Allgemeine Zeitung, Nr. 45, 14. Februar 1871.[Spaltenumbruch]
menten ausgeführt. Wir können dem Werke, soweit es vorliegt, nachrüh- Der Fürstbischof von Breslau und der Jesuitismus. Breslau, 29 Febr. III.*) So in der Gegenwart. Die Ereignisse Summa summarum: Niederlage in der Gegenwart, Preisgeben des "Lieb Vaterland, magst ruhig sein." Statt des alten Joches das du Doch schweigen wir von dem unglücklichen Manne, dessen Gemüth von Wohin aber treibt das Schiff des von den Jesuiten regierten Papst- Jn den Wegen der Vorsehung liegt häufig die Jronie daß der Erfolg *) S. Allg. Ztg. Nr. 43 Beilage. **) So nannte "der gefeierte Redner" der kailolischen Genera'versammlung in
Aachen die Staatsgymnasien und Universitäten. Vrgl. Schulte, Macht der röm. Päpste, S. 14 Anmerkung. [Spaltenumbruch]
menten ausgeführt. Wir können dem Werke, ſoweit es vorliegt, nachrüh- Der Fürſtbiſchof von Breslau und der Jeſuitismus. ꕤ Breslau, 29 Febr. III.*) So in der Gegenwart. Die Ereigniſſe Summa ſummarum: Niederlage in der Gegenwart, Preisgeben des „Lieb Vaterland, magſt ruhig ſein.“ Statt des alten Joches das du Doch ſchweigen wir von dem unglücklichen Manne, deſſen Gemüth von Wohin aber treibt das Schiff des von den Jeſuiten regierten Papſt- Jn den Wegen der Vorſehung liegt häufig die Jronie daß der Erfolg *) S. Allg. Ztg. Nr. 43 Beilage. **) So nannte „der gefeierte Redner“ der kailoliſchen Genera’verſammlung in
Aachen die Staatsgymnaſien und Univerſitäten. Vrgl. Schulte, Macht der röm. Päpſte, S. 14 Anmerkung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <floatingText> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <p><pb facs="#f0011" n="751"/><cb/> menten ausgeführt. Wir können dem Werke, ſoweit es vorliegt, nachrüh-<lb/> men daß es den Leſer eben ſo ſehr zu unterhalten als zu belehren im<lb/> Stande iſt, ein Lob das ſich ohne Zweifel der folgende Theil in gleichem<lb/> Maße verdienen wird.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Fürſtbiſchof von Breslau und der Jeſuitismus.</hi><lb/> <hi rendition="#aq">III.</hi> <note place="foot" n="*)">S. Allg. Ztg. Nr. 43 Beilage.</note> </head><lb/> <dateline>ꕤ <hi rendition="#b">Breslau,</hi> 29 Febr.</dateline> <p>So in der Gegenwart. Die Ereigniſſe<lb/> werfen aber auch einen Schatten in die Zukunft. 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Der Jeſuitismus iſt<lb/> der unverſöhnliche Feind der deutſchen Einheit unter dem Hauſe Hohen-<lb/> zollern, welches jetzt die deutſche Kaiſerkrone trägt; ſeine Anhänger, die<lb/> Jnfallibiliſten, können gegenüber der infallibel gewordenen Bulle Bonifa-<lb/> cius’ <hi rendition="#aq">VIII Unam sanctam</hi> welche obendrein noch durch das fünfte <hi rendition="#aq">Conci-<lb/> lium Lateranense</hi> unter Leo <hi rendition="#aq">X</hi> beſtätigt wurde, den Eid der Treue gegen<lb/> Kaiſer und König nur mit einer jeſuitiſchen <hi rendition="#aq">reſervatio mentalis</hi> ſchwören.<lb/> Die hieſigen „Hausblätter“ nennen Rom nicht allein „die einzige Quelle<lb/> der Wahrheit und des Lichts,“ ſondern plaudern auch in ihrer plumpen<lb/> Weiſe aus daß die Katholiken (ſie verwechſeln Katholicismus mit Jeſuitis-<lb/> mus) das „hauptſächliche Hinderniß der Unificirung Deutſchlands“ ſeien.<lb/> Jn den durch Hrn. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Förſter herbeigeführten Wirren ſind alle Behör-<lb/> den, Provincialſchulcollegium, Univerſitätscuratorium, akademiſcher Se-<lb/> nat, Oberpräſidium und Cultusminiſterium, engagirt worden, und haben<lb/> Einblick in Dinge gewonnen an deren Möglichkeit man bisher kaum dachte.<lb/> Hr. <hi rendition="#aq">Dr</hi> Förſter wird zwar von den Behörden weder als Charakter noch<lb/> als Capacität für einen Mann gehalten dem eine beſondere Aufmerkſam-<lb/> keit zu ſchenken ſie für nöthig erachten, aber auch der geiſtvolle und fein-<lb/> geſchliffene Erzbiſchof von Poſen, Hr. 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Weder an die Errichtung dieſer Schule noch eines zweiten katho-<lb/> liſchen Gymnaſiums kann nun gedacht werden. Wenn der jetzt ſchlum-<lb/> mernde Streit der Commune mit dem Cultusminiſterium über die Schul-<lb/> frage wieder erwacht — gegenwärtig werden die beiden für die confeſſions-<lb/> loſen Schulen errichteten Gebäude anderweitig benutzt — dann wird über<lb/> die Anſprüche der Katholiken, deren Zahl in Breslau mehr als ein Drittel<lb/> der ganzen Bevölkerung beträgt, ſtillſchweigend zur Tagesordnung über-<lb/> gegangen, und die Katholiken werden, eingedenk des Verfahrens ihres Bi-<lb/> ſchofs gegen das Matthias-Gymnaſium, ruhig zuſehen; höchſtens werden<lb/> die „Hausblätter“ ihrer unmächtigen Leidenſchaft zum Geſpött und Ge-<lb/> lächter Breslau’s Luft machen. Nicht beſſer ſtehen die Ausſichten für Hrn.<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> Förſter und ſeine <hi rendition="#aq">confratres</hi> an den Univerſitäten, dieſen verrotteten<lb/> Ketzern eſtern und „Teufelsanſtalten,“<note place="foot" n="**)">So nannte „der gefeierte Redner“ der kailoliſchen Genera’verſammlung in<lb/> Aachen die Staatsgymnaſien und Univerſitäten. Vrgl. Schulte, Macht der röm.<lb/> Päpſte, S. 14 Anmerkung.</note> an denen die ungeheure Mehr-<lb/> zahl der Profeſſoren welche die künftigen Lehrer an höhern Schulanſtalten<lb/> bilden und, trotz biſchöflicher Verbote, auch auf die Studierenden der katho-<lb/> liſchen Theologie unwillkürlich Einfluß ausüben, nun einmal keine Luſt<lb/> haben ihre Wiſſenſchaft nach den infallibeln Grundſätzen Gregors <hi rendition="#aq">VII</hi>,<lb/> Pauls <hi rendition="#aq">IV</hi> und Bonifacius’ <hi rendition="#aq">VIII</hi> oder nach dem Zuſchnitt des jetzt gleichfalls<lb/> infallibel gewordenen Syllabus mit der denkwürdigen Encyklica vom 8 Dec.<lb/> 1864 vorzutragen. Fürſtliche Gnaden mögen wohl Recht gehabt haben,<lb/> als Hochdieſelben in der Angelegenheit der beabſichtigten Gründung einer<lb/> ſpeciſiſch-katholiſchen Univerſität das kräftige Wort niederſchrieben, das<lb/> dann vielleicht nicht ganz mit ihrem Willen gedruckt wurde: „Der Teu-<lb/> fel hantiert jetzt überall, am meiſten aber in der ſogenannten deutſchen<lb/><cb/> Wiſſenſchaft.“ Hr. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Förſter und ſeine HH. <hi rendition="#aq">conſratres</hi> haben es aber<lb/> gewiß ſelbſt verſchuldet daß das Project der Gründung einer beſondern<lb/> katholiſchen Univerſität in Fulda endgültig gefallen iſt. Niemals kann<lb/> die preußiſche Staatsregierung hiezu die Conceſſion oder gar Rechte er-<lb/> theilen, und wo ſind katholiſche Gelehrte von einiger Diſtinction welche<lb/> durch die Annahme einer Berufung an die projectirte Jeſuitenanſtalt ihren<lb/> wiſſenſchaftlichen Namen und ihren perſönlichen Charakter gefährden möch-<lb/> ten? Doch eins könnte geſchehen, es könnte eine jeſuitiſche Winkelſchule<lb/> unter dem Namen eines biſchöflichen Seminars in Schleſien gegründet<lb/> werden, in welcher der zukünftige Klerus von Jugend auf iſolirt und die<lb/> freie Regung des Geiſtes unterdrückt würde. Wohlan! Tödtet den Geiſt!