Allgemeine Zeitung, Nr. 35, 4. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
Mister Finlay, die man schon als geordnet betrachtete, eine andere aben- # München, 3 Febr. Zum Zweck der Heeresergänzung für Gr. Baden. *Vom Bodensee, 29 Jan. Mit der Eincaserni- H. Nassau.Wiesbaden, 2 Febr. In Langenschwalbach ist Thüringen.Altenburg, 25 Jan. In der Sitzung der Land- [Spaltenumbruch]
Miſter Finlay, die man ſchon als geordnet betrachtete, eine andere aben- □ München, 3 Febr. Zum Zweck der Heeresergänzung für Gr. Baden. *Vom Bodenſee, 29 Jan. Mit der Eincaſerni- H. Naſſau.Wiesbaden, 2 Febr. In Langenſchwalbach iſt Thüringen.Altenburg, 25 Jan. In der Sitzung der Land- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0002" n="546"/><cb/> Miſter Finlay, die man ſchon als geordnet betrachtete, eine andere aben-<lb/> teuerliche Angelegenheit mit einem Juden Don Pacifico, die dem Abſchluß<lb/> (vielleicht gerade dieſer unbequem) nahe war! Vernehmen Sie nun was<lb/> ich über den ganzen Hergang in Erfahrung brachte. Nachdem Admiral<lb/> Parker um die Mitte des vorigen Monats mit ſeiner Escadre vor Athen<lb/> erſchienen war, begab er ſich am 17 Morgens mit dem brittiſchen Geſand-<lb/> ten in das Miniſterium des Auswärtigen, und forderte von dem Miniſter<lb/> Londos im Namen von England die volle Befriedigung mehrerer Privat-<lb/> forderungen binnen 24 Stunden, mit dem Beiſatz: gleichviel ob ſie begrün-<lb/> det oder unbegründet wären. König Otto verſammelte den Miniſterrath,<lb/> und es wurde beſchloſſen die Vermittlung der Geſandten Frankreichs und<lb/> Rußlands nachzuſuchen, gleichzeitig aber ein Gutachten der Kronanwälte<lb/> über die Reclamationen eingeholt, welches jedoch durchaus verneinend aus-<lb/> ſiel. In der Nacht vom 17 auf den 18 Jan. kam es ſodann zu dem Ve-<lb/> ſchluſſe daß über die fraglichen Forderungen ein Schiedsgericht durch die<lb/> Geſandtſchaften der ruſſiſchen und franzöſiſchen Schutzmacht beſtellt werden<lb/> ſolle. Hr. Wyſe verwarf aber bei dem peremtoriſchen Wortlaute der Pal-<lb/> merſtoniſchen Inſtructionen jede Interceſſion, begab ſich am 19, ohne jedoch<lb/> das geſandtſchaftliche Verhältniß aufzulöſen, an Bord des engliſchen Ad-<lb/> miralſchiffes <hi rendition="#aq">„The Queen“</hi>, und Parker caperte ohne weiteres das helleni-<lb/> ſche Kriegsſchiff „Othon“ nebſt einem anderen königl. Schiffe. Darauf<lb/> wurde die Blokade des Hafens, und zwar derart angeordnet daß nicht ein-<lb/> mal der franzöſtſche im Piräeus liegende Dampfer vorher aviſirt worden<lb/> war. Der griechiſchen Regierung blieb gegen dieſe Acte nur zu proteſtiren<lb/> übrig, aber ich zweifle nicht daß dieſer Proteſt in Europa ſeinen Nachhall<lb/> haben wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>□ <hi rendition="#b">München,</hi> 3 Febr.</dateline> <p>Zum Zweck der Heeresergänzung für<lb/> das laufende Jahr werden einer Ausſchreibung des Miniſteriums des<lb/> Innern zufolge 13,000 Mann aus den Conſcribirten der Altersclaſſe 1828<lb/> ausgehoben werden; die Aushebung beginnt am 14 Febr. und muß bis<lb/> zum 9 März beendet ſeyn. Bei Vertheilung dieſer Mannſchaft auf die<lb/> einzelnen Regierungsbezirke und Heeresabtheilungen iſt die kön. Staats-<lb/> regierung dieſesmal aus überwiegend dienſtlichen Rückſichten von dem<lb/> bisher befolgten Grundſatz der Zutheilung der Conſcribirten an die ihren<lb/> Wohnſitzen zunächſt garniſonirenden