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Allgemeine Zeitung, Nr. 24, 20. Juni 1920.

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Allgemeine Zeitung 20. Juni 1920
[Spaltenumbruch]

Klytämestra: Hör' auf! Jch kann's nicht ertragen!
-- -- Wie Schatten der Nacht kriechen wir an, tückifch und
feige vom Rücken. O Schande! Schande!

Aegisth: Wer ist so rafend, Agamemnon anzugreifen!
-- Komm! --

Klytämestra (mit einem Blick, daß er unwillkürlich
zurückweicht): Doch du -- wo warst du? Wo?

Aegisth: Jch --? Wann --? Jch -- --

Klytämestra: Als er zurückkam, der bejubelte Sieger
von Troja.

Aegisth: Wie durft' ich ihm vor Augen kommen!

Klytämestra: Warum denn nicht! -- Doch dir schlot-
terte bei der unerhörten Nachricht das Gebein und bleich vor
Angst verkrochst du dich im tiefften Keller.

Aegisth: Wie könnte ich jetzt, jetzt, wo wir uns lieben,
leichtsinnig das Leben verspielen! -- Klytämestra! -- Ge-
liebte! --

Klytämestra: Geh! -- Mir ekelt. -- -- Jhn konnte
ich lieben -- bis zur Raserei -- -- und hassen -- -- und
töten --! Ein Mann, ein Held, ein Gott -- -- Doch dich'
-- -- -- Und doch lebst du, und er mußte fallen.

Aegisth (tückisch): Wenn du ihn so bewunderst, warum
hast du ihn dann ermordel?

Klytämestra (wild): Wer spricht von Mord!

Aegisth (weicht entsetzt zurück).

Klytämestra: Hier steh' ich im Angesicht des Him-
mels und sein silbernes Auge verbirgt sich nicht vor mir!
Denn rein und heilig ist Rache für Blutschuld!

Aegisth: Er --?

Klytämestra: Denk' an Aulis! Wo er die eigene
Tochter am Altare geschlachtet! Mein Kind, meine Tochter
den mördertschen Göttern! -- Fluch euch, Fluch! Fluch euch,
vorruchtes, frevelndes Geschlecht, die nur Verbrechen auf
Verbrechen häufen und sich am fauligen Blute Erschlagener
loben! Fluch euch! -- -- Ach -- -- (Sie sinkt erschöpft nieder.)

Aegisth (in abergläubischer Angst): Halt ein! Halt ein!

Klytämestra: Euch grüß' ich, ihr Götter, ihr würd'gen
Genossen! Reichlich bracht' ich euch heut' das ungewöhnliche
Opfer und würdig reich' ich euch allen die Hände! Denn in
[eurem] Hause herrscht ihr ja auch auf Thronen erschlagener
Väter und euch labend in ihrem Blute!

Aegisth (schaudernd): Entsetzliche! Was tust du!

Klytämestra: Um ein verworfenes Weib zog er fort.
Was ist denn jene Helena? Was ihm? Schön sei sie -- --
bin ich's nicht auch! -- Doch als vor Zeiten mich Räuber ent-
führten, stand keiner zum Schutze auf. Mit diesen Händen
entriß ich dem nächsten das Schwert und erschlug sie. Der
Vater aber entsetzte sich vor der Tochter blutigen Händen. --
Doch jene Dirne holt ganz Griechenland sich im Triumph
zurück und jauchzt und freut sich des eklen Gewinnes!

Aegisth: Laß das. Haben wir doch Liebe und Herr-
schaft dadurch gewonnen.

Klytämestra (ohne auf ihn zu achten): Und deshaid
morden sie mir mein Kind dem dunklen Wahne an gerechte
Götter! -- -- Mein Kind! O mein Kind, mein Kind! -- --
(Sie sinkt in verzweifeltem Schmerze zusammen.)

Aegisth (nach einer Pause leichthin): Nun -- laß die
Toten -- sie und ihn dort. -- -- Jetzt sind wir gerächt, unser
ist die Macht, wir triumphieren und wollen uns freuen!

Klytämestra (dumpf): Uns freuen -- uns freuen --

Aegisth: Doch dem Sieger gebührt auch der Lohn.