<lb/> Wo der Geiſt nicht regiert, da regiert das Fleiſch und des Fleiſches Sünde.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">Summa ſummarum:</hi> Niederlage in der Gegenwart, Preisgeben des<lb/> Einfluſſes für die Zukunft — neue Macht erſtrebt, alte Macht vermindert.<lb/> Das Gegentheil von dem iſt geſchehen, und wird geſchehen, was man er-<lb/> ſtrebt hat. Das iſt das Facit des Vorgehens des Hrn. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Förſter und<lb/> ſeiner HH. <hi rendition="#aq">confratres</hi> in Preußen.</p><lb/> <p>„Lieb Vaterland, magſt ruhig ſein.“ Statt des alten Joches das du<lb/> eben abſchüttelſt, werden ſie dir ein neues, das Jeſuitenjoch, nicht aufzu-<lb/> zwingen vermögen. Jhr aber die ihr im geiſtigen Kampfe gegen roma-<lb/> niſche Corruption ſteht, haltet aus wie unſere Streiter mit den Waffen in<lb/> Frankreich, die gegen dieſelbe Corruption, nur auf einem andern Gebiete,<lb/> kämpfen. Eurer Wahrheitsliebe und eurer Ueberzeugungstreue wird einſt<lb/> die Geſchichte in ehrenvoller Weiſe gedenken. Und welches Mal wird Hr.<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> Förſter an ſeiner Stirne tragen?</p><lb/> <p>Doch ſchweigen wir von dem unglücklichen Manne, deſſen Gemüth von<lb/> den Gegenſätzen der Beſorgniß vor Rom und des Machtgefühls von unten,<lb/> der leidenſchaftlichen Erregung und der ſentimentalen Schwäche ruhelos<lb/> geſchaukelt wird. Niemand hält den bejahrten Mann, deſſen Vergangenheit<lb/> man ſehr wohl kennt, für einen Jeſuiten. Jhm ſowohl als ſeinem General-<lb/> vicar, einem liberalen Katholiken, der ſich in ſeinen jüngern Jahren für die<lb/> Aufhebung des Cölibats intereſſirte, wäre ein Stein vom Herzen genom-<lb/> men worden wenn ſie des neuen Dogma’s hätten überhoben werden kön-<lb/> nen. Auch der letztere hat früher aus ſeinem Unglauben bezüglich der<lb/> Jnfallibilität kein Hehl gemacht, aber in richtiger und ſchlauer Würdi-<lb/> gung der in Rom ſich entwickelnden Dinge ſchon im Beginn des Concils<lb/> zu einem Geiſtlichen, der ſich gegen den Syllabus erklärt hatte, officiell ge-<lb/> ſagt: „Sie haben nichts zu verantworten, Sie haben nur zu gehorchen.“</p><lb/> <p>Wohin aber treibt das Schiff des von den Jeſuiten regierten Papſt-<lb/> thums und des Epiſkopats, der in ſeiner ſelbſtändigen apoſtoliſchen Würde<lb/> faſt vernichtet und zur päpſtlichen Hofdienerſchaft herabgeſetzt iſt?</p><lb/> <p>Jn den Wegen der Vorſehung liegt häufig die Jronie daß der Erfolg<lb/> menſchlicher Thaten in das Gegentheil der Abſicht umſchlägt. <hi rendition="#aq">Quos Deus<lb/> perdere vult, eos prius dementat.