratiſchen Kreiſen, und an Kübeck, Kraus, Schmerling, Bruck, Bach, die aus dem Bürgerthum ſich erhoben und Arbeit gewiß nicht verſchmäht haben. <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jFeuilleton" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0012" n="2692"/> hergeſtellt war, vergaß man die herbe Mahnung (wenigſtens in vielen Fällen)<lb/> bald wieder, und kehrte zur alten Praxis zurück.<note place="foot" n="*)">Man hat doch der Beiſpiele genug wie auch in Oeſterreich die bürgerlichen<lb/> Namen (Bach unter anderen, den Fiſcher ſtets Freund genannt hatte), einen<lb/> ſehr hervorragenden Rang einnahmen.</note></p><lb/> <p>Der bürgerliche Statthalter in Oberöfterreich wurde nach gut verrich-<lb/> tetem Tagwerk von der wieder am Ruder ſitzenden Reaction nicht geradezu<lb/> weggeſchickt, aber es wurden Anſtalten getroffen daß er ſelber gieng, und von<lb/> ſeiner hohen, mit ſtaatsmänniſchem Geſchick verwalteten Stellung freiwillig<lb/> herabſtieg, um allmählich wieder in den Privatſtand zurückzutreten, aus wel-<lb/> chem ihn die Noth der Zeiten herausgeriſſen hatte.</p><lb/> <p>Daß Hr. Fiſcher em mit Kraft und Geſchick geführtes Steuer nicht ganz<lb/> ohne Empfindlichkeit aus der Hand ließ, und nicht ohne Berdruß aus ſeiner<lb/> blühenden Schöpfung weggezogen iſt, darf man bei aller Uneigennützigkeit<lb/> und Sitteneinfachheit des Mannes doch wohl vorausſetzen, fintemal ſchon in<lb/> in den Denkwürdigkeiten des weiſen Ritters von la Mancha geſchrieben ſteht:<lb/> „Wer einmal die Süßigkeiten der Gewaltübung gekoſtet hat will ſie nicht mehr<lb/> miſſen.“</p><lb/> <p>Nicht <hi rendition="#g">was</hi> Hr. Fiſcher in Oberöſterreich gethan, ſondern <hi rendition="#g">wie</hi> er es ge-<lb/> than, hat Anſtoß gegeben, und von Seiten der Anhänger des alten Syſtems<lb/> den Vorwurf provocirt: er „vergemeinere“ das Regiment, ſchwätze gleichſam<lb/> aus der Schule, und profanire durch ihre Auslieferung an die Menge die<lb/> eleuſiniſchen Myſterien der Regierungskunſt. Die Tadler haben nur ver-<lb/> geſſen daß <hi rendition="#g">human</hi> und <hi rendition="#g">gemein</hi> nicht ſynonyme Begriffe ſind, und daß die<lb/> Aufgabe das ſchöne Oberöſterreich zur bürgerlichen Ordnung und Glückſelig-<lb/> keit zurückzuführen damals in keiner andern Weiſe zu löſen war, als auf dem<lb/> Wege welchen Hr. 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Und um dieſe Vorbedingung geſunder Verwaltung<lb/> vollſtändig zu erſüllen, ſey faſt gegen alle frühere Praxis <hi rendition="#g">perſönlicher</hi> Ver-<lb/> kehr mit den Regierten von unerläßlicher Nothwendigkeit, und folglich gilt<lb/> Hrn. Fiſcher in Vollziehung der Geſetze nicht polizeilicher Zwang, ſondern das<lb/> auf Einſicht und Rechtlichkeit geſtellte Vertrauen der Bevölkerung als erſte<lb/> und wirkſamſte Macht.