Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 6. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
bei den Landgerichten in erster oder zweiter Instanz behandelten Rechts- München, 4 Febr. Ihren geehrten *** Correspondenten || München, 4 Febr. Die heutige Abgeordnetensitzung eröffnet || München, 5 Febr. Unsere Abgeordneten versammelten sich l München, 4 Febr. Die Nachrichten aus Griechenland [Spaltenumbruch]
bei den Landgerichten in erſter oder zweiter Inſtanz behandelten Rechts- ⊙ München, 4 Febr. Ihren geehrten *** Correſpondenten ‖ München, 4 Febr. Die heutige Abgeordnetenſitzung eröffnet ‖ München, 5 Febr. Unſere Abgeordneten verſammelten ſich ⠇ München, 4 Febr. Die Nachrichten aus Griechenland <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0003" n="579"/><cb/> bei den Landgerichten in erſter oder zweiter Inſtanz behandelten Rechts-<lb/> ſtreitigkeiten beziehungsweiſe zweite oder dritte Inſtanz. In Handels-<lb/> ſachen werden zwei Inſtanzen beibehalten. Die Senate der Kreisgerichte<lb/> beſtehen aus fünf, bei Aburtheilung von Verbrechen aus ſieben Gerichts-<lb/> mitgliedern; bei Mercantilſachen aus vier Gerichtsmitgliedern und drei<lb/> Richtern aus dem Handelsſtand. In den Senaten präſidirt der Präſident<lb/> und der Director. Das <hi rendition="#g">Oberlandesgericht</hi> tritt in den Wirkungs-<lb/> kreis des Oberappellationsgerichtes. Die Senate desſelben beſtehen aus<lb/> ſechs Räthen und einem Director und ſollen vom Präſidium auf ein Jahr<lb/> gebildet und alle Jahre dann die Hälfte jedes Senats gewechſelt werden.<lb/> Der Präſident kann den Vorſitz in jedem Senat übernehmen und einen<lb/> Wechſel der Directoren im Vorſitz anordnen. Nun folgen noch Beſtim-<lb/> mungen über das Verfahren bei Ablehnungen (Perhorrescirungen). Bei<lb/> Ablehnung eines Bezirksrichters entſcheidet das Landgericht über die Be-<lb/> gründung derſelben; ſollen einer oder mehrere Collegialräthe abgelehnt<lb/> werden, ſo entſcheidet ein Senat desſelben Gerichtes darüber; werden aber<lb/> ſo viele zu perhorresciren geſucht daß ein Senat aus Nichtbetheiligten<lb/> nicht mehr gebildet werden kann, ſo entſcheidet das nächſt höhere Ge-<lb/> richt über die Ablehnungsfrage. Wird durch ſolche Perhorrescirungen<lb/> die Behandlung einer Streitſache bei einem Gericht unmöglich, ſo wird<lb/> dieſelbe an ein anderes gleichſtehendes Gericht verwieſen. Die dritte Ab-<lb/> theilung handelt von den General- und Staatsanwälten: die General-<lb/> ſtaatsanwälte ſtehen unter dem Juſtizminiſterium; die Anwälte am Kreis-<lb/> gericht und an den Landgerichten unter dem Generalſtaatsanwalte am ein-<lb/> ſchlägigen Kreisgerichte; der Juſtizminiſter kann ſämmtlichen Staats-<lb/> anwälten Weiſungen zugehen laſſen; dieſe ſind verpflichtet den Weiſun-<lb/> gen ihrer Obern zu folgen und ſogar beſtimmte Anträge zu ſtellen, ſelbſt<lb/> wenn ſie nicht damit einverſtanden ſeyn ſollten. Außer den den Staats-<lb/> anwälten durch die Geſetze übertragenen Geſchäſten haben dieſelben noch<lb/> beſonders das Hypotheken-, Notariats- und Vormundſchaftsweſen, ſowie<lb/> überhaupt alle Amtshandlungen der richterlichen und gerichtlichen Beam-<lb/> ten und Diener ihres Amtskreiſes zu überwachen. Die vierte