Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 3. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
den mit der Genauigkeit eines Chronisten und der Unparteilichkeit eines Belgien. Brüssel, 26 Jan. Nachdem die Regierung sich glücklich aus Niederland. Amsterdam, 24 Jan. Der Zusammentritt der Generalstaa- Schweiz. Wallis. Der Courrier vom 23 Jan. bringt Details über eine Neuestes. München, 2 Febr. Heute Morgen ist uns die folgende tele- Diese Wiener Depesche zeigt daß England den Schleier fallen läßt [Spaltenumbruch]
den mit der Genauigkeit eines Chroniſten und der Unparteilichkeit eines Belgien. ✡ Brüſſel, 26 Jan. Nachdem die Regierung ſich glücklich aus Niederland. ⏝ Amſterdam, 24 Jan. Der Zuſammentritt der Generalſtaa- Schweiz. Wallis. Der Courrier vom 23 Jan. bringt Details über eine Neueſtes. München, 2 Febr. Heute Morgen iſt uns die folgende tele- Dieſe Wiener Depeſche zeigt daß England den Schleier fallen läßt <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="535"/><cb/> den mit der Genauigkeit eines Chroniſten und der Unparteilichkeit eines<lb/> Unbetheiligten bei der Aufzählung ſeiner Verdienſte um den Staat gel-<lb/> tend gemacht — doch ſtets vergebens, weil das Gutachten ſeines unmittel-<lb/> baren Vorgeſetzten ihm nie günſtig war. Vor einiger Zeit erhält der<lb/> unglückliche Bewerber ein anonymes Schreiben in ſeinem Amte, das ihn<lb/> veranlaßt ſofort nach Hauſe zu gehen. Hier findet er zu ſeiner Ueber-<lb/> raſchung das Schlafgemach ſeiner Frau verſchloſſen, und nachdem er es<lb/> in ſeiner Ungeduld erbrochen, ſeinen ihm feindſeligen Vorgeſetzten in Ge-<lb/> ſellſchaft mit ſeiner Ehehälfte. In der Vorausſetzung er habe eine „ſtraf-<lb/> bare Unterhaltung“ unterbrochen, donnerte er ſeinem Verfolger die Worte<lb/> zu: „Herr, Sie ſind mir Genugthuung ſchuldig.“ „Ich bin zu Ihrer<lb/> Verfügung, und ich geſtehe Ihnen das Recht der Waffenwahl zu.“ „So<lb/> war die Genugthuung die ich fordere nicht gemeint. Seit drei Jahren<lb/> verlange ich den Orden der Ehrenlegion, und immer waren es Ihre In-<lb/> triguen an welchen mein Verlangen ſcheiterte; Sie müſſen nun mir den-<lb/> ſelben verſchaffen, dieſe Genugthuung ſind Sie mir ſchuldig.“ Sie ſollen<lb/> ſie haben, erwiederte der doppelt Ueberraſchte, und war froh ſo wohl-<lb/> feilen Kaufs davon zu kommen. Acht Tage darauf meldete der Moniteur<lb/> daß der Held dieſer Anekdote, Hr. B ....., zum Ritter der Ehrenlegion<lb/> ernannt werde, ohne daß jedoch unter den Motiven der Großmuth und<lb/> Achtung erwähnt worden womit derſelbe ſeinen Vorgeſetzten behan-<lb/> delt hat.</p> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Belgien.</hi> </head> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>✡ <hi rendition="#b">Brüſſel,</hi> 26 Jan.