Allgemeine Zeitung, Nr. 33, 2. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
jene Richtung welche sie selber einmal eingeschlagen hat, und welche von Nach dem Gesagten wird auch Ihr geehrter Berliner: Correspon- Hannover. * Hannover, 24 Jan.Die Stände find vertagt, aber nur Aachen. [] Aachen, 26 Jan.Wir hatten uns freilich bei der hier vor- [Spaltenumbruch]
jene Richtung welche ſie ſelber einmal eingeſchlagen hat, und welche von Nach dem Geſagten wird auch Ihr geehrter Berliner: Correſpon- Hannover. * Hannover, 24 Jan.Die Stände find vertagt, aber nur Aachen. [☒] Aachen, 26 Jan.Wir hatten uns freilich bei der hier vor- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jVarious" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0012" n="524"/><cb/> jene Richtung welche ſie ſelber einmal eingeſchlagen hat, und welche von<lb/> ſo vielen bloß noch für eine Sackgaſſe gehalten wird. Je mehr man ſich<lb/> überzeugt daß die geträumten unüberwindlichen Hinderniſſe der öſterrei-<lb/> chiſch-deutſchen Zolleinigung eben doch überwindbar, und für muthige<lb/> Männer gar nicht ſo furchtbar ſind wie man ſie dargeſtellt hat, deſto ge-<lb/> wiſſer werden auch jene und ähnliche beſchränkte Anſichten einer friſchern,<lb/> kühnern Auffaſſung weichen, und zuletzt vollſtändig verſchwinden wenn<lb/> man erſt gewahr wird daß es aus der Richtung in welcher man ſich mit<lb/> beſter Abſicht verloren hatte, noch glückliche Auswege auf die breite deutſche<lb/> Bahn zurückgibt, wo das Herz wieder frei ſchlagen darf für das große, das<lb/> geſammte Vaterland, und wo der volitiſche Gedanke des Deutſchen auch<lb/> wieder das „ganze Deutſchland“ mit erneuerter Liebe feſtzuſammenträgt.</p><lb/> <p>Nach dem Geſagten wird auch Ihr geehrter Berliner: Correſpon-<lb/> dent, deſſen Aufſchlüſſe in Nr. 24 der Allg. Ztg. im weſentlichen richtig<lb/> ſeyn mögen, keine weitere beſondere Aufhellung des bisherigen diploma-<lb/> tiſchen Schweigens der öſterreichiſchen Regierung hinſichtlich der Zollfrage<lb/> gegenüber Preußen für nöthig halten. Die gedachte Denkſchrift wird ohne<lb/> Zweifel darüber allen Aufſchluß ertheilen. Wie ſehr Oeſterreich auch<lb/> wünſchen mußte daß Preußen die Zolleinigungsfrage ſofort in vorläufige<lb/> ernſte Berathung nehmen möge, ſo liegt doch auf der Hand daß es ſeine<lb/> definitiven Vorſchläge und bezüglichen Anträge in einer allgemein deut-<lb/> ſchen Angelegenheit auch an alle deutſchen Regierungen, zumal an das<lb/> deutſche Centralorgan richten mußte, wie nunmehr geſchehen iſt; daß es<lb/> ſeine „weitern Eröffnungen“ aber nicht wohl zunächſt an das preußiſche<lb/> Cabinet zu machen hatte. Nachdem Oeſterreich nun das „Wie in der Zoll-<lb/> annäherungsfrage“ auf beſtimmte Weiſe kundgegeben, heißen wir vorläu-<lb/> fig von Preußens Seite die Verſicherung „der Bereitwilligkeit auf alle<lb/> möglichen Vorſchläge einzugehen“ durch jenen Berliner Correſpondenten<lb/> mit Freude willkommen. Wenn derſelbe aber ſagt in Wien ſcheine man plötz-<lb/> lich die Miene anzunehmen als habe Preußen etwas verſäumt, ſo weiß ich<lb/> nicht wer unter dem „man“ gemeint iſt, und Preußen hat jetzt die beſte<lb/> Gelegenheit zu beweiſen daß es auch für die Handelseinigung Deutſchlands<lb/> nie etwas zu verſäumen gewillt war. Ja gewiß dieſe Einigung gebietet<lb/> die Wohlfahrt und das Heil des geſammten Vaterlandes, und trotzdem<lb/> daß Hr. v. Blittersdorf in der Frankfurter O.