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Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929.

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Mittwoch, den 23. Januar "AZ am Abend" Nr. 19
Temperamentum carnevalisticum Monacense
Zur Regie des Münchener Faschingszuges 1929

Man hat einen Regiefehler begangen, voriges
Jahr. Man hat etwas vergessen.

Man dachte nur an den Zug selbst, bestellte
erste Künstler für seine Ausstattung und -- ver-
gaß dabei ganz die zweite Hälfte der Akteure
eines Faschingszuges, -- das zuschauende Publi-
kum der Trottoirs.

Die Wirkung war dementsprechend.

In feierlicher Bescheidenheit, die einem Trauer-
zug Ehre gemacht hätte, stand die zweite Hälfte
Spalier. Warum? Man hatte sich um diesen Teil
eben, wie gesagt, nicht gekümmert, hatte ihn sich
selbst überlassen und er blieb -- natürlich --
teilnahmslos.

[Abbildung]

Das darf heuer nicht gescheh'n!

Haben die Münchner Künstler für den Zug
selbst ihre ganze Phantasie bereit zu halten, so
besteht andererseits für den Stadtrat die Pflicht,
zur Hebung der Stimmung auf den Trottoirs,
zur Aufrüttelung des etwas schwerblütigen
Münchner Temperaments, die nötigen Maßnah-
men zu ergreifen.

Wir schlagen vor:

Nachdem auf Grund genauer Beobachtung
festgestellt ist, daß das Münchner Herz bei Tanz-
musik, gutem Bier und einem kleinen Gschpusi im
Arm sehr lebhaft zu schlagen beginnt -- für diese
Requisiten eben zu sorgen.

[Spaltenumbruch]

Man engagiere Kapellen, errichte Tanzpodien in
den Straßen, schlage kleine Zelte auf, darin die
Münchner Bräuhäuser ausschenken können,
Tische und Stühle dazu und -- die Stimmung ist
da, die lebhafte natürliche Münchner Gemütsan-
lage, das richtige Maß von energischer Lebhaftig-
keit, wie sie für einen Faschingszug notwendig
sind.

Das kleine Gschpusi haben wir alle sowieso und
-- fängt es einmal fröhlich zu quieken an, was
bei derartiger Regieführung bald der Fall sein
wird, dann ist der Höhepunkt erreicht, der Him-
mel auf Erden ist unser.

Also, nicht lange überlegt meine Herren, Regie
für den zweiten Teil der Akteure -- und alles
ist in bester Ordnung.

Halt, da fällt mir noch was ein! Ist es kalt am
Faschingsdienstag, dann -- Kocksöfen auf die
Trottoirs in Abständen der Laternen, damit es
wärmer ist! Dann ist Spanien in seiner ganzen
Glut hervorgezaubert und man wird das Münch-
ner Temperament einmal großartig erleben.

Eins, zwei drei, g'suffa! Ein Prosit, ein Prosit
der Gemütlichkeit!

Und Ich?

Ich küsse ihre ....

Rund um München.
Pasing
Neue Tankstelle.

Der Stadtrat behandelte die Errichtung
einer neuen Tankstelle an der äußeren Lands-
bergerstraße, die für den starken Autoverkehr in
Richtung Herrsching von Bedeutung wäre. Die
Tankstelle soll Tag und Nacht in Betrieb sein.
Nach längerer Debatte wird die Angelegenheit
dem Bausenat überwiesen.

Polizeistunde.

Die Polizeistunde wird in Pasing in Zu-
kunft München angepaßt. Seit 1924 hat die
Stadt sechs Eingaben in dieser Angelegenheit ge-
macht, die alle mit der Begründung abgelehnt
wurden, daß Pasing kein Fremdenverkehrsort sei.

Aufnahme in die Lehrerbildungsanstalten.

Laut Anordnung des Staatsministeriums
finden auch im kommenden Jahre Aufnahmen
von Schülern in allen Klassen der Lehrerbildungs-
anstalten statt. Damit wird die Unklarheit, die in
verschiedenen Kreisen herrscht, als ob der Zugang
zu diesen Anstalten wegen Ueberfüllung im Schul-
berufe gesperrt wurde, beseitigt.

Aus dem Bausenat.

Es wurde gegen die üblichen Auflagen der
Bau eines Kinos an der Hindenburgstraße ge-
nehmigt. Pasing erhält somit ein zweites Kino,
das ungefähr 300 Sitzplätze umfaßt. -- Die Eisen-
bahn-Baugenossenschaft beabsichtigt die Herstellung
von Wohnungsbauten an der Wörnshoferstraße.
Die Bahn stellt hierzu den Baugrund zur Ver-
fügung.

Trudering
60 Jahre alt.

Sun Der Gendarmerie-Kommissar Jos. Eichberger
beging seinen 60. Geburtstag. Er ist seit 1920
Leiter der hiesigen Gendarmeriestation.

Hohe Arbeitslosenziffer.

Infolge der schlechten Witterungsverhältnisse ist
die Zahl der Arbeitslosen in der Gemeinde auf
360 gestiegen. Im Vergleich zur Einwohnerzahl
ist die Zahl der Arbeitslosen ungeheuer groß.

Luftkurbad.

Sun Nach einem Münchner Stadtratsbeschluß soll
nach Waldtrudering ein Luftkurbad gebaut wer-
den. Waldtrudering dürfte zurzeit die schönste Ko-
lonie des Münchner Ostens sein. Ihre herrlichen
Straßen, die unter Leitung des Kulturbauamtes
in München erstellt wurden, machen für ein Luft-
kurbad einen vorteilhaften Eindruck. Der Platz
liegt an der Turnerstraße in herrlichem Tannen-
wald. Gesundheitlich dürfte in Waldtrudering ein
Luftkurbad äußerst günstig sein.

Dachau
Personalien.

* Seinen 75. Geburtstag feiert Timotheus
Winkler in Dachau in voller Gesundheit. -- In
Motzenhofen konnten die Landwirtseheleute An-
ton und Barbara Walter die goldene Hochzeit in
voller Rüstigkeit feiern.

Greifenberg
Selbstmord.

(!) Vor einigen Tagen fand man die Haus-
hälterin Lotte Graßl tot in ihrem Zimmer auf.
Sie soll gewaltsam den Giftschrank ihres Dienst-
herrn, des Tierarzts in Greifenberg erbrochen
haben und eine größere Dosis Morphium ent-
nommen haben. Es liegt freiwilliger Tod vor.
Was das erst 23jährige Mädchen dazu bewog, ist
nicht bekannt.

Erdweg
Großfeuer

* Im Sägewerk der Kunstmühle Erdweg
Huber brach Feuer aus. An den Holzvorräten
fand das Feuer reichlich Nahrung. Sämtliche
Holzbearbeitungsmaschinen und der ganze Lager-
bestand an Holz wurde ein Raub der Flammen.
Mehrere Feuerwehren waren am Brandplatz er-
schienen; auch die Dachauer Motorspritze war
alarmiert worden, kam aber nicht mehr zum Ein-
greifen. Die Brandentstehungsursache ist noch
unbekannt.