</p><lb/> <p>Maximen wie dieſe waren in Oeſterreich ziemlich neu; beſonders aber<lb/> erregte die Zumuthung daß zur Förderung der allgemeinen Wohlfahrt des<lb/> Volks ſowie des Geſammtreichs die höchſtgeſtellten Beamten nicht bloß, wie<lb/> bisher, <hi rendition="#g">repräſentiren,</hi> ſondern perſönlich <hi rendition="#g">arbeiten</hi> ſollen, in jenen eng-<lb/> herzigea Conventikeln<note place="foot" n="**)">Die nicht gewußt zu haben ſcheinen daß Fürſt Metternich und alle Miniſter<lb/> nach ihm ganz tüchtig arbeiteten. Wir erinnern nur an Ficquelmont, Weſſen-<lb/> berg, Schwarzenberg, Stadion, Thun aus den ariſtokratiſchen Kreiſen, und an<lb/> Kübeck, Kraus, Schmerling, Bruck, Bach, die aus dem Bürgerthum ſich<lb/> erhoben und Arbeit gewiß nicht verſchmäht haben.</note> allgemeine Entrüſtung.</p><lb/> <p>Hr. Fiſcher weiß recht gut daß man nicht von jedem Adeligen die Talente<lb/> eines Stadion oder das Genie eines Schwarzenberg verlangen kann. Hr.<lb/> Fiſcher will nur das Princip zerſtören welches der hochgebornen Fain<hi rendition="#aq">é</hi>antiſe<lb/> zum größten Nachtheil der Monarchie eine privilegirte Stellung gibt. Nichts<lb/> thun und doch geehrt und bevorzugt ſeyn, iſt ein ſo ſüßes und ich möchte ſagen<lb/> naturgemäßes Gefühl, daß man es den Leuten gar nicht übel nehmen kann,<lb/> wenn ſie ſich gegen eine Neuerung ſträuben welche die Noth und die Sorge<lb/> des gemeinen Lebens in ihre Prunkſäle verpflanzen will.</p><lb/> <p>Indeſſen weiß jedermann daß dieſe Vorurtheile in Oeſterreich über kurz<lb/> oder lang doch verſchwinden müſſen, und Hr. Fiſcher hat nur im Sinn den<lb/> Regierungen voraus die zwar hie und da unwillkommenen, aber allein praktiſch<lb/> erprobten Mittel an die Hand zu geben: wie man den unwiderſtehlichen<lb/> Nöthigungen der Zeit gerecht werden und doch das eigene Daſeyn dauernd<lb/> ſichern kann.</p><lb/> <p>Herr Fiſcher wehrt ſich gegen die ungerechten Vorwürfe ſeiner Gegner,<lb/> und vertheidigt in der vorliegenden Denkſchrift ſeine Verwaltungsmaximen ſo<lb/> einfach, energiſch und klar, daß er vor ſeinen Zeitgenoſſen vollkommen gerecht-<lb/> fertigt daſteht, und hinfüro nicht bloß als ein Mann von Bedeutung im Fach<lb/> der Adminiſtration, ſondern als eine der geeignetſten Perſönlichkeiten gelten<lb/> muß um die in Oeſterreich unvermeidlich hereinbrechende neue Ordnung der<lb/> Dinge einführen und nach beſtem Vermögen befeſtigen zu helfen.</p><lb/> <p>Das ſtatiſtiſche Gemälde der wegen ihrer fleißigen und anſtelligen Land-<lb/> bevölkerung wohlbekannten Provinz Oberöſterreich iſt nicht bloß ein weſent-<lb/> licher Theil der Apologie, es iſt ein wahres Muſterſtück für Aufgaben dieſer<lb/> Art, und es wäre für die oberſte Gewalt gewiß kein Nachtheil wenn ihr von<lb/> allen Landſchaften des weiten Reichs ſo wahrheitsgetreue und geiſtvolle Ana-<lb/> lyſen zu Gebote ſtünden.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">Dr.</hi> Fiſchers Apologie iſt ein wahrhaft ſtaatmänniſches Vademecum, wel-<lb/> ches Regierungen und hochgeſtellte Beamte nicht überſehen ſollen.</p><lb/> <p>Wenn Hr. 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Fiſcher iſt viel zu praktiſch und<lb/> viel zu nüchtern, um nicht zu wiſſen daß man das Mannichfaltige, das Viele<lb/> und das Jahrhunderte lang Getrennte auf Wegen der Logik oder der Admi-<lb/> niſtration und der Laune nicht plötzlich zur Einheit verſchmelzen kann, und<lb/> daß dieſem politiſchen Proceß überall Legionen, Cäſaren, eilfte Ludwige und<lb/> Cardinäle Richelieu vorausgehen müſſen.