</dateline> <p>Nachdem die Regierung ſich glücklich aus<lb/> der Debatte über das <hi rendition="#g">Kriegsbudget</hi> (26,792,000 Fr.) gewunden, und<lb/> 61 beifällige Stimmen bei 33 negativen und 5 neutralen zu ihren Gun-<lb/> ſten gefallen waren, entſpann ſich alsbald ein anderer Kampf, der — nach<lb/> fünf Sitzungen — bis zur Stunde noch nicht erſchöpft iſt. Es handelt ſich<lb/> um ein Geſetz, betreffend die einjährige Verlängerung der bisherigen pro-<lb/> viſoriſchen <hi rendition="#g">Getreidezollordnung,</hi> die im December im Drange der Ge-<lb/> ſchäfte auf einen Monat noch hinausgeſchoben worden war. Die Protectioni-<lb/> ſten und die Freihändler ſind wieder hart an einander gerathen. Erſtere<lb/> betrauern die Wohlfeilheit des Brodes und ſehen darin den Ruin des<lb/> Ackerbaues zu Gunſten der gewerbtreibenden Städte, laſſen aber ganz un-<lb/> beachtet daß der Werth des Grundes ſeit 1830 im Durchſchnitt um 28<lb/> Procent zugenommen, daß der Hectoliter Weizen im J. 1795 noch nicht<lb/> 14 Fr., und im J. 1848 nach einer ſo glücklichen Ernte 18 Fr. gekoſtet;<lb/> daß ferner weit mehr Getreide ausgeführt als eingeführt wird; ſie laſſen<lb/> vielmehr ſtets den Satz hören daß der Ackerbau der Grundpfeiler der<lb/> Wohlfahrt und der öffentlichen Ordnung ſey, daß die mit demſelben ſich<lb/> Abgebenden die beträchtliche Majorität der Landeseinwohner bilden, und<lb/> daß wenn der Ertrag des Grundbefitzes im Sinken begriffen ſey, auch der<lb/> induſtrielle Verkehr darunter leide. Dieſe von vielen Rednern geführte<lb/> Argumentation erſchütterte jedoch die Regierung nicht im mindeſten; und<lb/> weit entfernt dem verſöhnenden Vorſchlag des Centralausſchuſſes beizu-<lb/> treten, der auf <hi rendition="#g">einen</hi> Franken Zoll für 100 Kilogr. lautet, bleibt ſie dem<lb/> ihrigen (½ Fr.) getreu, und iſt ſogar bereit ihn zum definitiven zu erhe-<lb/> ben, was ſie nicht gleich gethan habe weil ſie ihre Anſicht noch durch eine<lb/> längere Erfahrung habe beſtätigt wiſſen wollen, ſowie ſie überhaupt die<lb/> Abſicht hege nur langſam und bedächtig auf dem Wege des Freihandels<lb/> fortzuſchreiten, wie ſie es in ihrem Antrittsprogramm angedeutet habe.<lb/> Dem Vorwurfe daß der Bauer vom auswärtigen Kornhandel erdrückt<lb/> werde, ſetzte Hr. Rogier die Bemerkung entgegen daß, weit entfernt zur<lb/> Arbeitloſigkeit herabgekommen zu ſeyn, ganze Striche der Arme zur Ar-<lb/> beit entglößt ſeyen; Flandern richte ſich von ſeinem Elend wieder auf,<lb/> Dank dem Himmel und deſſen Segen, Dank aber auch dem unermüdlichen<lb/> Streben der Regierung die Landwirthſchaft auf die Bahn des Fortſchrit-<lb/> tes zu bringen, und den Geiſt der ländlichen Bevölkerung vor Verſumpfung<lb/> zu bewahren. Der Miniſter gibt bei dieſer Gelegenheit eine Aufzählung<lb/> alles deſſen was in dieſer Hinſicht von ſeiner Verwaltung geleiſtet worden,<lb/> und fühlt ſich berechtigt, angeſichts der ſchönern Zukunft die dem Landbau<lb/> eröffnet worden, auch den Arbeiter der Städte und den Handel zu berück-<lb/> ſichtigen, und das Syſtem feſtzuhalten das ſogar die öſterreichiſche Ver-<lb/> waltung nicht umzuſtoßen gewagt, das die proviſoriſche Regierung im J.<lb/> 1830 ebenfalls zum ihrigen gemacht, und das erſt die Kammer von 1834<lb/> gegen das Miniſterium (Hr. Rogier ſelbſt war damals Miniſter) durch-<lb/> zuſetzen gewußt habe. Uebrigens wiſſe er aus guter Quelle daß die<lb/> Bauern den geringen Preis der Bodenfrüchte nicht der Geſetzgebung bei-<lb/> meſſen, ſondern einzig und allein der Ergiebigkeit der Ernten. „Wir<lb/> wollen weder die Staatscaſſe bereichern, mag auch das Brod aufſchlagen,<lb/> noch dem Grundbeſitzer zu größerm Ertrage ſeines Capitals verhelfen;<lb/> was wir anſtreben iſt ein wohlfeiles Leben, reger Verkehr im Handel und<lb/> Gewerbe jeder Art; was wir aber andrerſeits auch verhindern wollen, iſt<lb/> daß der Landmann ſein Lebensglück nicht vermindert ſehe. Dazu iſt aber<lb/> gerade das Gegentheil in Ausſicht.