Starnberg
80. Geburtstagsfeier.

Der Bezirks-Eichmeister a. D. Heinrich
Thoma, der seit 1890 das Eichamt Starnberg
führte, feierte am 17. Januar seinen 80. Geburts-
tag. Der Jubilar erfreut sich noch der besten Ge-
sundheit.

[irrelevantes Material]
Mit der Rakete durch den Fasching
Was ist los?

Vollständige Liste der Faschings-
Veranstaltungen.

Heute

Deutsches Theater: Bal pare m. intern.
Welt-Miramundum-Kostümfest. Schwabinger
Brauerei:
Ball der Freiwill. Feuerwehr,
Abt. 4. Regina-Palast-Hotel: Die
Zaubergärten der Regina. Vier Jahreszei-
ten:
Deutsche Adelsgenossenschaft, Gesellschafts-
ball. Bürgerbräukeller: Redoute. Wag-
ner Saal:
Redoute. Hackerbräukeller:
Ball. Kolosseum: Redoute. Park-Hotel:
Karnevaslist. Stimmungsabend. Bayerischer
Hof:
Korps Bavaria Odeon-Kasino
Faschingsfest. Taberin Luitpold: Wander-
zirkus. Apollotheater: Kindermaskenball
mit Prämiierung. Hotel Reichsadler: Re-
doute. Mathäserbräu: Redoute. Cafe
Luitpold:
Ein Abend in der off. Residenz d.
Prinzen Karneval. Simplizissimus: Fa-
schingstreiben vor 20 Jahren. Malkasten:
Malkastenfest. Reigen: Redoute. Blüte: Mo-
torradfahrer-Klub. Cafe Fischer: Faschings-
treiben mit Tanz. Cafe-Rest. Ungerer:
Faschingsunterhaltung mit Tanz Cafe Deist-
ler:
Großes Faschingstreiben mit Tanz. Allee-
Cafe:
Wiederholung des Hausballs. Winter-
garten:
Redoute. Annast: Festabend in der
Hochburg des Exprinzen Karneval.

Morgen

Deutsches Theater: Dienstbotenball der
Münchner Bühnenkünstler. Bürgerbräu-
keller:
Hausball. Schwabinger Brau-
erei:
Bayer. Schützenverband, Sektion Schwa-
bing. Löwenbräukeller: Sektion Ober-
land. Wagner-Saal: Ball "Eichenhain".
Hackerbräukeller: Ball. Cafe Glon-
ner:
Angestelltenball. Kolosseum: Ball der
Angestellten d. Betriebe M. Friediger, Eine lustige
Nacht in Wien. Parkhotel: Hausball mit Ge-
sellschaftstanzspielen und Prämiierungen. Taba-
rin Luitpold:
Tabarin-Maskenball. Cafe
Luitpold:
Ein Abend in der Residenz d. off.
Prinzen Karneval. Simplizissimus: Fa-
schingstreiben vor 20 Jahren. Regina-Pa-
last-Hotel:
Die Zaubergärten d. Regina.
Odeon-Kasino: Faschingsfest. Annast:
Festabend i. d. Hochburg des Exprinzen Karneval.
Malkasten: Lustiger Faschingsabend mit Ka-
barettprogramm. Reigen: Faschingsabend.
Blüte: Hausball. Cafe Arkadia: Gebirgler-
Ball. Cafe Maria Theresia: Japanischer
Stimmungsabend in Yokohama (bis 5 Uhr früh
geöffnet). Hotel Reichsadler: Großer
Faschingstrubel. Hotel Union: Angestellte des
Bankhauses Aufhäuser, Faschingsunterhaltung.
Wintergarten: Faschingstanz. Cafe Or-
lando:
Großer Faschingsrummel. Cafe
Maximilian:
Das Eldorado des Faschings.

Wir bitten Vereine und Gesellschaften, uns ihre Veransta-
tungen zur Veröffentlichung in dieser Rubik rechtzeitig zu über-
mitteln.
Pressefest "Winter in Bayern".

Je weiter die Vorbereitungen für das am
4. Februar im Deutschen Theater stattfindende
Pressefest fortschreiten, desto mehr festigt sich die
Ueberzeugung, daß es eines der glänzendsten
Feste des heurigen Faschings werden wird. Dr.
Ernst Hohenstatter hat es verstanden, aus seinem
Festspiel eine wirkliche Ueberraschung zu ma-
chen. Dank freundlichen Entgegenkommens der
Generalintendanz und Verwaltung von Kräften
des Staatstheaters unter Leitung des Ballett-
meisters Kroller dargestellt, wird es sicherlich den
Clou aller Faschingsaufführungen bilden. Auch
die Zwischenspiele versprechen viel lustige Unter-
haltung. Bezeichnend für den Ruf, den das Presse-
fest genießt, ist die Tatsache, daß bereits wieder
eine große Reihe von Platzbestellungen von aus-
wärts vorliegt. Köln, Düsseldorf, Berlin, Leipzig,
Straßburg, Mailand usw. entsenden Besucher.
Auch aus Bayern selbst und natürlich auch aus
München ist starke Nachfrage, so daß die Parterre-
Logen nahezu vergriffen sind. Es empfiehlt sich
daher, Bestellungen auf Plätze möglichst umge-
hend anzubringen; das Bureau des "Hilfsbundes
der Münchner Einwohnerschaft", Theatinerstr. 3,
2. Stock, Fernsprecher 92 377, das sich, weil es
sich bei dem Pressefest um ein ausgesprochenes
Wohltätigkeitsfest handelt, dem Arbeitsausschuß
zur Verfügung gestellt hat, nimmt sie während
der Dienststunden gern entgegen.

Die Gaukler

"Der Gauklertag", der auch heuer ein gesell-
schaftliches Ereignis zu werden verspricht, findet
am Dienstag, den 5. und Samstag, den 9. Febr.,
im Löwenbräukeller statt. Die Einladungen er-
gehen in diesen Tagen. Eintrittskarten werden
abgegeben an Inhaber der Einladung am Mitt-
woch, den 30. und Donnerstag, den 31. Januar,
nur in der Zentralstelle Herrnstraße 23 (Kostüm-
haus Diringer), Tel. 25 073, 21 774, 21 775. So-
weit noch Karten vorhanden, beginnt der allge-
[Spaltenumbruch] meine Kartenverkauf am Freitag, den 1. Febr.
Festbestimmungen, Einladungen und Auskünfte
jeder Art daselbst.

Was war
Armenball im Deutschen Theater

Es war einmal dieser Ball als Faschingstribut
der Reichen an die Armen gedacht. Daran denkt
heute noch das Komitee und vielleicht die Gesell-
schaft von einst.