</hi> Die Concilsmajorität wollte durch die<lb/> Jnfallibilität das Gebäude des mittelalterlichen Papſtthums krönen —<lb/> ſie hat ihm den Leichenkranz aufgeſetzt und ein Sterbehaus aus ihm<lb/> gemacht. Das Concil iſt ein Todtentanz auf dem Kirchhofe des Mit-<lb/> telalters bei dem fahlen Mondſchein verirrter jeſuitiſcher Doctrinen<lb/> geworden; ſein Kind, die Jnfallibilität, iſt ein nachgebornes Kind des<lb/> Mittelalters. Nicht hervorgegangen aus dem Bedürfniſſe der katholiſchen<lb/> Chriſtenheit nach der Löſung allgemeiner Glaubensfragen, hat das vati-<lb/> caniſche Concil das mächtige Bollwerk gegen dogmatiſche Willkür, den<lb/> Traditionsbegriff des <hi rendition="#aq">concilium Tridentinum,</hi> vernichtet, und nur als<lb/> Mittel für die Zwecke jener Partei gedient nach deren Statut der Einzelne<lb/> in der Hand des Generals der Stab eines Greiſes oder ein Cadaver ſein<lb/> ſoll. Es iſt in mancher Diöceſe gelungen Kirchhofsſtille unter den Geiſt-<lb/> lichen herbeizuführen. Warum auch nicht? Der Brodkorb wird ja ſo leicht<lb/> zum Maulkorb. Aber noch hat keine Macht Beſtand gehabt in der nicht<lb/> der Geiſt der Wahrheit und der Liebe und der Geiſt der chriſtlichen Frei-<lb/> heit herrſchte. Das jetzige Stadium des römiſchen Papſtthums ſteht paral-<lb/> lel der höchſten Blüthe des politiſchen Abſolutismus. Der Abſolutismus<lb/> war aber überall der Vater der Heuchelei und des Servilismus und der<lb/> Vater der Revolution. Warum? Er trachtet darnach unter dem Vorwande<lb/> höherer Weiſungen das göttliche Ebenbild im Menſchen zu morden, den<lb/> Geiſt, der frei ſein ſoll in der Wiedergeburt durch das Evangelium. Drei<lb/> Worte haben den Verlauf des politiſchen Abſolutismus bezeichnet, drei<lb/> Worte werden auch die Geſchicke des päpſtlichen Abſolutismus bezeichnen.<lb/> Dem famoſen Worte Ludwigs <hi rendition="#aq">XIV: „l’état c’est moi“</hi> iſt aus dem Munde<lb/> des greiſen Pius <hi rendition="#aq">IX</hi>, der nicht wußte was er ſprach, das Wort: <hi rendition="#aq">„la<lb/> tradizione ſon io“</hi> an die Seite getreten. Der politiſche Abſolutismus ver-<lb/> langte <hi rendition="#aq">obéissance aveugle,</hi> der päpſtliche verlangt dasſelbe, und noch mehr:<lb/><hi rendition="#aq">il sacrificio dell’ intelletto.</hi> Jener kannte keine vor dem Geſetz verant-<lb/> wortlichen Miniſter, ſondern im Grunde nur königliche Lakaien; dieſer kann<lb/> keine ſelbſtändigen apoſtoliſchen Biſchöfe, ſondern nur päpſtliche Kammer-<lb/> diener dulden. Die Logik der weltgeſchichtlichen Proceſſe iſt aber unerbittlich<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </p> </div> </body> </text> </TEI> [751/0011]
menten ausgeführt. Wir können dem Werke, ſoweit es vorliegt, nachrüh-
men daß es den Leſer eben ſo ſehr zu unterhalten als zu belehren im
Stande iſt, ein Lob das ſich ohne Zweifel der folgende Theil in gleichem
Maße verdienen wird.
Der Fürſtbiſchof von Breslau und der Jeſuitismus.
III. *)
ꕤ Breslau, 29 Febr. So in der Gegenwart. Die Ereigniſſe
werfen aber auch einen Schatten in die Zukunft. Die preußiſche Staats-
regierung, welche bisher den Jeſuitismus wenig beachtete, hat Poſition ge-
nommen und ſteht ihm gegenüber Gewehr bei Fuß. Der Jeſuitismus iſt
der unverſöhnliche Feind der deutſchen Einheit unter dem Hauſe Hohen-
zollern, welches jetzt die deutſche Kaiſerkrone trägt; ſeine Anhänger, die
Jnfallibiliſten, können gegenüber der infallibel gewordenen Bulle Bonifa-
cius’ VIII Unam sanctam welche obendrein noch durch das fünfte Conci-
lium Lateranense unter Leo X beſtätigt wurde, den Eid der Treue gegen
Kaiſer und König nur mit einer jeſuitiſchen reſervatio mentalis ſchwören.