“ Dieß iſt ungefähr der Inhalt der<lb/><cb/> mehrſtündigen Rede des Miniſters. Wir hoffen daß ſie bei der Abſtim-<lb/> mung ſich wirkſam erweiſen möge. Ob der Antrag des bekannten Oeko-<lb/> nomiſten De Brouckere, dem Geſetzentwurf einen dauernden Charakter zu<lb/> geben, wozu wie geſagt das Cabinet ſeine Einwilligung gab, durchgehen<lb/> werde, vermag ich noch nicht abzuſehen; zu wünſchen bleibt daß ſich dieſer<lb/> Zuſammenſtoß des Grundeigenthums und des Induſtrialismus nicht<lb/> öfters wiederholen möge, es könnte ein wirklicher Riß dadurch ent-<lb/> ſtehen, der bis jetzt ſich noch nicht fühlbar gemacht hat. Werden aber die<lb/> Freunde des Cabinets auch im Senate die Oberhand gewinnen, wenn es<lb/> ihnen in der zweiten Kammer gelingt? Dieſe Frage erregt ernſtes Be-<lb/> denken.</p> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Niederland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>⏝ <hi rendition="#b">Amſterdam,</hi> 24 Jan.</dateline> <p>Der Zuſammentritt der Generalſtaa-<lb/> ten iſt abermals um vierzehn Tage verſchoben, und wird alſo nicht vor<lb/> Mitte Februars ſtattfinden. Ein Vertrag mit Belgien beſtätigt das<lb/> Reglement über die Unterhaltung und Bezahlung der Gränzſcheiden.<lb/> Miniſter de Kempenaer erhielt eine Penſion von 1797 fl. Der Rein-<lb/> ertrag der oſtindiſchen Ein- und Ausfuhrzölle belief ſich in den drei erſten<lb/> Vierteljahren von 1849 auf 3,810,002 fl. 96 C., alſo 679,394 fl. mehr<lb/> als 1848 und 488,152 fl. 35 C. höher als zur ſelben Zeit vor zwei Jah-<lb/> ren. Die Berichte aus Weſtindien bekunden mehr und mehr die Noth-<lb/> wendigkeit einer ſchleunigen Negeremancipation. Die Sklaven laufen<lb/> ſowohl einzeln als in ganzen Haufen in die Urwälder, und man ſchickt<lb/> vergeblich Patrouillen um ihren Aufenthalt zu erforſchen. Die einige<lb/> Jahre unterbliebene Verlooſung und Heimbezahlung der 3½procentigen<lb/> Amortiſationsſyndicatſcheine iſt zum Betrag von 300,000 fl. für dieſes<lb/> Jahr bereits officiell feſtgeſetzt. Vom Inſtitut ging eine Adreſſe an<lb/> den König ab, worin die Mitglieder erklären daß ſie eine Auflöſung dieſer<lb/> Anſtalt der Verminderung ihrer bereits kärglichen Subſidien vorziehen.</p> </div> </div><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline> <hi rendition="#b">Wallis.</hi> </dateline> <p>Der Courrier vom 23 Jan. bringt Details über eine<lb/> Verſchüttung auf dem Simplon. Den 16 Jan. zwiſchen 1 und 2 Uhr<lb/> Nachmittag reisten bei ſtarkem Schneegeſtöber fünf Perſonen, Abée<lb/> Amacker, zwei Brüder Poſſeti, Kaufleute von Lax, im Bezirk Gumſch,<lb/> und zwei Männer von Saas, vom Hoſpiz ab. Umſtonſt hatten ihnen<lb/> die Mönche das gefährliche Unternehmen abgerathen. Bald waren die<lb/> Reiſenden von wirbelnden Schneewolken eingehüllt und konnten nur<lb/> nach langer Zeit bis zum alten Hoſpiz vordringen. Dort angelangt<lb/> löst ſich ein Schneeſchwall <hi rendition="#aq">(gonſle)</hi> über