Im übrigen ist dieses Fest in seinen Formen
als eine Tradition, als repräsentative Pflicht des
offiziellen München übernommen worden. Es
war ein Festball in Frack, Lack und Claque.

Ein Vorspiel (Dr. Eugen Roth) als Art er-
weiterter Prolog leitete ein. Hans Gruß mit
seiner Mitarbeit ließ das "Spiel in Tüll" über
die Bretter gehen. Die Pause füllten Darbietun-
gen des argentinischen Tango-Orchesters Jose
Solere. Im übrigen regierte auf der Musikbühne
Bernhard Ette!

Hans Gruß hatte seine phantastische Dekoration
für dieses Fest aufgezogen. Eine Tombola war
von der Münchener Kaufmannschaft reich beschickt.

Das Direktorium, an dessen Spitze Graf Moy.
Oberbürgermeister Scharnagl, Kommerzienrat
Edenhofer, Kommerzienrat Hartl standen, konnte
die Spitzen der Behörden, der Verbände und der
Gesellschaft begrüßen.

Der Erlös des Festes fließt dem Verein für
freiwillige Armenpflege e. V. und der Arbeits-
gemeinschaft für öffentliche und private Fürsorge
der Stadt München zu gleichen Teilen zu.

Nateswara

Sag mir einer, es gäbe keinen Münchener
Künstlerfasching mehr, so halte ich ihm das
indisch-münchnerische Wort Nateswara entgegen.

Wer nicht nur tollen und tanzen will -- auch
der kommt auf seine Rechnung, -- wer mit Bild
und Farbe suchenden Augen dieses gestrige Fest
in der Schwabinger Brauerei miterlebte, mag
sagen, er sei von dieser Buntheit und Formen-
groteske berauscht. Ich gebe ihm recht.

Hier tobte sich künstlerische Genialität, Schwa-
binger Uebermut faschingsmäßig aus. Die Saal-
dekoration schufen die Maler Souci, Sandstein,
Neu und der Bildhauer Henke.

Souci und Henke mit Wallach gestalteten den
Umzug indischer Götter und ihres Gefolges mit
Tragthronen und Symbolen. Stilecht, grotesk.
Sehr originell die tanzenden Riesenhähne.

Kunstmaler Spiegel, ein Javakenner, zeigte in-
dische Tänze mit feiner Vermengung von Natur-
treue und Komik.

Ein Urviech die Nateswaragattin Kali (Kunst-
maler Henke).

Prächtige Bajaderentänze -- die Franzis-Metz-
Gruppe.

Das war zusammen eine Darbietung von
Qualität.

Musik besorgte schmissig Kapelle Lassen. In die
propaga[distisch]en Vorarbeiten teilten sich zeich-
nend und werbend Paul Neu und Kunstmaler
Engelhard.

Zweites Fest am 26. Januar.

Ein neues Masken-Album

Eine günstige Anregung und Erleichterung für
die Kostümierungs-Sorgen des Faschings hat das
Spitzenhaus Rosa Klauber in der Form eines
Masken-Albums geschaffen.

Dasselbe ist in sehr hübscher, handlicher Form
mit Goldumschlag erschienen und bringt in
Sechsfarbendruck eine reiche Auslese fertiger
Maskenkostüme aller Art.

Es dürfte von besonderem Interesse sein, daß
die Firma Wert darauf gelegt hat, alle im Heft
enthaltenen Kostüme fertig vorführen zu können
und außerdem noch die entsprechenden Kostüme
in größter Auswahl lagernd hält.

Das Album ist bei Rosa Klauber selbst, Thea-
tinerstraße 35 und in deren Filiale, Marien-
platz 2, zum Preise von Mk. 1.50 käuflich zu
haben. Außerdem macht die Firma Rosa Klauber
darauf aufmerksam, daß jedermann die bei ihr
monatlich erscheinende Zeitschrift "Das Wäsche-
magazin" auf Wunsch kostenlos zugesandt erhält.

[irrelevantes Material]
Mittwoch, den 23. Januar „AZ am Abend“ Nr. 19
Temperamentum carnevalisticum Monacense
Zur Regie des Münchener Faſchingszuges 1929

Man hat einen Regiefehler begangen, voriges
Jahr. Man hat etwas vergeſſen.

Man dachte nur an den Zug ſelbſt, beſtellte
erſte Künſtler für ſeine Ausſtattung und — ver-
gaß dabei ganz die zweite Hälfte der Akteure
eines Faſchingszuges, — das zuſchauende Publi-
kum der Trottoirs.

Die Wirkung war dementſprechend.

In feierlicher Beſcheidenheit, die einem Trauer-
zug Ehre gemacht hätte, ſtand die zweite Hälfte
Spalier. Warum? Man hatte ſich um dieſen Teil
eben, wie geſagt, nicht gekümmert, hatte ihn ſich
ſelbſt überlaſſen und er blieb — natürlich —
teilnahmslos.

[Abbildung]

Das darf heuer nicht geſcheh’n!

Haben die Münchner Künſtler für den Zug
ſelbſt ihre ganze Phantaſie bereit zu halten, ſo
beſteht andererſeits für den Stadtrat die Pflicht,
zur Hebung der Stimmung auf den Trottoirs,
zur Aufrüttelung des etwas ſchwerblütigen
Münchner Temperaments, die nötigen Maßnah-
men zu ergreifen.

Wir ſchlagen vor:

Nachdem auf Grund genauer Beobachtung
feſtgeſtellt iſt, daß das Münchner Herz bei Tanz-
muſik, gutem Bier und einem kleinen Gſchpuſi im
Arm ſehr lebhaft zu ſchlagen beginnt — für dieſe
Requiſiten eben zu ſorgen.

[Spaltenumbruch]

Man engagiere Kapellen, errichte Tanzpodien in
den Straßen, ſchlage kleine Zelte auf, darin die
Münchner Bräuhäuſer ausſchenken können,
Tiſche und Stühle dazu und — die Stimmung iſt
da, die lebhafte natürliche Münchner Gemütsan-
lage, das richtige Maß von energiſcher Lebhaftig-
keit, wie ſie für einen Faſchingszug notwendig
ſind.

Das kleine Gſchpuſi haben wir alle ſowieſo und
— fängt es einmal fröhlich zu quieken an, was
bei derartiger Regieführung bald der Fall ſein
wird, dann iſt der Höhepunkt erreicht, der Him-
mel auf Erden iſt unſer.

Alſo, nicht lange überlegt meine Herren, Regie
für den zweiten Teil der Akteure — und alles
iſt in beſter Ordnung.

Halt, da fällt mir noch was ein! Iſt es kalt am
Faſchingsdienstag, dann — Kocksöfen auf die
Trottoirs in Abſtänden der Laternen, damit es
wärmer iſt! Dann iſt Spanien in ſeiner ganzen
Glut hervorgezaubert und man wird das Münch-
ner Temperament einmal großartig erleben.

