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Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] Synodalausschusses angewiesen. 9) Kirchliche Gesetzentwürfe von allgemeiner Wich-
tigkeit sollen vor ihrer Berathung durch die Generalsynode den Kirchen-Gemeinde-
räthen und Diöcesansynoden zur Kenntniß und Aeußerung mitgetheilt werden.
10) Für die Verhandlungen der Diöcesan- und Generalsynoden besteht der Grundsatz
beschränkter Oeffentlichkeit. Diejenigen der Generalsynode sollen mit möglichster Be-
schleunigung und Aussührlichkeit dem Druck übergeben werden.

H. Nassau.

Der Abg. Dr. Zais trug den
sehr ausführlichen Bericht des aus ihm und den Abgg. König und Knapp
bestehenden Ausschusses über den Antrag des Abg. Giebeler in Betreff der
kurhessischen Verfassung vor. Derselbe gibt eine ausführliche Darstellung
der kurhessischen Verfassungsgeschichte seit Anfang des Jahrhunderts, und
verbreitet sich sodann über die Competenz des Bundestags zu Eingriffen in zu
Recht bestehende Verfassungen der deutschen Einzelstaaten, welche Competenz
er bestreitet, und endlich über den Inhalt der Verfassungen von 1831, von
1852 und vom 30 Mai 1860, indem er nachweist daß die Verfassung von
1831 nichts enthalte was bundeswidrig wäre oder was nicht auch in andern
deutschen Verfassungen stünde, daß die Verfassung von 1852 im Vergleich zu
der von 1831 ein ungeheurer Rückschritt sey, und endlich daß die am 30 Mai
1860 verössentlichte Verfassungsurkunde fast ganz mit der von 1852 überein-
stimme, und der Vorzüge derjenigen von 1831 fast gänzlich entbehre. Auf
den Grund dieser Ausführungen gelangt der Bericht zu folgenden Anträgen:
1) die hohe Kammer wolle sich dahin aussprechen: 1) daß nach Art. 26 der
Wiener Schlußacte ein Eingreifen des Bundestags in das kurhessische Ber-
fassungsrecht nicht gerechtfertigt sey, sowie daß 2) der Bundesbeschluß vom
27 März 1852 und der daraus hervorgegangene vom 24 März 1860 mit der
Bundesacte (Art. 56 und 61) in Widerspruch stehen, und daher eine Ver-
letzung und Bedrohung der Verfassungsrechte der Einzelstaaten enthielten;
II) die herzogliche Regierung ersuchen daß sie bei dem Bundestag auf Wieder-
herstellung der Verfassung von 1831 nach Möglichkeit hinwirke, und verhin-
dere daß der am 30 Mai 1860 von der kurhessischen Regierung veröffentlich-
ten sogenannten "Verfassung" die Garantie des Bundes ertheilt werde.
(Rh.-L.-Ztg.)

Gr. Hessen.

Bei Eröffnung der heutigen
Sitzung der zweiten Kammer berichtete der Präsident über die huldvolle Auf-
nahme der Deputation zur Beglückwünschung des Großherzogs an seinem
Geburtstag (9 Jun.). Der Großherzog habe seine Befriedigung über den
im Lande herrschenden gesetzlichen Sinn ausgesprochen, zugleich auch die poli-
tische Lage des Vaterlandes berührt, und mit der Aeußerung geschlossen:
"Muth und Eintracht seyen die einzigen Mittel den von außen drohenden
Gefahren zu begegnen." (Frkf. J.)

Kurhessen.

Ueber die von den Stadtverordne-
ten beschlossenene Protestationseingabe an den Bundestag berichtet eine
Correspondenz des Schw. M. Im Eingang wird gesagt:

