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Allgemeine Zeitung, Nr. 17, 21. Januar 1929.

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Montag, den 21. Januar "AZ am Abend" Nr. 17


Moritz von Schwind
Worte des Gedenkens
zum 125. Geburtstag am 21. Januar

Der 21. Januar hat für uns eine besondere
Bedeutung. Wir lesen auf dem Kalender, daß
Moritz von Schwinds 125. Geburtstag ist. Und
sofort erstehen vor unserem Auge all die Bilder,
deren Poesie, Romantik oder Humor uns so oft
entzückt hat. Moritz von Schwind ist Wiener,
fast könnte man sagen: natürlich Wiener,
denn die Art seiner Malerei hat etwas so Be-
schwingtes, Leichtes, daß man sie einem schwer-
blütigen Deutschen von vornherein nicht zutraut
Dennoch verdankt Schwind wohl einen großen
Teil seines Stils und seines Könnens dem
Münchener Cornelius, dessen Schüler er mit
24 Jahren wurde. Nun gab er sich dem deut-
schen Märchen in die Hände, das ihn zeitlebens
nicht wieder losgelassen hat. Es nahm ihn ge-

[Abbildung]

Selbstbildnis des Künftlers im Alter von
18 Jahren. (Oelbild auf Eichenholz.)

fangen und machte ihn zu unserem eigentlichsten
und allergeliebtesten Märchenmaler. Wer je-
mals in der Schackgalerie in München gestanden
hat, fühlte sich auf einmal wie versponnen in
Märchenzauber und weltferne Poesie. Da ist der
Erlkönig, Rübezahl, der Elfenrei-
gen,
die gefangene Prinzessin, Wie-
land der Schmied
. Auch auf der Wartburg
finden wir Schwind wieder, und zwar sehen wir
auf den Korridoren der Burg Bilder aus dem
Leben der heiligen Elisabeth. Im Sän-
gersaal malte er uns den Sängerkrieg und in
einem anderen Zimmer gab er Darstellungen
aus dem Leben des Landgrafen Ludwig. Es ist
wohl keine Uebertreibung, wenn man behauptet,
daß Schwinds Bilder einen Hauptreiz für alle
Wartburgfahrer darstellen. Ohne sie wäre diese
thüringische Burg schwerlich in solchem Maße
Wallfahrtsort.

Auch das Weimarer Museum besitzt einen be-
sonders schönen Bilderzyklus von Schwind, und
zwar seine Illustrationen zu den "Sieben
Raben
".

Wenn wir Schwinds gedenken, gleiten unsere
Gedanken in selbstverständlicher Verbindung zu
Schubert hinüber, war doch Schwind fröh-
liche Jugendjahre hindurch Schuberts bester
Freund, neben Schober. Phantasierend, träu-
mend, pokulierend, so vergingen den Freunden
die Tage. Schwind selber spricht sich über diese
Gemeinschaft mit den Worten aus, er habe "mit
dem Liederkomponisten Franz Schubert ein paar
flüchtige Lebensjahre in glücklicher Not und
Freundschaft versungen und vermusiziert".
Schwind war nämlich, obwohl er aus sehr vor-
nehmer Familie stammte, ebenso arm wie
Schubert und auf die Erträgnisse seines Fleißes
angewiesen, der allerdings fast beispiellos war.
Es werden mehr als 1260 Bilder von ihm
registriert! Seine guten Beziehungen brachten
ihn von Jugend an mit den bedeutendsten Per-
sönlichkeiten seiner Zeit zusammen. Mit Bauern-
feld und Lenau besuchte er schon zusammen die
Schule, mit Grillparzer und Anastasius Grün
wurde er später bekannt. Mit großer Entschlos-
senheit ging Schwind auf sein Ziel, ein berühm-
ter Maler zu werden, los, und während Freund
Schubert in sein frühes Grab sank, war es
Schwind vergönnt, zu den Höhen des Ruhms
aufzusteigen. Seinen Lebensabend beschloß er
in München als Professor der dortigen Akademie.
In München hat man ihm in dankbarer Er-
innerung ein Denkmal errichtet.

Schwinds Bilder können wir nicht betrachten,
ohne an einen anderen Maler erinnert zu wer-
den, an Spitzweg nämlich, und tatsächlich bietet
ein Vergleich zahllose Aehnlichkeiten, aber der
deutsche Spitzweg hat einen kräftigeren,
realistischeren Zug, ihm fehlt die weiche Ver-
träumtheit Schwinds, seine Linien sind fester,
auch seine Stoffe mehr aus dem Alltag heraus-
gegriffen. Die größte Annäherung erreichen die
beiden Maler wohl in der "Hochzeitsreise" von
Schwind und dem "Abschied" von Spitzweg, die
beide in der Schackgalerie zu München hän-
gen, so daß die Vergleichsmöglichkeit jedem ge-
boten ist.

Ueber Schwinds eigene Einstellung zu seinem
Talent geben uns einige Aussprüche von ihm
Aufschluß: "Einen zweigeteilten Bart kann ich
so gut malen wie ein anderer. Aber einen
Christus zu malen, dazu muß man ein anderer
Mensch sein als ich. -- Glücklich der, dem sein
Talent einen kirchlichen Wirkungskreis angewie-
sen hat. Immer mit den schönsten Gegenständen
und den edelsten Kunstformen zu tun zu haben,
ist nichts Kleines. Ich habe aber die Ruhe nicht,
geschweige denn das asketische Feuer, ohne dem
doch nichts Rechtes wird."

Die Gestalten zu seinen Märchen lieferte ihm
seine Familie, die Gattin, die drei Töchter, der
Sohn. Auf einem Bilde malt Schwind sich selber
mit seinem als schlafend dargeltellten, in Wirt-
lichkeit verstorbenen vierten Töchterchen im Arm.
[Spaltenumbruch] Auf diesem Bilde ist auch die frühverstorbene
Gattin Emanuel Geibels deutlich erkennbar wie-
dergegeben.

Wunderhübsche Beiträge hat Schwind den
"Fliegenden Blättern" geliefert, ebenso
auch den "Münchener Bilderbogen".
Wenn wir die alten Jahrgänge durchblättern,
stoßen wir auf ganz bezaubernde Illustrationen.
Ich erinnere nur an das bekannte Bildchen "Herr
Winter in der Christnacht". Dick liegt der
Schnee auf den Dächern der alten Stadt mit dem
zierlichen Brunnen inmitten des Marktes. Auf
der Steinbank wölbt sich ein schwellendes Schnee-
polster. Zwischen den traulich erhellten Fenstern
schreitet Herr Winter dahin, mit mächtigen Stie-
feln, in weiter Kutte, mit langem Bart, den
brennenden Lichterbaum auf dem Rücken. Ein
Stück Weihnachtsstimmung, wie es echter und
deutscher nicht und niemals gegeben werden
kann.

