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Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 6. Februar 1850.

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Wer den Gedankengang der ganzen Conception verfolgt, wird den
streng katholischen Charakter derselben, das -- bewußte oder unbewußte
-- Bestreben nicht verkennen mit dem Gemäldeschmuck den Dombau des
12ten Jahrhunderts im Geiste seiner Gründer und Erbauer zu vollenden.
In den Mitteln aber der Formenbildung, Darstellung und Ausführung
konnte jene Periode unentwickelter Kunst nicht maßgebend seyn, und
Schraudolph hat sich dabei als einen der ersten Meister der Münchener
Schule und von ihrem Geist durchdrungen bewährt. Edle, große Ge-
stalten, würdige und doch freie Bewegungen, Charakterbildung und Aus-
druck der Köpfe in großen Zügen, Verständniß und großartige Anlage
der Gewänder, und Schönheit der Formen und Verhältnisse: das find
die Vorzüge dieser Zeichnungen, die, großentheils in kolossalem Maßstab
in Fresco ausgeführt, die öden Hallen des mächtigen Kaiserdomes mit
neuem, glänzenden Leben erfüllen, das als ein eben so erfreuliches denn be-
deutendes Denkmal der Kunstbestrebungen und der Kunstliebe, die wir
erlebt, genannt werden wird.



Stuttgart.

Die neuen Wahlen der Volksvertreter
zur Versammlung der Berathung einer Verfassungsrevision beginnen im
ganzen Lande am 19 d., und sind jedenfalls am darauffolgenden Tag zu
beendigen. Die Anordnung dieser Wahlen brachte wieder Leben und
Rührigkeit in die politischen Parteien, unter welchen seit Auflösung der
letzten Landesversammlung hinsichtlich der innern politischen Zustände
eine gewisse Ruhe eingetreten war. Die Agitationen für den Anschluß
an den preußischen Bundesstaat dauerten jedoch fort, und es schien als
sollten allmählich alle Intelligenzen für denselben gewonnen werden; doch
die k. preußischen Propositionen vom 7 Jan. störten die Fortschritte der
preußischen Partei in erheblichem Maße, und die bekannte Plochinger
Versammlung konnte die großartige Wirkung nicht hervorbringen welche
man von ihr gehofft hatte. Dessenungeachtet ist diese Partei noch immer
stark und mächtig, sie zählt den größten Theil der vormärzlichen Liberalen
in ihren Reihen, und es ist kein Zweifel daß sie ohne jene preußischen
Propositionen eine ansehnlichere Zahl von Vertretern in der nächsten Lan-
desversammlung gefunden hätte. Doch steht diese Partei nach ihrem Organ
-- der Württembergischen Zeitung -- hinsichtlich der Wahlen nur der
Volkspartei gegenüber; sie verschmäht keinen liberal monarchisch-constitutio-
nell gesinnten Candidaten, wenn ein solcher auch in der deutschen Frage eine
abweichende Ansicht hat. Dagegen verfährt die Volkspartei ganz exclusiv,
diese empfiehlt nur ihre unbedingten Anhänger als würdige Repräsentan-
ten des souveränen Volks, und hält die Empfehlung von solchen Candi-
daten nur in denjenigen Wahlbezirken für nöthig welche die letzte Wahl
mit Volksmännern nicht bereits beglückt hat, so daß von den 64 Wahl-
bezirken nur 24 übrig bleiben, in welchen neue Candidaten statt der zu
der letzten Versammlung gewählten conservativen Volksvertreter zu em-
pfehlen sind; denn in 40 Bezirken sind lediglich die letztmal gewählten
Volksmänner als neue Abgeordnete aufgestellt. Diese Aufstellung erfolgte
in der kürzlich zu Göppingen abgehaltenen Versammlung mit einer Zu-
versicht und Sicherheit, daß es kaum erklärlich ist warum diese Partei doch
so großartige Vorbereitungen und Anstalten trifft, um die von ihr vorge-
schlagenen und empfohlenen Candidaten durchzusetzen; es ist bei dem Hohn-
gelächter über einzelne Gegencandidaten, das in der Göppinger Versamm-
lung so oft wiedergekehrt seyn soll, kaum zu begreifen warum sich das
Organ der Volkspartei -- der Beobachter -- wiederholt ereifert daß von
Seiten des Ministeriums Einfluß auf die nachgesetzten Beamten geübt