Klytämestra: Gesühnt -- -- mit Strömen von Blut.
-- Was noch mehr?

Aegisth: Was man getan, verlangt seinen Lohn.

Klytämestra: Lohn? Lohn? -- Den deinen hast du
dahin, für etwas, das du nicht tatest.

Aegisth: Ich --?

[Spaltenumbruch]

Klytämestra: Des Königs Gemahlin --

Aegisth: Ich hätte genommen? Mich dünkt, es ward
mir geschenkt!

Klytämestra: Als ich im Schmerze verzweifelte, wer
kam mich umschmeicheln, wer entfernte die anderen, wer trieb
mich zum Ehebruch -- zur Tat? -- Geschenkt? -- Gleichviel,
es gilt!

Aegisth (bezwingt sich): Doch -- -- das Reich --?

Klytämestra (aufschauend): Das Reich --?

Aegisth: Der König ist tot. -- Wer wird die Krone
erben?

Klytämestra: Die Krone? Das Reich? -- Was willst
du von ihnen?

Aegisth: Einer muß sein, das Land zu beherrschen.
Am nächsten zum Throne stehst du, und durch dich -- als
dein Gemahl -- doch ich.

Klytämestra (in steigender Bewegung): Du -- du
-- als mein Gemahl? --

Aegisth: So laß uns dessen genießen: der neue König
und seine geliebte Gemahlin.

Klytämestra: Du rasest!

Aegisth (überrascht): War denn nicht das unser Ziel:
Herrschaft und Liebe und Genuß!

Klytämestra (knickt vernichtet zusammen): Götter!
-- Götter! -- Wie furchtbar ist euer Gericht!

Aegisth (staunend): Was ist dir? -- -- So sprich doch!

Klytämestra: -- Und ich träumte von heiliger Rache
-- -- -- und du -- -- nur das Werkzeug deiner Gier -- --
-- ach! --

Aegisth: Was gibt es Herrlicheres als schrankenlose
Macht! Nichts gleicht ihr auf Erden, als das Weib im glü-
henden Arme. Du gabst mir alles: Liebe, Macht Wonne,
Lust! -- Liebste! --

Klytämestra: Schweig stille!

Aegisth: Der Morgen graut. Zeit wird's, den Thron
zu besteigen.

Klytämestra (düster und hart): Doch du vergißt,
daß König Agamemnon noch einen Sohn hat!

Aegisth (rasch): Er stirbt!

Klytämestra (bedeutend): Er lebt -- -- und herrscht!

Aegisth: Doch wir -- -- ich --?

Klytämestra (drohend): Laß dir genügen an deines
Königs Bette! Strecke nicht auch nach der Krone deine gierig
zitternden Hände! Du möchtest sonst im Blute ausgleiten!

Aegisth (knirschend): Er König -- -- -- und ich --?
-- -- Geduld! --

Klytämestra: Wähnst du, du könntest dies Volk be-
herrschen, das gegen dich tobt!

Aegisth (trotzig): Mit Gewalt --

Klytämestra (lacht): Ja, kämpfen solltest du -- mit
ihm -- um das Reich!

Aegisth (verärgert): Das wäre sicherer Tod. Da gibt
es -- --

Klytämestra (schneidend): Da hast du wohl recht!
Eher erwürgte ich dich mit diesen Händen!

Aegisth (mühsam): Genug -- genug -- -- (Er be-
zwingt sich; abbrechend): Laß das. Es kommt wohl noch
Rat und Entscheidung.

Klytämestra: Die kommen! Zweifle nicht! Und diese
Nacht gebiert sie grauenvoll!

Aegisth (fucht sie liebevoll zu umschlingen und mit
sich fortzuziehen): Nun aber komm! Laß uns noch wonnig
ruhen nach -- --

Klytämestra (stößt ihn fort): Elender! Mir aus den
Augen!

Aegisth (schäumend): Ha -- du -- du Mörderin -- --
Meuchelmörderin --!