</p><lb/> <p>In Ungarn z. B. möchte Hr. Fiſcher, gegen die in Wien (zum Theil)<lb/> geltende Anſicht, die eigene Cultur aus dem Volke ſich entwickeln laſſen, und<lb/> dieſe ungariſche Nationalcultur dann allmählich mit der deutſchen vermitteln,<lb/> nicht aber das brillante Reitervolk mit Gewalt germaniſiren.</p><lb/> <p>Selbſt mit der liberalen Studienordnung des Revolutionsjahres 1848<lb/> iſt der Verfaſſer nicht ganz einverſtanden. Es ſey zwar notoriſch daß in<lb/> Oeſterreich während des alten Syſtems die ſpeculativen Wiſſenſchaften nicht<lb/> gepflegt, vielmehr als ſtaatsgefährlich geſcheut, vernachläſſigt, bureaukratiſch<lb/> niedergehalten und einige derſelben ſogar proſcribirt wurden; aber nach ſer-<lb/> folgtem Umſchwung habe man alles Alte, wenn auch gut, ohne Unterſchied<lb/> verworfen und in der Neuerungsfurie alles überſtürzt. Der kühle und mathe-<lb/> matiſch correcte <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Fiſcher, ſcheint es, könnte ſelbſt am Teufel noch etwas<lb/> gutes entdecken. Dafür wurde aber auch während ſeiner Amtsführung in<lb/> Oberöſterreich geleiſtet und vollbracht was andere zu leiſten und zu voll-<lb/> bringen nicht vermochten. Nur damit man ſeinem Beiſpiel folge und ſich in<lb/> Oeſterreich nach und nach ein Kern intelligenter, wohlwollender und politiſch-<lb/> liberal durchgebildeter Großbeamten bilde, hat Hr. Fiſcher ſein Statthalter-<lb/> Manual bekannt gemacht. Berechnet iſt es freilich mehr auf die nächſte Zu-<lb/> kunft als auf die Gegenwart. Denn ſolange man in Wien noch ſo ſehr am<lb/> Princip der Bevormundung feſthalte, Selfgovernment und autonome Pro-<lb/> vincialverfaſſung nur dem Namen nach kenne, ſo lange, glaubt Hr. Fiſcher,<lb/> vermöge in Oeſterreich ein Statthalter nichts, und brauche man keine poli-<lb/> tiſchen Männer an der Spitze der Provinzen. Hoffen wir daß auch dieß<lb/> anders werde!</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><supplied>⌗</supplied><hi rendition="#b">Neapel,</hi> 1 Jun.</dateline><lb/> <p>Das officielle Journal, ſtatt von Palermo zu<lb/> ſprechen, erzählt ſeinen Leſern ein langes und breites von öffentlichen Bauten<lb/> in feſtländiſchen Provinzen. Wir wiſſen nur daß jede Verbindung mit Sici-<lb/> lien ſeit zwei Tagen aufgehört hat. 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hergeſtellt war, vergaß man die herbe Mahnung (wenigſtens in vielen Fällen)
bald wieder, und kehrte zur alten Praxis zurück. *)
Der bürgerliche Statthalter in Oberöfterreich wurde nach gut verrich-
tetem Tagwerk von der wieder am Ruder ſitzenden Reaction nicht geradezu
weggeſchickt, aber es wurden Anſtalten getroffen daß er ſelber gieng, und von
ſeiner hohen, mit ſtaatsmänniſchem Geſchick verwalteten Stellung freiwillig
herabſtieg, um allmählich wieder in den Privatſtand zurückzutreten, aus wel-
chem ihn die Noth der Zeiten herausgeriſſen hatte.