Abtheilung<lb/> über das Notariat beſtimmt ganz kurz: zur Vornahme von Geſchäften der<lb/> nichtſtreitigen Rechtspflege; inſoweit dieſelben nicht dem zweiten Bezirks-<lb/> richter vorbehalten ſind (ſ. oben), wird die erforderliche Anzahl von No-<lb/> taren angeſtellt. Die fünfte Abtheilung beſchäftigt ſich mit dem Kanzlei-<lb/> perſonal und mit dem Einbringen der Taxen, und beſtimmt noch daß das<lb/> Depoſitenweſen ſowohl in der ſtreitigen als nichtſtreitigen Rechtspflege<lb/> unmittelbar von den Rentämtern beſorgt wird. Die in die ſechste Ab-<lb/> theilung zuſammengefaßten Schlußbeſtimmungen beſtimmen noch einiges<lb/> über die Art der Einführung dieſes Geſetzes; das Verzeichniß der neu ge-<lb/> ſchaffenen Gerichte und der Tag an welchem ſie ins Leben treten, werden<lb/> im Regierungsblatt bekannt gemacht; mit dieſem Tag hören alle beſtehen-<lb/> den allgemeinen, ſowie die in dieſem Geſetze nicht beſonders beibehaltenen<lb/> beſondern Gerichte und die bevorzugten Gerichtsſtände auf. Die Un-<lb/> terſuchung und Aburtheilung in Polizeiſtrafſachen bleibt bis zum Erſchei-<lb/> nen eines Polizeiſtrafgeſetzbuches den Polizeibehörden vorbehalten. Die<lb/> Geſetze über Gerichtsverfaſſung und das Notariat, beſagt die letzte Be-<lb/> ſtimmung, treten an einem und demſelben durch Regierungsverordnung<lb/> zu beſtimmenden Tag in Wirkſamkeit. Wir haben bereits früher berichtet<lb/> welche auf die Durchführung dieſes Geſetzes bezüglichen Wünſche von den<lb/> Reichsräthen dieſem Geſetz angehängt wurden, ſowie daß das Miniſterium<lb/> die Einbringung eines allgemeinen Polizeiſtrafgeſetzbuches noch für dieſen<lb/> Landtag wiederholt in Ausſicht ſtellte.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>⊙ <hi rendition="#b">München,</hi> 4 Febr.</dateline> <p>Ihren geehrten *** Correſpondenten<lb/> muß ich dringend bitten meine Briefe aufmerkſamer zu leſen, damit<lb/> er ſich künftig die ſehr unnütze Mühe erſpare Dinge zu berichtigen welche<lb/> nicht darin ſtehen. Ich bemerkte daß der Armenball vom 31 Jan. zum<lb/> erſtenmal alle Stände und Individualitäten Münchens ohne Namens-<lb/> controlle der Einlaßkarten vereinigt habe. Dieß iſt buchſtäblich wahr.<lb/> Bei allen ähnlichen gemiſchten Bällen, wo Hof und hoher Adel erſchien,<lb/> auch bei den Künſtlerbällen wurden die Billets bisher nur für beſtimmte<lb/> Perſonen ausgeſtellt, und ſomit eine Controlle geübt. Was die Looſe be-<lb/> trifft, ſo war die urſprüngliche Zahl 20,000, welche allerdings auf 31,000<lb/> erhöht wurde, weil noch in den letzten Tagen viele freiwillige Gaben als<lb/> Gewinnſte eingeſandt wurden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>‖ <hi rendition="#b">München,</hi> 4 Febr.</dateline> <p>Die heutige Abgeordnetenſitzung eröffnet<lb/> der Präſident mit Verleſung einer warm gehaltenen Adreſſe der Be-<lb/> wohner von Tönning in Schleswig, in welcher der Kammer für ihren Beſchluß<lb/> vom 11 v. M. gedankt wird. Auf der Tagesordnung iſt die Berathung des<lb/> Geſetzes: „Die Verpflichtung zum Erſatze des bei Aufläufen dieſſeits des<lb/> Rheins verurſachten Schadens betreffend.