-P.-A.-Ztg. einem Zoll-<lb/> congreß das Wort geredet, habe ich den Muth hier auszuſprechen daß<lb/> auch nach meiner Ueberzeugung für die Zukunft Deutſchlands im gegen-<lb/> wärtigen Augenblick, und wie die Verhältniſſe ſtehen, nichts von höherem<lb/> Belange iſt als die bald thunlichſte Berufung einer Zollconferenz aus<lb/> Bevollmächtigten deutſcher Staaten zur Regelung der deutſchen Zoll- und<lb/> Handelsfrage.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Hannover.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Hannover,</hi> 24 Jan.</dateline><lb/> <p>Die Stände find vertagt, aber nur<lb/> vertagt bis zum 28 Febr., während welcher Zeit die Ausſchüſſe<lb/> in Hannover bleiben; die Zahl der Commiſſionen und Commiſſions-<lb/> mitglieder, wie man hier zur Zeit noch für Ausſchüſſe ſagt, iſt ſo<lb/> groß wie ſie noch niemals war, es find nicht weniger als 15 gemeinſame<lb/> Commiſſionen beſtellt, in welche aus beiden Kammern 132 Mitglieder ge-<lb/> wählt find. Da indeß verſchiedene Perſönlichkeiten in verſchiedene Com-<lb/> miſſionen mehrfach gewählt find, ſo iſt die Zahl der hier zurückgebliebe-<lb/> nen Ständemitglieder doch nicht ſo groß als die Zahl der Commiſſions-<lb/> wahlen. Es bleiben aus zweiter Kammer nur 54, aus erſter, wo die Ar-<lb/> beitskräfte ſpärlicher zugemeſſen und dieſelbe Perſon häufig in drei ver-<lb/> ſchiedene Ausſchüſſe gewählt wurde, 34 Mitglieder hier. Niemals wa-<lb/> ren aber auch eine ſo große Menge und ſo wichtige Geſetzentwürfe einer<lb/> Ständeverſammlung auferlegt. Sie können aus den Namen der ver-<lb/> ſchiedenen Ausſchüſſe ſchon auf die Bedeutſamkeit ſchließen. Außer dem<lb/> Finanzausſchuſſe der ein zweijähriges Budget zu prüfen hat, find die wich-<lb/> tigſten Commiſſionen die welche ſich mit der projectirten neuen Organi-<lb/> ſation der Verwaltung und der Gerichtsverfaſſung beſchäftigen, jede aus<lb/> 14 Perſonen beſtehend. Damit in Verbindung ſteht ein Ausſchuß von<lb/> 10 Perſonen für das Staatsdienergeſetz, eine kleine Commiſſion wegen<lb/> Einführung kurzer Verjährungsfriſten, eine Commiſſion wegen des Jagd-<lb/> geſetzes. An die Finanzcommiſſion ſchließt ſich eine ſolche wegen des<lb/> Landesrechnungsweſens, der die Belege der Vorjahre vorgelegt werden,<lb/> um zu prüfen ob in Gemäßheit der Bewilligungen ausgegeben iſt, wor-<lb/> über außerdem das Schatzcollegium wacht. Auch die Eiſenbahncommiſ-<lb/> ſion von 10 Mitgliedern möchte hierhin zu rechnen ſeyn; ebenſo die Com-<lb/> miſſion das Officierpenſionsweſen betreffend. Ein Entwurf zu einem<lb/> Chauſſeegeſetz und einer Wegeordnung iſt einer beſondern Commiſſion<lb/> überwieſen. 