Was die Unterzeichner dazu antreibe eine Rechtsverwahrung gegen die neue
Berfassung einzuleiten, sey vor allen Dingen die unverbrüchliche Anhänglichkeit welche
sie der beschworenen Verfassung von 1831 auch jetzt noch widmen, wo die kurf.
Regierung sie des auf dieselbe geleisteten Eides entbinden wolle. Diese Verfassung
sey so recht eigentlich ein Werk des Friedens gewesen, das unter günstigen Um-
ständen das Glück des Landes hätte machen müssen, und das auch in den Jahren
1848 und 1849 seine sittliche Kraft bewährt habe. "Allen," heißt es in der Ein-
gabe, "die damals Gut und Blut an die Vertheidigung dieser Verfassung gesetzt,
muß ihr Verlust schwer aufs Herz sallen; uns aber insbesondere, die wir, seitdem
dieselbe außer Wirksamkeit gesetzt worden war, Dinge erlebten welche zur Zeit ihrer
Geltung nicht hätten geschehen können." Beispielsweise werden nun einige gesetzwi-
drige Borgänge gegen die Stadtgemeinde Kassel und die Gemeinde-Ordnung über-
haupt angeführt. Hierauf wird die Beseuigung der Verfassung von 1831 als eine
rechtswidrige dargestellt, und von dem neuen Versuch der Regierung folgendes ge-
sagt: "Die jüngst bekanntgemachte Verfassung vermag die Ueberzeugung, daß eine
ungesühnte, bald unsühnbar gewordene Rechtsverletzung vorliegt, in keiner Weise zu
deuren; das verletzte Rechtsbewußtseyn kann nicht einmal aus dem Inhalt der neuen
Berfassung Trost entlehnen. Nur zu sehr fällt es in die Augen, daß während bei
der Verfassung von 1831 alle Stäude sich die Hand reichten, die bisher verbunde-
nen jetzt geflissentlich geschieden und einander gegenüber gestellt worden, und das
vollends zu einer Zeit wo, nach längst erfolgter Aufhebung der Patrimomalgerichts-
herrschaft, des privilegirten Gerichtsstandes und des Lehensverdandes, der niedere
Adel gar ""kein Stand mehr, sondern lediglich ein Rang"" ist. Aber auch abge-
sehen hievon, zeigt die neue Verfassung noch an vielen anderen Stellen solche Grund-
sätze welche einer zeitgemäßen Entwicklung des öffentlichen sowohl als des bürger-
lichen Lebens entgegen stehen, und statt des Gemeingeistes und der vaterlandslieben-
den Opfersreudigkeit nur starre Selbstsucht der Berufs- und Erwerbsclassen erzeu-
gen können." Statt des gehofften Friedens und einer wenigstens einigermaßen zu-
länglichen Versöhnung des Rechtsbewußtseyns, heißt es weiter, "besteht nicht nur
der Zwiespalt zwischen der Regierung und dem Lande fort, sondern es wird sich
auch noch ein anderer zwischen den verschiedenen Classen der Emwohnerschaft hin-
zugesellen und, wie in einem der kleineren norddeutschen Staaten, sich auch hier zei-
gen daß die Regierung, der Adel, die Städte und das platte Land die Bedin-
gungen der Coexistenz nicht anders als im Verharren bei Zuständen finden können,
welche jeder Theil gern verdammen möchte wenn er sich nicht selbst damit auf-
zugeben fürchtete. Der Schlußsatz lautet: "Müssen wir trotz alledem der auf-
gedrungenen neuen Ordnung uns fügen, so wollen wir auf alle Fälle durch
gegenwärtige Erklärung unser wohlerworbenes und unvergängliches Recht auf die Ver-
fassung vom 5 Jan. 1831 feierlichst verwahrt haben." Unterzeichnet ist die Eingabe
solgendermaßen: "Als etc. der hohen deutschen Bundesversammlung gehorsamste:
Der Oberbürgermeister, Stadtrath und Bürgerausschuß der Refidenzstadt Kassel:
[Spaltenumbruch] (Unterz.) Hartwig, Oberbürgermeister; Nebelthan, G. Egena, Fehrenberg, Grebe,
Grimmel, Herzog, Knappe, Nolte, Prevot, Sallmann, Schreiber, Wagner. Der
Bürgerausschuß der Residenz: (Unterz.) Zuschlag, C. Stück, F. Pinhardt, Reichel,
J. Losch, E. W. Knetsch, A. Hölke, G. Wagner, J. Lücken, C. Schell, G. Sauer,
H. J. Hauser, J. D. Lippe, C. H. Kümmel, E. Müller, C. Bähr. Kassel 9 Jun.
1860."

Die "Hessische Morgenzeitung" meldet heute daß die Nummern 183,
184, 185 und 186 ihres Blattes, angeblich wegen wörtlichen Abdrucks einer
Rechtsverwahrung des hiesigen Stadtrathes und Bürgerausschusses an die
Bundesversammlung in der Verfassungsangelegenheit, polizeilich mit Beschlag
belegt worden seyen. Da die Morgenzeitung letzten Samstag die Nummer
182 trug, so ergibt sich aus obigem daß das Blatt viermal ihren "wörtlichen"
Abdruck variirt haben muß, um ihn veröffentlichen zu können. Die schließ-
lich um Mittag ausgegebene Nummer 187 ist auf der ersten Seite weiß ge-
blieben.

Ueber die neue Verfassung sagt die "Hessische Morgenzeitung": "daß
alle Gerichte des Landes dieselbe als ein formell vollziehbares Gesetz zur An-
wendung bringen würden, womit denn auch für die sonstigen Behörden, für
die Gemeindevertretungen, für Körperschaften, für jedermann die Nothwen-
digkeit gegeben sey das neue Staatsgrundgesetz vorkommenden Falls, sey es
mit, sey es ohne Verwahrung zu befolgen, wenn er nicht mit der Justiz in
Zwiespalt gerathen will."

K. Sachsen.

Diejenigen Mitglieder des Leipziger
Stadtraths welche die bekannte Heidelberger Erklärung unterzeichnet haben,
sind von der Kreisdirection zur Verantwortung aufgefordert worden. Es
wird in dieser Aufforderung der Satz hervorgehoben: "Immer tiefer und
weiter verbreitet sich die Erkenntniß daß nur die einheitliche Leitung der mili-
tärischen Kräfte und der auswärtigen Politik die drohende Gefahr erfolgreich
zu bekämpfen vermag." Darin liege die Forderung daß auch der König von
Sachsen die beiden wichtigsten Souveränetätsrechte aufgeben soll. Auch an-
dere Beamte sind wegen Unterschrift der Heidelberger Erklärung zur Ver-
antwortung gezogen worden. (D. Bl.)

Preußen.