Daß Hr. Fiſcher em mit Kraft und Geſchick geführtes Steuer nicht ganz
ohne Empfindlichkeit aus der Hand ließ, und nicht ohne Berdruß aus ſeiner
blühenden Schöpfung weggezogen iſt, darf man bei aller Uneigennützigkeit
und Sitteneinfachheit des Mannes doch wohl vorausſetzen, fintemal ſchon in
in den Denkwürdigkeiten des weiſen Ritters von la Mancha geſchrieben ſteht:
„Wer einmal die Süßigkeiten der Gewaltübung gekoſtet hat will ſie nicht mehr
miſſen.“
Nicht was Hr. Fiſcher in Oberöſterreich gethan, ſondern wie er es ge-
than, hat Anſtoß gegeben, und von Seiten der Anhänger des alten Syſtems
den Vorwurf provocirt: er „vergemeinere“ das Regiment, ſchwätze gleichſam
aus der Schule, und profanire durch ihre Auslieferung an die Menge die
eleuſiniſchen Myſterien der Regierungskunſt. Die Tadler haben nur ver-
geſſen daß human und gemein nicht ſynonyme Begriffe ſind, und daß die
Aufgabe das ſchöne Oberöſterreich zur bürgerlichen Ordnung und Glückſelig-
keit zurückzuführen damals in keiner andern Weiſe zu löſen war, als auf dem
Wege welchen Hr. Fiſcher einzuſchlagen für nöthig gefunden hat.
Zeit und Fortſchritt haben im heidniſchen Alterthum die Orakel ſtumm
gemacht, in unſern Tagen aber hat dieſelbe Kraft alles Regiment ſäculariſirt.
Heute führen nur Verſtand, „Phiegma“ und kluge Energie zum erwünſchten
Ziel.
Um eine Provinz gut und gedeihlich zu verwalten, wäre nach der Meinung
des Verfaſſers Terränkenntniß das erſte Bedürfniß, d. h. der Regierungschef
müßte ſich vor allem eine vollſtändige und erſchöpfende Einſicht in die Natur
des ſeiner Sorge anvertrauten Landes und ſeiner agronomiſchen Verhältniſſe
erwerben, dann ſich vom Charakter der Bevölkerung, von ihren Sitten, Ge-
wohnheiten, geiſtigen Anlagen, Bedürfniſſen und ſocialen Beſtänden aufs
genaueſte unterrichten. Und um dieſe Vorbedingung geſunder Verwaltung
vollſtändig zu erſüllen, ſey faſt gegen alle frühere Praxis perſönlicher Ver-
kehr mit den Regierten von unerläßlicher Nothwendigkeit, und folglich gilt
Hrn. Fiſcher in Vollziehung der Geſetze nicht polizeilicher Zwang, ſondern das
auf Einſicht und Rechtlichkeit geſtellte Vertrauen der Bevölkerung als erſte
und wirkſamſte Macht.
Maximen wie dieſe waren in Oeſterreich ziemlich neu; beſonders aber
erregte die Zumuthung daß zur Förderung der allgemeinen Wohlfahrt des
Volks ſowie des Geſammtreichs die höchſtgeſtellten Beamten nicht bloß, wie
bisher, repräſentiren, ſondern perſönlich arbeiten ſollen, in jenen eng-
herzigea Conventikeln **) allgemeine Entrüſtung.
Hr. Fiſcher weiß recht gut daß man nicht von jedem Adeligen die Talente
eines Stadion oder das Genie eines Schwarzenberg verlangen kann. Hr.
Fiſcher will nur das Princip zerſtören welches der hochgebornen Fainéantiſe
zum größten Nachtheil der Monarchie eine privilegirte Stellung gibt. Nichts
thun und doch geehrt und bevorzugt ſeyn, iſt ein ſo ſüßes und ich möchte ſagen
naturgemäßes Gefühl, daß man es den Leuten gar nicht übel nehmen kann,
wenn ſie ſich gegen eine Neuerung ſträuben welche die Noth und die Sorge
des gemeinen Lebens in ihre Prunkſäle verpflanzen will.
Indeſſen weiß jedermann daß dieſe Vorurtheile in Oeſterreich über kurz
oder lang doch verſchwinden müſſen, und Hr. Fiſcher hat nur im Sinn den
Regierungen voraus die zwar hie und da unwillkommenen, aber allein praktiſch
erprobten Mittel an die Hand zu geben: wie man den unwiderſtehlichen
Nöthigungen der Zeit gerecht werden und doch das eigene Daſeyn dauernd
ſichern kann.