Unverlierbarer Besitz ist uns Schwind, so un-
verlierbar wie unsere deutschen Märchen selber,
denen er mit Pinsel und Stift Verkörperung und
urwüchsiges Leben gab.



Pferdefleisch

Pferdefleisch! Es hat keinen guten Ruf.
Es gilt als der Prolet unter den Fleischen.
Wenige mögen es, die meisten lehnen es ab. Wer
es ohne Wissen gegessen hat, der schüttelt sich,
wenn er es nachher erfährt. Und der Hygieniker
und Nahrungsmittelfachmann sagt, daß es min-
derwertig und von geringem Nährwert sei.

Etwas ist aber seltsam dabei: Unter hundert,
die das Pferdefleisch unwissentlich für Rindfleisch
essen, ist kaum einer, der merkte, was er ge-
gessen hätte. Im Gegenteil: das Pferdekotelette
wird mit ebenso großem Genuß und Appetit ver-
zehrt als ein Rindskotelette. Solange man nichts
weiß.

In einem hiesigen Restaurant war ein
besonders großer Pferdefleischkonsum. Die betrieb-
same Wirtin bezog in der Woche etwa 40 Pfund
Pferdefleisch, das dann auf der Speisekarte unter
feinen, delikaten Namen auftauchte. Und so deli-
kat wußte sie das Fleisch zuzurichten, daß die
Gäste ihre Kochkunst laut priesen, sich nach jeder
Mahlzeit die Finger leckten und das Restaurant
warm ihren Bekannten empfahlen. "Dort gibt's
einen guten Happen", sagten sie, "und billig!
Namentlich im Abonnement!"

Das Abonnement war wirklich billig. Denn die
Frau, die sich anscheinend in der Ergiebigkeit des
Roßfleisches verrechnete oder überhaupt nicht
rechnen konnte, lieferte für einige bevorzugte
Abonnementskunden ein komplettes Mittagessen
-- Suppe, Rindsbraten vom Pferd, reichlich Ge-
müse und Kartoffeln und Nachtisch -- alles zu-
sammen für -- -- 35 Pfennige.

So kam's, daß sie nicht bestehen konnte, trotz
der vielen Pferde, die bei ihr konsumiert wurden.
Sie mußte das Restaurant aufgeben, und die
Geschädigte ist eigentlich sie selbst. Denn den
Gästen haben die Roßgulaschs und Pferdebeef-
steaks nichts geschadet. Es tritt sogar ein solcher
Stammgast, der im Abonnement bei ihr aß, als
Zeuge auf, rühmt das gute, schmackhafte, billige
Essen und erklärt, er hätte sich ganz im stillen
schon immer gedacht, daß er Pferdefleisch bekom-
men habe. Aber das habe ihn nicht im mindesten
gestört. Und geschmeckt habe es großartig.

Trotzdem muß die Frau bestraft werden, denn
wer seinen Gästen Pferdefleisch vorsetzt, der muß
es auf der Speisekarte auch so deklarieren. Aber
weil sie nicht viel verdient hat -- und vielleicht
auch deswegen, weil die Gäste allseitig so wohl
zufrieden waren --, wird die Geldstrafe nur auf
50 Mark bemessen.



Der verlassene Königspalast
[Abbildung]

Das Königliche Schloß in Kabul konnte seinem neuen Bewohner, dem König Juayat-
ullah, nur einen Tag als Residenz dienen. Afghanistans Hauptstadt wurde von den
Aufständischen im Kampfe genommen, und der neue König ist ebenso spurlos verschwun-
den wie sein Bruder Amanullah.



Die Leiche im Pfarrhausgarten

Was ein Medium sah * Beleidigungsklage als Folge
Ein ganzes Dorf als Zeuge

Eine mysteriöse Geschichte beschäftigte die
Berufungskammer des Landgerichts Wei-
mar. In dem Bauerndörfchen Kleinbrem-
bach und der Umgebung ging seit Jahren
das Gerücht, im Jahre 1917 sei ein Händler
aus Sachsen in Kleinbrembach ermordet und
in dem sogenannten Pfarreigarten, der da-
mals dem Landwirt Brauer gehörte,
vergraben worden.
Von Mund zu Mund wurde dieses Gerücht
weitergetragen, immer mehr gesteigert und
phantastischer ausgemalt, bis schließlich die
ganze Umgebung sich in größter Aufregung
befand. Als Mörder bezeichnete man den
Pfarreigartenbesitzer Brauer, bei dem der
"Händler aus Sachsen" viel ein- und aus-
gegangen sein sollte. Inzwischen hatte
Brauer, ohne daß er von dem seit 10 Jah-
ren umlaufenden Gerücht etwas erfuhr, den
Garten verkauft. Im Februar vorigen Jah-
res traten zwei Kleinbrembacher Einwohner
an den neuen Besitzer des Pfarrgartens
heran und baten ihn um die Erlaubnis, in
seinem Garten graben zu können.

Dort liege die Leiche des erschlagenen
Händlers begraben, in einem Sack
verpackt.

Erst habe die Leiche Meter tief gelegen,
dann sei sie aber 13/4 Meter tief vergraben
worden. Der Ermordete habe 9500 Mark
bei sich gehabt, die geraubt worden wären;
mit zwei Beilhieben sei er ermordet wor-
den. Als der Gartenbesitzer verwundert
fragte, wie sie denn zu dieser Behauptung
kämen, erwiderten die beiden, daß sie einer
spiritistischen Gemeinde angehörten und
daß sie mit dem Toten sprächen und sein
Geist sei immer bei ihnen. Brauer habe den
Mord ausgeführt und dabei auch etwas ab-
gekriegt, so daß er lange Zeit krank gewesen
sei. Die Bauern der ganzen Umgebung be-
schäftigten sich nun erst recht nur noch mit
dem furchtbaren Raubmorde. Brauer hatte
unter dieser ungeheuerlichen Beschuldigung
furchtbar zu leiden.

Eine

Privatklage

war die Folge. Der Haupttermin im Be-
rufungsverfahren mußte, da das ganze Dorf
als Zeuge geladen war, im Orte stattfinden.
Hier stellte sich nun die weitere Ungeheuer-
lichkeit heraus, daß der eigene Bruder des
Brauer der Urheber des Gerüchts gewesen
ist. Durch dessen Anschuldigung sind die bei-
den Spiritisten erst veranlaßt worden, sich
in ihren Sitzungen
mit einem Medium
in Sömmerda mit der Sache zu befassen.
Weiter ergab sich aber auch in der Haupt-
verhandlung, daß man gar nicht weiß, wer
der "Händler aus Sachsen" war, ja, einige
Zeugen wollen ihn, der im Jahre 1917 er-
mordet worden sein soll, noch im Jahre 1920
gesehen haben!