der benachbarten Höhe ab,<lb/> ſtürmt über die Straße weg und reißt die Wanderer mit ſich über die<lb/> Stützmauer, an deren Fuß er vier von ihnen erdrückt und begräbt. Der<lb/> fünfte, ein Poſſeti, iſt nur mit dem halben Körper eingeſargt, kann<lb/> ſich aber doch den Reſt des Tages, die ganze Nacht und einen Theil des<lb/> nächſten Tages nicht aus ſeiner Lage befreien. So wurde er von den<lb/> Straßenaufſehern gefunden. Man erkannte den Menſchen an ſeinen Klei-<lb/> dern, welche vom Schnee abſtachen; man kam herbei, brachte ihn zu ſich<lb/> ſelbſt und fragte ihn, wo ſeine Gefährten ſeyen. „Zieht mich vorder-<lb/> hand heraus,“ antwortete Poſſeti, „meine Cameraden haben eure Hülfe<lb/> nicht mehr vonnöthen; da unten liegen ſie unter dem Schnee.“ Man<lb/> brachte den Unglücklichen in das nächſte Zufluchtshaus, wird ihn aber<lb/> ſchwerlich retten, da man ihn, ſtatt ſeine Glieder mit Schnee zu reiben,<lb/> gleich in eine ſtark geheizte Stube brachte. (N. Z. Z.)</p> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Neueſtes.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 2 Febr.</dateline> <p>Heute Morgen iſt uns die folgende <hi rendition="#g">tele-<lb/> graphiſche Depeſche</hi> zugekommen aus Wien, 1 Febr. 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Z.)</p><lb/> <p>Dieſe Wiener Depeſche zeigt daß England den Schleier fallen läßt<lb/> Da der Zuſammenſtoß mit Rußland, durch die in Petersburg und Kon-<lb/> ſtantinopel bewieſene Nachgiebigkeit, ſich hinausſchob, und damit die Hoff-<lb/> nung fiel ſich alsbald der Dardanelleneingänge und Aegyptens zu bemäch-<lb/> tigen, ſo führt es einſtweilen gegen das aufblühende Griechenland und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [535/0007]
den mit der Genauigkeit eines Chroniſten und der Unparteilichkeit eines
Unbetheiligten bei der Aufzählung ſeiner Verdienſte um den Staat gel-
tend gemacht — doch ſtets vergebens, weil das Gutachten ſeines unmittel-
baren Vorgeſetzten ihm nie günſtig war. Vor einiger Zeit erhält der
unglückliche Bewerber ein anonymes Schreiben in ſeinem Amte, das ihn
veranlaßt ſofort nach Hauſe zu gehen. Hier findet er zu ſeiner Ueber-
raſchung das Schlafgemach ſeiner Frau verſchloſſen, und nachdem er es
in ſeiner Ungeduld erbrochen, ſeinen ihm feindſeligen Vorgeſetzten in Ge-
ſellſchaft mit ſeiner Ehehälfte. In der Vorausſetzung er habe eine „ſtraf-
bare Unterhaltung“ unterbrochen, donnerte er ſeinem Verfolger die Worte
zu: „Herr, Sie ſind mir Genugthuung ſchuldig.“ „Ich bin zu Ihrer
Verfügung, und ich geſtehe Ihnen das Recht der Waffenwahl zu.“ „So
war die Genugthuung die ich fordere nicht gemeint. Seit drei Jahren
verlange ich den Orden der Ehrenlegion, und immer waren es Ihre In-
triguen an welchen mein Verlangen ſcheiterte; Sie müſſen nun mir den-
ſelben verſchaffen, dieſe Genugthuung ſind Sie mir ſchuldig.“ Sie ſollen
ſie haben, erwiederte der doppelt Ueberraſchte, und war froh ſo wohl-
feilen Kaufs davon zu kommen. Acht Tage darauf meldete der Moniteur
daß der Held dieſer Anekdote, Hr. B ....., zum Ritter der Ehrenlegion
ernannt werde, ohne daß jedoch unter den Motiven der Großmuth und
Achtung erwähnt worden womit derſelbe ſeinen Vorgeſetzten behan-
delt hat.
