Allgemeine Zeitung, Nr. 168, 16. Juni 1860.
Das Finanzcomite des Reichsraths hat, wie der Wanderer schreibt, Frhr. v. Kraus hat seinen neuen Posten als Präsident der obersten Rech- Schweiz. Bern, 13 Jun. Gestern hat sich nun auch hier ein Comite zur .. Genf, 12 Jun. Während der Telegraph das Gerücht von einer Großbritannien. London, 13 Jun.Die Königin hielt am 11 Jun. eine Investitur des Bath-Ordens. Es Die Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz, Schwester des Herzogs von Lord Palmerstons Antwort auf mehrere Sicilien betreffende Fragen
Das Finanzcomité des Reichsraths hat, wie der Wanderer ſchreibt, Frhr. v. Kraus hat ſeinen neuen Poſten als Präſident der oberſten Rech- Schweiz. ⊕ Bern, 13 Jun. Geſtern hat ſich nun auch hier ein Comité zur .. Genf, 12 Jun. Während der Telegraph das Gerücht von einer Großbritannien. London, 13 Jun.Die Königin hielt am 11 Jun. eine Inveſtitur des Bath-Ordens. Es Die Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz, Schweſter des Herzogs von Lord Palmerſtons Antwort auf mehrere Sicilien betreffende Fragen <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p> <cit> <quote><pb facs="#f0005" n="2801"/><cb/> vincialcongregationen waren ſchon gegenwärtig berufen in der Verwaltung<lb/> der Gemeinden, der öffentlichen Wohlthätigkeit und der Krankenanſtalten, der<lb/> Straßen- und Waſſerbauten, wie auch in den Gegenſtänden der Verpachtung<lb/> und Einhebung der directen Steuern in erſter Inſtanz zu entſcheiden, und alle<lb/> dieſe politiſchen Zweige innerhalb des Wirkungskreiſes der ehemaligen Guber-<lb/> nien ſelbſtändig zu adminiſtriren; hingegen hatte die Centralcongregation auf<lb/> die erwähnten öffentlichen Angelegenheiten, überdieß auf die Verwaltung des<lb/> Landesfonds und der Landesanſtalten und auf die ausgleichende Vertheilung<lb/> der Mititärlaſten, noch fortan einen bloß berathenden Einfluß an der Seite<lb/> der in den obgedachten Beziehungen mit umfaſſendern Befugniſſen ausgerüſte-<lb/> ten Statthalterei zu nehmen. Se. Majeſtät verleihen nunmehr der Central-<lb/> congregation das höhere Entſcheidungsrecht und die Autonomie der Admini-<lb/> ſtration in den Landesangelegenheiten, und behalten der Regierung nur jene<lb/> oberſte Einflußnahme vor welche dieſer im Intereſſe des Geſammtſtaats und<lb/> der lombardiſch-venetianiſchen Bevölkerung ſelbſt unbedingt verbleiben muß.<lb/> Dieſe Attributionen reihen ſich daher dem der Congregation bereits urſprüng-<lb/> lich eingetäumten Petitionsrecht und ihrer Berechtigung zur berathenden<lb/> Theilnahme an den organiſchen und legislativen Fragen des Landes als ebenſo<lb/> werthvolle Prärogative an, die jene in den Stand ſetzt die geiſtige und mate-<lb/> rielle Wohlfahrt des Landes nachhaltig zu heben. Während hiedurch die<lb/> Staatsbehörden im Lande eines ſehr bedeutenden Theils ihrer bisherigen<lb/> Agenden enthoben werden, und daher eine angemeſſene Reduction ihres Per-<lb/> ſonalſtands erfahren können, wird zugleich in dem Geſchäftsgang eine weſent-<lb/> liche Beſchleunigung erzielt, ohne daß den Mitgliedern der lombardiſch vene-<lb/> tianiſchen Landesvertretung eine größere Arbeit erwächst, indem ſie vielmehr<lb/> mit dem an die kaiſerl. Verordnung geknüpſten Miniſterialerlaß von den viel-<lb/> fachen mit der Gebührenbehandlung der Communal- und Landesbeamten ver-<lb/> bundenen Geſchäften enthoben worden ſind.