“ <hi rendition="#g">Prell</hi> und Conſorten ſtellen<lb/> den präjudiciellen Antrag: die Berathung bis zum Erſcheinen eines die<lb/> allgemeine Wehrpflicht und die Gemeinde Organiſation regelnden Ge-<lb/><cb/> ſ<supplied>e</supplied>tzes zu verſchieben. Er wird nach langer Discuſſion abgelehnt, die<lb/> allgemeine Discuſſion kurz abgemacht und zur ſpeciellen übergegangen.<lb/> Hier wird Art. 1 des Entwurfs — „jede politiſche Gemeinde in deren<lb/> Bezirk von einer zuſammengerotteten bewaffneten oder unbewaffneten<lb/> Menge oder von einzelnen aus derſelben mit offener Gewalt Verbrechen<lb/> oder Vergehen gegen Perſonen oder das Eigenthum verübt worden ſind,<lb/> iſt verbunden den dadurch verurſachten Schaden zu erſetzen“ — mit einem<lb/> vom Ausſchuß beantragten Zuſatz — „für jenen Betrag des Schadens,<lb/> welcher dem Beſchädigten aus Verſicherungsanſtalten erſetzt wird, haftet<lb/> die Gemeinde weder dem Beſchädigten noch der treffenden Anſtalt.“<lb/> Der Art. 2 ſoll die Ausnahmen von der im Art. 1 enthaltenen Regel feſt-<lb/> ſtellen; ſieben verſchiedene Modificationen werden entwickelt, bekämpft<lb/> und vertheidigt. Die Abſtimmung ergibt die Annahme der Artikel mit<lb/> einer Modiſication <hi rendition="#g">Wiedenhofers,</hi> er lautet ſomit: „Der erſte Abſatz<lb/> des vorſtehenden Art. 1 ſindet keine Anwendung: 1) wenn die zuſammen-<lb/> gerottete Menge überwiegend aus Perſonen beſteht die aus einer andern<lb/> Gemeinde gekommen ſind, und die Einwohner der Gemeinde in welcher<lb/> die Gewaltthätigkeit begangen wurde, außer Stand waren die Beſchädi-<lb/> gung zu hindern, oder 2) wenn die zuſammengerottete Menge überwiegend<lb/> aus nichtbeurlaubten Soldaten beſteht. Die Pflicht des Schadenerſatzes<lb/> geht im letztern Fall auf den Staat über, im erſtern ſind die Gemeinden<lb/> oder die Gemeinde aus deren Mitte die Theilnehmer an dem in einer<lb/> andern Gemeinde verübten Verbrechen gekommen ſind, zur Schadloshal-<lb/> tung in der Vorausſetzung verpflichtet daß ſie aus der Beſchaffenheit der<lb/> Umſtände die verbrecheriſche Abſicht ihrer Angehörigen zu erkennen ver-<lb/> mochten.“ Die abgelehnte Modiſication von Wallerſtein, Morgenſtern<lb/> und Kolb bezweckte die Erſatzpflicht dem Staate auch in den Fällen zu<lb/> überbürden wo der Schade durch Ausländer verübt, oder ſolvente Schul-<lb/> dige nicht gefunden werden, oder wenn in der betreffenden Gemeinde eine<lb/> bewaffnete Landwehr nicht activ iſt u. dgl. Morgen wird die Berathung<lb/> der noch übrigen vier Paragraphen fortgeſetzt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>‖ <hi rendition="#b">München,</hi> 5 Febr.</dateline> <p>Unſere Abgeordneten verſammelten ſich<lb/> zur heutigen Sitzung ſo langſam und ſpärlich daß eine Stunde nach der<lb/> beſtimmten Anfangszeit erſt noch abgezählt werden mußte ob die beſchluß-<lb/> fähige Anzahl anweſend ſey. Da ſich dieſe herausſtellte, wurde die ge-<lb/> ſtern begonnene Berathung des Geſetzes über die Erſatzpflicht für den bei<lb/> Aufläufen verurſachten Schaden fortgeſetzt und glücklich beendet. Das<lb/> ganze Geſetz wurde bei der namentlichen Endabſtimmung mit 118 gegen<lb/> 12 Stimmen angenommen (die Minorität bildeten Mitglieder verſchiede-<lb/> ner Fractionen) und der Wunſch angehängt: daß baldmöglichſt ein Geſetz<lb/> über das Aufgebot der bewaffneten Macht und die Anwendnng der Waf-<lb/> fengewalt