Abtheilungen abgegangen, und hat<lb/> bei Zuweiſung derſelben an die ſämmtlichen Heeresabtheilungen lediglich<lb/> die Anforderungen des Militärdienſtes berückſichtigt. Damit jedoch die<lb/> aus den dieſſeitigen Kreiſen in die Pfalz und umgekehrt von dort in die<lb/> dieſſeitigen Kreiſe beſtimmten Conſcribirten, welche die erforderlichen<lb/> Reiſemittel nicht beſitzen, gleichwohl ohne Beläſtigung auswärtiger Staa-<lb/> ten in ihre Garniſonen einrücken können, wird die Einrichtung getroffen<lb/> werden daß ſie entweder einen entſprechenden Vorſchuß erhalten, oder in<lb/> Abtheilungen formirt durch die Officiere und Unterofficiere bis zur erſten<lb/> bayeriſchen Station oder nach Umſtänden noch weiter begleitet, unterwegs<lb/> aber aus der firirten Reiſe-Entſchädigung verpflegt werden. Demnächſt<lb/> erwartet man ein königl. Reſcript über die Bildung der Cadres für die<lb/> vierten Bataillone der Regimenter. — <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Scheve aus Heidelberg beendigte<lb/> am 1 Febr. ſeinen dritten Curſus über Phrenologie, bei welcher Gele-<lb/> genheit derſelben die Bildung einer „phrenologiſchen Geſellſchaft für<lb/> München“ in Anregung brachte. Moriz Rugendas, der ſchon mehrere<lb/> Jahre mit Phrenologie ſich beſchäftigt hat, wird gebeten werden ſich der<lb/> Bildung des Vereins anzunchmen. Sollte die Geſellſchaft wirklich ins<lb/> Leben treten, ſo wäre dieß die erſte derartige für Deutſchland. — Unter<lb/> den hier durchreiſenden Fremden bemerke ich Ihnen den vormaligen öſter-<lb/> reichiſchen Geſandten am bayeriſchen Hof, Grafen Senfft-Pilſach.︱</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head><hi rendition="#g">Gr. Baden</hi>.</head> <dateline><hi rendition="#b">*Vom Bodenſee,</hi> 29 Jan.</dateline> <p>Mit der Eincaſerni-<lb/> rung der preußiſchen Truppen im badiſchen Seekreiſe, welche bereits zu<lb/> Konſtanz in drei mit großem Aufwande hierzu eingerichteten Caſernen<lb/> begonnen hatte, tritt nun nach und nach für die Quartierträger eine Er-<lb/> leichterung ein, die den allgemeinen Klagen über dieſe ſo drückende Laſt<lb/> Abhülfe zu verſchaffen ſcheint. Dagegen ſind jetzt die ſämmtlichen Ge-<lb/> meinden mit den Steuern für die Caſernenbauten und Anſchaffung der<lb/> Requiſtten, dann auch mit dem Holzbedarf für ſo viele Caſernen, mit den<lb/> Servisgeldern und mit Lieferungen aller Art, beſonders für die Reiterei,<lb/> ſo ſehr in Anſpruch genommen daß dieſe Forderungen, welche oft rück-<lb/> ſichtslos gemacht werden, die Kräfte der ohnehin ſo ſehr verſchuldeten<lb/> Gemeinden vollends überſteigen, und die Laſt welche durch die Einquar-<lb/> tierung bisher den Einzelnen getroffen hatte, nun die Geſammtheit eben ſo<lb/> empfindlich zu treffen beginnt. Im ganzen badiſchen Lande ſind nach der<lb/> Eintheilung der Städte und Ortſchaften gegen 32 Caſernen errichtet,<lb/> wovon allein auf den Seekreis 9 kommen. Es ſcheint als wenn dadurch<lb/> die Preußen das Großherzogthum Baden für ſich zu einem äußerſten<lb/> Wachtpoſten in Südeutſchland machen wollten; denn um dasſelbe zu pa-<lb/> ciſiciren, dürfte eine ſolche umfangreiche Beſetzung kaum nothwendig<lb/><cb/> ſeyn, da namentlich im Seekreis noch keine politiſchen Exceſſe erheblicher<lb/> Art vorgefallen ſind, und es außer der Abſchaffung der Heckerhüte und<lb/> der rothen Abzeichen ſonſt nichts zu pacificiren gibt! Die politiſche Apa-<lb/> thie