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An Stoff fehlt<lb/> es den Ausſchüſſen nicht, höchſtens bis jetzt noch der Eiſenbahncommiſſion,<lb/> da die Verhandlungen mit Preußen, Braunſchweig und Kurheſſen wegen<lb/> der Richtung, Anſchließung ꝛc. der Weſt- und Südbahn noch immer nicht<lb/> zu einem ſolchen Ziele geführt ſind daß die Regierung Vorlagen an die<lb/> Stände hätte gelangen laſſen können. Kurheſſen verlangt daß Hannover<lb/> den Bau von der Gränze bis Kaſſel auf eigene Rechnung übernehme, und hat<lb/> verſchiedene Projecte mit der Karlshafenerbahn im Hintergrunde. Braun-<lb/> ſchweig verlangt den Bau der Südbahn auf einem weiten Umwege über<lb/> Gandersheim und häuft im Leinethale Schwierigkeiten auf Schwierigkei-<lb/> ten. Preußen will jetzt weder den Anſchluß der Weſtbahn bei Büete,<lb/> noch zeigt es ſonſt die frühere Geneigtheit die Verbindung mit Oſtfries-<lb/> land einzugehen. Ich habe noch eine Commiſſion von 10 Mitgliedern<lb/> oben vergeſſen, die wegen des Landſchatzes im Calenbergiſchen und Hil-<lb/> desheimiſchen und der ſuspendirten Gefälle in Oſtfriesland. Der Aus-<lb/> ſchuß wurde wegen des Viehſatzes auf Finkenwärder, der durch ein Ver-<lb/> ſehen nicht aufgehoben worden, nöthig, und die Commiſſion wird ſich<lb/> außer mit dieſem praktiſchen aber nicht ſehr wichtigen Punkte mit hiſtori-<lb/> ſchen Unterſuchungen über die ſteuerrechtliche Natur des Landſatzes zu be-<lb/> ſchäftigen haben, die vorausſichtlich zu keinem Reſultate führen. Wich-<lb/> tiger wäre es wenn ſie in Beziehung auf die ſuspendirten Gefälle in Oſt-<lb/> friesland den Antrag ſtellte daß Stände die Regierung erſuchten ein frü-<lb/> heres Unrecht gut zu machen und den Rechtsweg in dieſer Beziehung wel-<lb/> cher abgeſchnitten war, zu eröffnen. Eine andere Frage iſt aber ob den<lb/> Oſtfrieſen damit ſo viel geholfen wäre als ſie zu glauben geneigt ſind.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Aachen.</hi> </head><lb/> <dateline><supplied>☒</supplied><hi rendition="#b">Aachen,</hi> 26 Jan.</dateline><lb/> <p>Wir hatten uns freilich bei der hier vor-<lb/> herrſchenden Lauheit und politiſchen Apathie nur ſchwacher Betheiligung<lb/> an den Wahlen für das Erfurter Parlament verſehen, allein auf ein ſo<lb/> klägliches Reſultat wie dieſe Wahlen hier ergeben, waren wir trotz alle-<lb/> dem nicht gefaßt. In vielen Wahlbezirken hatte ſich kaum der vierzigſte<lb/> Theil der Wähler geſtellt, in jenen wo die Theilnahme ſich noch am<lb/> ſtärkſten zeigte, mochte höchſtens der zwanzigſte Theil ſich eingefunden<lb/> haben! Mit einem Wort, die Geſammtzahl der Wähler zählte kaum das<lb/> Doppelte der zu wählenden Wahlmänner, und der Name einer <hi rendition="#g">Mino-<lb/> ritätswahl</hi> iſt wahrlich noch viel zu gut für dieſe Wahlpoſſe, bei der<lb/> die Wähler ſich großentheils ſelbſt als die würdigſten wählten. Iſt dieß<lb/> Ergebniß auch ein ſehr natürliches, wo die