Die hieſigen „Hausblätter“ nennen Rom nicht allein „die einzige Quelle
der Wahrheit und des Lichts,“ ſondern plaudern auch in ihrer plumpen
Weiſe aus daß die Katholiken (ſie verwechſeln Katholicismus mit Jeſuitis-
mus) das „hauptſächliche Hinderniß der Unificirung Deutſchlands“ ſeien.
Jn den durch Hrn. Dr. Förſter herbeigeführten Wirren ſind alle Behör-
den, Provincialſchulcollegium, Univerſitätscuratorium, akademiſcher Se-
nat, Oberpräſidium und Cultusminiſterium, engagirt worden, und haben
Einblick in Dinge gewonnen an deren Möglichkeit man bisher kaum dachte.
Hr. Dr Förſter wird zwar von den Behörden weder als Charakter noch
als Capacität für einen Mann gehalten dem eine beſondere Aufmerkſam-
keit zu ſchenken ſie für nöthig erachten, aber auch der geiſtvolle und fein-
geſchliffene Erzbiſchof von Poſen, Hr. Graf v. Ledochowski, der allezeit
geſchäftige und gewandte Commis voyageur des Jeſuitismus, mag ſich
nicht einbilden daß das ſüße Confect wohlwollender und vrrbindlicher
Aeußerungen, mit welchen man an allerhöchſter und höchſter Stelle den
Edelleuten von Diſtinctien in Preußen entgegenzukommen pflegt, mehr ſei
als jene vor dem Ernſt der Zeitverhältniſſe raſch in nichts verrinnende
Rückſicht chevaleresker Courtoiſie und feiner ariſtokratiſcher Tournure.
Man kennt die Ziele der Jeſuitenpartei, und weiß was man Deutſchland
ſchuldig iſt. Mag es unter den Polen gelungen ſein das biſchöfliche Se-
minar vollſtändig nach Weiſe des Collegio Romano einzurichten, und junge
reiche Damen der polniſchen Haute Volée zum Eintritt in das neugegründete
Kloſter der „barfüßigen Carmeliterinnen“ zu bewegen, in Schleſien wird
der Jeſuitismus immer ein exotiſches Gewächs bleiben. Ehrlichkeit und
Wahrheitstreue, Bildung und Wiſſenſchaft wenden ſich hier mit Abſcheu
von einer Richtung ab welche das Gepräge romaniſcher Corruption und
Geiſtesknechtſchaft an ſich trägt. Das Vorgehen des Hrn. Dr. Förſter hat
der hier beſtehenden Agitation gegen die confeſſionelle Schule den bedeu-
tendſten Vorſchub geleiſtet, und ſchon bedauern es viele Altkatholiken die
Adreſſe für die Errichtung einer katholiſchen Realſchule unterzeichnet zu
haben. Weder an die Errichtung dieſer Schule noch eines zweiten katho-
liſchen Gymnaſiums kann nun gedacht werden. Wenn der jetzt ſchlum-
mernde Streit der Commune mit dem Cultusminiſterium über die Schul-
frage wieder erwacht — gegenwärtig werden die beiden für die confeſſions-
loſen Schulen errichteten Gebäude anderweitig benutzt — dann wird über
die Anſprüche der Katholiken, deren Zahl in Breslau mehr als ein Drittel
der ganzen Bevölkerung beträgt, ſtillſchweigend zur Tagesordnung über-
gegangen, und die Katholiken werden, eingedenk des Verfahrens ihres Bi-
ſchofs gegen das Matthias-Gymnaſium, ruhig zuſehen; höchſtens werden
die „Hausblätter“ ihrer unmächtigen Leidenſchaft zum Geſpött und Ge-
lächter Breslau’s Luft machen. Nicht beſſer ſtehen die Ausſichten für Hrn.