</quote> </cit> </p><lb/> <p>Das Finanzcomit<hi rendition="#aq">é</hi> des Reichsraths hat, wie der <hi rendition="#g">Wanderer</hi> ſchreibt,<lb/> den Grafen Mercandin zu ſeinem Präſidenten gewählt, und in der Sitzung<lb/> vom 9 Jun. in der Frage: ob alſogleich zur Entſcheidung der leitenden<lb/> Grundſätze eines möglichſt wohlfeilen und alle Claſſen der Bevölkerung zu-<lb/> friedenſtellenden Verwaltungsſyſtems geſchritten werden ſolle, oder ob dieſe<lb/> Berathung erſt nach Prüfung des ganzen Budgets Platz greifen möge, ſich<lb/> für die letztere Anſicht erklärt, und am 11 l. M. fünf Untercomit<hi rendition="#aq">é</hi>s gewählt:<lb/> eines für die Miniſterien des Innern, der Juſtiz und des Cultus, das zweite<lb/> für das Miniſterium der Finanzen; das dritte für die Militärauslagen, das<lb/> vierte für die Koſten des Hoſſtaats, des Miniſteriums des Aeußern, der<lb/> Rechnungsbehörde, der Polizei; das fünfte für die Einnahmen. — Das<lb/> Grundbuchscomit<hi rendition="#aq">é</hi>, welches den Frhru. v. Salvotti zum Präſidenten wählte,<lb/> hielt geſtern die erſte Sitzung.</p><lb/> <p>Frhr. v. Kraus hat ſeinen neuen Poſten als Präſident der oberſten Rech-<lb/> nungsbehörde bereits angetreten. Wie die <hi rendition="#g">Morgenpoſt</hi> vernimmt, gehen<lb/> ſämmtliche Controlsbehörden einer der möglichſten Erſparung im Staats-<lb/> haushalt entſprechenden Reorganiſation entgegen. Die zweiten Vice-Hof-<lb/> und Staatsbuchhalterſtellen ſollen, wo ſolche vorhanden, ganz aufgelaſſen,<lb/> der bisherige Stand der Rechnungsräthe bedeutend vermindert, an deren<lb/> Stelle jedoch Rechnungsreviſoren mit jährlichem Gehalt von 1000 fl. creirt,<lb/> die bei den Buchhaltungen in Verwendung ſtehenden Diurniſten aber allmäh-<lb/> lich beſeitigt werden. Die bisher proviſoriſch eingeſührt geweſene ſiebente Amts-<lb/> ſtunde ſoll aufgehoben, und ſollen überhaupt in der Controle bedeutende<lb/> Erleichterungen und Geſchäftsvereinfachungen eingeführt werden.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>⊕ <hi rendition="#b">Bern,</hi> 13 Jun.</dateline> <p>Geſtern hat ſich nun auch hier ein Comit<hi rendition="#aq">é</hi> zur<lb/> Unterſtützung der ſiciliſchen Bewegung gebildet. Man will Garibaldi eine<lb/> Anzahl Gewehre, hinreichend zur Ausrüſtung einer Compagnie, ſenden. Ob<lb/> Stutzen oder Jägergewehr, iſt noch nicht entſchieden. Die Beſtreitung der Ko-<lb/> ſten will man durch Subſcription decken, wozu ein Aufruf an das geſammte<lb/> ſchweizeriſche Volk erlaſſen werden ſoll. — Für den Fall daß ſie Ihnen noch<lb/> nicht in die Augen gefallen ſeyn ſollten, mache ich Sie auf die jüngſten Pari-<lb/> ſer Correſpondenzen einiger Blätter der franzöſiſchen Schweiz aufmerkſam,<lb/> welche derſelben einſtimmig Glauben machen wollen nicht Louis Rapoleon<lb/> habe die Unterredung mit dem Prinz-Regenten von Preußen nachgeſucht, ſon-<lb/> dern Louis Napoleon habe dieſelbe dem Prinz-Regenten, erſt nachdem ſich die-<lb/> ſer alle Mühe gegeben eine ſolche zu erwirken, auf das dringende Bitten der<lb/> Kaiſerin Mutter von Rußland bewilligt. Gleichzeitig erzählen dieſe aus<lb/> authentiſchen Quellen ſchöpfenden Pariſer Correſpondenzen — wenigſtens ver<lb/> ſichern ſie das — Louis Napoleon ſey, nachdem er mit dem Marſchall Niel<lb/> und dem Marſchall Mac-Mahon nochmals die Frage der Rheingränie ſtu-<lb/> diert habe, zu einem neuen Reſultat gelangt. (Siehe den .. Genfer Brief.)