Eins, zwei drei, g'ſuffa! Ein Proſit, ein Proſit
der Gemütlichkeit!

Und Ich?

Ich küſſe ihre ....

Rund um München.
Pasing
Neue Tankſtelle.

⚭ Der Stadtrat behandelte die Errichtung
einer neuen Tankſtelle an der äußeren Lands-
bergerſtraße, die für den ſtarken Autoverkehr in
Richtung Herrſching von Bedeutung wäre. Die
Tankſtelle ſoll Tag und Nacht in Betrieb ſein.
Nach längerer Debatte wird die Angelegenheit
dem Bauſenat überwieſen.

Polizeiſtunde.

⚭ Die Polizeiſtunde wird in Paſing in Zu-
kunft München angepaßt. Seit 1924 hat die
Stadt ſechs Eingaben in dieſer Angelegenheit ge-
macht, die alle mit der Begründung abgelehnt
wurden, daß Paſing kein Fremdenverkehrsort ſei.

Aufnahme in die Lehrerbildungsanſtalten.

ⵐ Laut Anordnung des Staatsminiſteriums
finden auch im kommenden Jahre Aufnahmen
von Schülern in allen Klaſſen der Lehrerbildungs-
anſtalten ſtatt. Damit wird die Unklarheit, die in
verſchiedenen Kreiſen herrſcht, als ob der Zugang
zu dieſen Anſtalten wegen Ueberfüllung im Schul-
berufe geſperrt wurde, beſeitigt.

Aus dem Bauſenat.

ⵐ Es wurde gegen die üblichen Auflagen der
Bau eines Kinos an der Hindenburgſtraße ge-
nehmigt. Paſing erhält ſomit ein zweites Kino,
das ungefähr 300 Sitzplätze umfaßt. — Die Eiſen-
bahn-Baugenoſſenſchaft beabſichtigt die Herſtellung
von Wohnungsbauten an der Wörnshoferſtraße.
Die Bahn ſtellt hierzu den Baugrund zur Ver-
fügung.

Trudering
60 Jahre alt.

☉ Der Gendarmerie-Kommiſſar Joſ. Eichberger
beging ſeinen 60. Geburtstag. Er iſt ſeit 1920
Leiter der hieſigen Gendarmerieſtation.

Hohe Arbeitsloſenziffer.

Infolge der ſchlechten Witterungsverhältniſſe iſt
die Zahl der Arbeitsloſen in der Gemeinde auf
360 geſtiegen. Im Vergleich zur Einwohnerzahl
iſt die Zahl der Arbeitsloſen ungeheuer groß.

Luftkurbad.

☉ Nach einem Münchner Stadtratsbeſchluß ſoll
nach Waldtrudering ein Luftkurbad gebaut wer-
den. Waldtrudering dürfte zurzeit die ſchönſte Ko-
lonie des Münchner Oſtens ſein. Ihre herrlichen
Straßen, die unter Leitung des Kulturbauamtes
in München erſtellt wurden, machen für ein Luft-
kurbad einen vorteilhaften Eindruck. Der Platz
liegt an der Turnerſtraße in herrlichem Tannen-
wald. Geſundheitlich dürfte in Waldtrudering ein
Luftkurbad äußerſt günſtig ſein.

Dachau
Perſonalien.

* Seinen 75. Geburtstag feiert Timotheus
Winkler in Dachau in voller Geſundheit. — In
Motzenhofen konnten die Landwirtseheleute An-
ton und Barbara Walter die goldene Hochzeit in
voller Rüſtigkeit feiern.

Greifenberg
Selbſtmord.

(!) Vor einigen Tagen fand man die Haus-
hälterin Lotte Graßl tot in ihrem Zimmer auf.
Sie ſoll gewaltſam den Giftſchrank ihres Dienſt-
herrn, des Tierarzts in Greifenberg erbrochen
haben und eine größere Doſis Morphium ent-
nommen haben. Es liegt freiwilliger Tod vor.
Was das erſt 23jährige Mädchen dazu bewog, iſt
nicht bekannt.

Erdweg
Großfeuer

* Im Sägewerk der Kunſtmühle Erdweg
Huber brach Feuer aus. An den Holzvorräten
fand das Feuer reichlich Nahrung. Sämtliche
Holzbearbeitungsmaſchinen und der ganze Lager-
beſtand an Holz wurde ein Raub der Flammen.
Mehrere Feuerwehren waren am Brandplatz er-
ſchienen; auch die Dachauer Motorſpritze war
alarmiert worden, kam aber nicht mehr zum Ein-
greifen. Die Brandentſtehungsurſache iſt noch
unbekannt.

Starnberg
80. Geburtstagsfeier.

❇ Der Bezirks-Eichmeiſter a. D. Heinrich
Thoma, der ſeit 1890 das Eichamt Starnberg
führte, feierte am 17. Januar ſeinen 80. Geburts-
tag. Der Jubilar erfreut ſich noch der beſten Ge-
ſundheit.

[irrelevantes Material]
Mit der Rakete durch den Faſching
Was iſt los?

Vollſtändige Liſte der Faſchings-
Veranſtaltungen.

Heute

Deutſches Theater: Bal paré m. intern.
Welt-Miramundum-Koſtümfeſt. Schwabinger
Brauerei:
Ball der Freiwill. Feuerwehr,
Abt. 4. Regina-Palaſt-Hotel: Die
Zaubergärten der Regina. Vier Jahreszei-
ten:
Deutſche Adelsgenoſſenſchaft, Geſellſchafts-
ball. Bürgerbräukeller: Redoute. Wag-
ner Saal:
Redoute. Hackerbräukeller:
Ball. Koloſſeum: Redoute. Park-Hotel:
Karnevaſliſt. Stimmungsabend. Bayeriſcher
Hof:
Korps Bavaria Odeon-Kaſino
Faſchingsfeſt. Taberin Luitpold: Wander-
zirkus. Apollotheater: Kindermaskenball
mit Prämiierung. Hotel Reichsadler: Re-
doute. Mathäſerbräu: Redoute. Café
Luitpold:
Ein Abend in der off. Reſidenz d.
Prinzen Karneval. Simpliziſſimus: Fa-
ſchingstreiben vor 20 Jahren. Malkaſten:
Malkaſtenfeſt. Reigen: Redoute. Blüte: Mo-
torradfahrer-Klub. Café Fiſcher: Faſchings-
treiben mit Tanz. Café-Reſt. Ungerer:
Faſchingsunterhaltung mit Tanz Café Deiſt-
ler:
Großes Faſchingstreiben mit Tanz. Allee-
Café:
Wiederholung des Hausballs. Winter-
garten:
Redoute. Annaſt: Feſtabend in der
Hochburg des Exprinzen Karneval.