Belgien.✡ Brüſſel, 26 Jan. Nachdem die Regierung ſich glücklich aus
der Debatte über das Kriegsbudget (26,792,000 Fr.) gewunden, und
61 beifällige Stimmen bei 33 negativen und 5 neutralen zu ihren Gun-
ſten gefallen waren, entſpann ſich alsbald ein anderer Kampf, der — nach
fünf Sitzungen — bis zur Stunde noch nicht erſchöpft iſt. Es handelt ſich
um ein Geſetz, betreffend die einjährige Verlängerung der bisherigen pro-
viſoriſchen Getreidezollordnung, die im December im Drange der Ge-
ſchäfte auf einen Monat noch hinausgeſchoben worden war. Die Protectioni-
ſten und die Freihändler ſind wieder hart an einander gerathen. Erſtere
betrauern die Wohlfeilheit des Brodes und ſehen darin den Ruin des
Ackerbaues zu Gunſten der gewerbtreibenden Städte, laſſen aber ganz un-
beachtet daß der Werth des Grundes ſeit 1830 im Durchſchnitt um 28
Procent zugenommen, daß der Hectoliter Weizen im J. 1795 noch nicht
14 Fr., und im J. 1848 nach einer ſo glücklichen Ernte 18 Fr. gekoſtet;
daß ferner weit mehr Getreide ausgeführt als eingeführt wird; ſie laſſen
vielmehr ſtets den Satz hören daß der Ackerbau der Grundpfeiler der
Wohlfahrt und der öffentlichen Ordnung ſey, daß die mit demſelben ſich
Abgebenden die beträchtliche Majorität der Landeseinwohner bilden, und
daß wenn der Ertrag des Grundbefitzes im Sinken begriffen ſey, auch der
induſtrielle Verkehr darunter leide. Dieſe von vielen Rednern geführte
Argumentation erſchütterte jedoch die Regierung nicht im mindeſten; und
weit entfernt dem verſöhnenden Vorſchlag des Centralausſchuſſes beizu-
treten, der auf einen Franken Zoll für 100 Kilogr. lautet, bleibt ſie dem
ihrigen (½ Fr.) getreu, und iſt ſogar bereit ihn zum definitiven zu erhe-
ben, was ſie nicht gleich gethan habe weil ſie ihre Anſicht noch durch eine
längere Erfahrung habe beſtätigt wiſſen wollen, ſowie ſie überhaupt die
Abſicht hege nur langſam und bedächtig auf dem Wege des Freihandels
fortzuſchreiten, wie ſie es in ihrem Antrittsprogramm angedeutet habe.