Herr Fiſcher wehrt ſich gegen die ungerechten Vorwürfe ſeiner Gegner,
und vertheidigt in der vorliegenden Denkſchrift ſeine Verwaltungsmaximen ſo
einfach, energiſch und klar, daß er vor ſeinen Zeitgenoſſen vollkommen gerecht-
fertigt daſteht, und hinfüro nicht bloß als ein Mann von Bedeutung im Fach
der Adminiſtration, ſondern als eine der geeignetſten Perſönlichkeiten gelten
muß um die in Oeſterreich unvermeidlich hereinbrechende neue Ordnung der
Dinge einführen und nach beſtem Vermögen befeſtigen zu helfen.
Das ſtatiſtiſche Gemälde der wegen ihrer fleißigen und anſtelligen Land-
bevölkerung wohlbekannten Provinz Oberöſterreich iſt nicht bloß ein weſent-
licher Theil der Apologie, es iſt ein wahres Muſterſtück für Aufgaben dieſer
Art, und es wäre für die oberſte Gewalt gewiß kein Nachtheil wenn ihr von
allen Landſchaften des weiten Reichs ſo wahrheitsgetreue und geiſtvolle Ana-
lyſen zu Gebote ſtünden.
Dr. Fiſchers Apologie iſt ein wahrhaft ſtaatmänniſches Vademecum, wel-
ches Regierungen und hochgeſtellte Beamte nicht überſehen ſollen.
Wenn Hr. Fiſcher behauptet: das Leben ruhe nicht, die menſchliche Ge-
ſellſchaft ſey in beſtändiger Bewegung, der Trieb nach geiſtiger und materieller
Verbeſſerung dringe bis in die unterſten Volksclaſſen und erſchwere das Re-
giment, ſo iſt er offenbar ein Mann des Fortſchritts; aber er iſt es im nüch-
ternen, geſetzlichen, zeitgemäßen Sinn. Und doch wird Hr. Fiſcher in ſeiner Apo-
logie den alles überſtürzenden Progreſſiſten ſeines eigenen Landes nicht genügen;
er wird ihnen überall zu geſetz- und ordnungliebend, zu gründlich, zu froſtig,
zu conſervativ, zu klerusfreundlich und beſonders zu dynaſtiſch vorkommen,
weil allen ſeinen Verwaltungsreformen eigentlich doch die Theſis zu Grunde
liegt: ###, „Einer ſoll Herr, Einer ſoll König
ſeyn.“ Deßwegen iſt aber Hr. Fiſcher noch nicht der Einſtaatswuth verfal-
len und ein adminiſtrativer Nivelleur. Hr. Fiſcher iſt viel zu praktiſch und
viel zu nüchtern, um nicht zu wiſſen daß man das Mannichfaltige, das Viele
und das Jahrhunderte lang Getrennte auf Wegen der Logik oder der Admi-
niſtration und der Laune nicht plötzlich zur Einheit verſchmelzen kann, und
daß dieſem politiſchen Proceß überall Legionen, Cäſaren, eilfte Ludwige und
Cardinäle Richelieu vorausgehen müſſen.
In Ungarn z. B. möchte Hr. Fiſcher, gegen die in Wien (zum Theil)
geltende Anſicht, die eigene Cultur aus dem Volke ſich entwickeln laſſen, und
dieſe ungariſche Nationalcultur dann allmählich mit der deutſchen vermitteln,
nicht aber das brillante Reitervolk mit Gewalt germaniſiren.