Dr. Förſter und ſeine confratres an den Univerſitäten, dieſen verrotteten
Ketzern eſtern und „Teufelsanſtalten,“ **) an denen die ungeheure Mehr-
zahl der Profeſſoren welche die künftigen Lehrer an höhern Schulanſtalten
bilden und, trotz biſchöflicher Verbote, auch auf die Studierenden der katho-
liſchen Theologie unwillkürlich Einfluß ausüben, nun einmal keine Luſt
haben ihre Wiſſenſchaft nach den infallibeln Grundſätzen Gregors VII,
Pauls IV und Bonifacius’ VIII oder nach dem Zuſchnitt des jetzt gleichfalls
infallibel gewordenen Syllabus mit der denkwürdigen Encyklica vom 8 Dec.
1864 vorzutragen. Fürſtliche Gnaden mögen wohl Recht gehabt haben,
als Hochdieſelben in der Angelegenheit der beabſichtigten Gründung einer
ſpeciſiſch-katholiſchen Univerſität das kräftige Wort niederſchrieben, das
dann vielleicht nicht ganz mit ihrem Willen gedruckt wurde: „Der Teu-
fel hantiert jetzt überall, am meiſten aber in der ſogenannten deutſchen
Wiſſenſchaft.“ Hr. Dr. Förſter und ſeine HH. conſratres haben es aber
gewiß ſelbſt verſchuldet daß das Project der Gründung einer beſondern
katholiſchen Univerſität in Fulda endgültig gefallen iſt. Niemals kann
die preußiſche Staatsregierung hiezu die Conceſſion oder gar Rechte er-
theilen, und wo ſind katholiſche Gelehrte von einiger Diſtinction welche
durch die Annahme einer Berufung an die projectirte Jeſuitenanſtalt ihren
wiſſenſchaftlichen Namen und ihren perſönlichen Charakter gefährden möch-
ten? Doch eins könnte geſchehen, es könnte eine jeſuitiſche Winkelſchule
unter dem Namen eines biſchöflichen Seminars in Schleſien gegründet
werden, in welcher der zukünftige Klerus von Jugend auf iſolirt und die
freie Regung des Geiſtes unterdrückt würde. Wohlan! Tödtet den Geiſt!
Wo der Geiſt nicht regiert, da regiert das Fleiſch und des Fleiſches Sünde.
Summa ſummarum: Niederlage in der Gegenwart, Preisgeben des
Einfluſſes für die Zukunft — neue Macht erſtrebt, alte Macht vermindert.
Das Gegentheil von dem iſt geſchehen, und wird geſchehen, was man er-
ſtrebt hat. Das iſt das Facit des Vorgehens des Hrn. Dr. Förſter und
ſeiner HH. confratres in Preußen.
„Lieb Vaterland, magſt ruhig ſein.“ Statt des alten Joches das du
eben abſchüttelſt, werden ſie dir ein neues, das Jeſuitenjoch, nicht aufzu-
zwingen vermögen. Jhr aber die ihr im geiſtigen Kampfe gegen roma-
niſche Corruption ſteht, haltet aus wie unſere Streiter mit den Waffen in
Frankreich, die gegen dieſelbe Corruption, nur auf einem andern Gebiete,
kämpfen. Eurer Wahrheitsliebe und eurer Ueberzeugungstreue wird einſt
die Geſchichte in ehrenvoller Weiſe gedenken. Und welches Mal wird Hr.
Dr. Förſter an ſeiner Stirne tragen?