<lb/> Sollte dieſe Mittheilung wirklich nicht dem Miſtbeet der jetzigen fran-<lb/> zöſiſchen Journaliſtik entſproſſen, ſondern in der That eine neue Frucht<lb/> Napoleoniſchen Fleißes ſeyn, ſo wird derſelben hoffentlich ſeitens Europa<lb/> die Auerkennung zu Theil werden welche ihr gebührt. Iſt es nicht ein Zeichen<lb/> großer Beſcheidenheit, ſtatt der natürlichen Gränzen welche Gott erſchaffen<lb/><cb/> hat — ſo ſollte man nämlich denken, da von Natur die Rede iſt — nur ein<lb/> paar elende Feſtungen, das unnatürliche Werk von Menſchenhänden, zu ver-<lb/> langen? — In Chambery ſtehen ſchon 5000 Mann Franzoſen. Eine offi-<lb/> cielle Anzeige von der Abtretung Savoyens an Frankreich ſeitens Sardiniens<lb/> iſt in der Bundesſtadt bis jetzt noch nicht eingelanfen. Wie es heißt, wird ſie<lb/> heute oder morgen erwartet.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>.. <hi rendition="#b">Genf,</hi> 12 Jun.</dateline> <p>Während der Telegraph das Gerücht von einer<lb/> Zuſammenkunft des Kaiſers Napoleon mit dem Prinz-Regenten von Preußen<lb/> von neuem verbreitet, bringt die „Revue de Gen<hi rendition="#aq">è</hi>ve“ aus Paris wieder einen<lb/> jener Lärmberichte über die „Rheinfrage“ die ſich neuerdings öfter auch in<lb/> dieſem Blatt wiederholten. Wir laſſen ihn der Merkwürdigkeit halber hier<lb/> wörtlich folgen: <cit><quote>„Seit einigen Tagen ſtudiert der Kaiſer die Frage der Rhein-<lb/> gränzen; er hat eine ungeheure Karte der Rheinländer bei ſich, und, unter-<lb/> ſtützt durch die Mittheilungen welche ihm unſere militäriſche Tüchtigkeit liefert,<lb/> ſucht er die Löſung. Es handelt ſich gegenwärtig nicht mehr um die natür-<lb/> lichen Gränzen, die Frage ſtellt ſich anders. Der Kaiſer hat bemerkt daß die<lb/> Mächte 1815 Frankreich nicht nur die feſten Plätze genommen haben welche<lb/> zum Angriff dienen könnten, ſondern auch die zur Vertheidigung nöthigen.<lb/> Von dieſer Thatſache ausgehend, würde Frankreich nicht mehr die Rhein-<lb/> gränze verlangen, auch nicht einmal die Linie der feſten Plätze, welche ſich<lb/> außerhalb ſeines Vertheidigungsſyſtems befänden, es würde nur Europa den<lb/> Vorſchlag machen eine neue Gränzlinie zu ziehen welche Frankreich die Plätze<lb/> die es decken zurückgibt; ich nenue unter andern Saarbrück und Landau. Die<lb/> Studien des Kaiſers haben zum Zweck den Lauf dieſer Linie feſtzuſtellen.<lb/> Wann dieſe Studien vollendet ſeyn werden, was, wie ich glaube, bald der<lb/> Fall ſeyn wird, dann wird der Kaiſer feierlich und officiell die Frage Europa<lb/> vorlegen, entweder unter der Form eines Manifeſtes an das franzöſiſche Volk<lb/> oder eines diplomatiſchen Rundſchreibens an die Mächte. Alle dieſe Einzeln-<lb/> heiten ſcheinen romanhaft, und flößen Ihnen vielleicht einiges Mißtrauen ein:<lb/> ſie ſind, ich wiederhole es, darum nicht weniger genau!“</quote></cit> Sie werden mir<lb/> zugeben daß es der Mühe werth iſt dieſe Prophezeiungen des radicalen Genfer<lb/> Blattes auch deutſchen Leſern vorzulegen. — Der Telegraph meldet uns daß<lb/> ſchon übermorgen die Annexion von Savoyen und Nizza in Paris gefeiert<lb/> werden ſoll. Charakteriſtiſch iſt es daß die erſten von der franzöſiſchen Re-<lb/> gierung für Savoyen getroffenen Verfügungen rein militäriſcher Art ſind:<lb/> Erweiterung der Cavalleriecaſerne in Chambery, neue Vertheilung von Helena-<lb/> medaillen u. ſ. f. — Daß durch den geſtrigen Spruch der eidgenöſſiſchen<lb/> Anklagekammer der Perrier’ſche Fall noch nicht beendigt iſt, wird bei der be-<lb/> kannten Stimmung und Anſicht des Betreffenden hier allgemein angenommen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 13 Jun.