Selbſt mit der liberalen Studienordnung des Revolutionsjahres 1848
iſt der Verfaſſer nicht ganz einverſtanden. Es ſey zwar notoriſch daß in
Oeſterreich während des alten Syſtems die ſpeculativen Wiſſenſchaften nicht
gepflegt, vielmehr als ſtaatsgefährlich geſcheut, vernachläſſigt, bureaukratiſch
niedergehalten und einige derſelben ſogar proſcribirt wurden; aber nach ſer-
folgtem Umſchwung habe man alles Alte, wenn auch gut, ohne Unterſchied
verworfen und in der Neuerungsfurie alles überſtürzt. Der kühle und mathe-
matiſch correcte Dr. Fiſcher, ſcheint es, könnte ſelbſt am Teufel noch etwas
gutes entdecken. Dafür wurde aber auch während ſeiner Amtsführung in
Oberöſterreich geleiſtet und vollbracht was andere zu leiſten und zu voll-
bringen nicht vermochten. Nur damit man ſeinem Beiſpiel folge und ſich in
Oeſterreich nach und nach ein Kern intelligenter, wohlwollender und politiſch-
liberal durchgebildeter Großbeamten bilde, hat Hr. Fiſcher ſein Statthalter-
Manual bekannt gemacht. Berechnet iſt es freilich mehr auf die nächſte Zu-
kunft als auf die Gegenwart. Denn ſolange man in Wien noch ſo ſehr am
Princip der Bevormundung feſthalte, Selfgovernment und autonome Pro-
vincialverfaſſung nur dem Namen nach kenne, ſo lange, glaubt Hr. Fiſcher,
vermöge in Oeſterreich ein Statthalter nichts, und brauche man keine poli-
tiſchen Männer an der Spitze der Provinzen. Hoffen wir daß auch dieß
anders werde!
Italien.
⌗ Neapel, 1 Jun.
Das officielle Journal, ſtatt von Palermo zu
ſprechen, erzählt ſeinen Leſern ein langes und breites von öffentlichen Bauten
in feſtländiſchen Provinzen. Wir wiſſen nur daß jede Verbindung mit Sici-
lien ſeit zwei Tagen aufgehört hat. Alle Poſt- und Privatdampfer ſind als
Kriegsſchiffe bewaffnet worden, und befinden ſich vor Palermo oder an der
ſiciliſchen Küſte. Aufſtändiſche haben nicht nur die Telegraphendräthe in Si-
cilien zerriſſen, ſondern auch das ſubmarine Tau in der Meerenge zerſtört.
Die „Saetta,“ ein kleiner und zugleich ſchnellfahrender k. Dampfer, iſt nach
Palermo abgegangen, und wird ſeit geſtern vergebens zurückerwartet. Aber
man weiß daß es ſeit Sonntag früh blutig in Palermo hergeht. Während
zwei Heerſäulen unter v. Mechel und Colonna einen Haufen Freibeuter und
Inſurgenten, an deſſen Spitze man Garibaldi vermuthete, von der Piana de’
Greci nach Corleone hin raftlos verfolgten, debouchirte Garibaldi in Wirk-
lichkeit mit einem andern Haufen Aufftändiſcher aus einer Gebirgsſchlucht,
und drang in Palermo ein. Daß er dort ſehr zahlreichen Zuwachs fand, liegt
auf der Hand. Das „Comitato“ hatte ſchon lange vorher dafür zu ſorgen
verſtanden.
(Der Correſpondent fügt noch eine Anzahl Gerüchte bei, die wir
weglaſſen, da wir bereits darüber näheres wiſſen.)
Neueſte Poſten.
Berlin, 7 Jun.
Der Prinz-Regent und der Prinz Friedrich Wilhelm
find geſtern Abend 10½ Uhr hieher zurückgekehrt, mit ihnen die Miniſter
v. d. Heydt, v. Schleinitz, v. Roon. — Heute Vormittag wurde, wie alljähr-
lich, der Todestag des Königs Friedrich Wilhelm III durch einen Trauer-
gottesdienſt im Palaſt des Prinzen Friedrich Wilhelm gefeiert, welchem der
Prinz-Regent, der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin und die andern
königl. Prinzen beiwohnten.
*) Man hat doch der Beiſpiele genug wie auch in Oeſterreich die bürgerlichen
Namen (Bach unter anderen, den Fiſcher ſtets Freund genannt hatte), einen
ſehr hervorragenden Rang einnahmen.
**) Die nicht gewußt zu haben ſcheinen daß Fürſt Metternich und alle Miniſter
nach ihm ganz tüchtig arbeiteten. Wir erinnern nur an Ficquelmont, Weſſen-
berg, Schwarzenberg, Stadion, Thun aus den ariſtokratiſchen Kreiſen, und an
Kübeck, Kraus, Schmerling, Bruck, Bach, die aus dem Bürgerthum ſich
erhoben und Arbeit gewiß nicht verſchmäht haben.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-02-11T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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