Doch ſchweigen wir von dem unglücklichen Manne, deſſen Gemüth von
den Gegenſätzen der Beſorgniß vor Rom und des Machtgefühls von unten,
der leidenſchaftlichen Erregung und der ſentimentalen Schwäche ruhelos
geſchaukelt wird. Niemand hält den bejahrten Mann, deſſen Vergangenheit
man ſehr wohl kennt, für einen Jeſuiten. Jhm ſowohl als ſeinem General-
vicar, einem liberalen Katholiken, der ſich in ſeinen jüngern Jahren für die
Aufhebung des Cölibats intereſſirte, wäre ein Stein vom Herzen genom-
men worden wenn ſie des neuen Dogma’s hätten überhoben werden kön-
nen. Auch der letztere hat früher aus ſeinem Unglauben bezüglich der
Jnfallibilität kein Hehl gemacht, aber in richtiger und ſchlauer Würdi-
gung der in Rom ſich entwickelnden Dinge ſchon im Beginn des Concils
zu einem Geiſtlichen, der ſich gegen den Syllabus erklärt hatte, officiell ge-
ſagt: „Sie haben nichts zu verantworten, Sie haben nur zu gehorchen.“
Wohin aber treibt das Schiff des von den Jeſuiten regierten Papſt-
thums und des Epiſkopats, der in ſeiner ſelbſtändigen apoſtoliſchen Würde
faſt vernichtet und zur päpſtlichen Hofdienerſchaft herabgeſetzt iſt?
Jn den Wegen der Vorſehung liegt häufig die Jronie daß der Erfolg
menſchlicher Thaten in das Gegentheil der Abſicht umſchlägt. Quos Deus
perdere vult, eos prius dementat. Die Concilsmajorität wollte durch die
Jnfallibilität das Gebäude des mittelalterlichen Papſtthums krönen —
ſie hat ihm den Leichenkranz aufgeſetzt und ein Sterbehaus aus ihm
gemacht. Das Concil iſt ein Todtentanz auf dem Kirchhofe des Mit-
telalters bei dem fahlen Mondſchein verirrter jeſuitiſcher Doctrinen
geworden; ſein Kind, die Jnfallibilität, iſt ein nachgebornes Kind des
Mittelalters. Nicht hervorgegangen aus dem Bedürfniſſe der katholiſchen
Chriſtenheit nach der Löſung allgemeiner Glaubensfragen, hat das vati-
caniſche Concil das mächtige Bollwerk gegen dogmatiſche Willkür, den
Traditionsbegriff des concilium Tridentinum, vernichtet, und nur als
Mittel für die Zwecke jener Partei gedient nach deren Statut der Einzelne
in der Hand des Generals der Stab eines Greiſes oder ein Cadaver ſein
ſoll. Es iſt in mancher Diöceſe gelungen Kirchhofsſtille unter den Geiſt-
lichen herbeizuführen. Warum auch nicht? Der Brodkorb wird ja ſo leicht
zum Maulkorb. Aber noch hat keine Macht Beſtand gehabt in der nicht
der Geiſt der Wahrheit und der Liebe und der Geiſt der chriſtlichen Frei-
heit herrſchte. Das jetzige Stadium des römiſchen Papſtthums ſteht paral-
lel der höchſten Blüthe des politiſchen Abſolutismus. Der Abſolutismus
war aber überall der Vater der Heuchelei und des Servilismus und der
Vater der Revolution. Warum? Er trachtet darnach unter dem Vorwande
höherer Weiſungen das göttliche Ebenbild im Menſchen zu morden, den
Geiſt, der frei ſein ſoll in der Wiedergeburt durch das Evangelium. Drei
Worte haben den Verlauf des politiſchen Abſolutismus bezeichnet, drei
Worte werden auch die Geſchicke des päpſtlichen Abſolutismus bezeichnen.
Dem famoſen Worte Ludwigs XIV: „l’état c’est moi“ iſt aus dem Munde
des greiſen Pius IX, der nicht wußte was er ſprach, das Wort: „la
tradizione ſon io“ an die Seite getreten. Der politiſche Abſolutismus ver-
langte obéissance aveugle, der päpſtliche verlangt dasſelbe, und noch mehr:
il sacrificio dell’ intelletto. Jener kannte keine vor dem Geſetz verant-
wortlichen Miniſter, ſondern im Grunde nur königliche Lakaien; dieſer kann
keine ſelbſtändigen apoſtoliſchen Biſchöfe, ſondern nur päpſtliche Kammer-
diener dulden. Die Logik der weltgeſchichtlichen Proceſſe iſt aber unerbittlich
*) S. Allg. Ztg. Nr. 43 Beilage.
**) So nannte „der gefeierte Redner“ der kailoliſchen Genera’verſammlung in
Aachen die Staatsgymnaſien und Univerſitäten. Vrgl. Schulte, Macht der röm.
Päpſte, S. 14 Anmerkung.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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