iſt hier ſo groß daß man ſelbſt von dem künftigen badiſchen Landtage<lb/> nur wenig ſprechen hört, da das Vertrauen zu demſelben verſchwunden<lb/> iſt, ſo daß man auf Erleichterungen umſoweniger etwas zu hoffen wagt, als<lb/> die badiſchen Landtage von jeher die Steuern nur vermehrt, aber niemals<lb/> vermindert haben. Wie gegründet aber dieſe Beſorgniſſe ſeyn mögen,<lb/> beweist ſchon der Umſtand daß nach den neueſten Anordnungen ohne Ein-<lb/> willigung der Stände das badiſche Militär an Reiterei und Fußvolk nach<lb/> einem großartigen Fuße wieder organiſirt wird — die Ueberſchätzung der<lb/> Kräfte des eigenen Landes iſt eine alte Krankheit der badiſchen Regie-<lb/> rung — während doch das badiſche Volk ſich zunächſt der Hoffnung hin-<lb/> gegeben hatte daß man jetzt das Militär eher vermindern als vermehren<lb/> werde, um dadurch dem unglücklichen und ruinirten Lande eine der be-<lb/> deutendſten Laſten zu erſparen; denn allgemein hört man die Behauptung<lb/> ausſprechen: ein Land das ſich nicht ſelbſt zu ſchützen im Stande iſt, und<lb/> daher jederzeit fremder Hülfe zu ſeinem Schutze bedarf, braucht auch keine<lb/> ſo große Militärmacht, welche nur die Kräfte des Landes erſchöpft, und<lb/> doch für den Schutz und die Selbſtändigkeit desſelben, beſonders wenn<lb/> ſie noch außer Landes geführt werden ſollte, keine Vortheile bringt. Mit<lb/> derſelben Gleichgültigkeit behandelt man auch hier die Wahlen zum Erfurter<lb/> Reichstag, da man ſich in neueſter Zeit ſelbſt zu Berlin in die Sackgaſſe<lb/> gerannthatte, aus der ſich die preußiſchen Staatsmänner wohl nicht<lb/> ſo leicht wieder werden herausfinden können, weil ohnehin das Ver-<lb/> trauen des deutſchen Volkes auf die preußiſche Politik nirgends groß iſt,<lb/> und am allerwenigſten am Bodenſee, wo es die Conſervativen wie die<lb/> Altliberalen in gleichem Maße verſchmähen mit Preußen in einen Bru-<lb/> derbund zu treten, ſeitdem die Ausſichten auf Beförderung der materiel-<lb/> len Intereſſen der ſüddeutſchen Staaten durch eine engere Vereinigung<lb/> Oeſterreichs mit dem deutſchen Zollverein immer mehr in den Vorder-<lb/> grund treten, und daher auf dieſer feſten Baſis der Thatſachen die alten<lb/> Sympathien für das öſterreichiſche Kaiſerhaus ſich mit jedem Tage ver-<lb/> mehren, ſo zwar daß ſelbſt in dem benachbarten gewerbthätigen Schwei-<lb/> zerlande ſich Stimmen für einen Anſchluß an Oeſterreich kundgeben,<lb/> was in der That ein ſchlagender Beweis iſt wie ſehr man am Bodenſee<lb/> dieſe Vereinigung mit Oeſterreich zu würdigen verſteht, wenn ſelbſt die<lb/> Schweizer auf ihren republicaniſchen Hochmuth verzichten, und von einer<lb/> künftigen Verbindung mit Großdeutſchland nicht allein die Verbefſerung<lb/> ihrer politiſchen Lage, ſondern auch die Förderung ihrer materiellen In-<lb/> tereſſen erwarten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>H. <hi rendition="#g">Naſſau</hi>.</head> <dateline><hi rendition="#b">Wiesbaden,</hi> 2 Febr.</dateline> <p>In Langenſchwalbach iſt<lb/> Oberbergrath <hi rendition="#g">Loſſen</hi> zum Erfurter Reichstag gewählt. In Limburg<lb/> fiel die Wahl auf Max v. <hi rendition="#g">Gagern</hi> mit 79 Stimmen unter 86 Wählen-<lb/> den. (N. A. Z.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head><hi rendition="#g">Thüringen</hi>.</head> <dateline><hi rendition="#b">Altenburg,</hi> 25 Jan.