Um dem Privatkläger in dieser spiritistisch
verseuchten Gegend wieder ein einigermaßen
ruhiges Dasein zu ermöglichen, und um
wieder Ruhe im Orte zu schaffen, empfahl
der Vorsitzende eine

friedliche Einigung.

Die Angeklagten und alle Zeugen versicher-
ten, von nun an sich zu bessern und die
Mordgeschichte zu vergessen. Der nette Bru-
der mußte zwei Drittel der erheblichen Kosten
übernehmen, während sich die beiden Spiri-
tisten in den Rest teilten. Daß aber damit
der Spuk für immer begraben ist, muß sehr
bezweifelt werden.

[Spaltenumbruch]
Deutsche Stunde in Bayern

Dienstag, 22. Januar 1929

6.45 Morgengymnastik.

11.20 Schallplattenkonzert für Versuche und für
die Industrie. Ausgeführt mit Schallplatten
von der Sprechmaschinen- u. Schallplatten-
Abteilung der Radio-Industrie, G. m. b. H.,
München, Bayerstraße 25.

12.55 Mittagskonzert des Schrammelterzeits
Pieringer, Steiger, Lamninger.

14.45 Stunde der Frau.

16.30 Lesestunde: Zum 200. Geburtstag von
Gotthold Ephraim Lessing.
Sprecher: Fer-
dinand Classen.

17.00 Messen und Märkte in Bayern. Vortrag
von Dr. Ferdinand Lidl.

17.30 Konzert des Rundfunkorchesters. Leitung
Kurt Pastor, Solist Franz Buer (Bariton).
Deutsche Komantik (2).

19.00 Die Fledermaus. Operette in drei Akten
von Johann Strauß. Musikalische Leitung
Paul Schmitz -- Spielleitung Kurt Barre.
Uebertragung aus dem Nationaltheater.
München.

22.35 Abendmeldungen.

22.55 Tanzkurs. Leiter Max Wellenberg.



Konzert-Vorschau

Dienstag, den 22. Januar, 71/2 Uhr, im Her-
kules-Saal Cembalo-Konzert von Anna
Speckner unter Mitwirkung von Valentin
Härtl (Violine), Dr. Willi Schmid (Gambe),
Karl List u. Bläsern des Rundfunkorchesters. Der
erste Teil des Programms enthält Werke aus
der Zeit der Tabulatur (Werke von Arnolt
Schlick, H. L. Hasler und Samuel Scheidt -- für
Cembalo übertragen von Anna Speckner), der
zweite zeitgenössische Musik, und zwar Werke von
Igor Stravinsky (Suite nach Pergolesi, kompo-
niert 1925) und Karl Orff (kleines Konzert nach
Lautensätzen des 16. Jahrhunderts für Cembalo,
Holz- und Blechbläser, Xylophon und kleines
Schlagzeug).

Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid und im
Amtl. Bayer. Reisebureau.

Das Violinkonzert Op. 5 von Charles Flick-
Steger, München, dessen Kompositionen in letzter
Zeit bei Publikum und Presse bestens aufgenom-
men wurden, gelangt durch die bekannte Violi-
nistin Herma Studeny mit den Münchener
Philharmonikern am 8. März in der Tonhalle
zur Uraufführung.

Die Staatliche Graphische Sammlung (Barer-
straße 29) zeigt in einer neuen Ausstellung von
Neuerwerbungen ausländische Graphik,
Vertreten ist Oesterreich, die Schweiz, die skandi-
navischen Länder, Jugoslawien, Polen, Frank-
reich und Amerika. Die Ausstellung von Rem-
brandt-Radierungen bleibt noch einige Wochen.



Prinzregententheater.

In Lessings "Nathan",
der Dienstag, 22. Jan., in neuer Einstudierung
aufgeführt wird, sind die Damen Bierkowski,
Dandler, Scheinpflug und die Herren Basil, Grau-
mann, Henrich, Lippert, Ulmer, Zäpfel beschäf-
tigt. Inßenierung: Fritz Holl; Dekorationen und
Kostüme nach Entwürfen von Leo Pasetti.

[irrelevantes Material]
Montag, den 21. Januar „AZ am Abend“ Nr. 17


Moritz von Schwind
Worte des Gedenkens
zum 125. Geburtstag am 21. Januar

Der 21. Januar hat für uns eine beſondere
Bedeutung. Wir leſen auf dem Kalender, daß
Moritz von Schwinds 125. Geburtstag iſt. Und
ſofort erſtehen vor unſerem Auge all die Bilder,
deren Poeſie, Romantik oder Humor uns ſo oft
entzückt hat. Moritz von Schwind iſt Wiener,
faſt könnte man ſagen: natürlich Wiener,
denn die Art ſeiner Malerei hat etwas ſo Be-
ſchwingtes, Leichtes, daß man ſie einem ſchwer-
blütigen Deutſchen von vornherein nicht zutraut
Dennoch verdankt Schwind wohl einen großen
Teil ſeines Stils und ſeines Könnens dem
Münchener Cornelius, deſſen Schüler er mit
24 Jahren wurde. Nun gab er ſich dem deut-
ſchen Märchen in die Hände, das ihn zeitlebens
nicht wieder losgelaſſen hat. Es nahm ihn ge-

[Abbildung]

Selbſtbildnis des Künftlers im Alter von
18 Jahren. (Oelbild auf Eichenholz.)

fangen und machte ihn zu unſerem eigentlichſten
und allergeliebteſten Märchenmaler. Wer je-
mals in der Schackgalerie in München geſtanden
hat, fühlte ſich auf einmal wie verſponnen in
Märchenzauber und weltferne Poeſie. Da iſt der
Erlkönig, Rübezahl, der Elfenrei-
gen,
die gefangene Prinzeſſin, Wie-
land der Schmied
. Auch auf der Wartburg
finden wir Schwind wieder, und zwar ſehen wir
auf den Korridoren der Burg Bilder aus dem
Leben der heiligen Eliſabeth. Im Sän-
gerſaal malte er uns den Sängerkrieg und in
einem anderen Zimmer gab er Darſtellungen
aus dem Leben des Landgrafen Ludwig. Es iſt
wohl keine Uebertreibung, wenn man behauptet,
daß Schwinds Bilder einen Hauptreiz für alle
Wartburgfahrer darſtellen. Ohne ſie wäre dieſe
thüringiſche Burg ſchwerlich in ſolchem Maße
Wallfahrtsort.

Auch das Weimarer Muſeum beſitzt einen be-
ſonders ſchönen Bilderzyklus von Schwind, und
zwar ſeine Illuſtrationen zu den „Sieben
Raben
“.