[irrelevantes Material]
Allgemeine Zeitung 20. Juni 1920
[Spaltenumbruch]

Klytämeſtra: Hör’ auf! Jch kann’s nicht ertragen!
— — Wie Schatten der Nacht kriechen wir an, tückifch und
feige vom Rücken. O Schande! Schande!

Aegiſth: Wer iſt ſo rafend, Agamemnon anzugreifen!
— Komm! —

Klytämeſtra (mit einem Blick, daß er unwillkürlich
zurückweicht): Doch du — wo warſt du? Wo?

Aegiſth: Jch —? Wann —? Jch — —

Klytämeſtra: Als er zurückkam, der bejubelte Sieger
von Troja.

Aegiſth: Wie durft’ ich ihm vor Augen kommen!

Klytämeſtra: Warum denn nicht! — Doch dir ſchlot-
terte bei der unerhörten Nachricht das Gebein und bleich vor
Angſt verkrochſt du dich im tiefften Keller.

Aegiſth: Wie könnte ich jetzt, jetzt, wo wir uns lieben,
leichtſinnig das Leben verſpielen! — Klytämeſtra! — Ge-
liebte! —

Klytämeſtra: Geh! — Mir ekelt. — — Jhn konnte
ich lieben — bis zur Raſerei — — und haſſen — — und
töten —! Ein Mann, ein Held, ein Gott — — Doch dich’
— — — Und doch lebſt du, und er mußte fallen.

Aegiſth (tückiſch): Wenn du ihn ſo bewunderſt, warum
haſt du ihn dann ermordel?

Klytämeſtra (wild): Wer ſpricht von Mord!

Aegiſth (weicht entſetzt zurück).

Klytämeſtra: Hier ſteh’ ich im Angeſicht des Him-
mels und ſein ſilbernes Auge verbirgt ſich nicht vor mir!
Denn rein und heilig iſt Rache für Blutſchuld!

Aegiſth: Er —?

Klytämeſtra: Denk’ an Aulis! Wo er die eigene
Tochter am Altare geſchlachtet! Mein Kind, meine Tochter
den mördertſchen Göttern! — Fluch euch, Fluch! Fluch euch,
vorruchtes, frevelndes Geſchlecht, die nur Verbrechen auf
Verbrechen häufen und ſich am fauligen Blute Erſchlagener
loben! Fluch euch! — — Ach — — (Sie ſinkt erſchöpft nieder.)

Aegiſth (in abergläubiſcher Angſt): Halt ein! Halt ein!

Klytämeſtra: Euch grüß’ ich, ihr Götter, ihr würd’gen
Genoſſen! Reichlich bracht’ ich euch heut’ das ungewöhnliche
Opfer und würdig reich’ ich euch allen die Hände! Denn in
[eurem] Hauſe herrſcht ihr ja auch auf Thronen erſchlagener
Väter und euch labend in ihrem Blute!

Aegiſth (ſchaudernd): Entſetzliche! Was tuſt du!

Klytämeſtra: Um ein verworfenes Weib zog er fort.
Was iſt denn jene Helena? Was ihm? Schön ſei ſie — —
bin ich’s nicht auch! — Doch als vor Zeiten mich Räuber ent-
führten, ſtand keiner zum Schutze auf. Mit dieſen Händen
entriß ich dem nächſten das Schwert und erſchlug ſie. Der
Vater aber entſetzte ſich vor der Tochter blutigen Händen. —
Doch jene Dirne holt ganz Griechenland ſich im Triumph
zurück und jauchzt und freut ſich des eklen Gewinnes!

Aegiſth: Laß das. Haben wir doch Liebe und Herr-
ſchaft dadurch gewonnen.

Klytämeſtra (ohne auf ihn zu achten): Und deshaid
morden ſie mir mein Kind dem dunklen Wahne an gerechte
Götter! — — Mein Kind! O mein Kind, mein Kind! — —
(Sie ſinkt in verzweifeltem Schmerze zuſammen.)

Aegiſth (nach einer Pauſe leichthin): Nun — laß die
Toten — ſie und ihn dort. — — Jetzt ſind wir gerächt, unſer
iſt die Macht, wir triumphieren und wollen uns freuen!

Klytämeſtra (dumpf): Uns freuen — uns freuen —

Aegiſth: Doch dem Sieger gebührt auch der Lohn.

Klytämeſtra: Geſühnt — — mit Strömen von Blut.
— Was noch mehr?

Aegiſth: Was man getan, verlangt ſeinen Lohn.

Klytämeſtra: Lohn? Lohn? — Den deinen haſt du
dahin, für etwas, das du nicht tateſt.

Aegiſth: Ich —?

[Spaltenumbruch]

Klytämeſtra: Des Königs Gemahlin —

Aegiſth: Ich hätte genommen? Mich dünkt, es ward
mir geſchenkt!

Klytämeſtra: Als ich im Schmerze verzweifelte, wer
kam mich umſchmeicheln, wer entfernte die anderen, wer trieb
mich zum Ehebruch — zur Tat? — Geſchenkt? — Gleichviel,
es gilt!

Aegiſth (bezwingt ſich): Doch — — das Reich —?

Klytämeſtra (aufſchauend): Das Reich —?

Aegiſth: Der König iſt tot. — Wer wird die Krone
erben?

Klytämeſtra: Die Krone? Das Reich? — Was willſt
du von ihnen?

Aegiſth: Einer muß ſein, das Land zu beherrſchen.
Am nächſten zum Throne ſtehſt du, und durch dich — als
dein Gemahl — doch ich.

Klytämeſtra (in ſteigender Bewegung): Du — du
— als mein Gemahl? —

Aegiſth: So laß uns deſſen genießen: der neue König
und ſeine geliebte Gemahlin.

Klytämeſtra: Du raſeſt!

Aegiſth (überraſcht): War denn nicht das unſer Ziel:
Herrſchaft und Liebe und Genuß!

Klytämeſtra (knickt vernichtet zuſammen): Götter!
— Götter! — Wie furchtbar iſt euer Gericht!

Aegiſth (ſtaunend): Was iſt dir? — — So ſprich doch!

Klytämeſtra: — Und ich träumte von heiliger Rache
— — — und du — — nur das Werkzeug deiner Gier — —
— ach! —

Aegiſth: Was gibt es Herrlicheres als ſchrankenloſe
Macht! Nichts gleicht ihr auf Erden, als das Weib im glü-
henden Arme. Du gabſt mir alles: Liebe, Macht Wonne,
Luſt! — Liebſte! —

Klytämeſtra: Schweig ſtille!

Aegiſth: Der Morgen graut. Zeit wird’s, den Thron
zu beſteigen.

Klytämeſtra (düſter und hart): Doch du vergißt,
daß König Agamemnon noch einen Sohn hat!

Aegiſth (raſch): Er ſtirbt!

Klytämeſtra (bedeutend): Er lebt — — und herrſcht!

Aegiſth: Doch wir — — ich —?

Klytämeſtra (drohend): Laß dir genügen an deines
Königs Bette! Strecke nicht auch nach der Krone deine gierig
zitternden Hände! Du möchteſt ſonſt im Blute ausgleiten!

Aegiſth (knirſchend): Er König — — — und ich —?
— — Geduld! —

Klytämeſtra: Wähnſt du, du könnteſt dies Volk be-
herrſchen, das gegen dich tobt!

Aegiſth (trotzig): Mit Gewalt —

Klytämeſtra (lacht): Ja, kämpfen ſollteſt du — mit
ihm — um das Reich!

Aegiſth (verärgert): Das wäre ſicherer Tod. Da gibt
es — —

Klytämeſtra (ſchneidend): Da haſt du wohl recht!
Eher erwürgte ich dich mit dieſen Händen!

Aegiſth (mühſam): Genug — genug — — (Er be-
zwingt ſich; abbrechend): Laß das. Es kommt wohl noch
Rat und Entſcheidung.

Klytämeſtra: Die kommen! Zweifle nicht! Und dieſe
Nacht gebiert ſie grauenvoll!

Aegiſth (fucht ſie liebevoll zu umſchlingen und mit
ſich fortzuziehen): Nun aber komm! Laß uns noch wonnig
ruhen nach — —

Klytämeſtra (ſtößt ihn fort): Elender! Mir aus den
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Aegiſth (ſchäumend): Ha — du — du Mörderin — —
Meuchelmörderin —!