</dateline> <p>In der Sitzung der Land-<lb/> ſchaft am 21 d. kam auch die thüringiſche Einigungsfrage zur Sprache;<lb/> das Miniſterium erklärte, es ſey der Staatsregierung erwünſcht wenn<lb/> für den Strafproceß, das Strafgeſetz, den Civilproceß u. ſ. w. eine ge-<lb/> meinſame Geſetzgebung für alle thüringiſchen Staaten ins Leben gerufen<lb/> werde; in Bezug auf den Weg aber wie dieſes Ziel zu erreichen ſeyn<lb/> dürfte, liege noch kein beſtimmter Beſchluß vor, vielmehr ſeyen die deß-<lb/> fallſigen Verhandlungen mit den übrigen thüringiſchen Staaten noch im<lb/> Gange. So viel müſſe das Miniſterium indeſſen ſchon jetzt erklären daß<lb/> die erheblichſten Bedenken dagegen obwalteten einen Landtag mit beſchlie-<lb/> ßender Kraft und ein gemeinſames Regierungsorgan mit entſcheidender<lb/> Stimme einzuſetzen; denn dadurch werde dem ſo erſtrebenswerthen Haupt-<lb/> einigungswerk aller deutſchen Staaten direct entgegengearbeitet, zumal<lb/> viele Gegenſtände, die jetzt in einem ſo engen Kreiſe zum Geſetz erhoben<lb/> werden würden, der künftigen Reichsgeſetzgebung angehörten. Denn es<lb/> würde keine Vereinfachung, ſondern eine Vervielfältigung in der Geſetz-<lb/> gebung und den Geſchäften herbeigeführt. Außerdem ſey auch noch zu beden-<lb/> ken daß der Oſtkreis des Landes ſeiner natürlichen Lage und ſeinen Ver-<lb/> kehrsverhältniſſen zufolge mehr an Sachſen hingewieſen ſey, weßhalb auch<lb/> in dieſem Lande die königl. ſächſtſche Geſetzgebung Eingang gefunden habe;<lb/> dazu komme noch der nicht unerhebliche Koſtenpunkt, der bei weitem höher<lb/> anſteigen würde als zeither. Endlich würden auch der praktiſchen Aus-<lb/> führung der fraglichen Idee noch mannichfache Hinderniſſe in den Weg<lb/> trcten, bevor man die verſchiedenen thüringiſchen Staaten in allen Be-<lb/> ziehungen einigen könnte, wie ſich dieß ſchon zeither gezeigt habe. Dieſe<lb/> Verhältniſſe aber hätten es der Staatsregierung bedenklich erſcheinen<lb/> laſſen darauf einzugehen daß für die thüringiſchen Staaten eine Rechts-<lb/> einheit im Strafproceß u. ſ. w. durch ein zu bildendes geſetzgeberiſches<lb/> Geſammtorgan des thüringiſchen Landtags herbeigeführt werde.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [546/0002]
Miſter Finlay, die man ſchon als geordnet betrachtete, eine andere aben-
teuerliche Angelegenheit mit einem Juden Don Pacifico, die dem Abſchluß
(vielleicht gerade dieſer unbequem) nahe war! Vernehmen Sie nun was
ich über den ganzen Hergang in Erfahrung brachte. Nachdem Admiral
Parker um die Mitte des vorigen Monats mit ſeiner Escadre vor Athen
erſchienen war, begab er ſich am 17 Morgens mit dem brittiſchen Geſand-
ten in das Miniſterium des Auswärtigen, und forderte von dem Miniſter
Londos im Namen von England die volle Befriedigung mehrerer Privat-
forderungen binnen 24 Stunden, mit dem Beiſatz: gleichviel ob ſie begrün-
det oder unbegründet wären. König Otto verſammelte den Miniſterrath,
und es wurde beſchloſſen die Vermittlung der Geſandten Frankreichs und
Rußlands nachzuſuchen, gleichzeitig aber ein Gutachten der Kronanwälte
über die Reclamationen eingeholt, welches jedoch durchaus verneinend aus-
ſiel. In der Nacht vom 17 auf den 18 Jan. kam es ſodann zu dem Ve-
ſchluſſe daß über die fraglichen Forderungen ein Schiedsgericht durch die
Geſandtſchaften der ruſſiſchen und franzöſiſchen Schutzmacht beſtellt werden
ſolle. Hr. Wyſe verwarf aber bei dem peremtoriſchen Wortlaute der Pal-