Der sicilianische Aufstand, der so
ziemlich alle Kreise unserer Hauptstadt in zwei feindliche Lager gespalten hat,
gibt einem der größten militärischen Talente der Neuzeit Recht, ich meine
Schönhals, welcher in seiner vortrefflichen Schrift über den italienischen Feld-
zug von 1848 und 1849 zuerst auf Garibaldi als denjenigen aufmerksam
machte der das Zeug zu einem tüchtigen Heerführer besitze. Die Art und
Weise wie er in Palermo eindrang war ein Meisterstück: den nach Monreale
vorgeschobenen Posten und Lanza selbst glauben machen, er operire auf seiner
natürlichen Basis in nördlicher Richtung um den Stier bei den Hörnern zu
fassen; sodann seine Seitenbewegung gegen Osten nicht bloß maskiren, son-
dern durch ein kleines Corps einen beträchtlichen Theil der Garnison von
Palermo von ihrer festen Stellung hinweg und ins Weite locken; endlich, un-
bekümmert um die Möglichkeit von drei Seiten zugleich angegriffen zu werden,
mit aller Macht die Hauptposition des Gegners auf ihrem schwächsten Punkt
anfallen -- das war ein trefflicher Gedanke, wenn auch nicht geläugnet werden
soll daß er selbst für die Alpenjäger unausführbar gewesen wäre, wenn Gari-
baldi zu seinen Gunsten nicht auf die gesammte Bevölkerung von Palermo
hätte mit Sicherheit zählen können. Seinen besten Bundesgenossen hat er
an der niedern Geistlichkeit, vornehmlich an den Mönchen, deren Verhalten
der strengkirchlichen Partei reichlich Stoff zum Nachdenken gibt. Das Mönch-
thum in seiner jetzigen Gestalt ist nicht nur keine Stütze für das Papstthum
und dessen weltliche Machtstellung, vielmehr eine fortwährend drohende Ge-
fahr, weil demselben, wenigstens bei den romanischen Völkern, auch der letzte
Rest einer idealen Weltanschauung abhanden gekommen ist. Der Mönch
sieht seine kirchliche Thätigkeit als ein Handwerk wie jedes andere an: um
leben zu können, treibt er es, wirft aber mit Bergnügen sein Handwerkszeug
weg wenn eine Idee wie Volksfreiheit und Vaterland unmittelbar an ihn
herantritt. Meiner Meinung nach werden die Klöster im Kirchenstaat, wenn
ein Garibaldi kommt, genau ebenso sich benehmen wie die ficilianischen. Schon
als Garibaldi Rom gegen den Papst und die Franzosen vertheidigte, fuhr ein
Mönch in einer Staatskutsche mit einem herrlich herausgeputzten Christkind-
lein (bambino) durch die Straßen der Stadt, und rief: "o Jesulein, befreie
uns von den Mördern von Gaeta!" Die Sachen stehen nicht mehr wie zur Zeit
Metternichs: die Garibaldi haben sich fühlen gelernt, und wissen recht wohl
wo sie ihre Freunde zu suchen haben. Mit Lästern und Schmähen ist nicht
viel geholfen: man muß von innen heraus heilen, anstatt zu flicken und hin-
zuhalten, wenn die Wiederkehr so betrübender Ereignisse unmöglich gemacht
werden soll. -- So gewissenlos wie die brasilischen Auswanderungsagenten,
benehmen sich seit einiger Zeit auch die auftralischen. Es kann nicht ernstlich
genug vor diesen Seelenverkäufern gewarnt werden, die in Auftralien wieder
einmal viele Deutsche ins Unglück gestürzt haben. Gegen die Auswanderung
nach Australien spricht als gewichtigstes Bedenken die völlige Unregelmäßig-
keit und Unsicherheit des dortigen Klima's, das allein der Schafzucht sichere
Aussichten läßt. -- Die Frage über die zweckmäßigste Organisation des

[Spaltenumbruch] Synodalausſchuſſes angewieſen. 9) Kirchliche Geſetzentwürfe von allgemeiner Wich-
tigkeit ſollen vor ihrer Berathung durch die Generalſynode den Kirchen-Gemeinde-
räthen und Diöceſanſynoden zur Kenntniß und Aeußerung mitgetheilt werden.
10) Für die Verhandlungen der Diöceſan- und Generalſynoden beſteht der Grundſatz
beſchränkter Oeffentlichkeit. Diejenigen der Generalſynode ſollen mit möglichſter Be-
ſchleunigung und Ausſührlichkeit dem Druck übergeben werden.

H. Naſſau.

Der Abg. Dr. Zais trug den
ſehr ausführlichen Bericht des aus ihm und den Abgg. König und Knapp
beſtehenden Ausſchuſſes über den Antrag des Abg. Giebeler in Betreff der
kurheſſiſchen Verfaſſung vor. Derſelbe gibt eine ausführliche Darſtellung
der kurheſſiſchen Verfaſſungsgeſchichte ſeit Anfang des Jahrhunderts, und
verbreitet ſich ſodann über die Competenz des Bundestags zu Eingriffen in zu
Recht beſtehende Verfaſſungen der deutſchen Einzelſtaaten, welche Competenz
er beſtreitet, und endlich über den Inhalt der Verfaſſungen von 1831, von
1852 und vom 30 Mai 1860, indem er nachweist daß die Verfaſſung von
1831 nichts enthalte was bundeswidrig wäre oder was nicht auch in andern
deutſchen Verfaſſungen ſtünde, daß die Verfaſſung von 1852 im Vergleich zu
der von 1831 ein ungeheurer Rückſchritt ſey, und endlich daß die am 30 Mai
1860 veröſſentlichte Verfaſſungsurkunde faſt ganz mit der von 1852 überein-
ſtimme, und der Vorzüge derjenigen von 1831 faſt gänzlich entbehre. Auf
den Grund dieſer Ausführungen gelangt der Bericht zu folgenden Anträgen:
1) die hohe Kammer wolle ſich dahin ausſprechen: 1) daß nach Art. 26 der
Wiener Schlußacte ein Eingreifen des Bundestags in das kurheſſiſche Ber-
faſſungsrecht nicht gerechtfertigt ſey, ſowie daß 2) der Bundesbeſchluß vom
27 März 1852 und der daraus hervorgegangene vom 24 März 1860 mit der
Bundesacte (Art. 56 und 61) in Widerſpruch ſtehen, und daher eine Ver-
letzung und Bedrohung der Verfaſſungsrechte der Einzelſtaaten enthielten;
II) die herzogliche Regierung erſuchen daß ſie bei dem Bundestag auf Wieder-
herſtellung der Verfaſſung von 1831 nach Möglichkeit hinwirke, und verhin-
dere daß der am 30 Mai 1860 von der kurheſſiſchen Regierung veröffentlich-
ten ſogenannten „Verfaſſung“ die Garantie des Bundes ertheilt werde.
(Rh.-L.-Ztg.)