Dem Vorwurfe daß der Bauer vom auswärtigen Kornhandel erdrückt
werde, ſetzte Hr. Rogier die Bemerkung entgegen daß, weit entfernt zur
Arbeitloſigkeit herabgekommen zu ſeyn, ganze Striche der Arme zur Ar-
beit entglößt ſeyen; Flandern richte ſich von ſeinem Elend wieder auf,
Dank dem Himmel und deſſen Segen, Dank aber auch dem unermüdlichen
Streben der Regierung die Landwirthſchaft auf die Bahn des Fortſchrit-
tes zu bringen, und den Geiſt der ländlichen Bevölkerung vor Verſumpfung
zu bewahren. Der Miniſter gibt bei dieſer Gelegenheit eine Aufzählung
alles deſſen was in dieſer Hinſicht von ſeiner Verwaltung geleiſtet worden,
und fühlt ſich berechtigt, angeſichts der ſchönern Zukunft die dem Landbau
eröffnet worden, auch den Arbeiter der Städte und den Handel zu berück-
ſichtigen, und das Syſtem feſtzuhalten das ſogar die öſterreichiſche Ver-
waltung nicht umzuſtoßen gewagt, das die proviſoriſche Regierung im J.
1830 ebenfalls zum ihrigen gemacht, und das erſt die Kammer von 1834
gegen das Miniſterium (Hr. Rogier ſelbſt war damals Miniſter) durch-
zuſetzen gewußt habe. Uebrigens wiſſe er aus guter Quelle daß die
Bauern den geringen Preis der Bodenfrüchte nicht der Geſetzgebung bei-
meſſen, ſondern einzig und allein der Ergiebigkeit der Ernten. „Wir
wollen weder die Staatscaſſe bereichern, mag auch das Brod aufſchlagen,
noch dem Grundbeſitzer zu größerm Ertrage ſeines Capitals verhelfen;
was wir anſtreben iſt ein wohlfeiles Leben, reger Verkehr im Handel und
Gewerbe jeder Art; was wir aber andrerſeits auch verhindern wollen, iſt
daß der Landmann ſein Lebensglück nicht vermindert ſehe. Dazu iſt aber
gerade das Gegentheil in Ausſicht.“ Dieß iſt ungefähr der Inhalt der
mehrſtündigen Rede des Miniſters. Wir hoffen daß ſie bei der Abſtim-
mung ſich wirkſam erweiſen möge. Ob der Antrag des bekannten Oeko-
nomiſten De Brouckere, dem Geſetzentwurf einen dauernden Charakter zu
geben, wozu wie geſagt das Cabinet ſeine Einwilligung gab, durchgehen
werde, vermag ich noch nicht abzuſehen; zu wünſchen bleibt daß ſich dieſer
Zuſammenſtoß des Grundeigenthums und des Induſtrialismus nicht
öfters wiederholen möge, es könnte ein wirklicher Riß dadurch ent-
ſtehen, der bis jetzt ſich noch nicht fühlbar gemacht hat. Werden aber die
Freunde des Cabinets auch im Senate die Oberhand gewinnen, wenn es
ihnen in der zweiten Kammer gelingt? Dieſe Frage erregt ernſtes Be-
denken.
Niederland.
⏝ Amſterdam, 24 Jan. Der Zuſammentritt der Generalſtaa-
ten iſt abermals um vierzehn Tage verſchoben, und wird alſo nicht vor
Mitte Februars ſtattfinden. Ein Vertrag mit Belgien beſtätigt das
Reglement über die Unterhaltung und Bezahlung der Gränzſcheiden.
Miniſter de Kempenaer erhielt eine Penſion von 1797 fl. Der Rein-
ertrag der oſtindiſchen Ein- und Ausfuhrzölle belief ſich in den drei erſten
Vierteljahren von 1849 auf 3,810,002 fl. 96 C., alſo 679,394 fl. mehr
als 1848 und 488,152 fl. 35 C. höher als zur ſelben Zeit vor zwei Jah-
ren. Die Berichte aus Weſtindien bekunden mehr und mehr die Noth-
wendigkeit einer ſchleunigen Negeremancipation. Die Sklaven laufen
ſowohl einzeln als in ganzen Haufen in die Urwälder, und man ſchickt
vergeblich Patrouillen um ihren Aufenthalt zu erforſchen. Die einige
Jahre unterbliebene Verlooſung und Heimbezahlung der 3½procentigen
Amortiſationsſyndicatſcheine iſt zum Betrag von 300,000 fl. für dieſes
Jahr bereits officiell feſtgeſetzt. Vom Inſtitut ging eine Adreſſe an
den König ab, worin die Mitglieder erklären daß ſie eine Auflöſung dieſer
Anſtalt der Verminderung ihrer bereits kärglichen Subſidien vorziehen.
Schweiz.
Wallis. Der Courrier vom 23 Jan. bringt Details über eine
Verſchüttung auf dem Simplon. Den 16 Jan. zwiſchen 1 und 2 Uhr
Nachmittag reisten bei ſtarkem Schneegeſtöber fünf Perſonen, Abée
Amacker, zwei Brüder Poſſeti, Kaufleute von Lax, im Bezirk Gumſch,
und zwei Männer von Saas, vom Hoſpiz ab. Umſtonſt hatten ihnen
die Mönche das gefährliche Unternehmen abgerathen. Bald waren die
Reiſenden von wirbelnden Schneewolken eingehüllt und konnten nur
nach langer Zeit bis zum alten Hoſpiz vordringen. Dort angelangt
löst ſich ein Schneeſchwall (gonſle) über der benachbarten Höhe ab,
ſtürmt über die Straße weg und reißt die Wanderer mit ſich über die
Stützmauer, an deren Fuß er vier von ihnen erdrückt und begräbt. Der
fünfte, ein Poſſeti, iſt nur mit dem halben Körper eingeſargt, kann
ſich aber doch den Reſt des Tages, die ganze Nacht und einen Theil des
nächſten Tages nicht aus ſeiner Lage befreien. So wurde er von den
Straßenaufſehern gefunden. Man erkannte den Menſchen an ſeinen Klei-
dern, welche vom Schnee abſtachen; man kam herbei, brachte ihn zu ſich
ſelbſt und fragte ihn, wo ſeine Gefährten ſeyen. „Zieht mich vorder-
hand heraus,“ antwortete Poſſeti, „meine Cameraden haben eure Hülfe
nicht mehr vonnöthen; da unten liegen ſie unter dem Schnee.“ Man
brachte den Unglücklichen in das nächſte Zufluchtshaus, wird ihn aber
ſchwerlich retten, da man ihn, ſtatt ſeine Glieder mit Schnee zu reiben,
gleich in eine ſtark geheizte Stube brachte. (N. Z. Z.)
Neueſtes.
München, 2 Febr. Heute Morgen iſt uns die folgende tele-
graphiſche Depeſche zugekommen aus Wien, 1 Febr. (6 Uhr Abends).
„Die folgende telegraphiſche Nachricht iſt aus Athen hier angelangt: Ein
wichtiges Ereigniß hat in Athen ſtattgefunden. Der eng-
liſche Geſandte hat die griechiſche Regierung aufgefordert
binnen 24 Stunden alle Reclamationen zu erfüllen. Die
engliſche Flotte unterſtützt dieſen Schritt. Die Interven-
tion der Miniſter von Frankreich und Rußland iſt zurückge-
wieſen. Alle griechiſchen Kriegsſchiffe ſind gekapert.
Wirkſamere Maßregeln ſtehen unverzüglich bevor. König
und Königin ſind wohl. Athen iſt ruhig. Die griechiſche
Regierung hat proteſtirt.“ (Leider fehlt in der Depeſche aus Wien
das Datum der Depeſche aus Athen, was übrigens der vollen Richtigkeit
der gemeldeten Thatſachen im vorliegenden Fall keinen Abbruch thun
kann. (N. M. Z.)
Dieſe Wiener Depeſche zeigt daß England den Schleier fallen läßt
Da der Zuſammenſtoß mit Rußland, durch die in Petersburg und Kon-
ſtantinopel bewieſene Nachgiebigkeit, ſich hinausſchob, und damit die Hoff-
nung fiel ſich alsbald der Dardanelleneingänge und Aegyptens zu bemäch-
tigen, ſo führt es einſtweilen gegen das aufblühende Griechenland und
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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