Wahl inmitten einer Kriſts<lb/> fiel welche die preußiſche Verfaſſungsentwicklung ganz in Frage ſtellt, ſo<lb/> iſt doch ein Rückblick auf die Haltung lohnend welche die Parteien ſelbſt in<lb/> unſerer politiſch ſo indifferenten Stadt jenen Wahlen gegenüber einge-<lb/> nommen. Aus welchen Elementen beſtand die winzige Zahl von Wahl-<lb/> berechtigten, die es der Mühe noch werth gefunden zu dieſer Danaiden-<lb/> arbeit die Hand zu reichen? Es waren theils Beamte die pflichtſchuldigſt<lb/> dem Winke ihrer Vorgeſetzten gehorchen, theils glaubensfeſte nie verza-<lb/> gende Gemüther die ſich an dieſem letzten Strohhalme deutſcher Einheit<lb/> feſtklammern, und im Verſinken noch ein dankbares Herz für den übrig<lb/> haben der ſie um alle ihre Hoffnungen betrogen. Wir beneiden dieſe<lb/> gläubigen Seelen um ihren naiven Kinderglauben — würden wir nur<lb/> nicht ſo raſch in die rauhe Wirklichkeit zurückgeſchleudert, die jedwede<lb/> Illuſion uns nimmt. Die katholiſche großdeutſche Partei hatte einen<lb/> Aufruf zur Theilnahme an der Wahl etlaſſen, der ſicher unterblieben<lb/> wäre, hätte ſie geahnt daß überhaupt ſo wenige Theilnahme ſich zeigen<lb/> würde. Aus der Betheiligung an den Wahlen, meinte ſie, folge nicht im<lb/> mindeſten eine Anerkennung des kleindeutſchen Bundes, im Gegentheil<lb/> war ſie der Anſicht daß ſie nur auf dem Wege der Betheiligung ihrem<lb/> Widerſpruch und Ankämpfen wider den preußiſchen Separathund Aus-<lb/> druck und Geltung geben könne. Sie berief ſich dabei auf die Mahnung<lb/> des Biſchofs von Münſter, der mit Rückſicht auf dieſe Wahlen ſich dahin<lb/> ausgeſprochen, wie es von größter Wichtigkeit ſey „daß die Katholiken<lb/> überall, wo getagt werde, ihre Sprecher, die katholiſche Wahrheit ihre<lb/> Vertheidiger, das katholiſche Recht ſeine Vertreter habe. Die katholiſche<lb/> Wahrheit müſſe die Welt retten, deßhalb müſſe ſie aber auch überall ihre<lb/> Vertreter haben.“ Der Aufruf dieſer Partei verhallte aber ohne ein Echo<lb/> zu finden, denn nur ein kleines Häuflein ſtellte ſich ein. Unſere Demo-<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [524/0012]
jene Richtung welche ſie ſelber einmal eingeſchlagen hat, und welche von
ſo vielen bloß noch für eine Sackgaſſe gehalten wird. Je mehr man ſich
überzeugt daß die geträumten unüberwindlichen Hinderniſſe der öſterrei-
chiſch-deutſchen Zolleinigung eben doch überwindbar, und für muthige
Männer gar nicht ſo furchtbar ſind wie man ſie dargeſtellt hat, deſto ge-
wiſſer werden auch jene und ähnliche beſchränkte Anſichten einer friſchern,
kühnern Auffaſſung weichen, und zuletzt vollſtändig verſchwinden wenn
man erſt gewahr wird daß es aus der Richtung in welcher man ſich mit
beſter Abſicht verloren hatte, noch glückliche Auswege auf die breite deutſche
Bahn zurückgibt, wo das Herz wieder frei ſchlagen darf für das große, das
geſammte Vaterland, und wo der volitiſche Gedanke des Deutſchen auch
wieder das „ganze Deutſchland“ mit erneuerter Liebe feſtzuſammenträgt.