Gr. Heſſen.

Bei Eröffnung der heutigen
Sitzung der zweiten Kammer berichtete der Präſident über die huldvolle Auf-
nahme der Deputation zur Beglückwünſchung des Großherzogs an ſeinem
Geburtstag (9 Jun.). Der Großherzog habe ſeine Befriedigung über den
im Lande herrſchenden geſetzlichen Sinn ausgeſprochen, zugleich auch die poli-
tiſche Lage des Vaterlandes berührt, und mit der Aeußerung geſchloſſen:
„Muth und Eintracht ſeyen die einzigen Mittel den von außen drohenden
Gefahren zu begegnen.“ (Frkf. J.)

Kurheſſen.

Ueber die von den Stadtverordne-
ten beſchloſſenene Proteſtationseingabe an den Bundestag berichtet eine
Correſpondenz des Schw. M. Im Eingang wird geſagt:

Was die Unterzeichner dazu antreibe eine Rechtsverwahrung gegen die neue
Berfaſſung einzuleiten, ſey vor allen Dingen die unverbrüchliche Anhänglichkeit welche
ſie der beſchworenen Verfaſſung von 1831 auch jetzt noch widmen, wo die kurf.
Regierung ſie des auf dieſelbe geleiſteten Eides entbinden wolle. Dieſe Verfaſſung
ſey ſo recht eigentlich ein Werk des Friedens geweſen, das unter günſtigen Um-
ſtänden das Glück des Landes hätte machen müſſen, und das auch in den Jahren
1848 und 1849 ſeine ſittliche Kraft bewährt habe. „Allen,“ heißt es in der Ein-
gabe, „die damals Gut und Blut an die Vertheidigung dieſer Verfaſſung geſetzt,
muß ihr Verluſt ſchwer aufs Herz ſallen; uns aber insbeſondere, die wir, ſeitdem
dieſelbe außer Wirkſamkeit geſetzt worden war, Dinge erlebten welche zur Zeit ihrer
Geltung nicht hätten geſchehen können.“ Beiſpielsweiſe werden nun einige geſetzwi-
drige Borgänge gegen die Stadtgemeinde Kaſſel und die Gemeinde-Ordnung über-
haupt angeführt. Hierauf wird die Beſeuigung der Verfaſſung von 1831 als eine
rechtswidrige dargeſtellt, und von dem neuen Verſuch der Regierung folgendes ge-
ſagt: „Die jüngſt bekanntgemachte Verfaſſung vermag die Ueberzeugung, daß eine
ungeſühnte, bald unſühnbar gewordene Rechtsverletzung vorliegt, in keiner Weiſe zu
deuren; das verletzte Rechtsbewußtſeyn kann nicht einmal aus dem Inhalt der neuen
Berfaſſung Troſt entlehnen. Nur zu ſehr fällt es in die Augen, daß während bei
der Verfaſſung von 1831 alle Stäude ſich die Hand reichten, die bisher verbunde-
nen jetzt gefliſſentlich geſchieden und einander gegenüber geſtellt worden, und das
vollends zu einer Zeit wo, nach längſt erfolgter Aufhebung der Patrimomalgerichts-
herrſchaft, des privilegirten Gerichtsſtandes und des Lehensverdandes, der niedere
Adel gar „„kein Stand mehr, ſondern lediglich ein Rang““ iſt. Aber auch abge-
ſehen hievon, zeigt die neue Verfaſſung noch an vielen anderen Stellen ſolche Grund-
ſätze welche einer zeitgemäßen Entwicklung des öffentlichen ſowohl als des bürger-
lichen Lebens entgegen ſtehen, und ſtatt des Gemeingeiſtes und der vaterlandslieben-
den Opferſreudigkeit nur ſtarre Selbſtſucht der Berufs- und Erwerbsclaſſen erzeu-
gen können.“ Statt des gehofften Friedens und einer wenigſtens einigermaßen zu-
länglichen Verſöhnung des Rechtsbewußtſeyns, heißt es weiter, „beſteht nicht nur
der Zwieſpalt zwiſchen der Regierung und dem Lande fort, ſondern es wird ſich
auch noch ein anderer zwiſchen den verſchiedenen Claſſen der Emwohnerſchaft hin-
zugeſellen und, wie in einem der kleineren norddeutſchen Staaten, ſich auch hier zei-
gen daß die Regierung, der Adel, die Städte und das platte Land die Bedin-
gungen der Coëxiſtenz nicht anders als im Verharren bei Zuſtänden finden können,
welche jeder Theil gern verdammen möchte wenn er ſich nicht ſelbſt damit auf-
zugeben fürchtete. Der Schlußſatz lautet: „Müſſen wir trotz alledem der auf-
gedrungenen neuen Ordnung uns fügen, ſo wollen wir auf alle Fälle durch
gegenwärtige Erklärung unſer wohlerworbenes und unvergängliches Recht auf die Ver-
faſſung vom 5 Jan. 1831 feierlichſt verwahrt haben.“ Unterzeichnet iſt die Eingabe
ſolgendermaßen: „Als ꝛc. der hohen deutſchen Bundesverſammlung gehorſamſte:
Der Oberbürgermeiſter, Stadtrath und Bürgerausſchuß der Refidenzſtadt Kaſſel:
[Spaltenumbruch] (Unterz.) Hartwig, Oberbürgermeiſter; Nebelthan, G. Egena, Fehrenberg, Grebe,
Grimmel, Herzog, Knappe, Nolte, Prevot, Sallmann, Schreiber, Wagner. Der
Bürgerausſchuß der Reſidenz: (Unterz.) Zuſchlag, C. Stück, F. Pinhardt, Reichel,
J. Loſch, E. W. Knetſch, A. Hölke, G. Wagner, J. Lücken, C. Schell, G. Sauer,
H. J. Hauſer, J. D. Lippe, C. H. Kümmel, E. Müller, C. Bähr. Kaſſel 9 Jun.
1860.“