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die Königin hielt am 11 Jun. eine Inveſtitur des Bath-Ordens. Es<lb/> wurden viele Ritter, Mitglieder und Ordens Commandeure der militäriſchen<lb/> ſowohl wie der Civil-Abtheilung ernannt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz, Schweſter des Herzogs von<lb/> Cambridge, iſt in London angekommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Lord Palmerſtons Antwort auf mehrere Sicilien betreffende Fragen<lb/> Hrn. H. B. Sheridans in der <hi rendition="#g">Unterhausſitzung</hi> vom 12 Jun. lautete<lb/> des nähern alſo: „Ich habe meinem ehrenwerthen Freund zu erwiedern daß<lb/> mein edler Freund an der Spitze des Auswärtigen die Admiralität erſucht<lb/> hat ein Kriegsſchiff in Marſala, ein anderes in Meſſina, ein drittes in Pa-<lb/> lermo, und vier im Meerbuſen von Neapel aufzuſtellen, alle um brittiſche<lb/> Unterthanen, die deſſen bedürfen ſollten, Schutz und Obdach zu gewähren.<lb/> Ich hoffe daß dieſe Vertheilung ausreichen wird. Was die andere Frage be-<lb/> trifft, ſo hören wir daß die neapolitaniſche Regierung einen Agenten nach<lb/> Paris und London abgeſandt hat — er dürfte ſehr bald, etwa in zwei Tagen<lb/> — eintreffen, um den Regierungen Frankreichs und Englands gewiſſe Mit-<lb/> theilungen zu machen. Ich hoffe das Haus wird keinen Augenblick zweifeln<lb/> daß wir in unſern Beſprechungen mit dieſem Botſchafter dafür ſorgen werden<lb/> daß er die Gefühle kennen lerne mit denen J. Maj. Regierung — in Ge-<lb/> meinſchaft mit jedermann in England — die in Palermo begangenen Barba-<lb/> reien betrachtet, Barbareien die wirklich unſerer Zeit und Civilifation zur<lb/> Schande gereichen. (Hört!) Was die etwaige Erwartung betrifft daß ſolche<lb/> Vorſtellungen auf die künftige Handlungsweiſe der neapolitaniſchen Regie-<lb/> rung heilſam einwirken dürften, ſo bin ich nicht ſo kühn dem Hauſe ſonderlich<lb/> ſanguiniſche Hoffnungen machen zu wollen. Die Regierung von Neapel wird<lb/> viel wahrſcheinlicher gleich der päpſtlichen handeln, die den Officier, der das<lb/> Blutbad und die Plünderung in Perugia angeſtiftet hatte, zur Belohnung<lb/> dafür beförderte. So werden denn die Armee- und Flottenofficiere, welche<lb/> die Operationen in Palermo geleitet haben, weder Verweis noch Strafe,<lb/> ſondern Belohnungen und Auszeichnungen erhalten. Um auf die letzte<lb/> Frage zu kommen, ſo wiſſen wir daß die neapolitaniſche Regierung ſich<lb/> an ihre auswärtigen Alliirten um Unterſtützung gewandt hat — Un-<lb/> terſtützung in Geſtalt einer Garantie für den Beſitz der beiden Sicilien.<lb/> Oeſterreich hat es unbedingt und beſtimmt abgeſchlagen ſich in die An-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2801/0005]
vincialcongregationen waren ſchon gegenwärtig berufen in der Verwaltung
der Gemeinden, der öffentlichen Wohlthätigkeit und der Krankenanſtalten, der
Straßen- und Waſſerbauten, wie auch in den Gegenſtänden der Verpachtung
und Einhebung der directen Steuern in erſter Inſtanz zu entſcheiden, und alle
dieſe politiſchen Zweige innerhalb des Wirkungskreiſes der ehemaligen Guber-
nien ſelbſtändig zu adminiſtriren; hingegen hatte die Centralcongregation auf
die erwähnten öffentlichen Angelegenheiten, überdieß auf die Verwaltung des
Landesfonds und der Landesanſtalten und auf die ausgleichende Vertheilung
der Mititärlaſten, noch fortan einen bloß berathenden Einfluß an der Seite
der in den obgedachten Beziehungen mit umfaſſendern Befugniſſen ausgerüſte-
ten Statthalterei zu nehmen. Se. Majeſtät verleihen nunmehr der Central-
congregation das höhere Entſcheidungsrecht und die Autonomie der Admini-
ſtration in den Landesangelegenheiten, und behalten der Regierung nur jene
oberſte Einflußnahme vor welche dieſer im Intereſſe des Geſammtſtaats und
der lombardiſch-venetianiſchen Bevölkerung ſelbſt unbedingt verbleiben muß.