Nach dem Geſagten wird auch Ihr geehrter Berliner: Correſpon-
dent, deſſen Aufſchlüſſe in Nr. 24 der Allg. Ztg. im weſentlichen richtig
ſeyn mögen, keine weitere beſondere Aufhellung des bisherigen diploma-
tiſchen Schweigens der öſterreichiſchen Regierung hinſichtlich der Zollfrage
gegenüber Preußen für nöthig halten. Die gedachte Denkſchrift wird ohne
Zweifel darüber allen Aufſchluß ertheilen. Wie ſehr Oeſterreich auch
wünſchen mußte daß Preußen die Zolleinigungsfrage ſofort in vorläufige
ernſte Berathung nehmen möge, ſo liegt doch auf der Hand daß es ſeine
definitiven Vorſchläge und bezüglichen Anträge in einer allgemein deut-
ſchen Angelegenheit auch an alle deutſchen Regierungen, zumal an das
deutſche Centralorgan richten mußte, wie nunmehr geſchehen iſt; daß es
ſeine „weitern Eröffnungen“ aber nicht wohl zunächſt an das preußiſche
Cabinet zu machen hatte. Nachdem Oeſterreich nun das „Wie in der Zoll-
annäherungsfrage“ auf beſtimmte Weiſe kundgegeben, heißen wir vorläu-
fig von Preußens Seite die Verſicherung „der Bereitwilligkeit auf alle
möglichen Vorſchläge einzugehen“ durch jenen Berliner Correſpondenten
mit Freude willkommen. Wenn derſelbe aber ſagt in Wien ſcheine man plötz-
lich die Miene anzunehmen als habe Preußen etwas verſäumt, ſo weiß ich
nicht wer unter dem „man“ gemeint iſt, und Preußen hat jetzt die beſte
Gelegenheit zu beweiſen daß es auch für die Handelseinigung Deutſchlands
nie etwas zu verſäumen gewillt war. Ja gewiß dieſe Einigung gebietet
die Wohlfahrt und das Heil des geſammten Vaterlandes, und trotzdem
daß Hr. v. Blittersdorf in der Frankfurter O.-P.-A.-Ztg. einem Zoll-
congreß das Wort geredet, habe ich den Muth hier auszuſprechen daß
auch nach meiner Ueberzeugung für die Zukunft Deutſchlands im gegen-
wärtigen Augenblick, und wie die Verhältniſſe ſtehen, nichts von höherem
Belange iſt als die bald thunlichſte Berufung einer Zollconferenz aus
Bevollmächtigten deutſcher Staaten zur Regelung der deutſchen Zoll- und
Handelsfrage.
Hannover.
* Hannover, 24 Jan.
Die Stände find vertagt, aber nur
vertagt bis zum 28 Febr., während welcher Zeit die Ausſchüſſe
in Hannover bleiben; die Zahl der Commiſſionen und Commiſſions-
mitglieder, wie man hier zur Zeit noch für Ausſchüſſe ſagt, iſt ſo
groß wie ſie noch niemals war, es find nicht weniger als 15 gemeinſame
Commiſſionen beſtellt, in welche aus beiden Kammern 132 Mitglieder ge-
wählt find. Da indeß verſchiedene Perſönlichkeiten in verſchiedene Com-
miſſionen mehrfach gewählt find, ſo iſt die Zahl der hier zurückgebliebe-
nen Ständemitglieder doch nicht ſo groß als die Zahl der Commiſſions-
wahlen. Es bleiben aus zweiter Kammer nur 54, aus erſter, wo die Ar-
beitskräfte ſpärlicher zugemeſſen und dieſelbe Perſon häufig in drei ver-
ſchiedene Ausſchüſſe gewählt wurde, 34 Mitglieder hier. Niemals wa-
ren aber auch eine ſo große Menge und ſo wichtige Geſetzentwürfe einer
Ständeverſammlung auferlegt. Sie können aus den Namen der ver-
ſchiedenen Ausſchüſſe ſchon auf die Bedeutſamkeit ſchließen. Außer dem
Finanzausſchuſſe der ein zweijähriges Budget zu prüfen hat, find die wich-
tigſten Commiſſionen die welche ſich mit der projectirten neuen Organi-
ſation der Verwaltung und der Gerichtsverfaſſung beſchäftigen, jede aus