Die „Heſſiſche Morgenzeitung“ meldet heute daß die Nummern 183,
184, 185 und 186 ihres Blattes, angeblich wegen wörtlichen Abdrucks einer
Rechtsverwahrung des hieſigen Stadtrathes und Bürgerausſchuſſes an die
Bundesverſammlung in der Verfaſſungsangelegenheit, polizeilich mit Beſchlag
belegt worden ſeyen. Da die Morgenzeitung letzten Samſtag die Nummer
182 trug, ſo ergibt ſich aus obigem daß das Blatt viermal ihren „wörtlichen“
Abdruck variirt haben muß, um ihn veröffentlichen zu können. Die ſchließ-
lich um Mittag ausgegebene Nummer 187 iſt auf der erſten Seite weiß ge-
blieben.

Ueber die neue Verfaſſung ſagt die „Heſſiſche Morgenzeitung“: „daß
alle Gerichte des Landes dieſelbe als ein formell vollziehbares Geſetz zur An-
wendung bringen würden, womit denn auch für die ſonſtigen Behörden, für
die Gemeindevertretungen, für Körperſchaften, für jedermann die Nothwen-
digkeit gegeben ſey das neue Staatsgrundgeſetz vorkommenden Falls, ſey es
mit, ſey es ohne Verwahrung zu befolgen, wenn er nicht mit der Juſtiz in
Zwieſpalt gerathen will.“

K. Sachſen.

Diejenigen Mitglieder des Leipziger
Stadtraths welche die bekannte Heidelberger Erklärung unterzeichnet haben,
ſind von der Kreisdirection zur Verantwortung aufgefordert worden. Es
wird in dieſer Aufforderung der Satz hervorgehoben: „Immer tiefer und
weiter verbreitet ſich die Erkenntniß daß nur die einheitliche Leitung der mili-
täriſchen Kräfte und der auswärtigen Politik die drohende Gefahr erfolgreich
zu bekämpfen vermag.“ Darin liege die Forderung daß auch der König von
Sachſen die beiden wichtigſten Souveränetätsrechte aufgeben ſoll. Auch an-
dere Beamte ſind wegen Unterſchrift der Heidelberger Erklärung zur Ver-
antwortung gezogen worden. (D. Bl.)

Preußen.

Der ſicilianiſche Aufſtand, der ſo
ziemlich alle Kreiſe unſerer Hauptſtadt in zwei feindliche Lager geſpalten hat,
gibt einem der größten militäriſchen Talente der Neuzeit Recht, ich meine
Schönhals, welcher in ſeiner vortrefflichen Schrift über den italieniſchen Feld-
zug von 1848 und 1849 zuerſt auf Garibaldi als denjenigen aufmerkſam
machte der das Zeug zu einem tüchtigen Heerführer beſitze. Die Art und
Weiſe wie er in Palermo eindrang war ein Meiſterſtück: den nach Monreale
vorgeſchobenen Poſten und Lanza ſelbſt glauben machen, er operire auf ſeiner
natürlichen Baſis in nördlicher Richtung um den Stier bei den Hörnern zu
faſſen; ſodann ſeine Seitenbewegung gegen Oſten nicht bloß maskiren, ſon-
dern durch ein kleines Corps einen beträchtlichen Theil der Garniſon von
Palermo von ihrer feſten Stellung hinweg und ins Weite locken; endlich, un-
bekümmert um die Möglichkeit von drei Seiten zugleich angegriffen zu werden,
mit aller Macht die Hauptpoſition des Gegners auf ihrem ſchwächſten Punkt
anfallen — das war ein trefflicher Gedanke, wenn auch nicht geläugnet werden
ſoll daß er ſelbſt für die Alpenjäger unausführbar geweſen wäre, wenn Gari-
baldi zu ſeinen Gunſten nicht auf die geſammte Bevölkerung von Palermo
hätte mit Sicherheit zählen können. Seinen beſten Bundesgenoſſen hat er
an der niedern Geiſtlichkeit, vornehmlich an den Mönchen, deren Verhalten
der ſtrengkirchlichen Partei reichlich Stoff zum Nachdenken gibt. Das Mönch-
thum in ſeiner jetzigen Geſtalt iſt nicht nur keine Stütze für das Papſtthum
und deſſen weltliche Machtſtellung, vielmehr eine fortwährend drohende Ge-
fahr, weil demſelben, wenigſtens bei den romaniſchen Völkern, auch der letzte
Reſt einer idealen Weltanſchauung abhanden gekommen iſt. Der Mönch
ſieht ſeine kirchliche Thätigkeit als ein Handwerk wie jedes andere an: um
leben zu können, treibt er es, wirft aber mit Bergnügen ſein Handwerkszeug
weg wenn eine Idee wie Volksfreiheit und Vaterland unmittelbar an ihn
herantritt. Meiner Meinung nach werden die Klöſter im Kirchenſtaat, wenn
ein Garibaldi kommt, genau ebenſo ſich benehmen wie die ficilianiſchen. Schon
als Garibaldi Rom gegen den Papſt und die Franzoſen vertheidigte, fuhr ein
Mönch in einer Staatskutſche mit einem herrlich herausgeputzten Chriſtkind-
lein (bambino) durch die Straßen der Stadt, und rief: „o Jeſulein, befreie
uns von den Mördern von Gaëta!“ Die Sachen ſtehen nicht mehr wie zur Zeit
Metternichs: die Garibaldi haben ſich fühlen gelernt, und wiſſen recht wohl
wo ſie ihre Freunde zu ſuchen haben. Mit Läſtern und Schmähen iſt nicht
viel geholfen: man muß von innen heraus heilen, anſtatt zu flicken und hin-
zuhalten, wenn die Wiederkehr ſo betrübender Ereigniſſe unmöglich gemacht
werden ſoll. — So gewiſſenlos wie die braſiliſchen Auswanderungsagenten,
benehmen ſich ſeit einiger Zeit auch die auftraliſchen. Es kann nicht ernſtlich
genug vor dieſen Seelenverkäufern gewarnt werden, die in Auftralien wieder
einmal viele Deutſche ins Unglück geſtürzt haben. Gegen die Auswanderung
nach Auſtralien ſpricht als gewichtigſtes Bedenken die völlige Unregelmäßig-
keit und Unſicherheit des dortigen Klima’s, das allein der Schafzucht ſichere
Ausſichten läßt. — Die Frage über die zweckmäßigſte Organiſation des