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[232/0010] Allgemeine Zeitung 20. Juni 1920 Klytämeſtra: Hör’ auf! Jch kann’s nicht ertragen! — — Wie Schatten der Nacht kriechen wir an, tückifch und feige vom Rücken. O Schande! Schande! Aegiſth: Wer iſt ſo rafend, Agamemnon anzugreifen! — Komm! — Klytämeſtra (mit einem Blick, daß er unwillkürlich zurückweicht): Doch du — wo warſt du? Wo? Aegiſth: Jch —? Wann —? Jch — — Klytämeſtra: Als er zurückkam, der bejubelte Sieger von Troja. Aegiſth: Wie durft’ ich ihm vor Augen kommen! Klytämeſtra: Warum denn nicht! — Doch dir ſchlot- terte bei der unerhörten Nachricht das Gebein und bleich vor Angſt verkrochſt du dich im tiefften Keller. Aegiſth: Wie könnte ich jetzt, jetzt, wo wir uns lieben, leichtſinnig das Leben verſpielen! — Klytämeſtra! — Ge- liebte! — Klytämeſtra: Geh! — Mir ekelt. — — Jhn konnte ich lieben — bis zur Raſerei — — und haſſen — — und töten —! Ein Mann, ein Held, ein Gott — — Doch dich’ — — — Und doch lebſt du, und er mußte fallen. Aegiſth (tückiſch): Wenn du ihn ſo bewunderſt, warum haſt du ihn dann ermordel? Klytämeſtra (wild): Wer ſpricht von Mord! Aegiſth (weicht entſetzt zurück). Klytämeſtra: Hier ſteh’ ich im Angeſicht des Him- mels und ſein ſilbernes Auge verbirgt ſich nicht vor mir! Denn rein und heilig iſt Rache für Blutſchuld! Aegiſth: Er —? Klytämeſtra: Denk’ an Aulis! Wo er die eigene Tochter am Altare geſchlachtet! Mein Kind, meine Tochter den mördertſchen Göttern! — Fluch euch, Fluch! Fluch euch, vorruchtes, frevelndes Geſchlecht, die nur Verbrechen auf Verbrechen häufen und ſich am fauligen Blute Erſchlagener loben! Fluch euch! — — Ach — — (Sie ſinkt erſchöpft nieder.) Aegiſth (in abergläubiſcher Angſt): Halt ein! Halt ein! Klytämeſtra: Euch grüß’ ich, ihr Götter, ihr würd’gen Genoſſen! Reichlich bracht’ ich euch heut’ das ungewöhnliche Opfer und würdig reich’ ich euch allen die Hände! Denn in eurem Hauſe herrſcht ihr ja auch auf Thronen erſchlagener Väter und euch labend in ihrem Blute! Aegiſth (ſchaudernd): Entſetzliche! Was tuſt du! Klytämeſtra: Um ein verworfenes Weib zog er fort. Was iſt denn jene Helena? Was ihm? Schön ſei ſie — — bin ich’s nicht auch! — Doch als vor Zeiten mich Räuber ent- führten, ſtand keiner zum Schutze auf. Mit dieſen Händen entriß ich dem nächſten das Schwert und erſchlug ſie. Der Vater aber entſetzte ſich vor der Tochter blutigen Händen. — Doch jene Dirne holt ganz Griechenland ſich im Triumph zurück und jauchzt und freut ſich des eklen Gewinnes! Aegiſth: Laß das. Haben wir doch Liebe und Herr- ſchaft dadurch gewonnen. Klytämeſtra (ohne auf ihn zu achten): Und deshaid morden ſie mir mein Kind dem dunklen Wahne an gerechte Götter! — — Mein Kind! O mein Kind, mein Kind! — — (Sie ſinkt in verzweifeltem Schmerze zuſammen.) Aegiſth (nach einer Pauſe leichthin): Nun — laß die Toten — ſie und ihn dort. — — Jetzt ſind wir gerächt, unſer iſt die Macht, wir triumphieren und wollen uns freuen! Klytämeſtra (dumpf): Uns freuen — uns freuen — Aegiſth: Doch dem