14 Perſonen beſtehend. Damit in Verbindung ſteht ein Ausſchuß von
10 Perſonen für das Staatsdienergeſetz, eine kleine Commiſſion wegen
Einführung kurzer Verjährungsfriſten, eine Commiſſion wegen des Jagd-
geſetzes. An die Finanzcommiſſion ſchließt ſich eine ſolche wegen des
Landesrechnungsweſens, der die Belege der Vorjahre vorgelegt werden,
um zu prüfen ob in Gemäßheit der Bewilligungen ausgegeben iſt, wor-
über außerdem das Schatzcollegium wacht. Auch die Eiſenbahncommiſ-
ſion von 10 Mitgliedern möchte hierhin zu rechnen ſeyn; ebenſo die Com-
miſſion das Officierpenſionsweſen betreffend. Ein Entwurf zu einem
Chauſſeegeſetz und einer Wegeordnung iſt einer beſondern Commiſſion
überwieſen. Ein Ausſchuß von 10 Perſonen prüft den Geſetzentwurf
der Ablöſung der Zwangs- und Bannrechte, ein ſolcher von 6 Perſonen
führt den allgemeineren Namen für Handel, Schifffahrt und Gewerbe,
obgleich demſelben nur einzelne beſtimmte Sachen, der Freihafen zu Har-
burg und die Reviſion der Poſteinrichtungen zugewieſen ſind. Der für
unſere Marſch- und Küſtengegend ſo wichtige Waſſerbau ſoll gleichfalls
neu organiſirt werden, auch dafür iſt eine beſondere Commiſſion erwählt.
Endlich find die Grundzüge zur Regelung des Volksſchulweſens und ver-
ſchiedene kirchliche Angelegenheiten einem Zehner-Ausſchuſſe überwieſen,
wobei der Erwähnung verdient daß jetzt, nachdem die Stände die Koſten
für die Zuſammenberufung einer Synode vorſchußweiſe bewilligt haben,
dieſe wohl nach Oſtern zuſammenberufen werden möchte. An Stoff fehlt
es den Ausſchüſſen nicht, höchſtens bis jetzt noch der Eiſenbahncommiſſion,
da die Verhandlungen mit Preußen, Braunſchweig und Kurheſſen wegen
der Richtung, Anſchließung ꝛc. der Weſt- und Südbahn noch immer nicht
zu einem ſolchen Ziele geführt ſind daß die Regierung Vorlagen an die
Stände hätte gelangen laſſen können. Kurheſſen verlangt daß Hannover
den Bau von der Gränze bis Kaſſel auf eigene Rechnung übernehme, und hat
verſchiedene Projecte mit der Karlshafenerbahn im Hintergrunde. Braun-
ſchweig verlangt den Bau der Südbahn auf einem weiten Umwege über
Gandersheim und häuft im Leinethale Schwierigkeiten auf Schwierigkei-
ten. Preußen will jetzt weder den Anſchluß der Weſtbahn bei Büete,
noch zeigt es ſonſt die frühere Geneigtheit die Verbindung mit Oſtfries-
land einzugehen. Ich habe noch eine Commiſſion von 10 Mitgliedern
oben vergeſſen, die wegen des Landſchatzes im Calenbergiſchen und Hil-
desheimiſchen und der ſuspendirten Gefälle in Oſtfriesland. Der Aus-
ſchuß wurde wegen des Viehſatzes auf Finkenwärder, der durch ein Ver-
ſehen nicht aufgehoben worden, nöthig, und die Commiſſion wird ſich
außer mit dieſem praktiſchen aber nicht ſehr wichtigen Punkte mit hiſtori-
ſchen Unterſuchungen über die ſteuerrechtliche Natur des Landſatzes zu be-
ſchäftigen haben, die vorausſichtlich zu keinem Reſultate führen. Wich-
tiger wäre es wenn ſie in Beziehung auf die ſuspendirten Gefälle in Oſt-
friesland den Antrag ſtellte daß Stände die Regierung erſuchten ein frü-
heres Unrecht gut zu machen und den Rechtsweg in dieſer Beziehung wel-
cher abgeſchnitten war, zu eröffnen. Eine andere Frage iſt aber ob den
Oſtfrieſen damit ſo viel geholfen wäre als ſie zu glauben geneigt ſind.