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[2763/0003] Synodalausſchuſſes angewieſen. 9) Kirchliche Geſetzentwürfe von allgemeiner Wich- tigkeit ſollen vor ihrer Berathung durch die Generalſynode den Kirchen-Gemeinde- räthen und Diöceſanſynoden zur Kenntniß und Aeußerung mitgetheilt werden. 10) Für die Verhandlungen der Diöceſan- und Generalſynoden beſteht der Grundſatz beſchränkter Oeffentlichkeit. Diejenigen der Generalſynode ſollen mit möglichſter Be- ſchleunigung und Ausſührlichkeit dem Druck übergeben werden. H. Naſſau. Wiesbaden, 11 Jun. Der Abg. Dr. Zais trug den ſehr ausführlichen Bericht des aus ihm und den Abgg. König und Knapp beſtehenden Ausſchuſſes über den Antrag des Abg. Giebeler in Betreff der kurheſſiſchen Verfaſſung vor. Derſelbe gibt eine ausführliche Darſtellung der kurheſſiſchen Verfaſſungsgeſchichte ſeit Anfang des Jahrhunderts, und verbreitet ſich ſodann über die Competenz des Bundestags zu Eingriffen in zu Recht beſtehende Verfaſſungen der deutſchen Einzelſtaaten, welche Competenz er beſtreitet, und endlich über den Inhalt der Verfaſſungen von 1831, von 1852 und vom 30 Mai 1860, indem er nachweist daß die Verfaſſung von 1831 nichts enthalte was bundeswidrig wäre oder was nicht auch in andern deutſchen Verfaſſungen ſtünde, daß die Verfaſſung von 1852 im Vergleich zu der von 1831 ein ungeheurer Rückſchritt ſey, und endlich daß die am 30 Mai 1860 veröſſentlichte Verfaſſungsurkunde faſt ganz mit der von 1852 überein- ſtimme, und der Vorzüge derjenigen von 1831 faſt gänzlich entbehre. Auf den Grund dieſer Ausführungen gelangt der Bericht zu folgenden Anträgen: 1) die hohe Kammer wolle ſich dahin ausſprechen: 1) daß nach Art. 26 der Wiener Schlußacte ein Eingreifen des Bundestags in das kurheſſiſche Ber- faſſungsrecht nicht gerechtfertigt ſey, ſowie daß 2) der Bundesbeſchluß vom 27 März 1852 und der daraus hervorgegangene vom 24 März 1860 mit der Bundesacte (Art. 56 und 61) in Widerſpruch ſtehen, und daher eine Ver- letzung und Bedrohung der Verfaſſungsrechte der Einzelſtaaten enthielten; II) die herzogliche Regierung erſuchen daß ſie bei dem Bundestag auf Wieder- herſtellung der Verfaſſung von 1831 nach Möglichkeit hinwirke, und verhin- dere daß der am 30 Mai 1860 von der kurheſſiſchen Regierung veröffentlich- ten ſogenannten „Verfaſſung“ die Garantie des Bundes ertheilt werde. (Rh.-L.-Ztg.) Gr. Heſſen. Darmſtadt, 11 Jun. Bei Eröffnung der heutigen Sitzung der zweiten Kammer berichtete der Präſident über die huldvolle Auf- nahme der Deputation zur Beglückwünſchung des Großherzogs an ſeinem Geburtstag (9 Jun.). Der Großherzog habe ſeine Befriedigung über den im Lande herrſchenden geſetzlichen Sinn ausgeſprochen, zugleich auch die poli- tiſche Lage des Vaterlandes berührt, und mit der Aeußerung geſchloſſen: „Muth und Eintracht ſeyen die einzigen Mittel den von außen drohenden Gefahren zu begegnen.“ (Frkf. J.) Kurheſſen. Kaſſel, 11 Jun. Ueber die von den Stadtverordne- ten beſchloſſenene Proteſtationseingabe an den Bundestag berichtet eine Correſpondenz des Schw. M. Im Eingang wird geſagt: Was die Unterzeichner dazu antreibe eine Rechtsverwahrung gegen die neue Berfaſſung einzuleiten, ſey vor allen Dingen die unverbrüchliche Anhänglichkeit welche ſie der beſchworenen Verfaſſung von 1831 auch jetzt noch widmen, wo die kurf. Regierung ſie des auf dieſelbe geleiſteten Eides entbinden wolle. Dieſe Verfaſſung ſey ſo recht eigentlich ein Werk des Friedens geweſen, das unter günſtigen Um- ſtänden das Glück des Landes hätte machen müſſen, und das auch in den Jahren 1848 und 1849 ſeine ſittliche Kraft bewährt habe. „Allen,“ heißt es in der Ein- gabe, „die damals Gut und Blut an die Vertheidigung dieſer Verfaſſung geſetzt, muß ihr Verluſt ſchwer aufs Herz ſallen; uns aber insbeſondere, die wir, ſeitdem dieſelbe außer Wirkſamkeit geſetzt worden war, Dinge erlebten welche zur Zeit ihrer Geltung nicht hätten geſchehen können.