bei Zuſammenrottungen eingebracht werde. Die heute an-<lb/> genommenen Artikel des Geſetzes beſtimmen wie gleich nach einem Auf-<lb/> lauf Größe und Nebenumſtände des Schadens erhoben werden ſollen;<lb/> dann daß die Forderungen auf gütlichem Weg verglichen werden können,<lb/> außerdem den Stadtgerichten die Entſcheidung zuſteht; zur Klageſtellung<lb/> gegen die Gemeinden beſteht eine präcluſive Friſt von einem Jahr, zur<lb/> Verhandlung iſt ein ſummariſches Verfahren vorgeſchrieben, gegen das<lb/> Urtheil nur an die zweite Inſtanz Berufung zuläſſig, die Verhandlung<lb/> erfolgt in öffentlicher Sitzung; zur Deckung der für den Schadenerſatz<lb/> und die Koſten erforderlichen Mittel ſoll eine Umlage von der Geſammt-<lb/> heit der Steuerpflichtigen in der Gemeinde nach Maßgabe der vereinigten<lb/> directen Steuern erhoben werden; Vertheilung und Beitreibung geſchieht<lb/> durch die Gemeinde oder die vorgeſetzte Verwaltungsbehörde; die Ge-<lb/> meinde und reſp. der Staat haben den Regreß gegen die Urheber ꝛc. gel-<lb/> tend zu machen; bei Zahlungsunfähigkeit dieſer letzteren hat, inſoferne ſie<lb/> im Staats- oder Militärdienſt ſtehen, die Staatscaſſe die Zahlungsver-<lb/> pflichtung der Gemeinde gegenüber zu übernehmen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>⠇ <hi rendition="#b">München,</hi> 4 Febr.</dateline> <p>Die Nachrichten aus Griechenland<lb/> erregen hier allgemein das größte Aufſehen und die unumwundenſte<lb/> Entrüſtung. Der Vorfall in Athen iſt einer der grellſten Ausbrüche von<lb/> Lord Palmerſtons vulcaniſcher Natur, der ſeine eigenen Geſchöpfe nur<lb/> unwillig folgen. Man vermuthet hier daß die kleineren und zum Theil<lb/> faſt chimäriſchen Forderungen nur vorangeſtellt worden ſeyen, um bald<lb/> mit größeren nachzukommen. Ich höre daß auch nicht eine der griechi-<lb/> ſchen Oppoſitionszeitungen, auch nicht die ſonſt immer engliſchen Lobes<lb/> volle Elpis, den brittiſchen Gewaltmaßregeln das Wort ſpricht. Das<lb/> möchte der edle Lord doch kaum erwartet haben. — Mit unſeren Gewerbe-<lb/> und Handelskammern in Städten und größeren Bezirken iſt eine neue<lb/> Organiſation getroffen worden. Sie ſollen künftig drei ſelbſtändige Ab-<lb/> theilungen unter der Benennung: Gewerbe-, Fabrik- und Handelsrath<lb/> umfaſſen. Die Bildung derſelben geſchieht durch freie indirecte Wahl.<lb/> Auch ihr Wirkungskreis iſt ein erweiterter, wie das ſo eben ausgegebene<lb/> Regierungsblatt Nr. 8 kundgibt.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [579/0003]
bei den Landgerichten in erſter oder zweiter Inſtanz behandelten Rechts-
ſtreitigkeiten beziehungsweiſe zweite oder dritte Inſtanz. In Handels-
ſachen werden zwei Inſtanzen beibehalten. Die Senate der Kreisgerichte
beſtehen aus fünf, bei Aburtheilung von Verbrechen aus ſieben Gerichts-
mitgliedern; bei Mercantilſachen aus vier Gerichtsmitgliedern und drei
Richtern aus dem Handelsſtand. In den Senaten präſidirt der Präſident
und der Director. Das Oberlandesgericht tritt in den Wirkungs-
kreis des Oberappellationsgerichtes. Die Senate desſelben beſtehen aus
ſechs Räthen und einem Director und ſollen vom Präſidium auf ein Jahr
gebildet und alle Jahre dann die Hälfte jedes Senats gewechſelt werden.