Wenn wir Schwinds gedenken, gleiten unſere
Gedanken in ſelbſtverſtändlicher Verbindung zu
Schubert hinüber, war doch Schwind fröh-
liche Jugendjahre hindurch Schuberts beſter
Freund, neben Schober. Phantaſierend, träu-
mend, pokulierend, ſo vergingen den Freunden
die Tage. Schwind ſelber ſpricht ſich über dieſe
Gemeinſchaft mit den Worten aus, er habe „mit
dem Liederkomponiſten Franz Schubert ein paar
flüchtige Lebenſjahre in glücklicher Not und
Freundſchaft verſungen und vermuſiziert“.
Schwind war nämlich, obwohl er aus ſehr vor-
nehmer Familie ſtammte, ebenſo arm wie
Schubert und auf die Erträgniſſe ſeines Fleißes
angewieſen, der allerdings faſt beiſpiellos war.
Es werden mehr als 1260 Bilder von ihm
regiſtriert! Seine guten Beziehungen brachten
ihn von Jugend an mit den bedeutendſten Per-
ſönlichkeiten ſeiner Zeit zuſammen. Mit Bauern-
feld und Lenau beſuchte er ſchon zuſammen die
Schule, mit Grillparzer und Anaſtaſius Grün
wurde er ſpäter bekannt. Mit großer Entſchloſ-
ſenheit ging Schwind auf ſein Ziel, ein berühm-
ter Maler zu werden, los, und während Freund
Schubert in ſein frühes Grab ſank, war es
Schwind vergönnt, zu den Höhen des Ruhms
aufzuſteigen. Seinen Lebensabend beſchloß er
in München als Profeſſor der dortigen Akademie.
In München hat man ihm in dankbarer Er-
innerung ein Denkmal errichtet.

Schwinds Bilder können wir nicht betrachten,
ohne an einen anderen Maler erinnert zu wer-
den, an Spitzweg nämlich, und tatſächlich bietet
ein Vergleich zahlloſe Aehnlichkeiten, aber der
deutſche Spitzweg hat einen kräftigeren,
realiſtiſcheren Zug, ihm fehlt die weiche Ver-
träumtheit Schwinds, ſeine Linien ſind feſter,
auch ſeine Stoffe mehr aus dem Alltag heraus-
gegriffen. Die größte Annäherung erreichen die
beiden Maler wohl in der „Hochzeitsreiſe“ von
Schwind und dem „Abſchied“ von Spitzweg, die
beide in der Schackgalerie zu München hän-
gen, ſo daß die Vergleichsmöglichkeit jedem ge-
boten iſt.

Ueber Schwinds eigene Einſtellung zu ſeinem
Talent geben uns einige Ausſprüche von ihm
Aufſchluß: „Einen zweigeteilten Bart kann ich
ſo gut malen wie ein anderer. Aber einen
Chriſtus zu malen, dazu muß man ein anderer
Menſch ſein als ich. — Glücklich der, dem ſein
Talent einen kirchlichen Wirkungskreis angewie-
ſen hat. Immer mit den ſchönſten Gegenſtänden
und den edelſten Kunſtformen zu tun zu haben,
iſt nichts Kleines. Ich habe aber die Ruhe nicht,
geſchweige denn das asketiſche Feuer, ohne dem
doch nichts Rechtes wird.“

Die Geſtalten zu ſeinen Märchen lieferte ihm
ſeine Familie, die Gattin, die drei Töchter, der
Sohn. Auf einem Bilde malt Schwind ſich ſelber
mit ſeinem als ſchlafend dargeltellten, in Wirt-
lichkeit verſtorbenen vierten Töchterchen im Arm.
[Spaltenumbruch] Auf dieſem Bilde iſt auch die frühverſtorbene
Gattin Emanuel Geibels deutlich erkennbar wie-
dergegeben.

Wunderhübſche Beiträge hat Schwind den
Fliegenden Blättern“ geliefert, ebenſo
auch den „Münchener Bilderbogen“.
Wenn wir die alten Jahrgänge durchblättern,
ſtoßen wir auf ganz bezaubernde Illuſtrationen.
Ich erinnere nur an das bekannte Bildchen „Herr
Winter in der Chriſtnacht“. Dick liegt der
Schnee auf den Dächern der alten Stadt mit dem
zierlichen Brunnen inmitten des Marktes. Auf
der Steinbank wölbt ſich ein ſchwellendes Schnee-
polſter. Zwiſchen den traulich erhellten Fenſtern
ſchreitet Herr Winter dahin, mit mächtigen Stie-
feln, in weiter Kutte, mit langem Bart, den
brennenden Lichterbaum auf dem Rücken. Ein
Stück Weihnachtsſtimmung, wie es echter und
deutſcher nicht und niemals gegeben werden
kann.

Unverlierbarer Beſitz iſt uns Schwind, ſo un-
verlierbar wie unſere deutſchen Märchen ſelber,
denen er mit Pinſel und Stift Verkörperung und
urwüchſiges Leben gab.



Pferdefleiſch

Pferdefleiſch! Es hat keinen guten Ruf.
Es gilt als der Prolet unter den Fleiſchen.
Wenige mögen es, die meiſten lehnen es ab. Wer
es ohne Wiſſen gegeſſen hat, der ſchüttelt ſich,
wenn er es nachher erfährt. Und der Hygieniker
und Nahrungsmittelfachmann ſagt, daß es min-
derwertig und von geringem Nährwert ſei.

Etwas iſt aber ſeltſam dabei: Unter hundert,
die das Pferdefleiſch unwiſſentlich für Rindfleiſch
eſſen, iſt kaum einer, der merkte, was er ge-
geſſen hätte. Im Gegenteil: das Pferdekotelette
wird mit ebenſo großem Genuß und Appetit ver-
zehrt als ein Rindskotelette. Solange man nichts
weiß.

In einem hieſigen Reſtaurant war ein
beſonders großer Pferdefleiſchkonſum. Die betrieb-
ſame Wirtin bezog in der Woche etwa 40 Pfund
Pferdefleiſch, das dann auf der Speiſekarte unter
feinen, delikaten Namen auftauchte. Und ſo deli-
kat wußte ſie das Fleiſch zuzurichten, daß die
Gäſte ihre Kochkunſt laut prieſen, ſich nach jeder
Mahlzeit die Finger leckten und das Reſtaurant
warm ihren Bekannten empfahlen. „Dort gibt’s
einen guten Happen“, ſagten ſie, „und billig!
Namentlich im Abonnement!“

Das Abonnement war wirklich billig. Denn die
Frau, die ſich anſcheinend in der Ergiebigkeit des
Roßfleiſches verrechnete oder überhaupt nicht
rechnen konnte, lieferte für einige bevorzugte
Abonnementskunden ein komplettes Mittageſſen
— Suppe, Rindsbraten vom Pferd, reichlich Ge-
müſe und Kartoffeln und Nachtiſch — alles zu-
ſammen für — — 35 Pfennige.