Morgen

Deutſches Theater: Dienſtbotenball der
Münchner Bühnenkünſtler. Bürgerbräu-
keller:
Hausball. Schwabinger Brau-
erei:
Bayer. Schützenverband, Sektion Schwa-
bing. Löwenbräukeller: Sektion Ober-
land. Wagner-Saal: Ball „Eichenhain“.
Hackerbräukeller: Ball. Café Glon-
ner:
Angeſtelltenball. Koloſſeum: Ball der
Angeſtellten d. Betriebe M. Friediger, Eine luſtige
Nacht in Wien. Parkhotel: Hausball mit Ge-
ſellſchaftstanzſpielen und Prämiierungen. Taba-
rin Luitpold:
Tabarin-Maskenball. Café
Luitpold:
Ein Abend in der Reſidenz d. off.
Prinzen Karneval. Simpliziſſimus: Fa-
ſchingstreiben vor 20 Jahren. Regina-Pa-
laſt-Hotel:
Die Zaubergärten d. Regina.
Odeon-Kaſino: Faſchingsfeſt. Annaſt:
Feſtabend i. d. Hochburg des Exprinzen Karneval.
Malkaſten: Luſtiger Faſchingsabend mit Ka-
barettprogramm. Reigen: Faſchingsabend.
Blüte: Hausball. Café Arkadia: Gebirgler-
Ball. Café Maria Thereſia: Japaniſcher
Stimmungsabend in Yokohama (bis 5 Uhr früh
geöffnet). Hotel Reichsadler: Großer
Faſchingstrubel. Hotel Union: Angeſtellte des
Bankhauſes Aufhäuſer, Faſchingsunterhaltung.
Wintergarten: Faſchingstanz. Café Or-
lando:
Großer Faſchingsrummel. Café
Maximilian:
Das Eldorado des Faſchings.

Wir bitten Vereine und Geſellſchaften, uns ihre Veranſta-
tungen zur Veröffentlichung in dieſer Rubik rechtzeitig zu über-
mitteln.
Preſſefeſt „Winter in Bayern“.

Je weiter die Vorbereitungen für das am
4. Februar im Deutſchen Theater ſtattfindende
Preſſefeſt fortſchreiten, deſto mehr feſtigt ſich die
Ueberzeugung, daß es eines der glänzendſten
Feſte des heurigen Faſchings werden wird. Dr.
Ernſt Hohenſtatter hat es verſtanden, aus ſeinem
Feſtſpiel eine wirkliche Ueberraſchung zu ma-
chen. Dank freundlichen Entgegenkommens der
Generalintendanz und Verwaltung von Kräften
des Staatstheaters unter Leitung des Ballett-
meiſters Kroller dargeſtellt, wird es ſicherlich den
Clou aller Faſchingsaufführungen bilden. Auch
die Zwiſchenſpiele verſprechen viel luſtige Unter-
haltung. Bezeichnend für den Ruf, den das Preſſe-
feſt genießt, iſt die Tatſache, daß bereits wieder
eine große Reihe von Platzbeſtellungen von aus-
wärts vorliegt. Köln, Düſſeldorf, Berlin, Leipzig,
Straßburg, Mailand uſw. entſenden Beſucher.
Auch aus Bayern ſelbſt und natürlich auch aus
München iſt ſtarke Nachfrage, ſo daß die Parterre-
Logen nahezu vergriffen ſind. Es empfiehlt ſich
daher, Beſtellungen auf Plätze möglichſt umge-
hend anzubringen; das Bureau des „Hilfsbundes
der Münchner Einwohnerſchaft“, Theatinerſtr. 3,
2. Stock, Fernſprecher 92 377, das ſich, weil es
ſich bei dem Preſſefeſt um ein ausgeſprochenes
Wohltätigkeitsfeſt handelt, dem Arbeitsausſchuß
zur Verfügung geſtellt hat, nimmt ſie während
der Dienſtſtunden gern entgegen.

Die Gaukler

„Der Gauklertag“, der auch heuer ein geſell-
ſchaftliches Ereignis zu werden verſpricht, findet
am Dienstag, den 5. und Samstag, den 9. Febr.,
im Löwenbräukeller ſtatt. Die Einladungen er-
gehen in dieſen Tagen. Eintrittskarten werden
abgegeben an Inhaber der Einladung am Mitt-
woch, den 30. und Donnerstag, den 31. Januar,
nur in der Zentralſtelle Herrnſtraße 23 (Koſtüm-
haus Diringer), Tel. 25 073, 21 774, 21 775. So-
weit noch Karten vorhanden, beginnt der allge-
[Spaltenumbruch] meine Kartenverkauf am Freitag, den 1. Febr.
Feſtbeſtimmungen, Einladungen und Auskünfte
jeder Art daſelbſt.

Was war
Armenball im Deutſchen Theater

Es war einmal dieſer Ball als Faſchingstribut
der Reichen an die Armen gedacht. Daran denkt
heute noch das Komitee und vielleicht die Geſell-
ſchaft von einſt.

Im übrigen iſt dieſes Feſt in ſeinen Formen
als eine Tradition, als repräſentative Pflicht des
offiziellen München übernommen worden. Es
war ein Feſtball in Frack, Lack und Claque.

Ein Vorſpiel (Dr. Eugen Roth) als Art er-
weiterter Prolog leitete ein. Hans Gruß mit
ſeiner Mitarbeit ließ das „Spiel in Tüll“ über
die Bretter gehen. Die Pauſe füllten Darbietun-
gen des argentiniſchen Tango-Orcheſters Joſé
Solère. Im übrigen regierte auf der Muſikbühne
Bernhard Etté!

Hans Gruß hatte ſeine phantaſtiſche Dekoration
für dieſes Feſt aufgezogen. Eine Tombola war
von der Münchener Kaufmannſchaft reich beſchickt.

Das Direktorium, an deſſen Spitze Graf Moy.
Oberbürgermeiſter Scharnagl, Kommerzienrat
Edenhofer, Kommerzienrat Hartl ſtanden, konnte
die Spitzen der Behörden, der Verbände und der
Geſellſchaft begrüßen.

Der Erlös des Feſtes fließt dem Verein für
freiwillige Armenpflege e. V. und der Arbeits-
gemeinſchaft für öffentliche und private Fürſorge
der Stadt München zu gleichen Teilen zu.

Nateswara

Sag mir einer, es gäbe keinen Münchener
Künſtlerfaſching mehr, ſo halte ich ihm das
indiſch-münchneriſche Wort Nateswara entgegen.

Wer nicht nur tollen und tanzen will — auch
der kommt auf ſeine Rechnung, — wer mit Bild
und Farbe ſuchenden Augen dieſes geſtrige Feſt
in der Schwabinger Brauerei miterlebte, mag
ſagen, er ſei von dieſer Buntheit und Formen-
groteske berauſcht. Ich gebe ihm recht.