“ Beiſpielsweiſe werden nun einige geſetzwi- drige Borgänge gegen die Stadtgemeinde Kaſſel und die Gemeinde-Ordnung über- haupt angeführt. Hierauf wird die Beſeuigung der Verfaſſung von 1831 als eine rechtswidrige dargeſtellt, und von dem neuen Verſuch der Regierung folgendes ge- ſagt: „Die jüngſt bekanntgemachte Verfaſſung vermag die Ueberzeugung, daß eine ungeſühnte, bald unſühnbar gewordene Rechtsverletzung vorliegt, in keiner Weiſe zu deuren; das verletzte Rechtsbewußtſeyn kann nicht einmal aus dem Inhalt der neuen Berfaſſung Troſt entlehnen. Nur zu ſehr fällt es in die Augen, daß während bei der Verfaſſung von 1831 alle Stäude ſich die Hand reichten, die bisher verbunde- nen jetzt gefliſſentlich geſchieden und einander gegenüber geſtellt worden, und das vollends zu einer Zeit wo, nach längſt erfolgter Aufhebung der Patrimomalgerichts- herrſchaft, des privilegirten Gerichtsſtandes und des Lehensverdandes, der niedere Adel gar „„kein Stand mehr, ſondern lediglich ein Rang““ iſt. Aber auch abge- ſehen hievon, zeigt die neue Verfaſſung noch an vielen anderen Stellen ſolche Grund- ſätze welche einer zeitgemäßen Entwicklung des öffentlichen ſowohl als des bürger- lichen Lebens entgegen ſtehen, und ſtatt des Gemeingeiſtes und der vaterlandslieben- den Opferſreudigkeit nur ſtarre Selbſtſucht der Berufs- und Erwerbsclaſſen erzeu- gen können.“ Statt des gehofften Friedens und einer wenigſtens einigermaßen zu- länglichen Verſöhnung des Rechtsbewußtſeyns, heißt es weiter, „beſteht nicht nur der Zwieſpalt zwiſchen der Regierung und dem Lande fort, ſondern es wird ſich auch noch ein anderer zwiſchen den verſchiedenen Claſſen der Emwohnerſchaft hin- zugeſellen und, wie in einem der kleineren norddeutſchen Staaten, ſich auch hier zei- gen daß die Regierung, der Adel, die Städte und das platte Land die Bedin- gungen der Coëxiſtenz nicht anders als im Verharren bei Zuſtänden finden können, welche jeder Theil gern verdammen möchte wenn er ſich nicht ſelbſt damit auf- zugeben fürchtete. Der Schlußſatz lautet: „Müſſen wir trotz alledem der auf- gedrungenen neuen Ordnung uns fügen, ſo wollen wir auf alle Fälle durch gegenwärtige Erklärung unſer wohlerworbenes und unvergängliches Recht auf die Ver- faſſung vom 5 Jan. 1831 feierlichſt verwahrt haben.“ Unterzeichnet iſt die Eingabe ſolgendermaßen: „Als ꝛc. der hohen deutſchen Bundesverſammlung gehorſamſte: Der Oberbürgermeiſter, Stadtrath und Bürgerausſchuß der Refidenzſtadt Kaſſel: (Unterz.) Hartwig, Oberbürgermeiſter; Nebelthan, G. Egena, Fehrenberg, Grebe, Grimmel, Herzog, Knappe, Nolte, Prevot, Sallmann, Schreiber, Wagner. Der Bürgerausſchuß der Reſidenz: (Unterz.) Zuſchlag, C. Stück, F. Pinhardt, Reichel, J. Loſch, E. W. Knetſch, A. Hölke, G. Wagner, J. Lücken, C. Schell, G. Sauer, H. J. Hauſer, J. D. Lippe, C. H. Kümmel, E. Müller, C. Bähr. Kaſſel 9 Jun. 1860.“ Die „Heſſiſche Morgenzeitung“ meldet heute daß die Nummern 183, 184, 185 und 186 ihres Blattes, angeblich wegen wörtlichen Abdrucks einer Rechtsverwahrung des hieſigen Stadtrathes und Bürgerausſchuſſes an die Bundesverſammlung in der Verfaſſungsangelegenheit, polizeilich mit Beſchlag belegt worden ſeyen. Da die Morgenzeitung letzten Samſtag die Nummer 182 trug, ſo ergibt ſich aus obigem daß das Blatt viermal ihren „wörtlichen“ Abdruck variirt haben muß, um ihn veröffentlichen zu können. Die ſchließ- lich um Mittag ausgegebene Nummer 187 iſt auf der erſten Seite weiß ge- blieben. Ueber die neue Verfaſſung ſagt die „Heſſiſche Morgenzeitung“: „daß alle Gerichte des Landes dieſelbe als ein formell vollziehbares Geſetz zur An- wendung bringen würden, womit denn auch für die ſonſtigen Behörden, für die Gemeindevertretungen, für Körperſchaften, für jedermann die Nothwen- digkeit gegeben ſey das neue Staatsgrundgeſetz vorkommenden Falls, ſey es mit, ſey es ohne Verwahrung zu befolgen, wenn er nicht mit der Juſtiz in Zwieſpalt gerathen will.