So kam’s, daß ſie nicht beſtehen konnte, trotz
der vielen Pferde, die bei ihr konſumiert wurden.
Sie mußte das Reſtaurant aufgeben, und die
Geſchädigte iſt eigentlich ſie ſelbſt. Denn den
Gäſten haben die Roßgulaſchs und Pferdebeef-
ſteaks nichts geſchadet. Es tritt ſogar ein ſolcher
Stammgaſt, der im Abonnement bei ihr aß, als
Zeuge auf, rühmt das gute, ſchmackhafte, billige
Eſſen und erklärt, er hätte ſich ganz im ſtillen
ſchon immer gedacht, daß er Pferdefleiſch bekom-
men habe. Aber das habe ihn nicht im mindeſten
geſtört. Und geſchmeckt habe es großartig.

Trotzdem muß die Frau beſtraft werden, denn
wer ſeinen Gäſten Pferdefleiſch vorſetzt, der muß
es auf der Speiſekarte auch ſo deklarieren. Aber
weil ſie nicht viel verdient hat — und vielleicht
auch deswegen, weil die Gäſte allſeitig ſo wohl
zufrieden waren —, wird die Geldſtrafe nur auf
50 Mark bemeſſen.



Der verlaſſene Königspalaſt
[Abbildung]

Das Königliche Schloß in Kabul konnte ſeinem neuen Bewohner, dem König Juayat-
ullah, nur einen Tag als Reſidenz dienen. Afghaniſtans Hauptſtadt wurde von den
Aufſtändiſchen im Kampfe genommen, und der neue König iſt ebenſo ſpurlos verſchwun-
den wie ſein Bruder Amanullah.



Die Leiche im Pfarrhausgarten

Was ein Medium ſah * Beleidigungsklage als Folge
Ein ganzes Dorf als Zeuge

Eine myſteriöſe Geſchichte beſchäftigte die
Berufungskammer des Landgerichts Wei-
mar. In dem Bauerndörfchen Kleinbrem-
bach und der Umgebung ging ſeit Jahren
das Gerücht, im Jahre 1917 ſei ein Händler
aus Sachſen in Kleinbrembach ermordet und
in dem ſogenannten Pfarreigarten, der da-
mals dem Landwirt Brauer gehörte,
vergraben worden.
Von Mund zu Mund wurde dieſes Gerücht
weitergetragen, immer mehr geſteigert und
phantaſtiſcher ausgemalt, bis ſchließlich die
ganze Umgebung ſich in größter Aufregung
befand. Als Mörder bezeichnete man den
Pfarreigartenbeſitzer Brauer, bei dem der
„Händler aus Sachſen“ viel ein- und aus-
gegangen ſein ſollte. Inzwiſchen hatte
Brauer, ohne daß er von dem ſeit 10 Jah-
ren umlaufenden Gerücht etwas erfuhr, den
Garten verkauft. Im Februar vorigen Jah-
res traten zwei Kleinbrembacher Einwohner
an den neuen Beſitzer des Pfarrgartens
heran und baten ihn um die Erlaubnis, in
ſeinem Garten graben zu können.

Dort liege die Leiche des erſchlagenen
Händlers begraben, in einem Sack
verpackt.

Erſt habe die Leiche Meter tief gelegen,
dann ſei ſie aber 1¾ Meter tief vergraben
worden. Der Ermordete habe 9500 Mark
bei ſich gehabt, die geraubt worden wären;
mit zwei Beilhieben ſei er ermordet wor-
den. Als der Gartenbeſitzer verwundert
fragte, wie ſie denn zu dieſer Behauptung
kämen, erwiderten die beiden, daß ſie einer
ſpiritiſtiſchen Gemeinde angehörten und
daß ſie mit dem Toten ſprächen und ſein
Geiſt ſei immer bei ihnen. Brauer habe den
Mord ausgeführt und dabei auch etwas ab-
gekriegt, ſo daß er lange Zeit krank geweſen
ſei. Die Bauern der ganzen Umgebung be-
ſchäftigten ſich nun erſt recht nur noch mit
dem furchtbaren Raubmorde. Brauer hatte
unter dieſer ungeheuerlichen Beſchuldigung
furchtbar zu leiden.

Eine

Privatklage

war die Folge. Der Haupttermin im Be-
rufungsverfahren mußte, da das ganze Dorf
als Zeuge geladen war, im Orte ſtattfinden.
Hier ſtellte ſich nun die weitere Ungeheuer-
lichkeit heraus, daß der eigene Bruder des
Brauer der Urheber des Gerüchts geweſen
iſt. Durch deſſen Anſchuldigung ſind die bei-
den Spiritiſten erſt veranlaßt worden, ſich
in ihren Sitzungen
mit einem Medium
in Sömmerda mit der Sache zu befaſſen.
Weiter ergab ſich aber auch in der Haupt-
verhandlung, daß man gar nicht weiß, wer
der „Händler aus Sachſen“ war, ja, einige
Zeugen wollen ihn, der im Jahre 1917 er-
mordet worden ſein ſoll, noch im Jahre 1920
geſehen haben!

Um dem Privatkläger in dieſer ſpiritiſtiſch
verſeuchten Gegend wieder ein einigermaßen
ruhiges Daſein zu ermöglichen, und um
wieder Ruhe im Orte zu ſchaffen, empfahl
der Vorſitzende eine

friedliche Einigung.

Die Angeklagten und alle Zeugen verſicher-
ten, von nun an ſich zu beſſern und die
Mordgeſchichte zu vergeſſen. Der nette Bru-
der mußte zwei Drittel der erheblichen Koſten
übernehmen, während ſich die beiden Spiri-
tiſten in den Reſt teilten. Daß aber damit
der Spuk für immer begraben iſt, muß ſehr
bezweifelt werden.

[Spaltenumbruch]
Deutsche Stunde in Bayern

Dienstag, 22. Januar 1929

6.45 Morgengymnaſtik.

11.20 Schallplattenkonzert für Verſuche und für
die Induſtrie. Ausgeführt mit Schallplatten
von der Sprechmaſchinen- u. Schallplatten-
Abteilung der Radio-Induſtrie, G. m. b. H.,
München, Bayerſtraße 25.

12.55 Mittagskonzert des Schrammelterzeits
Pieringer, Steiger, Lamninger.

14.45 Stunde der Frau.

16.30 Leſeſtunde: Zum 200. Geburtstag von
Gotthold Ephraim Leſſing.
Sprecher: Fer-
dinand Claſſen.

17.00 Meſſen und Märkte in Bayern. Vortrag
von Dr. Ferdinand Lidl.

17.30 Konzert des Rundfunkorcheſters. Leitung
Kurt Paſtor, Soliſt Franz Buer (Bariton).
Deutſche Komantik (2).

19.00 Die Fledermaus. Operette in drei Akten
von Johann Strauß. Muſikaliſche Leitung
Paul Schmitz — Spielleitung Kurt Barré.
Uebertragung aus dem Nationaltheater.
München.

