Allgemeine Zeitung, Nr. 24, 20. Juni 1920.Allgemeine Zeitung 20. Juni 1920 [Spaltenumbruch]
Klytämestra: Hör' auf! Jch kann's nicht ertragen! Aegisth: Wer ist so rafend, Agamemnon anzugreifen! Klytämestra (mit einem Blick, daß er unwillkürlich Aegisth: Jch --? Wann --? Jch -- -- Klytämestra: Als er zurückkam, der bejubelte Sieger Aegisth: Wie durft' ich ihm vor Augen kommen! Klytämestra: Warum denn nicht! -- Doch dir schlot- Aegisth: Wie könnte ich jetzt, jetzt, wo wir uns lieben, Klytämestra: Geh! -- Mir ekelt. -- -- Jhn konnte Aegisth (tückisch): Wenn du ihn so bewunderst, warum Klytämestra (wild): Wer spricht von Mord! Aegisth (weicht entsetzt zurück). Klytämestra: Hier steh' ich im Angesicht des Him- Aegisth: Er --? Klytämestra: Denk' an Aulis! Wo er die eigene Aegisth (in abergläubischer Angst): Halt ein! Halt ein! Klytämestra: Euch grüß' ich, ihr Götter, ihr würd'gen Aegisth (schaudernd): Entsetzliche! Was tust du! Klytämestra: Um ein verworfenes Weib zog er fort. Aegisth: Laß das. Haben wir doch Liebe und Herr- Klytämestra (ohne auf ihn zu achten): Und deshaid Aegisth (nach einer Pause leichthin): Nun -- laß die Klytämestra (dumpf): Uns freuen -- uns freuen -- Aegisth: Doch dem Sieger gebührt auch der Lohn. Klytämestra: Gesühnt -- -- mit Strömen von Blut. Aegisth: Was man getan, verlangt seinen Lohn. Klytämestra: Lohn? Lohn? -- Den deinen hast du Aegisth: Ich --? [Spaltenumbruch]Klytämestra: Des Königs Gemahlin -- Aegisth: Ich hätte genommen? Mich dünkt, es ward Klytämestra: Als ich im Schmerze verzweifelte, wer Aegisth (bezwingt sich): Doch -- -- das Reich --? Klytämestra (aufschauend): Das Reich --? Aegisth: Der König ist tot. -- Wer wird die Krone Klytämestra: Die Krone? Das Reich? -- Was willst Aegisth: Einer muß sein, das Land zu beherrschen. Klytämestra (in steigender Bewegung): Du -- du Aegisth: So laß uns dessen genießen: der neue König Klytämestra: Du rasest! Aegisth (überrascht): War denn nicht das unser Ziel: Klytämestra (knickt vernichtet zusammen): Götter! Aegisth (staunend): Was ist dir? -- -- So sprich doch! Klytämestra: -- Und ich träumte von heiliger Rache Aegisth: Was gibt es Herrlicheres als schrankenlose Klytämestra: Schweig stille! Aegisth: Der Morgen graut. Zeit wird's, den Thron Klytämestra (düster und hart): Doch du vergißt, Aegisth (rasch): Er stirbt! Klytämestra (bedeutend): Er lebt -- -- und herrscht! Aegisth: Doch wir -- -- ich --? Klytämestra (drohend): Laß dir genügen an deines Aegisth (knirschend): Er König -- -- -- und ich --? Klytämestra: Wähnst du, du könntest dies Volk be- Aegisth (trotzig): Mit Gewalt -- Klytämestra (lacht): Ja, kämpfen solltest du -- mit Aegisth (verärgert): Das wäre sicherer Tod. Da gibt Klytämestra (schneidend): Da hast du wohl recht! Aegisth (mühsam): Genug -- genug -- -- (Er be- Klytämestra: Die kommen! Zweifle nicht! Und diese Aegisth (fucht sie liebevoll zu umschlingen und mit Klytämestra (stößt ihn fort): Elender! Mir aus den Aegisth (schäumend): Ha -- du -- du Mörderin -- -- [irrelevantes Material]