werde, um ministerielle Candidaten in die Versammlung zu bringen. Die
Volkspartei hätte offenbar annehmen sollen das souveräne Volk werde keiner
Belehrung von Seite der mißliebigen Bureaukraten, denen sie längst allen
und jeden Einfluß auf dasselbe zu entziehen strebte, zugänglich seyn, eine
solche vielmehr geradezu abweisen und nur an die allein beglückende Lehre
der Volksmänner glauben. Freilich wäre es für diese Partei besser wenn
das gegenwärtige Ministerium die gleiche passive Stellung bei der neuen
Wahl einhielte, wie bei der vorigen Wahl das Märzministerium. Damals
agitirten Beamte, Professoren, Schulmeister etc. im Interesse der Volks-
partei; ein Theil der ersteren scheute sich nicht in seinen Amtsbezirken
Männer als Volksvertreter zu empfehlen welche kurz zuvor der Anklage
gegen die Minister auf Hochverrath wegen Sprengung der sogenannten
deutschen Nationalversammlung beigestimmt hatten. So mußte freilich
die Begriffsverwirrung, insbesondere beim Landmann, sich steigern. Der
einfache Landmann konnte sich offenbar nicht vorstellen daß untergeordnete
Diener, denen doch die Gunst oder Mißgunst ihrer Departementschefs nicht
gleichgütig seyn kann, in Wahrheit gegen diese sich benehmen werden,
vielmehr mußten diese glauben daß es der Beamte mit der Regierung gut
meine, und dieser Glaube nützte der Volkspartei wesentlich, welche ohne-
[Spaltenumbruch] hin alle ihre Leute zur Wahl zu bestimmen wußte, während der größte
Theil der Conservativen zu Hause blieb und seinen Geschäften, namentlich
in der Ernte, nachging. Jetzt werden freilich solche Beamte wenigstens
vorsichtiger sich benehmen, oder aber passiv sich verhalten, sollten sie auch
von ihrer vermeintlichen Dienstpflicht für das souveräne Volk noch nicht
abgekommen seyn. Als ein weiterer Mißstand wird vom Beobachter die
Zersplitterung der Wahlbezirke in mehrere Wahldistricte gerügt. Bei der
letzten Wahl fand die Abstimmung nur in Städten oder in einzelnen grö-
ßeren Gemeinden eines Wahlbezirks statt. In diesem befinden sich in der
Regel Zweigvereine des Landesausschusses oder Volksvereine, und durch
diese konnte auf jede Weise zu Gunsten des Candidaten der Volkspartei ge-
wirkt werden, wie denn auch Fälle bekannt sind in welchen unzweifelhaft
die Freiheit der Wahl vernichtet wurde. Die Wähler vom Lande wurden
nicht selten verhöhnt und bedroht, wollten sie den auf einen conservativen
Candidaten lautenden Wahlzettel nicht sofort mit einem demokratischen
Stimmzettel vertauschen. So entstanden gerechte Klagen über Wahl-
beeinträchtigungen, und nicht selten hörte man von Landleuten daß sie
nimmermehr in der Stadt abstimmen werden. Diesem Uebelstand sucht
die Ministerialverfügung über die Anordnung der neuen Wahlen abzuhelfen.
Durch dieselbe werden die einzelnen Wahldistricte in mehrere Abstimmungs-
orte eingetheilt, wo sich theilweise nicht nur keine Volksvereine, sondern
sogar Piusvereine befinden. Freilich würden alle diese Anordnungen die
Wahlen zum Nachtheil der Volkspartei nicht zu gestalten vermögen, würde
nicht auch die andere Partei Energie und Rührigkeit zeigen; würde diese
nicht einsehen daß dringend geboten sey seine Staatsbürgerpflicht in der
gegenwärtigen Lage des Vaterlandes zu erfüllen; und dieses ist wohl der
Hauptgrund warum die Volkspartei auf der einen Seite sich sich so sicher
gibt, auf der andern aber einen Centralwahlausschuß bildet und alle
Volksvereine und Volksmänner zur angestrengtesten und umsichtigsten
Thätigkeit auffordert. Noch ist es nicht gewiß für welche Partei die Wah-
len den Ausschlag geben werden; aber betheiligten sich die conservativ ge-
sinnten Wahlberechtigten des württembergischen Volks bei den Wahlen,
handelten sie mit vereinter Kraft gegen die feindliche Partei, und räumen
sie nicht wie das letztemal derselben im voraus das Feld, so ist kaum zu
zweifeln daß ihnen der Sieg für die gute Sache, für das Beste des Landes
zufallen wird.



Hamburg.
IV.

Lamartine bezeichnet die Girondisten als
Demokraten welche sich nach den Umständen richten, und Robespierre
und die Bergpartei als Demokraten nach Principien. Ist diese Definition
richtig, so liegt in dem Untergang beider Parteien schwerlich etwas ande-
res als die Lehre daß es nur durch richtige Vermittlung der Umstände und
Principien gelingen kann der Restauration einen Damm entgegenzusetzen
und die Revolution zur Reformation zu verklären. Je schwerer aber diese
Vermittlung sich erreichen läßt, je mehr es dazu einer glücklichen Con-
stellation bedarf, um so unseliger ist es wenn man den günstigen Moment,
den die Geschichte in rosenfarbener Feenlaune darbot, ungenützt ent-
fliehen ließ.

Die höheren Stände hatten ihre Pflicht gegen die unteren versäumt
und eine Demarcationslinie gezogen ähnlich jenem rothen Seil das, wie
Venedey erzählt, bei den Polenbällen in London in einem und demselben
Saal die Nobility von der Mobility trennt. In Folge dessen erneuerte
sich die Revolution und mit ihr die Forderung der sogenannten unteren
Stände sich selber an der Sorge für ihr leibliches und geistiges Wohl zu
betheiligen und zu dem Ende politischer Rechte theilhaftig zu werden.
Die Erfahrung der letzten Jahre widersprach dieser Forderung nicht, sie
empfahl das allgemeine Stimmrecht wenigstens negativ, wenigstens in sofern
als die Beschränkungen von neuem zur Revolution geführt hatten; zu der
Erfahrung aber gesellten sich innere Gründe, und so konnte es als ein
Princip gelten. Die innern Gründe waren freilich auch zumeist nega-
tiver Art: die Feststellung des Census hatte in fich selbst etwas willkür-
liches, der Besitz war -- und schon der Name "Glücksgüter" sprach dieß
aus -- kein congruenter Maßstab für Bürgertugend und common sense;
doch fehlte es auch nicht ganz an positiven Gründen, namentlich berief
man sich auf die indirecten Steuern und die Wehrpflicht. Und dem Prin-
cip waren offenbar die Umstände günstig, viel weniger zwar gleich nach
der Revolution als in jenem Moment wo die Frankfurter Versammlung
ihr Werk beendet zu haben schien. Die Gunst der Umstände aber war
um so wichtiger, da einerseits das allgemeine Wahlrecht als die beste
praktische Lehrmethode zur Erziehung von Staatsbürgern und als das
geeignetste Mittel gegen die Revolution erschien, während es andererseits
ein Experiment war das die Gesellschaft schlimm gefährden konnte. Frei-

[Spaltenumbruch]

Wer den Gedankengang der ganzen Conception verfolgt, wird den
ſtreng katholiſchen Charakter derſelben, das — bewußte oder unbewußte
— Beſtreben nicht verkennen mit dem Gemäldeſchmuck den Dombau des
12ten Jahrhunderts im Geiſte ſeiner Gründer und Erbauer zu vollenden.
In den Mitteln aber der Formenbildung, Darſtellung und Ausführung
konnte jene Periode unentwickelter Kunſt nicht maßgebend ſeyn, und
Schraudolph hat ſich dabei als einen der erſten Meiſter der Münchener
Schule und von ihrem Geiſt durchdrungen bewährt. Edle, große Ge-
ſtalten, würdige und doch freie Bewegungen, Charakterbildung und Aus-
druck der Köpfe in großen Zügen, Verſtändniß und großartige Anlage
der Gewänder, und Schönheit der Formen und Verhältniſſe: das find
die Vorzüge dieſer Zeichnungen, die, großentheils in koloſſalem Maßſtab
in Fresco ausgeführt, die öden Hallen des mächtigen Kaiſerdomes mit
neuem, glänzenden Leben erfüllen, das als ein eben ſo erfreuliches denn be-
deutendes Denkmal der Kunſtbeſtrebungen und der Kunſtliebe, die wir
erlebt, genannt werden wird.



Stuttgart.

Die neuen Wahlen der Volksvertreter
zur Verſammlung der Berathung einer Verfaſſungsreviſion beginnen im
ganzen Lande am 19 d., und ſind jedenfalls am darauffolgenden Tag zu
beendigen. Die Anordnung dieſer Wahlen brachte wieder Leben und
Rührigkeit in die politiſchen Parteien, unter welchen ſeit Auflöſung der
letzten Landesverſammlung hinſichtlich der innern politiſchen Zuſtände
eine gewiſſe Ruhe eingetreten war. Die Agitationen für den Anſchluß
an den preußiſchen Bundesſtaat dauerten jedoch fort, und es ſchien als
ſollten allmählich alle Intelligenzen für denſelben gewonnen werden; doch
die k. preußiſchen Propoſitionen vom 7 Jan. ſtörten die Fortſchritte der
preußiſchen Partei in erheblichem Maße, und die bekannte Plochinger
Verſammlung konnte die großartige Wirkung nicht hervorbringen welche
man von ihr gehofft hatte. Deſſenungeachtet iſt dieſe Partei noch immer
ſtark und mächtig, ſie zählt den größten Theil der vormärzlichen Liberalen
in ihren Reihen, und es iſt kein Zweifel daß ſie ohne jene preußiſchen
Propoſitionen eine anſehnlichere Zahl von Vertretern in der nächſten Lan-
desverſammlung gefunden hätte. Doch ſteht dieſe Partei nach ihrem Organ
— der Württembergiſchen Zeitung — hinſichtlich der Wahlen nur der
Volkspartei gegenüber; ſie verſchmäht keinen liberal monarchiſch-conſtitutio-
nell geſinnten Candidaten, wenn ein ſolcher auch in der deutſchen Frage eine
abweichende Anſicht hat. Dagegen verfährt die Volkspartei ganz excluſiv,
dieſe empfiehlt nur ihre unbedingten Anhänger als würdige Repräſentan-
ten des ſouveränen Volks, und hält die Empfehlung von ſolchen Candi-
daten nur in denjenigen Wahlbezirken für nöthig welche die letzte Wahl
mit Volksmännern nicht bereits beglückt hat, ſo daß von den 64 Wahl-
bezirken nur 24 übrig bleiben, in welchen neue Candidaten ſtatt der zu
der letzten Verſammlung gewählten conſervativen Volksvertreter zu em-
pfehlen ſind; denn in 40 Bezirken ſind lediglich die letztmal gewählten
Volksmänner als neue Abgeordnete aufgeſtellt. Dieſe Aufſtellung erfolgte
in der kürzlich zu Göppingen abgehaltenen Verſammlung mit einer Zu-
verſicht und Sicherheit, daß es kaum erklärlich iſt warum dieſe Partei doch
ſo großartige Vorbereitungen und Anſtalten trifft, um die von ihr vorge-
ſchlagenen und empfohlenen Candidaten durchzuſetzen; es iſt bei dem Hohn-
gelächter über einzelne Gegencandidaten, das in der Göppinger Verſamm-
lung ſo oft wiedergekehrt ſeyn ſoll, kaum zu begreifen warum ſich das
Organ der Volkspartei — der Beobachter — wiederholt ereifert daß von
Seiten des Miniſteriums Einfluß auf die nachgeſetzten Beamten geübt
werde, um miniſterielle Candidaten in die Verſammlung zu bringen. Die
Volkspartei hätte offenbar annehmen ſollen das ſouveräne Volk werde keiner
Belehrung von Seite der mißliebigen Bureaukraten, denen ſie längſt allen
und jeden Einfluß auf dasſelbe zu entziehen ſtrebte, zugänglich ſeyn, eine
ſolche vielmehr geradezu abweiſen und nur an die allein beglückende Lehre
der Volksmänner glauben. Freilich wäre es für dieſe Partei beſſer wenn
das gegenwärtige Miniſterium die gleiche paſſive Stellung bei der neuen
Wahl einhielte, wie bei der vorigen Wahl das Märzminiſterium. Damals
agitirten Beamte, Profeſſoren, Schulmeiſter ꝛc. im Intereſſe der Volks-
partei; ein Theil der erſteren ſcheute ſich nicht in ſeinen Amtsbezirken
Männer als Volksvertreter zu empfehlen welche kurz zuvor der Anklage
gegen die Miniſter auf Hochverrath wegen Sprengung der ſogenannten
deutſchen Nationalverſammlung beigeſtimmt hatten. So mußte freilich
die Begriffsverwirrung, insbeſondere beim Landmann, ſich ſteigern. Der
einfache Landmann konnte ſich offenbar nicht vorſtellen daß untergeordnete
Diener, denen doch die Gunſt oder Mißgunſt ihrer Departementschefs nicht
gleichgütig ſeyn kann, in Wahrheit gegen dieſe ſich benehmen werden,
vielmehr mußten dieſe glauben daß es der Beamte mit der Regierung gut
meine, und dieſer Glaube nützte der Volkspartei weſentlich, welche ohne-
[Spaltenumbruch] hin alle ihre Leute zur Wahl zu beſtimmen wußte, während der größte
Theil der Conſervativen zu Hauſe blieb und ſeinen Geſchäften, namentlich
in der Ernte, nachging. Jetzt werden freilich ſolche Beamte wenigſtens
vorſichtiger ſich benehmen, oder aber paſſiv ſich verhalten, ſollten ſie auch
von ihrer vermeintlichen Dienſtpflicht für das ſouveräne Volk noch nicht
abgekommen ſeyn. Als ein weiterer Mißſtand wird vom Beobachter die
Zerſplitterung der Wahlbezirke in mehrere Wahldiſtricte gerügt. Bei der
letzten Wahl fand die Abſtimmung nur in Städten oder in einzelnen grö-
ßeren Gemeinden eines Wahlbezirks ſtatt. In dieſem befinden ſich in der
Regel Zweigvereine des Landesausſchuſſes oder Volksvereine, und durch
dieſe konnte auf jede Weiſe zu Gunſten des Candidaten der Volkspartei ge-
wirkt werden, wie denn auch Fälle bekannt ſind in welchen unzweifelhaft
die Freiheit der Wahl vernichtet wurde. Die Wähler vom Lande wurden
nicht ſelten verhöhnt und bedroht, wollten ſie den auf einen conſervativen
Candidaten lautenden Wahlzettel nicht ſofort mit einem demokratiſchen
Stimmzettel vertauſchen. So entſtanden gerechte Klagen über Wahl-
beeinträchtigungen, und nicht ſelten hörte man von Landleuten daß ſie
nimmermehr in der Stadt abſtimmen werden. Dieſem Uebelſtand ſucht
die Miniſterialverfügung über die Anordnung der neuen Wahlen abzuhelfen.
Durch dieſelbe werden die einzelnen Wahldiſtricte in mehrere Abſtimmungs-
orte eingetheilt, wo ſich theilweiſe nicht nur keine Volksvereine, ſondern
ſogar Piusvereine befinden. Freilich würden alle dieſe Anordnungen die
Wahlen zum Nachtheil der Volkspartei nicht zu geſtalten vermögen, würde
nicht auch die andere Partei Energie und Rührigkeit zeigen; würde dieſe
nicht einſehen daß dringend geboten ſey ſeine Staatsbürgerpflicht in der
gegenwärtigen Lage des Vaterlandes zu erfüllen; und dieſes iſt wohl der
Hauptgrund warum die Volkspartei auf der einen Seite ſich ſich ſo ſicher
gibt, auf der andern aber einen Centralwahlausſchuß bildet und alle
Volksvereine und Volksmänner zur angeſtrengteſten und umſichtigſten
Thätigkeit auffordert. Noch iſt es nicht gewiß für welche Partei die Wah-
len den Ausſchlag geben werden; aber betheiligten ſich die conſervativ ge-
ſinnten Wahlberechtigten des württembergiſchen Volks bei den Wahlen,
handelten ſie mit vereinter Kraft gegen die feindliche Partei, und räumen
ſie nicht wie das letztemal derſelben im voraus das Feld, ſo iſt kaum zu
zweifeln daß ihnen der Sieg für die gute Sache, für das Beſte des Landes
zufallen wird.



Hamburg.
IV.

Lamartine bezeichnet die Girondiſten als
Demokraten welche ſich nach den Umſtänden richten, und Robespierre
und die Bergpartei als Demokraten nach Principien. Iſt dieſe Definition
richtig, ſo liegt in dem Untergang beider Parteien ſchwerlich etwas ande-
res als die Lehre daß es nur durch richtige Vermittlung der Umſtände und
Principien gelingen kann der Reſtauration einen Damm entgegenzuſetzen
und die Revolution zur Reformation zu verklären. Je ſchwerer aber dieſe
Vermittlung ſich erreichen läßt, je mehr es dazu einer glücklichen Con-
ſtellation bedarf, um ſo unſeliger iſt es wenn man den günſtigen Moment,
den die Geſchichte in roſenfarbener Feenlaune darbot, ungenützt ent-
fliehen ließ.

Die höheren Stände hatten ihre Pflicht gegen die unteren verſäumt
und eine Demarcationslinie gezogen ähnlich jenem rothen Seil das, wie
Venedey erzählt, bei den Polenbällen in London in einem und demſelben
Saal die Nobility von der Mobility trennt. In Folge deſſen erneuerte
ſich die Revolution und mit ihr die Forderung der ſogenannten unteren
Stände ſich ſelber an der Sorge für ihr leibliches und geiſtiges Wohl zu
betheiligen und zu dem Ende politiſcher Rechte theilhaftig zu werden.
Die Erfahrung der letzten Jahre widerſprach dieſer Forderung nicht, ſie
empfahl das allgemeine Stimmrecht wenigſtens negativ, wenigſtens in ſofern
als die Beſchränkungen von neuem zur Revolution geführt hatten; zu der
Erfahrung aber geſellten ſich innere Gründe, und ſo konnte es als ein
Princip gelten. Die innern Gründe waren freilich auch zumeiſt nega-
tiver Art: die Feſtſtellung des Cenſus hatte in fich ſelbſt etwas willkür-
liches, der Beſitz war — und ſchon der Name „Glücksgüter“ ſprach dieß
aus — kein congruenter Maßſtab für Bürgertugend und common sense;
doch fehlte es auch nicht ganz an poſitiven Gründen, namentlich berief
man ſich auf die indirecten Steuern und die Wehrpflicht. Und dem Prin-
cip waren offenbar die Umſtände günſtig, viel weniger zwar gleich nach
der Revolution als in jenem Moment wo die Frankfurter Verſammlung
ihr Werk beendet zu haben ſchien. Die Gunſt der Umſtände aber war
um ſo wichtiger, da einerſeits das allgemeine Wahlrecht als die beſte
praktiſche Lehrmethode zur Erziehung von Staatsbürgern und als das
geeignetſte Mittel gegen die Revolution erſchien, während es andererſeits
ein Experiment war das die Geſellſchaft ſchlimm gefährden konnte. Frei-

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[587/0011] Wer den Gedankengang der ganzen Conception verfolgt, wird den ſtreng katholiſchen Charakter derſelben, das — bewußte oder unbewußte — Beſtreben nicht verkennen mit dem Gemäldeſchmuck den Dombau des 12ten Jahrhunderts im Geiſte ſeiner Gründer und Erbauer zu vollenden. In den Mitteln aber der Formenbildung, Darſtellung und Ausführung konnte jene Periode unentwickelter Kunſt nicht maßgebend ſeyn, und Schraudolph hat ſich dabei als einen der erſten Meiſter der Münchener Schule und von ihrem Geiſt durchdrungen bewährt. Edle, große Ge- ſtalten, würdige und doch freie Bewegungen, Charakterbildung und Aus- druck der Köpfe in großen Zügen, Verſtändniß und großartige Anlage der Gewänder, und Schönheit der Formen und Verhältniſſe: das find die Vorzüge dieſer Zeichnungen, die, großentheils in koloſſalem Maßſtab in Fresco ausgeführt, die öden Hallen des mächtigen Kaiſerdomes mit neuem, glänzenden Leben erfüllen, das als ein eben ſo erfreuliches denn be- deutendes Denkmal der Kunſtbeſtrebungen und der Kunſtliebe, die wir erlebt, genannt werden wird. Stuttgart. ** Stuttgart, 1 Febr. Die neuen Wahlen der Volksvertreter zur Verſammlung der Berathung einer Verfaſſungsreviſion beginnen im ganzen Lande am 19 d., und ſind jedenfalls am darauffolgenden Tag zu beendigen. Die Anordnung dieſer Wahlen brachte wieder Leben und Rührigkeit in die politiſchen Parteien, unter welchen ſeit Auflöſung der letzten Landesverſammlung hinſichtlich der innern politiſchen Zuſtände eine gewiſſe Ruhe eingetreten war. Die Agitationen für den Anſchluß an den preußiſchen Bundesſtaat dauerten jedoch fort, und es ſchien als ſollten allmählich alle Intelligenzen für denſelben gewonnen werden; doch die k. preußiſchen Propoſitionen vom 7 Jan. ſtörten die Fortſchritte der preußiſchen Partei in erheblichem Maße, und die bekannte Plochinger Verſammlung konnte die großartige Wirkung nicht hervorbringen welche man von ihr gehofft hatte. Deſſenungeachtet iſt dieſe Partei noch immer ſtark und mächtig, ſie zählt den größten Theil der vormärzlichen Liberalen in ihren Reihen, und es iſt kein Zweifel daß ſie ohne jene preußiſchen Propoſitionen eine anſehnlichere Zahl von Vertretern in der nächſten Lan- desverſammlung gefunden hätte. Doch ſteht dieſe Partei nach ihrem Organ — der Württembergiſchen Zeitung — hinſichtlich der Wahlen nur der Volkspartei gegenüber; ſie verſchmäht keinen liberal monarchiſch-conſtitutio- nell geſinnten Candidaten, wenn ein ſolcher auch in der deutſchen Frage eine abweichende Anſicht hat. Dagegen verfährt die Volkspartei ganz excluſiv, dieſe empfiehlt nur ihre unbedingten Anhänger als würdige Repräſentan- ten des ſouveränen Volks, und hält die Empfehlung von ſolchen Candi- daten nur in denjenigen Wahlbezirken für nöthig welche die letzte Wahl mit Volksmännern nicht bereits beglückt hat, ſo daß von den 64 Wahl- bezirken nur 24 übrig bleiben, in welchen neue Candidaten ſtatt der zu der letzten Verſammlung gewählten conſervativen Volksvertreter zu em- pfehlen ſind; denn in 40 Bezirken ſind lediglich die letztmal gewählten Volksmänner als neue Abgeordnete aufgeſtellt. Dieſe Aufſtellung erfolgte in der kürzlich zu Göppingen abgehaltenen Verſammlung mit einer Zu- verſicht und Sicherheit, daß es kaum erklärlich iſt warum dieſe Partei doch ſo großartige Vorbereitungen und Anſtalten trifft, um die von ihr vorge- ſchlagenen und empfohlenen Candidaten durchzuſetzen; es iſt bei dem Hohn- gelächter über einzelne Gegencandidaten, das in der Göppinger Verſamm- lung ſo oft wiedergekehrt ſeyn ſoll, kaum zu begreifen warum ſich das Organ der Volkspartei — der Beobachter — wiederholt ereifert daß von Seiten des Miniſteriums Einfluß auf die nachgeſetzten Beamten geübt werde, um miniſterielle Candidaten in die Verſammlung zu bringen. Die Volkspartei hätte offenbar annehmen ſollen das ſouveräne Volk werde keiner Belehrung von Seite der mißliebigen Bureaukraten, denen ſie längſt allen und jeden Einfluß auf dasſelbe zu entziehen ſtrebte, zugänglich ſeyn, eine ſolche vielmehr geradezu abweiſen und nur an die allein beglückende Lehre der Volksmänner glauben. Freilich wäre es für dieſe Partei beſſer wenn das gegenwärtige Miniſterium die gleiche paſſive Stellung bei der neuen Wahl einhielte, wie bei der vorigen Wahl das Märzminiſterium. Damals agitirten Beamte, Profeſſoren, Schulmeiſter ꝛc. im Intereſſe der Volks- partei; ein Theil der erſteren ſcheute ſich nicht in ſeinen Amtsbezirken Männer als Volksvertreter zu empfehlen welche kurz zuvor der Anklage gegen die Miniſter auf Hochverrath wegen Sprengung der ſogenannten deutſchen Nationalverſammlung beigeſtimmt hatten. So mußte freilich die Begriffsverwirrung, insbeſondere beim Landmann, ſich ſteigern. Der einfache Landmann konnte ſich offenbar nicht vorſtellen daß untergeordnete Diener, denen doch die Gunſt oder Mißgunſt ihrer Departementschefs nicht gleichgütig ſeyn kann, in Wahrheit gegen dieſe ſich benehmen werden, vielmehr mußten dieſe glauben daß es der Beamte mit der Regierung gut meine, und dieſer Glaube nützte der Volkspartei weſentlich, welche ohne- hin alle ihre Leute zur Wahl zu beſtimmen wußte, während der größte Theil der Conſervativen zu Hauſe blieb und ſeinen Geſchäften, namentlich in der Ernte, nachging. Jetzt werden freilich ſolche Beamte wenigſtens vorſichtiger ſich benehmen, oder aber paſſiv ſich verhalten, ſollten ſie auch von ihrer vermeintlichen Dienſtpflicht für das ſouveräne Volk noch nicht abgekommen ſeyn. Als ein weiterer Mißſtand wird vom Beobachter die Zerſplitterung der Wahlbezirke in mehrere Wahldiſtricte gerügt. Bei der letzten Wahl fand die Abſtimmung nur in Städten oder in einzelnen grö- ßeren Gemeinden eines Wahlbezirks ſtatt. In dieſem befinden ſich in der Regel Zweigvereine des Landesausſchuſſes oder Volksvereine, und durch dieſe konnte auf jede Weiſe zu Gunſten des Candidaten der Volkspartei ge- wirkt werden, wie denn auch Fälle bekannt ſind in welchen unzweifelhaft die Freiheit der Wahl vernichtet wurde. Die Wähler vom Lande wurden nicht ſelten verhöhnt und bedroht, wollten ſie den auf einen conſervativen Candidaten lautenden Wahlzettel nicht ſofort mit einem demokratiſchen Stimmzettel vertauſchen. So entſtanden gerechte Klagen über Wahl- beeinträchtigungen, und nicht ſelten hörte man von Landleuten daß ſie nimmermehr in der Stadt abſtimmen werden. Dieſem Uebelſtand ſucht die Miniſterialverfügung über die Anordnung der neuen Wahlen abzuhelfen. Durch dieſelbe werden die einzelnen Wahldiſtricte in mehrere Abſtimmungs- orte eingetheilt, wo ſich theilweiſe nicht nur keine Volksvereine, ſondern ſogar Piusvereine befinden. Freilich würden alle dieſe Anordnungen die Wahlen zum Nachtheil der Volkspartei nicht zu geſtalten vermögen, würde nicht auch die andere Partei Energie und Rührigkeit zeigen; würde dieſe nicht einſehen daß dringend geboten ſey ſeine Staatsbürgerpflicht in der gegenwärtigen Lage des Vaterlandes zu erfüllen; und dieſes iſt wohl der Hauptgrund warum die Volkspartei auf der einen Seite ſich ſich ſo ſicher gibt, auf der andern aber einen Centralwahlausſchuß bildet und alle Volksvereine und Volksmänner zur angeſtrengteſten und umſichtigſten Thätigkeit auffordert. Noch iſt es nicht gewiß für welche Partei die Wah- len den Ausſchlag geben werden; aber betheiligten ſich die conſervativ ge- ſinnten Wahlberechtigten des württembergiſchen Volks bei den Wahlen, handelten ſie mit vereinter Kraft gegen die feindliche Partei, und räumen ſie nicht wie das letztemal derſelben im voraus das Feld, ſo iſt kaum zu zweifeln daß ihnen der Sieg für die gute Sache, für das Beſte des Landes zufallen wird. Hamburg. IV. # Hamburg, 5 Jan. Lamartine bezeichnet die Girondiſten als Demokraten welche ſich nach den Umſtänden richten, und Robespierre und die Bergpartei als Demokraten nach Principien. Iſt dieſe Definition richtig, ſo liegt in dem Untergang beider Parteien ſchwerlich etwas ande- res als die Lehre daß es nur durch richtige Vermittlung der Umſtände und Principien gelingen kann der Reſtauration einen Damm entgegenzuſetzen und die Revolution zur Reformation zu verklären. Je ſchwerer aber dieſe Vermittlung ſich erreichen läßt, je mehr es dazu einer glücklichen Con- ſtellation bedarf, um ſo unſeliger iſt es wenn man den günſtigen Moment, den die Geſchichte in roſenfarbener Feenlaune darbot, ungenützt ent- fliehen ließ. Die höheren Stände hatten ihre Pflicht gegen die unteren verſäumt und eine Demarcationslinie gezogen ähnlich jenem rothen Seil das, wie Venedey erzählt, bei den Polenbällen in London in einem und demſelben Saal die Nobility von der Mobility trennt. In Folge deſſen erneuerte ſich die Revolution und mit ihr die Forderung der ſogenannten unteren Stände ſich ſelber an der Sorge für ihr leibliches und geiſtiges Wohl zu betheiligen und zu dem Ende politiſcher Rechte theilhaftig zu werden. Die Erfahrung der letzten Jahre widerſprach dieſer Forderung nicht, ſie empfahl das allgemeine Stimmrecht wenigſtens negativ, wenigſtens in ſofern als die Beſchränkungen von neuem zur Revolution geführt hatten; zu der Erfahrung aber geſellten ſich innere Gründe, und ſo konnte es als ein Princip gelten. Die innern Gründe waren freilich auch zumeiſt nega- tiver Art: die Feſtſtellung des Cenſus hatte in fich ſelbſt etwas willkür- liches, der Beſitz war — und ſchon der Name „Glücksgüter“ ſprach dieß aus — kein congruenter Maßſtab für Bürgertugend und common sense; doch fehlte es auch nicht ganz an poſitiven Gründen, namentlich berief man ſich auf die indirecten Steuern und die Wehrpflicht. Und dem Prin- cip waren offenbar die Umſtände günſtig, viel weniger zwar gleich nach der Revolution als in jenem Moment wo die Frankfurter Verſammlung ihr Werk beendet zu haben ſchien. Die Gunſt der Umſtände aber war um ſo wichtiger, da einerſeits das allgemeine Wahlrecht als die beſte praktiſche Lehrmethode zur Erziehung von Staatsbürgern und als das geeignetſte Mittel gegen die Revolution erſchien, während es andererſeits ein Experiment war das die Geſellſchaft ſchlimm gefährden konnte. Frei-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 6. Februar 1850, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine37_1850/11>, abgerufen am 21.11.2024.