22.35 Abendmeldungen.

22.55 Tanzkurs. Leiter Max Wellenberg.



Konzert-Vorschau

Dienstag, den 22. Januar, 7½ Uhr, im Her-
kules-Saal Cembalo-Konzert von Anna
Speckner unter Mitwirkung von Valentin
Härtl (Violine), Dr. Willi Schmid (Gambe),
Karl Liſt u. Bläſern des Rundfunkorcheſters. Der
erſte Teil des Programms enthält Werke aus
der Zeit der Tabulatur (Werke von Arnolt
Schlick, H. L. Hasler und Samuel Scheidt — für
Cembalo übertragen von Anna Speckner), der
zweite zeitgenöſſiſche Muſik, und zwar Werke von
Igor Stravinſky (Suite nach Pergoleſi, kompo-
niert 1925) und Karl Orff (kleines Konzert nach
Lautenſätzen des 16. Jahrhunderts für Cembalo,
Holz- und Blechbläſer, Xylophon und kleines
Schlagzeug).

Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid und im
Amtl. Bayer. Reiſebureau.

Das Violinkonzert Op. 5 von Charles Flick-
Steger, München, deſſen Kompoſitionen in letzter
Zeit bei Publikum und Preſſe beſtens aufgenom-
men wurden, gelangt durch die bekannte Violi-
niſtin Herma Studeny mit den Münchener
Philharmonikern am 8. März in der Tonhalle
zur Uraufführung.

Die Staatliche Graphiſche Sammlung (Barer-
ſtraße 29) zeigt in einer neuen Ausſtellung von
Neuerwerbungen ausländiſche Graphik,
Vertreten iſt Oeſterreich, die Schweiz, die ſkandi-
naviſchen Länder, Jugoſlawien, Polen, Frank-
reich und Amerika. Die Ausſtellung von Rem-
brandt-Radierungen bleibt noch einige Wochen.



Prinzregententheater.

In Leſſings „Nathan“,
der Dienstag, 22. Jan., in neuer Einſtudierung
aufgeführt wird, ſind die Damen Bierkowſki,
Dandler, Scheinpflug und die Herren Baſil, Grau-
mann, Henrich, Lippert, Ulmer, Zäpfel beſchäf-
tigt. Inſzenierung: Fritz Holl; Dekorationen und
Koſtüme nach Entwürfen von Leo Paſetti.