merſtoniſchen Inſtructionen jede Interceſſion, begab ſich am 19, ohne jedoch
das geſandtſchaftliche Verhältniß aufzulöſen, an Bord des engliſchen Ad-
miralſchiffes „The Queen“, und Parker caperte ohne weiteres das helleni-
ſche Kriegsſchiff „Othon“ nebſt einem anderen königl. Schiffe. Darauf
wurde die Blokade des Hafens, und zwar derart angeordnet daß nicht ein-
mal der franzöſtſche im Piräeus liegende Dampfer vorher aviſirt worden
war. Der griechiſchen Regierung blieb gegen dieſe Acte nur zu proteſtiren
übrig, aber ich zweifle nicht daß dieſer Proteſt in Europa ſeinen Nachhall
haben wird.
□ München, 3 Febr. Zum Zweck der Heeresergänzung für
das laufende Jahr werden einer Ausſchreibung des Miniſteriums des
Innern zufolge 13,000 Mann aus den Conſcribirten der Altersclaſſe 1828
ausgehoben werden; die Aushebung beginnt am 14 Febr. und muß bis
zum 9 März beendet ſeyn. Bei Vertheilung dieſer Mannſchaft auf die
einzelnen Regierungsbezirke und Heeresabtheilungen iſt die kön. Staats-
regierung dieſesmal aus überwiegend dienſtlichen Rückſichten von dem
bisher befolgten Grundſatz der Zutheilung der Conſcribirten an die ihren
Wohnſitzen zunächſt garniſonirenden Abtheilungen abgegangen, und hat
bei Zuweiſung derſelben an die ſämmtlichen Heeresabtheilungen lediglich
die Anforderungen des Militärdienſtes berückſichtigt. Damit jedoch die
aus den dieſſeitigen Kreiſen in die Pfalz und umgekehrt von dort in die
dieſſeitigen Kreiſe beſtimmten Conſcribirten, welche die erforderlichen
Reiſemittel nicht beſitzen, gleichwohl ohne Beläſtigung auswärtiger Staa-
ten in ihre Garniſonen einrücken können, wird die Einrichtung getroffen
werden daß ſie entweder einen entſprechenden Vorſchuß erhalten, oder in
Abtheilungen formirt durch die Officiere und Unterofficiere bis zur erſten
bayeriſchen Station oder nach Umſtänden noch weiter begleitet, unterwegs
aber aus der firirten Reiſe-Entſchädigung verpflegt werden. Demnächſt
erwartet man ein königl. Reſcript über die Bildung der Cadres für die
vierten Bataillone der Regimenter. — Dr. Scheve aus Heidelberg beendigte
am 1 Febr. ſeinen dritten Curſus über Phrenologie, bei welcher Gele-
genheit derſelben die Bildung einer „phrenologiſchen Geſellſchaft für
München“ in Anregung brachte. Moriz Rugendas, der ſchon mehrere
Jahre mit Phrenologie ſich beſchäftigt hat, wird gebeten werden ſich der
Bildung des Vereins anzunchmen. Sollte die Geſellſchaft wirklich ins
Leben treten, ſo wäre dieß die erſte derartige für Deutſchland. — Unter
den hier durchreiſenden Fremden bemerke ich Ihnen den vormaligen öſter-
reichiſchen Geſandten am bayeriſchen Hof, Grafen Senfft-Pilſach.︱
Gr. Baden. *Vom Bodenſee, 29 Jan. Mit der Eincaſerni-
rung der preußiſchen Truppen im badiſchen Seekreiſe, welche bereits zu
Konſtanz in drei mit großem Aufwande hierzu eingerichteten Caſernen
begonnen hatte, tritt nun nach und nach für die Quartierträger eine Er-
leichterung ein, die den allgemeinen Klagen über dieſe ſo drückende Laſt
Abhülfe zu verſchaffen ſcheint. Dagegen ſind jetzt die ſämmtlichen Ge-
meinden mit den Steuern für die Caſernenbauten und Anſchaffung der
Requiſtten, dann auch mit dem Holzbedarf für ſo viele Caſernen, mit den
Servisgeldern und mit Lieferungen aller Art, beſonders für die Reiterei,
ſo ſehr in Anſpruch genommen daß dieſe Forderungen, welche oft rück-
ſichtslos gemacht werden, die Kräfte der ohnehin ſo ſehr verſchuldeten