Dieſe Attributionen reihen ſich daher dem der Congregation bereits urſprüng-
lich eingetäumten Petitionsrecht und ihrer Berechtigung zur berathenden
Theilnahme an den organiſchen und legislativen Fragen des Landes als ebenſo
werthvolle Prärogative an, die jene in den Stand ſetzt die geiſtige und mate-
rielle Wohlfahrt des Landes nachhaltig zu heben. Während hiedurch die
Staatsbehörden im Lande eines ſehr bedeutenden Theils ihrer bisherigen
Agenden enthoben werden, und daher eine angemeſſene Reduction ihres Per-
ſonalſtands erfahren können, wird zugleich in dem Geſchäftsgang eine weſent-
liche Beſchleunigung erzielt, ohne daß den Mitgliedern der lombardiſch vene-
tianiſchen Landesvertretung eine größere Arbeit erwächst, indem ſie vielmehr
mit dem an die kaiſerl. Verordnung geknüpſten Miniſterialerlaß von den viel-
fachen mit der Gebührenbehandlung der Communal- und Landesbeamten ver-
bundenen Geſchäften enthoben worden ſind.
Das Finanzcomité des Reichsraths hat, wie der Wanderer ſchreibt,
den Grafen Mercandin zu ſeinem Präſidenten gewählt, und in der Sitzung
vom 9 Jun. in der Frage: ob alſogleich zur Entſcheidung der leitenden
Grundſätze eines möglichſt wohlfeilen und alle Claſſen der Bevölkerung zu-
friedenſtellenden Verwaltungsſyſtems geſchritten werden ſolle, oder ob dieſe
Berathung erſt nach Prüfung des ganzen Budgets Platz greifen möge, ſich
für die letztere Anſicht erklärt, und am 11 l. M. fünf Untercomités gewählt:
eines für die Miniſterien des Innern, der Juſtiz und des Cultus, das zweite
für das Miniſterium der Finanzen; das dritte für die Militärauslagen, das
vierte für die Koſten des Hoſſtaats, des Miniſteriums des Aeußern, der
Rechnungsbehörde, der Polizei; das fünfte für die Einnahmen. — Das
Grundbuchscomité, welches den Frhru. v. Salvotti zum Präſidenten wählte,
hielt geſtern die erſte Sitzung.
Frhr. v. Kraus hat ſeinen neuen Poſten als Präſident der oberſten Rech-
nungsbehörde bereits angetreten. Wie die Morgenpoſt vernimmt, gehen
ſämmtliche Controlsbehörden einer der möglichſten Erſparung im Staats-
haushalt entſprechenden Reorganiſation entgegen. Die zweiten Vice-Hof-
und Staatsbuchhalterſtellen ſollen, wo ſolche vorhanden, ganz aufgelaſſen,
der bisherige Stand der Rechnungsräthe bedeutend vermindert, an deren
Stelle jedoch Rechnungsreviſoren mit jährlichem Gehalt von 1000 fl. creirt,
die bei den Buchhaltungen in Verwendung ſtehenden Diurniſten aber allmäh-
lich beſeitigt werden. Die bisher proviſoriſch eingeſührt geweſene ſiebente Amts-
ſtunde ſoll aufgehoben, und ſollen überhaupt in der Controle bedeutende
Erleichterungen und Geſchäftsvereinfachungen eingeführt werden.
Schweiz.