[irrelevantes Material]
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[9/0009] Montag, den 21. Januar „AZ am Abend“ Nr. 17 Moritz von Schwind Worte des Gedenkens zum 125. Geburtstag am 21. Januar Der 21. Januar hat für uns eine beſondere Bedeutung. Wir leſen auf dem Kalender, daß Moritz von Schwinds 125. Geburtstag iſt. Und ſofort erſtehen vor unſerem Auge all die Bilder, deren Poeſie, Romantik oder Humor uns ſo oft entzückt hat. Moritz von Schwind iſt Wiener, faſt könnte man ſagen: natürlich Wiener, denn die Art ſeiner Malerei hat etwas ſo Be- ſchwingtes, Leichtes, daß man ſie einem ſchwer- blütigen Deutſchen von vornherein nicht zutraut Dennoch verdankt Schwind wohl einen großen Teil ſeines Stils und ſeines Könnens dem Münchener Cornelius, deſſen Schüler er mit 24 Jahren wurde. Nun gab er ſich dem deut- ſchen Märchen in die Hände, das ihn zeitlebens nicht wieder losgelaſſen hat. Es nahm ihn ge- [Abbildung Selbſtbildnis des Künftlers im Alter von 18 Jahren. (Oelbild auf Eichenholz.)] fangen und machte ihn zu unſerem eigentlichſten und allergeliebteſten Märchenmaler. Wer je- mals in der Schackgalerie in München geſtanden hat, fühlte ſich auf einmal wie verſponnen in Märchenzauber und weltferne Poeſie. Da iſt der Erlkönig, Rübezahl, der Elfenrei- gen, die gefangene Prinzeſſin, Wie- land der Schmied. Auch auf der Wartburg finden wir Schwind wieder, und zwar ſehen wir auf den Korridoren der Burg Bilder aus dem Leben der heiligen Eliſabeth. Im Sän- gerſaal malte er uns den Sängerkrieg und in einem anderen Zimmer gab er Darſtellungen aus dem Leben des Landgrafen Ludwig. Es iſt wohl keine Uebertreibung, wenn man behauptet, daß Schwinds Bilder einen Hauptreiz für alle Wartburgfahrer darſtellen. Ohne ſie wäre dieſe thüringiſche Burg ſchwerlich in ſolchem Maße Wallfahrtsort. Auch das Weimarer Muſeum beſitzt einen be- ſonders ſchönen Bilderzyklus von Schwind, und zwar ſeine Illuſtrationen zu den „Sieben Raben“. Wenn wir Schwinds gedenken, gleiten unſere Gedanken in ſelbſtverſtändlicher Verbindung zu Schubert hinüber, war doch Schwind fröh- liche Jugendjahre hindurch Schuberts beſter Freund, neben Schober. Phantaſierend, träu- mend, pokulierend, ſo vergingen den Freunden die Tage. Schwind ſelber ſpricht ſich über dieſe Gemeinſchaft mit den Worten aus, er habe „mit dem Liederkomponiſten Franz Schubert ein paar flüchtige Lebenſjahre in glücklicher Not und Freundſchaft verſungen und vermuſiziert“. Schwind war nämlich, obwohl er aus ſehr vor- nehmer Familie ſtammte, ebenſo arm wie Schubert und auf die Erträgniſſe ſeines Fleißes angewieſen, der allerdings faſt beiſpiellos war. Es werden mehr als 1260 Bilder von ihm regiſtriert! Seine guten Beziehungen brachten ihn von Jugend an mit den bedeutendſten Per- ſönlichkeiten ſeiner Zeit zuſammen. Mit Bauern- feld und Lenau beſuchte er ſchon zuſammen die Schule, mit Grillparzer und Anaſtaſius Grün wurde er ſpäter bekannt. Mit großer Entſchloſ- ſenheit ging Schwind auf ſein Ziel, ein berühm- ter Maler zu werden, los, und während Freund Schubert in ſein frühes Grab ſank, war es Schwind vergönnt, zu den Höhen des Ruhms aufzuſteigen. Seinen Lebensabend beſchloß er in München als Profeſſor der dortigen Akademie. In München hat man ihm in dankbarer Er- innerung ein Denkmal errichtet. Schwinds Bilder können wir nicht betrachten, ohne an einen anderen Maler erinnert zu wer- den, an Spitzweg nämlich, und tatſächlich bietet ein Vergleich zahlloſe Aehnlichkeiten, aber der deutſche Spitzweg hat einen kräftigeren, realiſtiſcheren Zug, ihm fehlt die weiche Ver- träumtheit Schwinds, ſeine Linien ſind feſter, auch ſeine Stoffe mehr aus dem Alltag heraus- gegriffen. Die größte Annäherung erreichen die beiden Maler wohl in der „Hochzeitsreiſe“ von Schwind und dem „Abſchied“ von Spitzweg, die beide in der Schackgalerie zu München hän- gen, ſo daß die Vergleichsmöglichkeit jedem ge- boten iſt. Ueber Schwinds eigene Einſtellung zu ſeinem Talent geben uns einige Ausſprüche von ihm Aufſchluß: „Einen zweigeteilten Bart kann ich ſo gut malen wie ein anderer. Aber einen Chriſtus zu malen, dazu muß man ein anderer Menſch ſein als ich. — Glücklich der, dem ſein Talent einen kirchlichen Wirkungskreis angewie- ſen hat. Immer mit den ſchönſten Gegenſtänden und den edelſten Kunſtformen zu tun zu haben, iſt nichts Kleines. Ich habe aber die Ruhe nicht, geſchweige denn das asketiſche Feuer, ohne dem doch nichts Rechtes wird.“ Die Geſtalten zu ſeinen Märchen lieferte ihm ſeine Familie, die Gattin, die drei Töchter, der Sohn. Auf einem Bilde malt Schwind ſich ſelber mit ſeinem als ſchlafend dargeltellten, in Wirt- lichkeit verſtorbenen vierten Töchterchen im Arm. Auf dieſem Bilde iſt auch die frühverſtorbene Gattin Emanuel Geibels deutlich erkennbar wie- dergegeben. Wunderhübſche Beiträge hat Schwind den „Fliegenden Blättern“ geliefert, ebenſo auch den „Münchener Bilderbogen“. Wenn wir die alten Jahrgänge durchblättern, ſtoßen wir auf ganz bezaubernde Illuſtrationen. Ich erinnere nur an das bekannte Bildchen „Herr Winter in der Chriſtnacht“. Dick liegt der Schnee auf den Dächern der alten Stadt mit dem zierlichen Brunnen inmitten des Marktes. Auf der Steinbank wölbt ſich ein ſchwellendes Schnee- polſter. Zwiſchen den traulich erhellten Fenſtern ſchreitet Herr Winter dahin, mit mächtigen Stie- feln, in weiter Kutte, mit langem Bart, den brennenden Lichterbaum auf dem Rücken. Ein Stück Weihnachtsſtimmung, wie es echter und deutſcher nicht und niemals gegeben werden kann. Unverlierbarer Beſitz iſt uns Schwind, ſo un- verlierbar wie unſere deutſchen Märchen ſelber, denen er mit Pinſel und Stift Verkörperung und urwüchſiges Leben gab. Pferdefleiſch Von Tuil Pferdefleiſch! Es hat keinen guten Ruf. Es gilt als der Prolet unter den Fleiſchen. Wenige mögen es, die meiſten lehnen es ab. Wer es ohne Wiſſen gegeſſen hat, der ſchüttelt ſich, wenn er es nachher erfährt. Und der Hygieniker und Nahrungsmittelfachmann ſagt, daß es min- derwertig und von geringem Nährwert ſei. Etwas iſt aber ſeltſam dabei: Unter hundert, die das Pferdefleiſch unwiſſentlich für Rindfleiſch eſſen, iſt kaum einer, der merkte, was er ge- geſſen hätte. Im Gegenteil: das Pferdekotelette wird mit ebenſo großem Genuß und Appetit ver- zehrt als ein Rindskotelette. Solange man nichts weiß. In einem hieſigen Reſtaurant war ein beſonders großer Pferdefleiſchkonſum. Die betrieb- ſame Wirtin bezog in der Woche etwa 40 Pfund Pferdefleiſch, das dann auf der Speiſekarte unter feinen, delikaten Namen auftauchte. Und ſo deli- kat wußte ſie das Fleiſch zuzurichten, daß die Gäſte ihre Kochkunſt laut prieſen, ſich nach jeder Mahlzeit die Finger leckten und das Reſtaurant warm ihren Bekannten empfahlen. „Dort gibt’s einen guten Happen“, ſagten ſie, „und billig! Namentlich im Abonnement!