Sieger gebührt auch der Lohn. Klytämeſtra: Geſühnt — — mit Strömen von Blut. — Was noch mehr? Aegiſth: Was man getan, verlangt ſeinen Lohn. Klytämeſtra: Lohn? Lohn? — Den deinen haſt du dahin, für etwas, das du nicht tateſt. Aegiſth: Ich —? Klytämeſtra: Des Königs Gemahlin — Aegiſth: Ich hätte genommen? Mich dünkt, es ward mir geſchenkt! Klytämeſtra: Als ich im Schmerze verzweifelte, wer kam mich umſchmeicheln, wer entfernte die anderen, wer trieb mich zum Ehebruch — zur Tat? — Geſchenkt? — Gleichviel, es gilt! Aegiſth (bezwingt ſich): Doch — — das Reich —? Klytämeſtra (aufſchauend): Das Reich —? Aegiſth: Der König iſt tot. — Wer wird die Krone erben? Klytämeſtra: Die Krone? Das Reich? — Was willſt du von ihnen? Aegiſth: Einer muß ſein, das Land zu beherrſchen. Am nächſten zum Throne ſtehſt du, und durch dich — als dein Gemahl — doch ich. Klytämeſtra (in ſteigender Bewegung): Du — du — als mein Gemahl? — Aegiſth: So laß uns deſſen genießen: der neue König und ſeine geliebte Gemahlin. Klytämeſtra: Du raſeſt! Aegiſth (überraſcht): War denn nicht das unſer Ziel: Herrſchaft und Liebe und Genuß! Klytämeſtra (knickt vernichtet zuſammen): Götter! — Götter! — Wie furchtbar iſt euer Gericht! Aegiſth (ſtaunend): Was iſt dir? — — So ſprich doch! Klytämeſtra: — Und ich träumte von heiliger Rache — — — und du — — nur das Werkzeug deiner Gier — — — ach! — Aegiſth: Was gibt es Herrlicheres als ſchrankenloſe Macht! Nichts gleicht ihr auf Erden, als das Weib im glü- henden Arme. Du gabſt mir alles: Liebe, Macht Wonne, Luſt! — Liebſte! — Klytämeſtra: Schweig ſtille! Aegiſth: Der Morgen graut. Zeit wird’s, den Thron zu beſteigen. Klytämeſtra (düſter und hart): Doch du vergißt, daß König Agamemnon noch einen Sohn hat! Aegiſth (raſch): Er ſtirbt! Klytämeſtra (bedeutend): Er lebt — — und herrſcht! Aegiſth: Doch wir — — ich —? Klytämeſtra (drohend): Laß dir genügen an deines Königs Bette! Strecke nicht auch nach der Krone deine gierig zitternden Hände! Du möchteſt ſonſt im Blute ausgleiten! Aegiſth (knirſchend): Er König — — — und ich —? — — Geduld! — Klytämeſtra: Wähnſt du, du könnteſt dies Volk be- herrſchen, das gegen dich tobt! Aegiſth (trotzig): Mit Gewalt — Klytämeſtra (lacht): Ja, kämpfen ſollteſt du — mit ihm — um das Reich! Aegiſth (verärgert): Das wäre ſicherer Tod. Da gibt es — — Klytämeſtra (ſchneidend): Da haſt du wohl recht! Eher erwürgte ich dich mit dieſen Händen! Aegiſth (mühſam): Genug — genug — — (Er be- zwingt ſich; abbrechend): Laß das. Es kommt wohl noch Rat und Entſcheidung. Klytämeſtra: Die kommen! Zweifle nicht! Und dieſe Nacht gebiert ſie grauenvoll! Aegiſth (fucht ſie liebevoll zu umſchlingen und mit ſich fortzuziehen): Nun aber komm! Laß uns noch wonnig ruhen nach — — Klytämeſtra (ſtößt ihn fort): Elender! Mir aus den Augen! Aegiſth (ſchäumend): Ha — du — du Mörderin — — Meuchelmörderin —! _

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 24, 20. Juni 1920, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine24_1920/10>, abgerufen am 03.12.2024.