Allgemeine Zeitung 20. Juni 1920 [Spaltenumbruch]
Klytämeſtra: Hör’ auf! Jch kann’s nicht ertragen! Aegiſth: Wer iſt ſo rafend, Agamemnon anzugreifen! Klytämeſtra (mit einem Blick, daß er unwillkürlich Aegiſth: Jch —? Wann —? Jch — — Klytämeſtra: Als er zurückkam, der bejubelte Sieger Aegiſth: Wie durft’ ich ihm vor Augen kommen! Klytämeſtra: Warum denn nicht! — Doch dir ſchlot- Aegiſth: Wie könnte ich jetzt, jetzt, wo wir uns lieben, Klytämeſtra: Geh! — Mir ekelt. — — Jhn konnte Aegiſth (tückiſch): Wenn du ihn ſo bewunderſt, warum Klytämeſtra (wild): Wer ſpricht von Mord! Aegiſth (weicht entſetzt zurück). Klytämeſtra: Hier ſteh’ ich im Angeſicht des Him- Aegiſth: Er —? Klytämeſtra: Denk’ an Aulis! Wo er die eigene Aegiſth (in abergläubiſcher Angſt): Halt ein! Halt ein! Klytämeſtra: Euch grüß’ ich, ihr Götter, ihr würd’gen Aegiſth (ſchaudernd): Entſetzliche! Was tuſt du! Klytämeſtra: Um ein verworfenes Weib zog er fort. Aegiſth: Laß das. Haben wir doch Liebe und Herr- Klytämeſtra (ohne auf ihn zu achten): Und deshaid Aegiſth (nach einer Pauſe leichthin): Nun — laß die Klytämeſtra (dumpf): Uns freuen — uns freuen — Aegiſth: Doch dem Sieger gebührt auch der Lohn. Klytämeſtra: Geſühnt — — mit Strömen von Blut. Aegiſth: Was man getan, verlangt ſeinen Lohn. Klytämeſtra: Lohn? Lohn? — Den deinen haſt du Aegiſth: Ich —? [Spaltenumbruch]Klytämeſtra: Des Königs Gemahlin — Aegiſth: Ich hätte genommen? Mich dünkt, es ward Klytämeſtra: Als ich im Schmerze verzweifelte, wer Aegiſth (bezwingt ſich): Doch — — das Reich —? Klytämeſtra (aufſchauend): Das Reich —? Aegiſth: Der König iſt tot. — Wer wird die Krone Klytämeſtra: Die Krone? Das Reich? — Was willſt Aegiſth: Einer muß ſein, das Land zu beherrſchen. Klytämeſtra (in ſteigender Bewegung): Du — du Aegiſth: So laß uns deſſen genießen: der neue König Klytämeſtra: Du raſeſt! Aegiſth (überraſcht): War denn nicht das unſer Ziel: Klytämeſtra (knickt vernichtet zuſammen): Götter! Aegiſth (ſtaunend): Was iſt dir? — — So ſprich doch! Klytämeſtra: — Und ich träumte von heiliger Rache Aegiſth: Was gibt es Herrlicheres als ſchrankenloſe Klytämeſtra: Schweig ſtille! Aegiſth: Der Morgen graut. Zeit wird’s, den Thron Klytämeſtra (düſter und hart): Doch du vergißt, Aegiſth (raſch): Er ſtirbt! Klytämeſtra (bedeutend): Er lebt — — und herrſcht! Aegiſth: Doch wir — — ich —? Klytämeſtra (drohend): Laß dir genügen an deines Aegiſth (knirſchend): Er König — — — und ich —? Klytämeſtra: Wähnſt du, du könnteſt dies Volk be- Aegiſth (trotzig): Mit Gewalt — Klytämeſtra (lacht): Ja, kämpfen ſollteſt du — mit Aegiſth (verärgert): Das wäre ſicherer Tod. Da gibt Klytämeſtra (ſchneidend): Da haſt du wohl recht! Aegiſth (mühſam): Genug — genug — — (Er be- Klytämeſtra: Die kommen! Zweifle nicht! Und dieſe Aegiſth (fucht ſie liebevoll zu umſchlingen und mit Klytämeſtra (ſtößt ihn fort): Elender! Mir aus den Aegiſth (ſchäumend): Ha — du — du Mörderin — — [irrelevantes Material]
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Allgemeine Zeitung 20. Juni 1920
Klytämeſtra: Hör’ auf! Jch kann’s nicht ertragen!