Hier tobte ſich künſtleriſche Genialität, Schwa-
binger Uebermut faſchingsmäßig aus. Die Saal-
dekoration ſchufen die Maler Souci, Sandſtein,
Neu und der Bildhauer Henke.

Souci und Henke mit Wallach geſtalteten den
Umzug indiſcher Götter und ihres Gefolges mit
Tragthronen und Symbolen. Stilecht, grotesk.
Sehr originell die tanzenden Rieſenhähne.

Kunſtmaler Spiegel, ein Javakenner, zeigte in-
diſche Tänze mit feiner Vermengung von Natur-
treue und Komik.

Ein Urviech die Nateswaragattin Kali (Kunſt-
maler Henke).

Prächtige Bajaderentänze — die Franzis-Metz-
Gruppe.

Das war zuſammen eine Darbietung von
Qualität.

Muſik beſorgte ſchmiſſig Kapelle Laſſen. In die
propaga[diſtiſch]en Vorarbeiten teilten ſich zeich-
nend und werbend Paul Neu und Kunſtmaler
Engelhard.

Zweites Feſt am 26. Januar.

Ein neues Masken-Album

Eine günſtige Anregung und Erleichterung für
die Koſtümierungs-Sorgen des Faſchings hat das
Spitzenhaus Roſa Klauber in der Form eines
Masken-Albums geſchaffen.

Dasſelbe iſt in ſehr hübſcher, handlicher Form
mit Goldumſchlag erſchienen und bringt in
Sechsfarbendruck eine reiche Ausleſe fertiger
Maskenkoſtüme aller Art.

Es dürfte von beſonderem Intereſſe ſein, daß
die Firma Wert darauf gelegt hat, alle im Heft
enthaltenen Koſtüme fertig vorführen zu können
und außerdem noch die entſprechenden Koſtüme
in größter Auswahl lagernd hält.

Das Album iſt bei Roſa Klauber ſelbſt, Thea-
tinerſtraße 35 und in deren Filiale, Marien-
platz 2, zum Preiſe von Mk. 1.50 käuflich zu
haben. Außerdem macht die Firma Roſa Klauber
darauf aufmerkſam, daß jedermann die bei ihr
monatlich erſcheinende Zeitſchrift „Das Wäſche-
magazin“ auf Wunſch koſtenlos zugeſandt erhält.