“ K. Sachſen. Leipzig, 10 Jun. Diejenigen Mitglieder des Leipziger Stadtraths welche die bekannte Heidelberger Erklärung unterzeichnet haben, ſind von der Kreisdirection zur Verantwortung aufgefordert worden. Es wird in dieſer Aufforderung der Satz hervorgehoben: „Immer tiefer und weiter verbreitet ſich die Erkenntniß daß nur die einheitliche Leitung der mili- täriſchen Kräfte und der auswärtigen Politik die drohende Gefahr erfolgreich zu bekämpfen vermag.“ Darin liege die Forderung daß auch der König von Sachſen die beiden wichtigſten Souveränetätsrechte aufgeben ſoll. Auch an- dere Beamte ſind wegen Unterſchrift der Heidelberger Erklärung zur Ver- antwortung gezogen worden. (D. Bl.) Preußen. ⫠ Berlin, 11 Jun. Der ſicilianiſche Aufſtand, der ſo ziemlich alle Kreiſe unſerer Hauptſtadt in zwei feindliche Lager geſpalten hat, gibt einem der größten militäriſchen Talente der Neuzeit Recht, ich meine Schönhals, welcher in ſeiner vortrefflichen Schrift über den italieniſchen Feld- zug von 1848 und 1849 zuerſt auf Garibaldi als denjenigen aufmerkſam machte der das Zeug zu einem tüchtigen Heerführer beſitze. Die Art und Weiſe wie er in Palermo eindrang war ein Meiſterſtück: den nach Monreale vorgeſchobenen Poſten und Lanza ſelbſt glauben machen, er operire auf ſeiner natürlichen Baſis in nördlicher Richtung um den Stier bei den Hörnern zu faſſen; ſodann ſeine Seitenbewegung gegen Oſten nicht bloß maskiren, ſon- dern durch ein kleines Corps einen beträchtlichen Theil der Garniſon von Palermo von ihrer feſten Stellung hinweg und ins Weite locken; endlich, un- bekümmert um die Möglichkeit von drei Seiten zugleich angegriffen zu werden, mit aller Macht die Hauptpoſition des Gegners auf ihrem ſchwächſten Punkt anfallen — das war ein trefflicher Gedanke, wenn auch nicht geläugnet werden ſoll daß er ſelbſt für die Alpenjäger unausführbar geweſen wäre, wenn Gari- baldi zu ſeinen Gunſten nicht auf die geſammte Bevölkerung von Palermo hätte mit Sicherheit zählen können. Seinen beſten Bundesgenoſſen hat er an der niedern Geiſtlichkeit, vornehmlich an den Mönchen, deren Verhalten der ſtrengkirchlichen Partei reichlich Stoff zum Nachdenken gibt. Das Mönch- thum in ſeiner jetzigen Geſtalt iſt nicht nur keine Stütze für das Papſtthum und deſſen weltliche Machtſtellung, vielmehr eine fortwährend drohende Ge- fahr, weil demſelben, wenigſtens bei den romaniſchen Völkern, auch der letzte Reſt einer idealen Weltanſchauung abhanden gekommen iſt. Der Mönch ſieht ſeine kirchliche Thätigkeit als ein Handwerk wie jedes andere an: um leben zu können, treibt er es, wirft aber mit Bergnügen ſein Handwerkszeug weg wenn eine Idee wie Volksfreiheit und Vaterland unmittelbar an ihn herantritt. Meiner Meinung nach werden die Klöſter im Kirchenſtaat, wenn ein Garibaldi kommt, genau ebenſo ſich benehmen wie die ficilianiſchen. Schon als Garibaldi Rom gegen den Papſt und die Franzoſen vertheidigte, fuhr ein Mönch in einer Staatskutſche mit einem herrlich herausgeputzten Chriſtkind- lein (bambino) durch die Straßen der Stadt, und rief: „o Jeſulein, befreie uns von den Mördern von Gaëta!“ Die Sachen ſtehen nicht mehr wie zur Zeit Metternichs: die Garibaldi haben ſich fühlen gelernt, und wiſſen recht wohl wo ſie ihre Freunde zu ſuchen haben. Mit Läſtern und Schmähen iſt nicht viel geholfen: man muß von innen heraus heilen, anſtatt zu flicken und hin- zuhalten, wenn die Wiederkehr ſo betrübender Ereigniſſe unmöglich gemacht werden ſoll. — So gewiſſenlos wie die braſiliſchen Auswanderungsagenten, benehmen ſich ſeit einiger Zeit auch die auftraliſchen. Es kann nicht ernſtlich genug vor dieſen Seelenverkäufern gewarnt werden, die in Auftralien wieder einmal viele Deutſche ins Unglück geſtürzt haben. Gegen die Auswanderung nach Auſtralien ſpricht als gewichtigſtes Bedenken die völlige Unregelmäßig- keit und Unſicherheit des dortigen Klima’s, das allein der Schafzucht ſichere Ausſichten läßt. — Die Frage über die zweckmäßigſte Organiſation des

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860, S. 2763. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine166_1860/3>, abgerufen am 13.06.2024.