Der Präſident kann den Vorſitz in jedem Senat übernehmen und einen
Wechſel der Directoren im Vorſitz anordnen. Nun folgen noch Beſtim-
mungen über das Verfahren bei Ablehnungen (Perhorrescirungen). Bei
Ablehnung eines Bezirksrichters entſcheidet das Landgericht über die Be-
gründung derſelben; ſollen einer oder mehrere Collegialräthe abgelehnt
werden, ſo entſcheidet ein Senat desſelben Gerichtes darüber; werden aber
ſo viele zu perhorresciren geſucht daß ein Senat aus Nichtbetheiligten
nicht mehr gebildet werden kann, ſo entſcheidet das nächſt höhere Ge-
richt über die Ablehnungsfrage. Wird durch ſolche Perhorrescirungen
die Behandlung einer Streitſache bei einem Gericht unmöglich, ſo wird
dieſelbe an ein anderes gleichſtehendes Gericht verwieſen. Die dritte Ab-
theilung handelt von den General- und Staatsanwälten: die General-
ſtaatsanwälte ſtehen unter dem Juſtizminiſterium; die Anwälte am Kreis-
gericht und an den Landgerichten unter dem Generalſtaatsanwalte am ein-
ſchlägigen Kreisgerichte; der Juſtizminiſter kann ſämmtlichen Staats-
anwälten Weiſungen zugehen laſſen; dieſe ſind verpflichtet den Weiſun-
gen ihrer Obern zu folgen und ſogar beſtimmte Anträge zu ſtellen, ſelbſt
wenn ſie nicht damit einverſtanden ſeyn ſollten. Außer den den Staats-
anwälten durch die Geſetze übertragenen Geſchäſten haben dieſelben noch
beſonders das Hypotheken-, Notariats- und Vormundſchaftsweſen, ſowie
überhaupt alle Amtshandlungen der richterlichen und gerichtlichen Beam-
ten und Diener ihres Amtskreiſes zu überwachen. Die vierte Abtheilung
über das Notariat beſtimmt ganz kurz: zur Vornahme von Geſchäften der
nichtſtreitigen Rechtspflege; inſoweit dieſelben nicht dem zweiten Bezirks-
richter vorbehalten ſind (ſ. oben), wird die erforderliche Anzahl von No-
taren angeſtellt. Die fünfte Abtheilung beſchäftigt ſich mit dem Kanzlei-
perſonal und mit dem Einbringen der Taxen, und beſtimmt noch daß das
Depoſitenweſen ſowohl in der ſtreitigen als nichtſtreitigen Rechtspflege
unmittelbar von den Rentämtern beſorgt wird. Die in die ſechste Ab-
theilung zuſammengefaßten Schlußbeſtimmungen beſtimmen noch einiges
über die Art der Einführung dieſes Geſetzes; das Verzeichniß der neu ge-
ſchaffenen Gerichte und der Tag an welchem ſie ins Leben treten, werden
im Regierungsblatt bekannt gemacht; mit dieſem Tag hören alle beſtehen-
den allgemeinen, ſowie die in dieſem Geſetze nicht beſonders beibehaltenen
beſondern Gerichte und die bevorzugten Gerichtsſtände auf. Die Un-
terſuchung und Aburtheilung in Polizeiſtrafſachen bleibt bis zum Erſchei-
nen eines Polizeiſtrafgeſetzbuches den Polizeibehörden vorbehalten. Die
Geſetze über Gerichtsverfaſſung und das Notariat, beſagt die letzte Be-
ſtimmung, treten an einem und demſelben durch Regierungsverordnung
zu beſtimmenden Tag in Wirkſamkeit. Wir haben bereits früher berichtet
welche auf die Durchführung dieſes Geſetzes bezüglichen Wünſche von den
Reichsräthen dieſem Geſetz angehängt wurden, ſowie daß das Miniſterium
die Einbringung eines allgemeinen Polizeiſtrafgeſetzbuches noch für dieſen
Landtag wiederholt in Ausſicht ſtellte.