[irrelevantes Material]
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[Seite 5[5]/0005] Mittwoch, den 23. Januar „AZ am Abend“ Nr. 19 Temperamentum carnevalisticum Monacense Zur Regie des Münchener Faſchingszuges 1929 Man hat einen Regiefehler begangen, voriges Jahr. Man hat etwas vergeſſen. Man dachte nur an den Zug ſelbſt, beſtellte erſte Künſtler für ſeine Ausſtattung und — ver- gaß dabei ganz die zweite Hälfte der Akteure eines Faſchingszuges, — das zuſchauende Publi- kum der Trottoirs. Die Wirkung war dementſprechend. In feierlicher Beſcheidenheit, die einem Trauer- zug Ehre gemacht hätte, ſtand die zweite Hälfte Spalier. Warum? Man hatte ſich um dieſen Teil eben, wie geſagt, nicht gekümmert, hatte ihn ſich ſelbſt überlaſſen und er blieb — natürlich — teilnahmslos. [Abbildung] Das darf heuer nicht geſcheh’n! Haben die Münchner Künſtler für den Zug ſelbſt ihre ganze Phantaſie bereit zu halten, ſo beſteht andererſeits für den Stadtrat die Pflicht, zur Hebung der Stimmung auf den Trottoirs, zur Aufrüttelung des etwas ſchwerblütigen Münchner Temperaments, die nötigen Maßnah- men zu ergreifen. Wir ſchlagen vor: Nachdem auf Grund genauer Beobachtung feſtgeſtellt iſt, daß das Münchner Herz bei Tanz- muſik, gutem Bier und einem kleinen Gſchpuſi im Arm ſehr lebhaft zu ſchlagen beginnt — für dieſe Requiſiten eben zu ſorgen. Man engagiere Kapellen, errichte Tanzpodien in den Straßen, ſchlage kleine Zelte auf, darin die Münchner Bräuhäuſer ausſchenken können, Tiſche und Stühle dazu und — die Stimmung iſt da, die lebhafte natürliche Münchner Gemütsan- lage, das richtige Maß von energiſcher Lebhaftig- keit, wie ſie für einen Faſchingszug notwendig ſind. Das kleine Gſchpuſi haben wir alle ſowieſo und — fängt es einmal fröhlich zu quieken an, was bei derartiger Regieführung bald der Fall ſein wird, dann iſt der Höhepunkt erreicht, der Him- mel auf Erden iſt unſer. Alſo, nicht lange überlegt meine Herren, Regie für den zweiten Teil der Akteure — und alles iſt in beſter Ordnung. Halt, da fällt mir noch was ein! Iſt es kalt am Faſchingsdienstag, dann — Kocksöfen auf die Trottoirs in Abſtänden der Laternen, damit es wärmer iſt! Dann iſt Spanien in ſeiner ganzen Glut hervorgezaubert und man wird das Münch- ner Temperament einmal großartig erleben. Eins, zwei drei, g'ſuffa! Ein Proſit, ein Proſit der Gemütlichkeit! Und Ich? Ich küſſe ihre .... Rund um München. Pasing Neue Tankſtelle. ⚭ Der Stadtrat behandelte die Errichtung einer neuen Tankſtelle an der äußeren Lands- bergerſtraße, die für den ſtarken Autoverkehr in Richtung Herrſching von Bedeutung wäre. Die Tankſtelle ſoll Tag und Nacht in Betrieb ſein. Nach längerer Debatte wird die Angelegenheit dem Bauſenat überwieſen. Polizeiſtunde. ⚭ Die Polizeiſtunde wird in Paſing in Zu- kunft München angepaßt. Seit 1924 hat die Stadt ſechs Eingaben in dieſer Angelegenheit ge- macht, die alle mit der Begründung abgelehnt wurden, daß Paſing kein Fremdenverkehrsort ſei. Aufnahme in die Lehrerbildungsanſtalten. ⵐ Laut Anordnung des Staatsminiſteriums finden auch im kommenden Jahre Aufnahmen von Schülern in allen Klaſſen der Lehrerbildungs- anſtalten ſtatt. Damit wird die Unklarheit, die in verſchiedenen Kreiſen herrſcht, als ob der Zugang zu dieſen Anſtalten wegen Ueberfüllung im Schul- berufe geſperrt wurde, beſeitigt. Aus dem Bauſenat. ⵐ Es wurde gegen die üblichen Auflagen der Bau eines Kinos an der Hindenburgſtraße ge- nehmigt. Paſing erhält ſomit ein zweites Kino, das ungefähr 300 Sitzplätze umfaßt. — Die Eiſen- bahn-Baugenoſſenſchaft beabſichtigt die Herſtellung von Wohnungsbauten an der Wörnshoferſtraße. Die Bahn ſtellt hierzu den Baugrund zur Ver- fügung. Trudering 60 Jahre alt. ☉ Der Gendarmerie-Kommiſſar Joſ. Eichberger beging ſeinen 60. Geburtstag. Er iſt ſeit 1920 Leiter der hieſigen Gendarmerieſtation. Hohe Arbeitsloſenziffer. Infolge der ſchlechten Witterungsverhältniſſe iſt die Zahl der Arbeitsloſen in der Gemeinde auf 360 geſtiegen. Im Vergleich zur Einwohnerzahl iſt die Zahl der Arbeitsloſen ungeheuer groß. Luftkurbad. ☉ Nach einem Münchner Stadtratsbeſchluß ſoll nach Waldtrudering ein Luftkurbad gebaut wer- den. Waldtrudering dürfte zurzeit die ſchönſte Ko- lonie des Münchner Oſtens ſein. Ihre herrlichen Straßen, die unter Leitung des Kulturbauamtes in München erſtellt wurden, machen für ein Luft- kurbad einen vorteilhaften Eindruck. Der Platz liegt an der Turnerſtraße in herrlichem Tannen- wald. Geſundheitlich dürfte in Waldtrudering ein Luftkurbad äußerſt günſtig ſein. Dachau Perſonalien. * Seinen 75. Geburtstag feiert Timotheus Winkler in Dachau in voller Geſundheit. — In Motzenhofen konnten die Landwirtseheleute An- ton und Barbara Walter die goldene Hochzeit in voller Rüſtigkeit feiern. Greifenberg Selbſtmord. (!) Vor einigen Tagen fand man die Haus- hälterin Lotte Graßl tot in ihrem Zimmer auf. Sie ſoll gewaltſam den Giftſchrank ihres Dienſt- herrn, des Tierarzts in Greifenberg erbrochen haben und eine größere Doſis Morphium ent- nommen haben. Es liegt freiwilliger Tod vor. Was das erſt 23jährige Mädchen dazu bewog, iſt nicht bekannt. Erdweg Großfeuer * Im Sägewerk der Kunſtmühle Erdweg Huber brach Feuer aus. An den Holzvorräten fand das Feuer reichlich Nahrung. Sämtliche Holzbearbeitungsmaſchinen und der ganze Lager- beſtand an Holz wurde ein Raub der Flammen. Mehrere Feuerwehren waren am Brandplatz er- ſchienen; auch die Dachauer Motorſpritze war alarmiert worden, kam aber nicht mehr zum Ein- greifen. Die Brandentſtehungsurſache iſt noch unbekannt. Starnberg 80. Geburtstagsfeier. ❇ Der Bezirks-Eichmeiſter a. D. Heinrich Thoma, der ſeit 1890 das Eichamt Starnberg führte, feierte am 17. Januar ſeinen 80. Geburts- tag. Der Jubilar erfreut ſich noch der beſten Ge- ſundheit. _ Mit der Rakete durch den Faſching Was iſt los? Vollſtändige Liſte der Faſchings- Veranſtaltungen. Heute Deutſches Theater: Bal paré m. intern. Welt-Miramundum-Koſtümfeſt. Schwabinger Brauerei: Ball der Freiwill. Feuerwehr, Abt. 4. Regina-Palaſt-Hotel: Die Zaubergärten der Regina. Vier Jahreszei- ten: Deutſche Adelsgenoſſenſchaft, Geſellſchafts- ball. Bürgerbräukeller: Redoute. Wag- ner Saal: Redoute. Hackerbräukeller: Ball. Koloſſeum: Redoute. Park-Hotel: Karnevaſliſt. Stimmungsabend. Bayeriſcher Hof: Korps Bavaria Odeon-Kaſino Faſchingsfeſt. Taberin Luitpold: Wander- zirkus. Apollotheater: Kindermaskenball mit Prämiierung. Hotel Reichsadler: Re- doute. Mathäſerbräu: Redoute. Café Luitpold: Ein Abend in der off. Reſidenz d. Prinzen Karneval. Simpliziſſimus: Fa- ſchingstreiben vor 20 Jahren. Malkaſten: Malkaſtenfeſt. Reigen: Redoute. Blüte: Mo- torradfahrer-Klub. Café Fiſcher: Faſchings- treiben mit Tanz. Café-Reſt. Ungerer: Faſchingsunterhaltung mit Tanz Café Deiſt- ler: Großes Faſchingstreiben mit Tanz. Allee- Café: Wiederholung des Hausballs. Winter- garten: Redoute. Annaſt: Feſtabend in der Hochburg des Exprinzen Karneval. Morgen Deutſches Theater: Dienſtbotenball der Münchner Bühnenkünſtler. Bürgerbräu- keller: Hausball. Schwabinger Brau- erei: Bayer. Schützenverband, Sektion Schwa- bing. Löwenbräukeller: Sektion Ober- land. Wagner-Saal: Ball „Eichenhain“. Hackerbräukeller: Ball. Café Glon- ner: Angeſtelltenball. Koloſſeum: Ball der Angeſtellten d. Betriebe M. Friediger, Eine luſtige Nacht in Wien. Parkhotel: Hausball mit Ge- ſellſchaftstanzſpielen und Prämiierungen. Taba- rin Luitpold: Tabarin-Maskenball. Café Luitpold: Ein Abend in der Reſidenz d. off. Prinzen Karneval. Simpliziſſimus: Fa- ſchingstreiben vor 20 Jahren. Regina-Pa- laſt-Hotel: Die Zaubergärten d. Regina. Odeon-Kaſino: Faſchingsfeſt. Annaſt: Feſtabend i. d. Hochburg des Exprinzen Karneval. Malkaſten: Luſtiger Faſchingsabend mit Ka- barettprogramm. Reigen: Faſchingsabend. Blüte: Hausball. Café Arkadia: Gebirgler- Ball. Café Maria Thereſia: Japaniſcher Stimmungsabend in Yokohama (bis 5 Uhr früh geöffnet). Hotel Reichsadler: Großer Faſchingstrubel. Hotel Union: Angeſtellte des Bankhauſes Aufhäuſer, Faſchingsunterhaltung. Wintergarten: Faſchingstanz. Café Or- lando: Großer Faſchingsrummel. Café Maximilian: Das Eldorado des Faſchings. Wir bitten Vereine und Geſellſchaften, uns ihre Veranſta- tungen zur Veröffentlichung in dieſer Rubik rechtzeitig zu über- mitteln. Preſſefeſt „Winter in Bayern“. Je weiter die Vorbereitungen für das am 4. Februar im Deutſchen Theater ſtattfindende Preſſefeſt fortſchreiten, deſto mehr feſtigt ſich die Ueberzeugung, daß es eines der glänzendſten Feſte des heurigen Faſchings werden wird. Dr. Ernſt Hohenſtatter hat es verſtanden, aus ſeinem Feſtſpiel eine wirkliche Ueberraſchung zu ma- chen. Dank freundlichen Entgegenkommens der Generalintendanz und Verwaltung von Kräften des Staatstheaters unter Leitung des Ballett- meiſters Kroller dargeſtellt, wird es ſicherlich den Clou aller Faſchingsaufführungen bilden. Auch die Zwiſchenſpiele verſprechen viel luſtige Unter- haltung. Bezeichnend für den Ruf, den das Preſſe- feſt genießt, iſt die Tatſache, daß bereits wieder eine große Reihe von Platzbeſtellungen von aus- wärts vorliegt. Köln, Düſſeldorf, Berlin, Leipzig, Straßburg, Mailand uſw. entſenden Beſucher. Auch aus Bayern ſelbſt und natürlich auch aus München iſt ſtarke Nachfrage, ſo daß die Parterre- Logen nahezu vergriffen ſind. Es empfiehlt ſich daher, Beſtellungen auf Plätze möglichſt umge- hend anzubringen; das Bureau des „Hilfsbundes der Münchner Einwohnerſchaft“, Theatinerſtr. 3, 2. Stock, Fernſprecher 92 377, das ſich, weil es ſich bei dem Preſſefeſt um ein ausgeſprochenes Wohltätigkeitsfeſt handelt, dem Arbeitsausſchuß zur Verfügung geſtellt hat, nimmt ſie während der Dienſtſtunden gern entgegen. Die Gaukler „Der Gauklertag“, der auch heuer ein geſell- ſchaftliches Ereignis zu werden verſpricht, findet am Dienstag, den 5. und Samstag, den 9. Febr., im Löwenbräukeller ſtatt. Die Einladungen er- gehen in dieſen Tagen. Eintrittskarten werden abgegeben an Inhaber der Einladung am Mitt- woch, den 30. und Donnerstag, den 31. Januar, nur in der Zentralſtelle Herrnſtraße 23 (Koſtüm- haus Diringer), Tel. 25 073, 21 774, 21 775. So- weit noch Karten vorhanden, beginnt der allge- meine Kartenverkauf am Freitag, den 1. Febr. Feſtbeſtimmungen, Einladungen und Auskünfte jeder Art daſelbſt. Was war Armenball im Deutſchen Theater Es war einmal dieſer Ball als Faſchingstribut der Reichen an die Armen gedacht. Daran denkt heute noch das Komitee und vielleicht die Geſell- ſchaft von einſt. Im übrigen iſt dieſes Feſt in ſeinen Formen als eine Tradition, als repräſentative Pflicht des offiziellen München übernommen worden. Es war ein Feſtball in Frack, Lack und Claque. Ein Vorſpiel (Dr. Eugen Roth) als Art er- weiterter Prolog leitete ein. Hans Gruß mit ſeiner Mitarbeit ließ das „Spiel in Tüll“ über die Bretter gehen. Die Pauſe füllten Darbietun- gen des argentiniſchen Tango-Orcheſters Joſé Solère. Im übrigen regierte auf der Muſikbühne Bernhard Etté! Hans Gruß hatte ſeine phantaſtiſche Dekoration für dieſes Feſt aufgezogen. Eine Tombola war von der Münchener Kaufmannſchaft reich beſchickt. Das Direktorium, an deſſen Spitze Graf Moy. Oberbürgermeiſter Scharnagl, Kommerzienrat Edenhofer, Kommerzienrat Hartl ſtanden, konnte die Spitzen der Behörden, der Verbände und der Geſellſchaft begrüßen. Der Erlös des Feſtes fließt dem Verein für freiwillige Armenpflege e. V. und der Arbeits- gemeinſchaft für öffentliche und private Fürſorge der Stadt München zu gleichen Teilen zu. R. Nateswara Sag mir einer, es gäbe keinen Münchener Künſtlerfaſching mehr, ſo halte ich ihm das indiſch-münchneriſche Wort Nateswara entgegen. Wer nicht nur tollen und tanzen will — auch der kommt auf ſeine Rechnung, — wer mit Bild und Farbe ſuchenden Augen dieſes geſtrige Feſt in der Schwabinger Brauerei miterlebte, mag ſagen, er ſei von dieſer Buntheit und Formen- groteske berauſcht. Ich gebe ihm recht. Hier tobte ſich künſtleriſche Genialität, Schwa- binger Uebermut faſchingsmäßig aus. Die Saal- dekoration ſchufen die Maler Souci, Sandſtein, Neu und der Bildhauer Henke. Souci und Henke mit Wallach geſtalteten den Umzug indiſcher Götter und ihres Gefolges mit Tragthronen und Symbolen. Stilecht, grotesk. Sehr originell die tanzenden Rieſenhähne. Kunſtmaler Spiegel, ein Javakenner, zeigte in- diſche Tänze mit feiner Vermengung von Natur- treue und Komik. Ein Urviech die Nateswaragattin Kali (Kunſt- maler Henke). Prächtige Bajaderentänze — die Franzis-Metz- Gruppe. Das war zuſammen eine Darbietung von Qualität. Muſik beſorgte ſchmiſſig Kapelle Laſſen. In die propagadiſtiſchen Vorarbeiten teilten ſich zeich- nend und werbend Paul Neu und Kunſtmaler Engelhard. Zweites Feſt am 26. Januar. R. Ein neues Masken-Album Eine günſtige Anregung und Erleichterung für die Koſtümierungs-Sorgen des Faſchings hat das Spitzenhaus Roſa Klauber in der Form eines Masken-Albums geſchaffen. Dasſelbe iſt in ſehr hübſcher, handlicher Form mit Goldumſchlag erſchienen und bringt in Sechsfarbendruck eine reiche Ausleſe fertiger Maskenkoſtüme aller Art. Es dürfte von beſonderem Intereſſe ſein, daß die Firma Wert darauf gelegt hat, alle im Heft enthaltenen Koſtüme fertig vorführen zu können und außerdem noch die entſprechenden Koſtüme in größter Auswahl lagernd hält. Das Album iſt bei Roſa Klauber ſelbſt, Thea- tinerſtraße 35 und in deren Filiale, Marien- platz 2, zum Preiſe von Mk. 1.50 käuflich zu haben. Außerdem macht die Firma Roſa Klauber darauf aufmerkſam, daß jedermann die bei ihr monatlich erſcheinende Zeitſchrift „Das Wäſche- magazin“ auf Wunſch koſtenlos zugeſandt erhält. _

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-01-02T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine19_1929
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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929, S. Seite 5[5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine19_1929/5>, abgerufen am 21.11.2024.