— — Wie Schatten der Nacht kriechen wir an, tückifch und
feige vom Rücken. O Schande! Schande!
Aegiſth: Wer iſt ſo rafend, Agamemnon anzugreifen!
— Komm! —
Klytämeſtra (mit einem Blick, daß er unwillkürlich
zurückweicht): Doch du — wo warſt du? Wo?
Aegiſth: Jch —? Wann —? Jch — —
Klytämeſtra: Als er zurückkam, der bejubelte Sieger
von Troja.
Aegiſth: Wie durft’ ich ihm vor Augen kommen!
Klytämeſtra: Warum denn nicht! — Doch dir ſchlot-
terte bei der unerhörten Nachricht das Gebein und bleich vor
Angſt verkrochſt du dich im tiefften Keller.
Aegiſth: Wie könnte ich jetzt, jetzt, wo wir uns lieben,
leichtſinnig das Leben verſpielen! — Klytämeſtra! — Ge-
liebte! —
Klytämeſtra: Geh! — Mir ekelt. — — Jhn konnte
ich lieben — bis zur Raſerei — — und haſſen — — und
töten —! Ein Mann, ein Held, ein Gott — — Doch dich’
— — — Und doch lebſt du, und er mußte fallen.
Aegiſth (tückiſch): Wenn du ihn ſo bewunderſt, warum
haſt du ihn dann ermordel?
Klytämeſtra (wild): Wer ſpricht von Mord!
Aegiſth (weicht entſetzt zurück).
Klytämeſtra: Hier ſteh’ ich im Angeſicht des Him-
mels und ſein ſilbernes Auge verbirgt ſich nicht vor mir!
Denn rein und heilig iſt Rache für Blutſchuld!
Aegiſth: Er —?
Klytämeſtra: Denk’ an Aulis! Wo er die eigene
Tochter am Altare geſchlachtet! Mein Kind, meine Tochter
den mördertſchen Göttern! — Fluch euch, Fluch! Fluch euch,
vorruchtes, frevelndes Geſchlecht, die nur Verbrechen auf
Verbrechen häufen und ſich am fauligen Blute Erſchlagener
loben! Fluch euch! — — Ach — — (Sie ſinkt erſchöpft nieder.)
Aegiſth (in abergläubiſcher Angſt): Halt ein! Halt ein!
Klytämeſtra: Euch grüß’ ich, ihr Götter, ihr würd’gen
Genoſſen! Reichlich bracht’ ich euch heut’ das ungewöhnliche
Opfer und würdig reich’ ich euch allen die Hände! Denn in
eurem Hauſe herrſcht ihr ja auch auf Thronen erſchlagener
Väter und euch labend in ihrem Blute!
Aegiſth (ſchaudernd): Entſetzliche! Was tuſt du!
Klytämeſtra: Um ein verworfenes Weib zog er fort.
Was iſt denn jene Helena? Was ihm? Schön ſei ſie — —
bin ich’s nicht auch! — Doch als vor Zeiten mich Räuber ent-
führten, ſtand keiner zum Schutze auf. Mit dieſen Händen
entriß ich dem nächſten das Schwert und erſchlug ſie. Der
Vater aber entſetzte ſich vor der Tochter blutigen Händen. —
Doch jene Dirne holt ganz Griechenland ſich im Triumph
zurück und jauchzt und freut ſich des eklen Gewinnes!
Aegiſth: Laß das. Haben wir doch Liebe und Herr-
ſchaft dadurch gewonnen.
Klytämeſtra (ohne auf ihn zu achten): Und deshaid
morden ſie mir mein Kind dem dunklen Wahne an gerechte
Götter! — — Mein Kind! O mein Kind, mein Kind! — —
(Sie ſinkt in verzweifeltem Schmerze zuſammen.)
Aegiſth (nach einer Pauſe leichthin): Nun — laß die
Toten — ſie und ihn dort. — — Jetzt ſind wir gerächt, unſer
iſt die Macht, wir triumphieren und wollen uns freuen!
Klytämeſtra (dumpf): Uns freuen — uns freuen —
Aegiſth: Doch dem Sieger gebührt auch der Lohn.