Aachen.
☒ Aachen, 26 Jan.
Wir hatten uns freilich bei der hier vor-
herrſchenden Lauheit und politiſchen Apathie nur ſchwacher Betheiligung
an den Wahlen für das Erfurter Parlament verſehen, allein auf ein ſo
klägliches Reſultat wie dieſe Wahlen hier ergeben, waren wir trotz alle-
dem nicht gefaßt. In vielen Wahlbezirken hatte ſich kaum der vierzigſte
Theil der Wähler geſtellt, in jenen wo die Theilnahme ſich noch am
ſtärkſten zeigte, mochte höchſtens der zwanzigſte Theil ſich eingefunden
haben! Mit einem Wort, die Geſammtzahl der Wähler zählte kaum das
Doppelte der zu wählenden Wahlmänner, und der Name einer Mino-
ritätswahl iſt wahrlich noch viel zu gut für dieſe Wahlpoſſe, bei der
die Wähler ſich großentheils ſelbſt als die würdigſten wählten. Iſt dieß
Ergebniß auch ein ſehr natürliches, wo die Wahl inmitten einer Kriſts
fiel welche die preußiſche Verfaſſungsentwicklung ganz in Frage ſtellt, ſo
iſt doch ein Rückblick auf die Haltung lohnend welche die Parteien ſelbſt in
unſerer politiſch ſo indifferenten Stadt jenen Wahlen gegenüber einge-
nommen. Aus welchen Elementen beſtand die winzige Zahl von Wahl-
berechtigten, die es der Mühe noch werth gefunden zu dieſer Danaiden-
arbeit die Hand zu reichen? Es waren theils Beamte die pflichtſchuldigſt
dem Winke ihrer Vorgeſetzten gehorchen, theils glaubensfeſte nie verza-
gende Gemüther die ſich an dieſem letzten Strohhalme deutſcher Einheit
feſtklammern, und im Verſinken noch ein dankbares Herz für den übrig
haben der ſie um alle ihre Hoffnungen betrogen. Wir beneiden dieſe
gläubigen Seelen um ihren naiven Kinderglauben — würden wir nur
nicht ſo raſch in die rauhe Wirklichkeit zurückgeſchleudert, die jedwede
Illuſion uns nimmt. Die katholiſche großdeutſche Partei hatte einen
Aufruf zur Theilnahme an der Wahl etlaſſen, der ſicher unterblieben
wäre, hätte ſie geahnt daß überhaupt ſo wenige Theilnahme ſich zeigen
würde. Aus der Betheiligung an den Wahlen, meinte ſie, folge nicht im
mindeſten eine Anerkennung des kleindeutſchen Bundes, im Gegentheil
war ſie der Anſicht daß ſie nur auf dem Wege der Betheiligung ihrem
Widerſpruch und Ankämpfen wider den preußiſchen Separathund Aus-
druck und Geltung geben könne. Sie berief ſich dabei auf die Mahnung
des Biſchofs von Münſter, der mit Rückſicht auf dieſe Wahlen ſich dahin
ausgeſprochen, wie es von größter Wichtigkeit ſey „daß die Katholiken
überall, wo getagt werde, ihre Sprecher, die katholiſche Wahrheit ihre
Vertheidiger, das katholiſche Recht ſeine Vertreter habe. Die katholiſche
Wahrheit müſſe die Welt retten, deßhalb müſſe ſie aber auch überall ihre
Vertreter haben.“ Der Aufruf dieſer Partei verhallte aber ohne ein Echo
zu finden, denn nur ein kleines Häuflein ſtellte ſich ein. Unſere Demo-
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(2021-08-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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