“ Das Abonnement war wirklich billig. Denn die Frau, die ſich anſcheinend in der Ergiebigkeit des Roßfleiſches verrechnete oder überhaupt nicht rechnen konnte, lieferte für einige bevorzugte Abonnementskunden ein komplettes Mittageſſen — Suppe, Rindsbraten vom Pferd, reichlich Ge- müſe und Kartoffeln und Nachtiſch — alles zu- ſammen für — — 35 Pfennige. So kam’s, daß ſie nicht beſtehen konnte, trotz der vielen Pferde, die bei ihr konſumiert wurden. Sie mußte das Reſtaurant aufgeben, und die Geſchädigte iſt eigentlich ſie ſelbſt. Denn den Gäſten haben die Roßgulaſchs und Pferdebeef- ſteaks nichts geſchadet. Es tritt ſogar ein ſolcher Stammgaſt, der im Abonnement bei ihr aß, als Zeuge auf, rühmt das gute, ſchmackhafte, billige Eſſen und erklärt, er hätte ſich ganz im ſtillen ſchon immer gedacht, daß er Pferdefleiſch bekom- men habe. Aber das habe ihn nicht im mindeſten geſtört. Und geſchmeckt habe es großartig. Trotzdem muß die Frau beſtraft werden, denn wer ſeinen Gäſten Pferdefleiſch vorſetzt, der muß es auf der Speiſekarte auch ſo deklarieren. Aber weil ſie nicht viel verdient hat — und vielleicht auch deswegen, weil die Gäſte allſeitig ſo wohl zufrieden waren —, wird die Geldſtrafe nur auf 50 Mark bemeſſen. Der verlaſſene Königspalaſt [Abbildung Das Königliche Schloß in Kabul konnte ſeinem neuen Bewohner, dem König Juayat- ullah, nur einen Tag als Reſidenz dienen. Afghaniſtans Hauptſtadt wurde von den Aufſtändiſchen im Kampfe genommen, und der neue König iſt ebenſo ſpurlos verſchwun- den wie ſein Bruder Amanullah.] Die Leiche im Pfarrhausgarten Was ein Medium ſah * Beleidigungsklage als Folge Ein ganzes Dorf als Zeuge Eine myſteriöſe Geſchichte beſchäftigte die Berufungskammer des Landgerichts Wei- mar. In dem Bauerndörfchen Kleinbrem- bach und der Umgebung ging ſeit Jahren das Gerücht, im Jahre 1917 ſei ein Händler aus Sachſen in Kleinbrembach ermordet und in dem ſogenannten Pfarreigarten, der da- mals dem Landwirt Brauer gehörte, vergraben worden. Von Mund zu Mund wurde dieſes Gerücht weitergetragen, immer mehr geſteigert und phantaſtiſcher ausgemalt, bis ſchließlich die ganze Umgebung ſich in größter Aufregung befand. Als Mörder bezeichnete man den Pfarreigartenbeſitzer Brauer, bei dem der „Händler aus Sachſen“ viel ein- und aus- gegangen ſein ſollte. Inzwiſchen hatte Brauer, ohne daß er von dem ſeit 10 Jah- ren umlaufenden Gerücht etwas erfuhr, den Garten verkauft. Im Februar vorigen Jah- res traten zwei Kleinbrembacher Einwohner an den neuen Beſitzer des Pfarrgartens heran und baten ihn um die Erlaubnis, in ſeinem Garten graben zu können. Dort liege die Leiche des erſchlagenen Händlers begraben, in einem Sack verpackt. Erſt habe die Leiche [FORMEL] Meter tief gelegen, dann ſei ſie aber 1¾ Meter tief vergraben worden. Der Ermordete habe 9500 Mark bei ſich gehabt, die geraubt worden wären; mit zwei Beilhieben ſei er ermordet wor- den. Als der Gartenbeſitzer verwundert fragte, wie ſie denn zu dieſer Behauptung kämen, erwiderten die beiden, daß ſie einer ſpiritiſtiſchen Gemeinde angehörten und daß ſie mit dem Toten ſprächen und ſein Geiſt ſei immer bei ihnen. Brauer habe den Mord ausgeführt und dabei auch etwas ab- gekriegt, ſo daß er lange Zeit krank geweſen ſei. Die Bauern der ganzen Umgebung be- ſchäftigten ſich nun erſt recht nur noch mit dem furchtbaren Raubmorde. Brauer hatte unter dieſer ungeheuerlichen Beſchuldigung furchtbar zu leiden. Eine Privatklage war die Folge. Der Haupttermin im Be- rufungsverfahren mußte, da das ganze Dorf als Zeuge geladen war, im Orte ſtattfinden. Hier ſtellte ſich nun die weitere Ungeheuer- lichkeit heraus, daß der eigene Bruder des Brauer der Urheber des Gerüchts geweſen iſt. Durch deſſen Anſchuldigung ſind die bei- den Spiritiſten erſt veranlaßt worden, ſich in ihren Sitzungen mit einem Medium in Sömmerda mit der Sache zu befaſſen. Weiter ergab ſich aber auch in der Haupt- verhandlung, daß man gar nicht weiß, wer der „Händler aus Sachſen“ war, ja, einige Zeugen wollen ihn, der im Jahre 1917 er- mordet worden ſein ſoll, noch im Jahre 1920 geſehen haben! Um dem Privatkläger in dieſer ſpiritiſtiſch verſeuchten Gegend wieder ein einigermaßen ruhiges Daſein zu ermöglichen, und um wieder Ruhe im Orte zu ſchaffen, empfahl der Vorſitzende eine friedliche Einigung. Die Angeklagten und alle Zeugen verſicher- ten, von nun an ſich zu beſſern und die Mordgeſchichte zu vergeſſen. Der nette Bru- der mußte zwei Drittel der erheblichen Koſten übernehmen, während ſich die beiden Spiri- tiſten in den Reſt teilten. Daß aber damit der Spuk für immer begraben iſt, muß ſehr bezweifelt werden. Deutsche Stunde in Bayern Dienstag, 22. Januar 1929 6.45 Morgengymnaſtik. 11.20 Schallplattenkonzert für Verſuche und für die Induſtrie. Ausgeführt mit Schallplatten von der Sprechmaſchinen- u. Schallplatten- Abteilung der Radio-Induſtrie, G. m. b. H., München, Bayerſtraße 25. 12.55 Mittagskonzert des Schrammelterzeits Pieringer, Steiger, Lamninger. 14.45 Stunde der Frau. 16.30 Leſeſtunde: Zum 200. Geburtstag von Gotthold Ephraim Leſſing. Sprecher: Fer- dinand Claſſen. 17.00 Meſſen und Märkte in Bayern. Vortrag von Dr. Ferdinand Lidl. 17.30 Konzert des Rundfunkorcheſters. Leitung Kurt Paſtor, Soliſt Franz Buer (Bariton). Deutſche Komantik (2). 19.00 Die Fledermaus. Operette in drei Akten von Johann Strauß. Muſikaliſche Leitung Paul Schmitz — Spielleitung Kurt Barré. Uebertragung aus dem Nationaltheater. München. 22.35 Abendmeldungen. 22.55 Tanzkurs. Leiter Max Wellenberg. Konzert-Vorschau Dienstag, den 22. Januar, 7½ Uhr, im Her- kules-Saal Cembalo-Konzert von Anna Speckner unter Mitwirkung von Valentin Härtl (Violine), Dr. Willi Schmid (Gambe), Karl Liſt u. Bläſern des Rundfunkorcheſters. Der erſte Teil des Programms enthält Werke aus der Zeit der Tabulatur (Werke von Arnolt Schlick, H. L. Hasler und Samuel Scheidt — für Cembalo übertragen von Anna Speckner), der zweite zeitgenöſſiſche Muſik, und zwar Werke von Igor Stravinſky (Suite nach Pergoleſi, kompo- niert 1925) und Karl Orff (kleines Konzert nach Lautenſätzen des 16. Jahrhunderts für Cembalo, Holz- und Blechbläſer, Xylophon und kleines Schlagzeug). Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid und im Amtl. Bayer. Reiſebureau. Das Violinkonzert Op. 5 von Charles Flick- Steger, München, deſſen Kompoſitionen in letzter Zeit bei Publikum und Preſſe beſtens aufgenom- men wurden, gelangt durch die bekannte Violi- niſtin Herma Studeny mit den Münchener Philharmonikern am 8. März in der Tonhalle zur Uraufführung. Die Staatliche Graphiſche Sammlung (Barer- ſtraße 29) zeigt in einer neuen Ausſtellung von Neuerwerbungen ausländiſche Graphik, Vertreten iſt Oeſterreich, die Schweiz, die ſkandi- naviſchen Länder, Jugoſlawien, Polen, Frank- reich und Amerika. Die Ausſtellung von Rem- brandt-Radierungen bleibt noch einige Wochen. Prinzregententheater. In Leſſings „Nathan“, der Dienstag, 22. Jan., in neuer Einſtudierung aufgeführt wird, ſind die Damen Bierkowſki, Dandler, Scheinpflug und die Herren Baſil, Grau- mann, Henrich, Lippert, Ulmer, Zäpfel beſchäf- tigt. Inſzenierung: Fritz Holl; Dekorationen und Koſtüme nach Entwürfen von Leo Paſetti. _

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 17, 21. Januar 1929, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine17_1929/9>, abgerufen am 01.06.2024.