Klytämeſtra: Geſühnt — — mit Strömen von Blut.
— Was noch mehr?
Aegiſth: Was man getan, verlangt ſeinen Lohn.
Klytämeſtra: Lohn? Lohn? — Den deinen haſt du
dahin, für etwas, das du nicht tateſt.
Aegiſth: Ich —?
Klytämeſtra: Des Königs Gemahlin —
Aegiſth: Ich hätte genommen? Mich dünkt, es ward
mir geſchenkt!
Klytämeſtra: Als ich im Schmerze verzweifelte, wer
kam mich umſchmeicheln, wer entfernte die anderen, wer trieb
mich zum Ehebruch — zur Tat? — Geſchenkt? — Gleichviel,
es gilt!
Aegiſth (bezwingt ſich): Doch — — das Reich —?
Klytämeſtra (aufſchauend): Das Reich —?
Aegiſth: Der König iſt tot. — Wer wird die Krone
erben?
Klytämeſtra: Die Krone? Das Reich? — Was willſt
du von ihnen?
Aegiſth: Einer muß ſein, das Land zu beherrſchen.
Am nächſten zum Throne ſtehſt du, und durch dich — als
dein Gemahl — doch ich.
Klytämeſtra (in ſteigender Bewegung): Du — du
— als mein Gemahl? —
Aegiſth: So laß uns deſſen genießen: der neue König
und ſeine geliebte Gemahlin.
Klytämeſtra: Du raſeſt!
Aegiſth (überraſcht): War denn nicht das unſer Ziel:
Herrſchaft und Liebe und Genuß!
Klytämeſtra (knickt vernichtet zuſammen): Götter!
— Götter! — Wie furchtbar iſt euer Gericht!
Aegiſth (ſtaunend): Was iſt dir? — — So ſprich doch!
Klytämeſtra: — Und ich träumte von heiliger Rache
— — — und du — — nur das Werkzeug deiner Gier — —
— ach! —
Aegiſth: Was gibt es Herrlicheres als ſchrankenloſe
Macht! Nichts gleicht ihr auf Erden, als das Weib im glü-
henden Arme. Du gabſt mir alles: Liebe, Macht Wonne,
Luſt! — Liebſte! —
Klytämeſtra: Schweig ſtille!
Aegiſth: Der Morgen graut. Zeit wird’s, den Thron
zu beſteigen.
Klytämeſtra (düſter und hart): Doch du vergißt,
daß König Agamemnon noch einen Sohn hat!
Aegiſth (raſch): Er ſtirbt!
Klytämeſtra (bedeutend): Er lebt — — und herrſcht!
Aegiſth: Doch wir — — ich —?
Klytämeſtra (drohend): Laß dir genügen an deines
Königs Bette! Strecke nicht auch nach der Krone deine gierig
zitternden Hände! Du möchteſt ſonſt im Blute ausgleiten!
Aegiſth (knirſchend): Er König — — — und ich —?
— — Geduld! —
Klytämeſtra: Wähnſt du, du könnteſt dies Volk be-
herrſchen, das gegen dich tobt!
Aegiſth (trotzig): Mit Gewalt —
Klytämeſtra (lacht): Ja, kämpfen ſollteſt du — mit
ihm — um das Reich!
Aegiſth (verärgert): Das wäre ſicherer Tod. Da gibt
es — —
Klytämeſtra (ſchneidend): Da haſt du wohl recht!
Eher erwürgte ich dich mit dieſen Händen!
Aegiſth (mühſam): Genug — genug — — (Er be-
zwingt ſich; abbrechend): Laß das. Es kommt wohl noch
Rat und Entſcheidung.
Klytämeſtra: Die kommen! Zweifle nicht! Und dieſe
Nacht gebiert ſie grauenvoll!
Aegiſth (fucht ſie liebevoll zu umſchlingen und mit
ſich fortzuziehen): Nun aber komm! Laß uns noch wonnig
ruhen nach — —
Klytämeſtra (ſtößt ihn fort): Elender! Mir aus den
Augen!
Aegiſth (ſchäumend): Ha — du — du Mörderin — —
Meuchelmörderin —!
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(2023-04-24T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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