⊕ Bern, 13 Jun. Geſtern hat ſich nun auch hier ein Comité zur
Unterſtützung der ſiciliſchen Bewegung gebildet. Man will Garibaldi eine
Anzahl Gewehre, hinreichend zur Ausrüſtung einer Compagnie, ſenden. Ob
Stutzen oder Jägergewehr, iſt noch nicht entſchieden. Die Beſtreitung der Ko-
ſten will man durch Subſcription decken, wozu ein Aufruf an das geſammte
ſchweizeriſche Volk erlaſſen werden ſoll. — Für den Fall daß ſie Ihnen noch
nicht in die Augen gefallen ſeyn ſollten, mache ich Sie auf die jüngſten Pari-
ſer Correſpondenzen einiger Blätter der franzöſiſchen Schweiz aufmerkſam,
welche derſelben einſtimmig Glauben machen wollen nicht Louis Rapoleon
habe die Unterredung mit dem Prinz-Regenten von Preußen nachgeſucht, ſon-
dern Louis Napoleon habe dieſelbe dem Prinz-Regenten, erſt nachdem ſich die-
ſer alle Mühe gegeben eine ſolche zu erwirken, auf das dringende Bitten der
Kaiſerin Mutter von Rußland bewilligt. Gleichzeitig erzählen dieſe aus
authentiſchen Quellen ſchöpfenden Pariſer Correſpondenzen — wenigſtens ver
ſichern ſie das — Louis Napoleon ſey, nachdem er mit dem Marſchall Niel
und dem Marſchall Mac-Mahon nochmals die Frage der Rheingränie ſtu-
diert habe, zu einem neuen Reſultat gelangt. (Siehe den .. Genfer Brief.)
Sollte dieſe Mittheilung wirklich nicht dem Miſtbeet der jetzigen fran-
zöſiſchen Journaliſtik entſproſſen, ſondern in der That eine neue Frucht
Napoleoniſchen Fleißes ſeyn, ſo wird derſelben hoffentlich ſeitens Europa
die Auerkennung zu Theil werden welche ihr gebührt. Iſt es nicht ein Zeichen
großer Beſcheidenheit, ſtatt der natürlichen Gränzen welche Gott erſchaffen
hat — ſo ſollte man nämlich denken, da von Natur die Rede iſt — nur ein
paar elende Feſtungen, das unnatürliche Werk von Menſchenhänden, zu ver-
langen? — In Chambery ſtehen ſchon 5000 Mann Franzoſen. Eine offi-
cielle Anzeige von der Abtretung Savoyens an Frankreich ſeitens Sardiniens
iſt in der Bundesſtadt bis jetzt noch nicht eingelanfen. Wie es heißt, wird ſie
heute oder morgen erwartet.
.. Genf, 12 Jun. Während der Telegraph das Gerücht von einer
Zuſammenkunft des Kaiſers Napoleon mit dem Prinz-Regenten von Preußen
von neuem verbreitet, bringt die „Revue de Genève“ aus Paris wieder einen
jener Lärmberichte über die „Rheinfrage“ die ſich neuerdings öfter auch in
dieſem Blatt wiederholten. Wir laſſen ihn der Merkwürdigkeit halber hier
wörtlich folgen: „Seit einigen Tagen ſtudiert der Kaiſer die Frage der Rhein-
gränzen; er hat eine ungeheure Karte der Rheinländer bei ſich, und, unter-
ſtützt durch die Mittheilungen welche ihm unſere militäriſche Tüchtigkeit liefert,
ſucht er die Löſung. Es handelt ſich gegenwärtig nicht mehr um die natür-
lichen Gränzen, die Frage ſtellt ſich anders. Der Kaiſer hat bemerkt daß die
Mächte 1815 Frankreich nicht nur die feſten Plätze genommen haben welche
zum Angriff dienen könnten, ſondern auch die zur Vertheidigung nöthigen.
Von dieſer Thatſache ausgehend, würde Frankreich nicht mehr die Rhein-
gränze verlangen, auch nicht einmal die Linie der feſten Plätze, welche ſich
außerhalb ſeines Vertheidigungsſyſtems befänden, es würde nur Europa den
Vorſchlag machen eine neue Gränzlinie zu ziehen welche Frankreich die Plätze
die es decken zurückgibt; ich nenue unter andern Saarbrück und Landau. Die
Studien des Kaiſers haben zum Zweck den Lauf dieſer Linie feſtzuſtellen.
Wann dieſe Studien vollendet ſeyn werden, was, wie ich glaube, bald der
Fall ſeyn wird, dann wird der Kaiſer feierlich und officiell die Frage Europa
vorlegen, entweder unter der Form eines Manifeſtes an das franzöſiſche Volk
oder eines diplomatiſchen Rundſchreibens an die Mächte. Alle dieſe Einzeln-
heiten ſcheinen romanhaft, und flößen Ihnen vielleicht einiges Mißtrauen ein:
ſie ſind, ich wiederhole es, darum nicht weniger genau!“ Sie werden mir
zugeben daß es der Mühe werth iſt dieſe Prophezeiungen des radicalen Genfer
Blattes auch deutſchen Leſern vorzulegen. — Der Telegraph meldet uns daß
ſchon übermorgen die Annexion von Savoyen und Nizza in Paris gefeiert
werden ſoll. Charakteriſtiſch iſt es daß die erſten von der franzöſiſchen Re-
gierung für Savoyen getroffenen Verfügungen rein militäriſcher Art ſind:
Erweiterung der Cavalleriecaſerne in Chambery, neue Vertheilung von Helena-
medaillen u. ſ. f. — Daß durch den geſtrigen Spruch der eidgenöſſiſchen
Anklagekammer der Perrier’ſche Fall noch nicht beendigt iſt, wird bei der be-
kannten Stimmung und Anſicht des Betreffenden hier allgemein angenommen.
Großbritannien.
London, 13 Jun.
Die Königin hielt am 11 Jun. eine Inveſtitur des Bath-Ordens. Es
wurden viele Ritter, Mitglieder und Ordens Commandeure der militäriſchen
ſowohl wie der Civil-Abtheilung ernannt.
Die Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz, Schweſter des Herzogs von
Cambridge, iſt in London angekommen.
Lord Palmerſtons Antwort auf mehrere Sicilien betreffende Fragen
Hrn. H. B. Sheridans in der Unterhausſitzung vom 12 Jun. lautete
des nähern alſo: „Ich habe meinem ehrenwerthen Freund zu erwiedern daß
mein edler Freund an der Spitze des Auswärtigen die Admiralität erſucht
hat ein Kriegsſchiff in Marſala, ein anderes in Meſſina, ein drittes in Pa-
lermo, und vier im Meerbuſen von Neapel aufzuſtellen, alle um brittiſche
Unterthanen, die deſſen bedürfen ſollten, Schutz und Obdach zu gewähren.
Ich hoffe daß dieſe Vertheilung ausreichen wird. Was die andere Frage be-
trifft, ſo hören wir daß die neapolitaniſche Regierung einen Agenten nach
Paris und London abgeſandt hat — er dürfte ſehr bald, etwa in zwei Tagen
— eintreffen, um den Regierungen Frankreichs und Englands gewiſſe Mit-
theilungen zu machen. Ich hoffe das Haus wird keinen Augenblick zweifeln
daß wir in unſern Beſprechungen mit dieſem Botſchafter dafür ſorgen werden
daß er die Gefühle kennen lerne mit denen J. Maj. Regierung — in Ge-
meinſchaft mit jedermann in England — die in Palermo begangenen Barba-
reien betrachtet, Barbareien die wirklich unſerer Zeit und Civilifation zur
Schande gereichen. (Hört!) Was die etwaige Erwartung betrifft daß ſolche
Vorſtellungen auf die künftige Handlungsweiſe der neapolitaniſchen Regie-
rung heilſam einwirken dürften, ſo bin ich nicht ſo kühn dem Hauſe ſonderlich
ſanguiniſche Hoffnungen machen zu wollen. Die Regierung von Neapel wird
viel wahrſcheinlicher gleich der päpſtlichen handeln, die den Officier, der das
Blutbad und die Plünderung in Perugia angeſtiftet hatte, zur Belohnung
dafür beförderte. So werden denn die Armee- und Flottenofficiere, welche
die Operationen in Palermo geleitet haben, weder Verweis noch Strafe,
ſondern Belohnungen und Auszeichnungen erhalten. Um auf die letzte
Frage zu kommen, ſo wiſſen wir daß die neapolitaniſche Regierung ſich
an ihre auswärtigen Alliirten um Unterſtützung gewandt hat — Un-
terſtützung in Geſtalt einer Garantie für den Beſitz der beiden Sicilien.
Oeſterreich hat es unbedingt und beſtimmt abgeſchlagen ſich in die An-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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