⊙ München, 4 Febr. Ihren geehrten *** Correſpondenten
muß ich dringend bitten meine Briefe aufmerkſamer zu leſen, damit
er ſich künftig die ſehr unnütze Mühe erſpare Dinge zu berichtigen welche
nicht darin ſtehen. Ich bemerkte daß der Armenball vom 31 Jan. zum
erſtenmal alle Stände und Individualitäten Münchens ohne Namens-
controlle der Einlaßkarten vereinigt habe. Dieß iſt buchſtäblich wahr.
Bei allen ähnlichen gemiſchten Bällen, wo Hof und hoher Adel erſchien,
auch bei den Künſtlerbällen wurden die Billets bisher nur für beſtimmte
Perſonen ausgeſtellt, und ſomit eine Controlle geübt. Was die Looſe be-
trifft, ſo war die urſprüngliche Zahl 20,000, welche allerdings auf 31,000
erhöht wurde, weil noch in den letzten Tagen viele freiwillige Gaben als
Gewinnſte eingeſandt wurden.
‖ München, 4 Febr. Die heutige Abgeordnetenſitzung eröffnet
der Präſident mit Verleſung einer warm gehaltenen Adreſſe der Be-
wohner von Tönning in Schleswig, in welcher der Kammer für ihren Beſchluß
vom 11 v. M. gedankt wird. Auf der Tagesordnung iſt die Berathung des
Geſetzes: „Die Verpflichtung zum Erſatze des bei Aufläufen dieſſeits des
Rheins verurſachten Schadens betreffend.“ Prell und Conſorten ſtellen
den präjudiciellen Antrag: die Berathung bis zum Erſcheinen eines die
allgemeine Wehrpflicht und die Gemeinde Organiſation regelnden Ge-
ſetzes zu verſchieben. Er wird nach langer Discuſſion abgelehnt, die
allgemeine Discuſſion kurz abgemacht und zur ſpeciellen übergegangen.
Hier wird Art. 1 des Entwurfs — „jede politiſche Gemeinde in deren
Bezirk von einer zuſammengerotteten bewaffneten oder unbewaffneten
Menge oder von einzelnen aus derſelben mit offener Gewalt Verbrechen
oder Vergehen gegen Perſonen oder das Eigenthum verübt worden ſind,
iſt verbunden den dadurch verurſachten Schaden zu erſetzen“ — mit einem
vom Ausſchuß beantragten Zuſatz — „für jenen Betrag des Schadens,
welcher dem Beſchädigten aus Verſicherungsanſtalten erſetzt wird, haftet
die Gemeinde weder dem Beſchädigten noch der treffenden Anſtalt.“
Der Art. 2 ſoll die Ausnahmen von der im Art. 1 enthaltenen Regel feſt-
ſtellen; ſieben verſchiedene Modificationen werden entwickelt, bekämpft
und vertheidigt. Die Abſtimmung ergibt die Annahme der Artikel mit
einer Modiſication Wiedenhofers, er lautet ſomit: „Der erſte Abſatz
des vorſtehenden Art. 1 ſindet keine Anwendung: 1) wenn die zuſammen-
gerottete Menge überwiegend aus Perſonen beſteht die aus einer andern
Gemeinde gekommen ſind, und die Einwohner der Gemeinde in welcher
die Gewaltthätigkeit begangen wurde, außer Stand waren die Beſchädi-
gung zu hindern, oder 2) wenn die zuſammengerottete Menge überwiegend
aus nichtbeurlaubten Soldaten beſteht. Die Pflicht des Schadenerſatzes
geht im letztern Fall auf den Staat über, im erſtern ſind die Gemeinden
oder die Gemeinde aus deren Mitte die Theilnehmer an dem in einer
andern Gemeinde verübten Verbrechen gekommen ſind, zur Schadloshal-
tung in der Vorausſetzung verpflichtet daß ſie aus der Beſchaffenheit der
Umſtände die verbrecheriſche Abſicht ihrer Angehörigen zu erkennen ver-
mochten.“ Die abgelehnte Modiſication von Wallerſtein, Morgenſtern
und Kolb bezweckte die Erſatzpflicht dem Staate auch in den Fällen zu
überbürden wo der Schade durch Ausländer verübt, oder ſolvente Schul-
dige nicht gefunden werden, oder wenn in der betreffenden Gemeinde eine
bewaffnete Landwehr nicht activ iſt u. dgl. Morgen wird die Berathung
der noch übrigen vier Paragraphen fortgeſetzt.