Gemeinden vollends überſteigen, und die Laſt welche durch die Einquar-
tierung bisher den Einzelnen getroffen hatte, nun die Geſammtheit eben ſo
empfindlich zu treffen beginnt. Im ganzen badiſchen Lande ſind nach der
Eintheilung der Städte und Ortſchaften gegen 32 Caſernen errichtet,
wovon allein auf den Seekreis 9 kommen. Es ſcheint als wenn dadurch
die Preußen das Großherzogthum Baden für ſich zu einem äußerſten
Wachtpoſten in Südeutſchland machen wollten; denn um dasſelbe zu pa-
ciſiciren, dürfte eine ſolche umfangreiche Beſetzung kaum nothwendig
ſeyn, da namentlich im Seekreis noch keine politiſchen Exceſſe erheblicher
Art vorgefallen ſind, und es außer der Abſchaffung der Heckerhüte und
der rothen Abzeichen ſonſt nichts zu pacificiren gibt! Die politiſche Apa-
thie iſt hier ſo groß daß man ſelbſt von dem künftigen badiſchen Landtage
nur wenig ſprechen hört, da das Vertrauen zu demſelben verſchwunden
iſt, ſo daß man auf Erleichterungen umſoweniger etwas zu hoffen wagt, als
die badiſchen Landtage von jeher die Steuern nur vermehrt, aber niemals
vermindert haben. Wie gegründet aber dieſe Beſorgniſſe ſeyn mögen,
beweist ſchon der Umſtand daß nach den neueſten Anordnungen ohne Ein-
willigung der Stände das badiſche Militär an Reiterei und Fußvolk nach
einem großartigen Fuße wieder organiſirt wird — die Ueberſchätzung der
Kräfte des eigenen Landes iſt eine alte Krankheit der badiſchen Regie-
rung — während doch das badiſche Volk ſich zunächſt der Hoffnung hin-
gegeben hatte daß man jetzt das Militär eher vermindern als vermehren
werde, um dadurch dem unglücklichen und ruinirten Lande eine der be-
deutendſten Laſten zu erſparen; denn allgemein hört man die Behauptung
ausſprechen: ein Land das ſich nicht ſelbſt zu ſchützen im Stande iſt, und
daher jederzeit fremder Hülfe zu ſeinem Schutze bedarf, braucht auch keine
ſo große Militärmacht, welche nur die Kräfte des Landes erſchöpft, und
doch für den Schutz und die Selbſtändigkeit desſelben, beſonders wenn
ſie noch außer Landes geführt werden ſollte, keine Vortheile bringt. Mit
derſelben Gleichgültigkeit behandelt man auch hier die Wahlen zum Erfurter
Reichstag, da man ſich in neueſter Zeit ſelbſt zu Berlin in die Sackgaſſe
gerannthatte, aus der ſich die preußiſchen Staatsmänner wohl nicht
ſo leicht wieder werden herausfinden können, weil ohnehin das Ver-
trauen des deutſchen Volkes auf die preußiſche Politik nirgends groß iſt,
und am allerwenigſten am Bodenſee, wo es die Conſervativen wie die
Altliberalen in gleichem Maße verſchmähen mit Preußen in einen Bru-
derbund zu treten, ſeitdem die Ausſichten auf Beförderung der materiel-
len Intereſſen der ſüddeutſchen Staaten durch eine engere Vereinigung
Oeſterreichs mit dem deutſchen Zollverein immer mehr in den Vorder-
grund treten, und daher auf dieſer feſten Baſis der Thatſachen die alten
Sympathien für das öſterreichiſche Kaiſerhaus ſich mit jedem Tage ver-
mehren, ſo zwar daß ſelbſt in dem benachbarten gewerbthätigen Schwei-
zerlande ſich Stimmen für einen Anſchluß an Oeſterreich kundgeben,
was in der That ein ſchlagender Beweis iſt wie ſehr man am Bodenſee
dieſe Vereinigung mit Oeſterreich zu würdigen verſteht, wenn ſelbſt die
Schweizer auf ihren republicaniſchen Hochmuth verzichten, und von einer
künftigen Verbindung mit Großdeutſchland nicht allein die Verbefſerung
ihrer politiſchen Lage, ſondern auch die Förderung ihrer materiellen In-
tereſſen erwarten.
H. Naſſau.Wiesbaden, 2 Febr. In Langenſchwalbach iſt
Oberbergrath Loſſen zum Erfurter Reichstag gewählt. In Limburg
fiel die Wahl auf Max v. Gagern mit 79 Stimmen unter 86 Wählen-
den. (N. A. Z.)
Thüringen.Altenburg, 25 Jan. In der Sitzung der Land-
ſchaft am 21 d. kam auch die thüringiſche Einigungsfrage zur Sprache;
das Miniſterium erklärte, es ſey der Staatsregierung erwünſcht wenn
für den Strafproceß, das Strafgeſetz, den Civilproceß u. ſ. w. eine ge-
meinſame Geſetzgebung für alle thüringiſchen Staaten ins Leben gerufen
werde; in Bezug auf den Weg aber wie dieſes Ziel zu erreichen ſeyn
dürfte, liege noch kein beſtimmter Beſchluß vor, vielmehr ſeyen die deß-
fallſigen Verhandlungen mit den übrigen thüringiſchen Staaten noch im
Gange. So viel müſſe das Miniſterium indeſſen ſchon jetzt erklären daß
die erheblichſten Bedenken dagegen obwalteten einen Landtag mit beſchlie-
ßender Kraft und ein gemeinſames Regierungsorgan mit entſcheidender
Stimme einzuſetzen; denn dadurch werde dem ſo erſtrebenswerthen Haupt-
einigungswerk aller deutſchen Staaten direct entgegengearbeitet, zumal
viele Gegenſtände, die jetzt in einem ſo engen Kreiſe zum Geſetz erhoben
werden würden, der künftigen Reichsgeſetzgebung angehörten. Denn es
würde keine Vereinfachung, ſondern eine Vervielfältigung in der Geſetz-
gebung und den Geſchäften herbeigeführt. Außerdem ſey auch noch zu beden-
ken daß der Oſtkreis des Landes ſeiner natürlichen Lage und ſeinen Ver-
kehrsverhältniſſen zufolge mehr an Sachſen hingewieſen ſey, weßhalb auch
in dieſem Lande die königl. ſächſtſche Geſetzgebung Eingang gefunden habe;
dazu komme noch der nicht unerhebliche Koſtenpunkt, der bei weitem höher
anſteigen würde als zeither. Endlich würden auch der praktiſchen Aus-
führung der fraglichen Idee noch mannichfache Hinderniſſe in den Weg
trcten, bevor man die verſchiedenen thüringiſchen Staaten in allen Be-
ziehungen einigen könnte, wie ſich dieß ſchon zeither gezeigt habe. Dieſe
Verhältniſſe aber hätten es der Staatsregierung bedenklich erſcheinen
laſſen darauf einzugehen daß für die thüringiſchen Staaten eine Rechts-
einheit im Strafproceß u. ſ. w. durch ein zu bildendes geſetzgeberiſches
Geſammtorgan des thüringiſchen Landtags herbeigeführt werde.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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