‖ München, 5 Febr. Unſere Abgeordneten verſammelten ſich
zur heutigen Sitzung ſo langſam und ſpärlich daß eine Stunde nach der
beſtimmten Anfangszeit erſt noch abgezählt werden mußte ob die beſchluß-
fähige Anzahl anweſend ſey. Da ſich dieſe herausſtellte, wurde die ge-
ſtern begonnene Berathung des Geſetzes über die Erſatzpflicht für den bei
Aufläufen verurſachten Schaden fortgeſetzt und glücklich beendet. Das
ganze Geſetz wurde bei der namentlichen Endabſtimmung mit 118 gegen
12 Stimmen angenommen (die Minorität bildeten Mitglieder verſchiede-
ner Fractionen) und der Wunſch angehängt: daß baldmöglichſt ein Geſetz
über das Aufgebot der bewaffneten Macht und die Anwendnng der Waf-
fengewalt bei Zuſammenrottungen eingebracht werde. Die heute an-
genommenen Artikel des Geſetzes beſtimmen wie gleich nach einem Auf-
lauf Größe und Nebenumſtände des Schadens erhoben werden ſollen;
dann daß die Forderungen auf gütlichem Weg verglichen werden können,
außerdem den Stadtgerichten die Entſcheidung zuſteht; zur Klageſtellung
gegen die Gemeinden beſteht eine präcluſive Friſt von einem Jahr, zur
Verhandlung iſt ein ſummariſches Verfahren vorgeſchrieben, gegen das
Urtheil nur an die zweite Inſtanz Berufung zuläſſig, die Verhandlung
erfolgt in öffentlicher Sitzung; zur Deckung der für den Schadenerſatz
und die Koſten erforderlichen Mittel ſoll eine Umlage von der Geſammt-
heit der Steuerpflichtigen in der Gemeinde nach Maßgabe der vereinigten
directen Steuern erhoben werden; Vertheilung und Beitreibung geſchieht
durch die Gemeinde oder die vorgeſetzte Verwaltungsbehörde; die Ge-
meinde und reſp. der Staat haben den Regreß gegen die Urheber ꝛc. gel-
tend zu machen; bei Zahlungsunfähigkeit dieſer letzteren hat, inſoferne ſie
im Staats- oder Militärdienſt ſtehen, die Staatscaſſe die Zahlungsver-
pflichtung der Gemeinde gegenüber zu übernehmen.
⠇ München, 4 Febr. Die Nachrichten aus Griechenland
erregen hier allgemein das größte Aufſehen und die unumwundenſte
Entrüſtung. Der Vorfall in Athen iſt einer der grellſten Ausbrüche von
Lord Palmerſtons vulcaniſcher Natur, der ſeine eigenen Geſchöpfe nur
unwillig folgen. Man vermuthet hier daß die kleineren und zum Theil
faſt chimäriſchen Forderungen nur vorangeſtellt worden ſeyen, um bald
mit größeren nachzukommen. Ich höre daß auch nicht eine der griechi-
ſchen Oppoſitionszeitungen, auch nicht die ſonſt immer engliſchen Lobes
volle Elpis, den brittiſchen Gewaltmaßregeln das Wort ſpricht. Das
möchte der edle Lord doch kaum erwartet haben. — Mit unſeren Gewerbe-
und Handelskammern in Städten und größeren Bezirken iſt eine neue
Organiſation getroffen worden. Sie ſollen künftig drei ſelbſtändige Ab-
theilungen unter der Benennung: Gewerbe-, Fabrik- und Handelsrath
umfaſſen. Die Bildung derſelben geſchieht durch freie indirecte Wahl.
Auch ihr Wirkungskreis iſt ein erweiterter, wie das ſo eben ausgegebene
Regierungsblatt Nr. 8 kundgibt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |