Allgemeine Zeitung, Nr. 74, 14. März 1848.
Berlin, 11 März. Die heutige Allg. Preuß. Ztg. veröffentlicht: Nachdem die deutsche Bundesversammlung unter dem 3 d. M. folgenden Gr. Oldenburg. Oldenburg, 8 März. Ein Regierungsrescript, Oesterreich. Triest, 8 März. Seit einigen Tagen ist die ** Wien, 10 März. Die auf Befehl des Kaisers heute ver-
Berlin, 11 März. Die heutige Allg. Preuß. Ztg. veröffentlicht: Nachdem die deutſche Bundesverſammlung unter dem 3 d. M. folgenden Gr. Oldenburg. Oldenburg, 8 März. Ein Regierungsreſcript, Oeſterreich. ⁑ Trieſt, 8 März. Seit einigen Tagen iſt die ** Wien, 10 März. Die auf Befehl des Kaiſers heute ver- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><cit><quote><pb facs="#f0005" n="1173"/><cb/> res und Volksbewaffnung mit freier Wahl der Führer; 8) allgemeine deut-<lb/> ſche Volksvertretung; 9) ſchleunigſte Einberufung des Vereinigten Land-<lb/> tags. Nur die Gewährung dieſer Wünſche wird im Stande ſeyn die<lb/> Eintracht zwiſchen König und Volk zu ſichern, auf welcher allein die<lb/> Kraft der Nation nach innen und außen beruht. In tiefſter Unter-<lb/> thänigkeit gegen Ew. Majeſtät verharren wir ꝛc.“</quote></cit> Was nun den oben<lb/> angegebenen unmittelbaren Gegenſtand der Verhandlungen anbetrifft,<lb/> ſo hatte der Polizeipräſident v. Minutoli bereits den Vorſchlag ge-<lb/> macht die Adreſſe durch die Poſt an den König gelangen zu laſſen.<lb/> Die Verſammlung verwarf dieß indeß als ihrer Würde unangemeſſen,<lb/> ebenſo anderweite Vorſchläge welche die Vermittlung des Miniſters<lb/> v. Bodelſchwingh oder des Hrn. v. Humboldt anzugehen riethen. Ein<lb/> vierter Vorſchlag, ohne weiteres eine Deputation an den König ab-<lb/> zuordnen und abzuwarten ob ſie angenommen oder abgewieſen würde,<lb/> erfreute ſich genauerer Prüfung, wurde aber doch gleichfalls abgelehnt,<lb/> weil man einerſeits dadurch Exceſſe herbeizuführen fürchtete, andrer-<lb/> ſeits es ungerechtfertigt erklärte den König in ſeinem eigenen Hauſe,<lb/> gleichſam als Eingriff in das Hausrecht, zu beläſtigen. Zwei folgende<lb/> Vorſchläge waren es endlich die ſich lange das Gleichgewicht hielten. Der<lb/> eine, dahin gerichtet die Eröffnung des Polizeipräſidenten als eine bloß<lb/> vorläufige nicht maßgebend ſeyn zu laſſen, vielmehr auf ordnungsmäßi-<lb/> gem Wege durch das Hofmarſchallamt eine Audienz beim Könige nach-<lb/> zuſuchen und den Erfolg abzuwarten. Der andere, ſich an die Stadt-<lb/> verordneten-Verſammlung zu wenden, ihr die Adreſſe zu überreichen und<lb/> ſie zu erſuchen dieſelbe gleichzeitig mit der ihrigen dem Könige zu<lb/> übergeben. Endlich wurde mit großer Majorität der letztere Vorſchlag<lb/> angenommen, jedoch für den unerwarteten Fall (aber wir halten ihn für<lb/> ſehr möglich!) daß die Stadtverordneten-Verſammlung die Annahme<lb/> der Adreſſe ablehnen ſollte, weiter beſchloſſen daß alsdann die Deputa-<lb/> tion auf ordnungsmäßigem Wege eine Audienz bei Sr. Maj. nachſuchen<lb/> ſollte. Die Verhandlungen dauerten bis 12 Uhr Mitternachts, ohne daß<lb/> auch nur einer der wieder eingetretenen Wintersjahrszeit ungeachtet<lb/> draußen ſeine Stelle verlaſſen hätte. Ja zuletzt befanden ſich alle im Freien<lb/> da die ſehr lange dauernden Abſtimmungen durch <hi rendition="#aq">itio in partes</hi> auf<lb/> offenem Platze bei Fackelſchein vorgenommen werden mußten. Trotz der<lb/> vielfachen und ſehr begreiflichen Anzüglichkeiten der einzelnen Redner auf<lb/> unſere politiſchen Zuſtände, welche jedesmal mit donnerndem Applaus<lb/> aufgenommen wurden, trotz der großen Schwierigkeiten welche eine<lb/> Verſammlung die theils im Zimmer, theils draußen iſt, dadurch ſich<lb/> ſelbſt entgegenſetzt, trotz der Gereiztheit worein ſich die Verſamm-<lb/> lung durch die polizeiliche Intervention verſetzt fand, war dennoch<lb/> die Ordnung eine ſehr befriedigende. Namentlich zeigte ſich über-<lb/> all ein durchweg geſetzlicher Sinn und der ernſte Wille neben allem Ei-<lb/> fer für neue Rechte dennoch kein beſtehendes Recht irgendwie anzutaſten,<lb/> oder gar gewaltſame Auftritte zu veranlaſſen. Dieß beurkundete ſich in<lb/> vielfachen großen und kleinen Zügen und bot einen ſehr bemerkenswerthen<lb/> Gegenſatz zu den krawallartigen Verſammlungen die wir zur Zeit der<lb/> lichtfreundlichen Bewegungen hatten. Lautlos zogen die Tauſende durch<lb/> den Thiergarten und das Brandenburger Thor in die Stadt zurück,<lb/> nachdem ſie ihre Beſchlüſſe gefaßt hatten. Wie wir ſpäter vernahmen<lb/> hatte der Polizeipräſident die Verſammlung geſtattet und die Aufrecht-<lb/> haltung der Ordnung ihrem eigenen Patriotismus anvertraut; die<lb/> nächſte Umgebung war deßhalb von dem Anblick der Polizei be-<lb/> freit, doch wollen ſcharfſichtige Augen im Dunkel der Nacht Gendar-<lb/> men bemerkt haben, welche ſpähend zwiſchen den Bäumen des Thiergar-<lb/> tens umhergingen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 11 März.</dateline> <p>Die heutige Allg. Preuß. Ztg. veröffentlicht:</p><lb/> <floatingText> <body> <div type="jReadersLetters" n="1"> <p>Nachdem die deutſche Bundesverſammlung unter dem 3 d. M. folgenden<lb/> Beſchluß gefaßt hat: <cit><quote>„Jedem deutſchen Bundesſtaate wird freigeſtellt die<lb/> Cenſur aufzuheben und Preßfreiheit einzuführen. 2) Dieß darf jedoch<lb/> nur unter Garantien geſchehen welche die anderen deutſchen Bundes-<lb/> ſtaaten und den ganzen Bund gegen den Mißbrauch der Preßfreiheit<lb/> möglichſt ſicherſtellen“,</quote></cit> und dadurch die Grundlagen gegeben ſind auf wel-<lb/> chen eine neue Bundes-Preßgeſetzgebung zu bauen Ich ſeit geraumer Zeit<lb/> beantragt habe, ſo würde meinerſeits nunmehr kein Hinderniß mehr ob-<lb/> walten die Cenſurfreiheit unter den nöthigen Garantien in Meinen<lb/> Staaten einzuführen, wenn Mich nicht der dringende Wunſch davon zu-<lb/> rückhielte in dieſer, wie in vielen andern wichtigen Angelegenheiten ein<lb/> gemeinſames deutſches Bundesrecht zu erſtreben. Demgemäß beauftrage<lb/> Ich das Staatsminiſterium unverzüglich ſolche Einleitungen zu treffen<lb/> daß Meine dahin gerichteten Anträge bei der Bundesverſammlung ſchleu-<lb/><cb/> nigſt zur Entſcheidung gefördert werden. Sollte dieß unerwartet auf<lb/> Hinderniſſe oder Verzögerungen ſtoßen, ſo würde Ich dann mit einer auf<lb/> Cenſurfreiheit begründeten, durchgreifenden Reform der Preßgeſetzgebung,<lb/> vorbehaltlich des ſpäteren ſtändiſchen Beiraths, interimiſtiſch vorgehen,<lb/> weßhalb auch dieſerhalb die Vorbereitungen ſo zu treffen ſind daß ein-<lb/> tretenden Falls ſofort ein Meinen Abſichten entſprechendes Geſetz erlaſſen<lb/> werden könne. <date>Berlin, den 8 März 1848.</date></p> <byline><hi rendition="#g">Friedrich Wilhelm.</hi> An<lb/> das Staatsminiſterium.“</byline> </div> </body> </floatingText> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Gr. 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Und alles dieſes geſchieht in Gratz und Wien,<lb/> wie die heutigen Zeitungen von dorther berichten, geſchieht in einem<lb/> Augenblicke in welchem die Nachrichten von dem Abſchluß des ruſſiſchen<lb/> Darlehens mit 30 Mill. und der Vorſchuß aus dem Privatvermögen der<lb/> kaiſerlichen Familie an die Staatscaſſe immer mehr an Conſiſtenz ge-<lb/> winnen. Wir zweifeln nicht daß ſich das geſunkene Vertrauen wieder<lb/> herſtellen wird wenn die Einwechslungen an den kaiſerlichen Caſſen<lb/> regelmäßig fortgehen, und kennen keinen Grund anzunehmen daß dieſes<lb/> aufhören werde; aber wir dürfen nicht ſchweigen über die Urſache dieſes<lb/> ſeit 37 Jahren unerhörten Ereigniſſes inmitten einer von allen politiſchen<lb/> Umtrieben entfernten friedlichen Bevölkerung. Vor einigen Tagen war<lb/> hier und, wie uns verſichert wird, auch in der Reſidenz das Gerücht ver-<lb/> breitet, die Staatsconferenz ſey endlich zu dem Entſchluſſe gelangt: die<lb/> ſtändiſchen Verfaſſungen neu zu beleben, die längſt erſehnte Gemeinde-<lb/> ordnung einzuführen und die ſeit den letzten Veränderungen bei der<lb/> Polizeihofftelle ſtraffer gezogenen Zügel der Cenſur zu lüften. Aber die<lb/> Nachricht welche allgemeine Freude erregte, erwies ſich als wenigſtens<lb/> voreilig; ja ſtatt der erwarteten Beſtätigung erſchien der merkwürdige<lb/> Artikel der Wiener Zeitung welcher, verſtehen wir ſeine Folgerungen<lb/> richtig, alle Conſtitutionen faſt offen als Anfänge zum Communismus<lb/> bezeichnet. Er erregte überall die größte Senſation. Dieſe Anklage,<lb/> welcher ein unverdienter Werth beigelegt wurde, weil man bei uns ge-<lb/> wohnt iſt alle leitenden Artikel als Ausfluß der Regierung zu betrachten,<lb/> muß um ſo ungeſchickter erſcheinen als wenige Meilen von der Reſidenz<lb/> ein conſtitutioneller Landtag verſammelt iſt, deſſen Recht durch Eid-<lb/> ſchwüre wie durch die Weihe der Jahrhunderte ebenſo gewährleiſtet iſt,<lb/> wie irgendein hiſtoriſches Recht. Sie werden wiſſen welche Antwort<lb/> von Preßburg aus erfolgte; die hochherzigen Magyaren, die einzigen<lb/> Habsburgs Scepter gehorchenden Völker welchen es geſtattet iſt die<lb/> Geſammtwünſche der Nation an die Stufen des Thrones zu bringen,<lb/> die edlen Söhne des herrlichen Ungarlandes haben ihre kräftige Stimme<lb/> erhoben für Verleihung verfaſſungsmäßiger Rechte an alle Ländertheile<lb/> Oeſterreichs; ſie haben mit kühnem Freimuth ihren Brüdern in der Lom-<lb/> bardei das Wort geredet und die Urſachen der beklagenswerthen Wirren<lb/> laut als mangelhafte Verfaſſungsform, unvereinbar mit dem allge-<lb/> meinen Bewußtſeyn der Zeit, bezeichnet. Jetzt fangen wir an zu hoffen.<lb/> Oeſterreich iſt geſund in Mark und Blut, ſeiner Dynaſtie treu ergeben,<lb/> abhold allen umſtürzenden Neuerungen, bereit mit Gut und Blut für<lb/> Kaiſer und Vaterland einzuſtehen, aber durch alle Schichten der Geſell-<lb/> ſchaft läuft der Ruf: So geht es nicht mehr, etwas muß geſchehen!<lb/> Mit Bangigkeit harren alle Provinzen der erſehnten Nachrichten aus<lb/> der Hofburg, um ein Freudengeſchrei zu erheben wie es in Oeſterreichs<lb/> Gauen noch nie gehört wurde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>** <hi rendition="#b">Wien,</hi> 10 März.</dateline> <p>Die auf Befehl des Kaiſers heute ver-<lb/> öffentlichte Erklärung daß die politiſchen Veränderungen in Frankreich<lb/> als eine innere Angelegenheit dieſes Landes angeſehen werden, worein<lb/> ſich Oeſterreich weder mittelbar noch unmittelbar — es ſey denn daß<lb/> die Gränzen des Kaiſerſtaates oder des deutſchen Bundesgebiets feind-<lb/> lich bedroht würden — einmengen wolle, hat auf das Publicum und<lb/> die Börſe eine ſehr beruhigende Wirkung geübt. Zugleich ſpricht der<lb/> Monarch den Willen aus die eigenen Staatsinſtitutionen gegen alle<lb/> Verſuche aufrechtzuerhalten. Der Wirkungskreis des Erzherzogs<lb/> Vicekönigs in Italien hat in mehrern Punkten eine Erweiterung er-<lb/> halten: ſo wird ihm unter anderm die Beſetzung gewiſſer Stellen und<lb/> die Verwendung der Landescaſſe bis zu einer bedeutenden Summe für<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1173/0005]
res und Volksbewaffnung mit freier Wahl der Führer; 8) allgemeine deut-
ſche Volksvertretung; 9) ſchleunigſte Einberufung des Vereinigten Land-
tags. Nur die Gewährung dieſer Wünſche wird im Stande ſeyn die
Eintracht zwiſchen König und Volk zu ſichern, auf welcher allein die
Kraft der Nation nach innen und außen beruht. In tiefſter Unter-
thänigkeit gegen Ew. Majeſtät verharren wir ꝛc.“ Was nun den oben
angegebenen unmittelbaren Gegenſtand der Verhandlungen anbetrifft,
ſo hatte der Polizeipräſident v. Minutoli bereits den Vorſchlag ge-
macht die Adreſſe durch die Poſt an den König gelangen zu laſſen.
Die Verſammlung verwarf dieß indeß als ihrer Würde unangemeſſen,
ebenſo anderweite Vorſchläge welche die Vermittlung des Miniſters
v. Bodelſchwingh oder des Hrn. v. Humboldt anzugehen riethen. Ein
vierter Vorſchlag, ohne weiteres eine Deputation an den König ab-
zuordnen und abzuwarten ob ſie angenommen oder abgewieſen würde,
erfreute ſich genauerer Prüfung, wurde aber doch gleichfalls abgelehnt,
weil man einerſeits dadurch Exceſſe herbeizuführen fürchtete, andrer-
ſeits es ungerechtfertigt erklärte den König in ſeinem eigenen Hauſe,
gleichſam als Eingriff in das Hausrecht, zu beläſtigen. Zwei folgende
Vorſchläge waren es endlich die ſich lange das Gleichgewicht hielten. Der
eine, dahin gerichtet die Eröffnung des Polizeipräſidenten als eine bloß
vorläufige nicht maßgebend ſeyn zu laſſen, vielmehr auf ordnungsmäßi-
gem Wege durch das Hofmarſchallamt eine Audienz beim Könige nach-
zuſuchen und den Erfolg abzuwarten. Der andere, ſich an die Stadt-
verordneten-Verſammlung zu wenden, ihr die Adreſſe zu überreichen und
ſie zu erſuchen dieſelbe gleichzeitig mit der ihrigen dem Könige zu
übergeben. Endlich wurde mit großer Majorität der letztere Vorſchlag
angenommen, jedoch für den unerwarteten Fall (aber wir halten ihn für
ſehr möglich!) daß die Stadtverordneten-Verſammlung die Annahme
der Adreſſe ablehnen ſollte, weiter beſchloſſen daß alsdann die Deputa-
tion auf ordnungsmäßigem Wege eine Audienz bei Sr. Maj. nachſuchen
ſollte. Die Verhandlungen dauerten bis 12 Uhr Mitternachts, ohne daß
auch nur einer der wieder eingetretenen Wintersjahrszeit ungeachtet
draußen ſeine Stelle verlaſſen hätte. Ja zuletzt befanden ſich alle im Freien
da die ſehr lange dauernden Abſtimmungen durch itio in partes auf
offenem Platze bei Fackelſchein vorgenommen werden mußten. Trotz der
vielfachen und ſehr begreiflichen Anzüglichkeiten der einzelnen Redner auf
unſere politiſchen Zuſtände, welche jedesmal mit donnerndem Applaus
aufgenommen wurden, trotz der großen Schwierigkeiten welche eine
Verſammlung die theils im Zimmer, theils draußen iſt, dadurch ſich
ſelbſt entgegenſetzt, trotz der Gereiztheit worein ſich die Verſamm-
lung durch die polizeiliche Intervention verſetzt fand, war dennoch
die Ordnung eine ſehr befriedigende. Namentlich zeigte ſich über-
all ein durchweg geſetzlicher Sinn und der ernſte Wille neben allem Ei-
fer für neue Rechte dennoch kein beſtehendes Recht irgendwie anzutaſten,
oder gar gewaltſame Auftritte zu veranlaſſen. Dieß beurkundete ſich in
vielfachen großen und kleinen Zügen und bot einen ſehr bemerkenswerthen
Gegenſatz zu den krawallartigen Verſammlungen die wir zur Zeit der
lichtfreundlichen Bewegungen hatten. Lautlos zogen die Tauſende durch
den Thiergarten und das Brandenburger Thor in die Stadt zurück,
nachdem ſie ihre Beſchlüſſe gefaßt hatten. Wie wir ſpäter vernahmen
hatte der Polizeipräſident die Verſammlung geſtattet und die Aufrecht-
haltung der Ordnung ihrem eigenen Patriotismus anvertraut; die
nächſte Umgebung war deßhalb von dem Anblick der Polizei be-
freit, doch wollen ſcharfſichtige Augen im Dunkel der Nacht Gendar-
men bemerkt haben, welche ſpähend zwiſchen den Bäumen des Thiergar-
tens umhergingen.
Berlin, 11 März.Die heutige Allg. Preuß. Ztg. veröffentlicht:
Nachdem die deutſche Bundesverſammlung unter dem 3 d. M. folgenden
Beſchluß gefaßt hat: „Jedem deutſchen Bundesſtaate wird freigeſtellt die
Cenſur aufzuheben und Preßfreiheit einzuführen. 2) Dieß darf jedoch
nur unter Garantien geſchehen welche die anderen deutſchen Bundes-
ſtaaten und den ganzen Bund gegen den Mißbrauch der Preßfreiheit
möglichſt ſicherſtellen“, und dadurch die Grundlagen gegeben ſind auf wel-
chen eine neue Bundes-Preßgeſetzgebung zu bauen Ich ſeit geraumer Zeit
beantragt habe, ſo würde meinerſeits nunmehr kein Hinderniß mehr ob-
walten die Cenſurfreiheit unter den nöthigen Garantien in Meinen
Staaten einzuführen, wenn Mich nicht der dringende Wunſch davon zu-
rückhielte in dieſer, wie in vielen andern wichtigen Angelegenheiten ein
gemeinſames deutſches Bundesrecht zu erſtreben. Demgemäß beauftrage
Ich das Staatsminiſterium unverzüglich ſolche Einleitungen zu treffen
daß Meine dahin gerichteten Anträge bei der Bundesverſammlung ſchleu-
nigſt zur Entſcheidung gefördert werden. Sollte dieß unerwartet auf
Hinderniſſe oder Verzögerungen ſtoßen, ſo würde Ich dann mit einer auf
Cenſurfreiheit begründeten, durchgreifenden Reform der Preßgeſetzgebung,
vorbehaltlich des ſpäteren ſtändiſchen Beiraths, interimiſtiſch vorgehen,
weßhalb auch dieſerhalb die Vorbereitungen ſo zu treffen ſind daß ein-
tretenden Falls ſofort ein Meinen Abſichten entſprechendes Geſetz erlaſſen
werden könne. Berlin, den 8 März 1848.
Friedrich Wilhelm. An
das Staatsminiſterium.“
Gr. Oldenburg.
Oldenburg, 8 März.Ein Regierungsreſcript,
dd. 7 März, erklärt der Großherzog werde, ſobald irgend thunlich, die
Stände berufen.
(B. H.)
Oeſterreich.
⁑ Trieſt, 8 März.Seit einigen Tagen iſt die
hieſige Cameralcaſſe förmlich belagert; alles was Banknoten beſitzt ſucht
ihrer los zu werden, als wäre der Staatsbankbruch vor der Thüre; im
Kleinhandel werden die Papiere ohne bedeutenden Abzug nicht genom-
men, und Wechſel wurden bereits proteſtirt weil man die Valuta nicht
in Silber ſaldiren wollte. Und alles dieſes geſchieht in Gratz und Wien,
wie die heutigen Zeitungen von dorther berichten, geſchieht in einem
Augenblicke in welchem die Nachrichten von dem Abſchluß des ruſſiſchen
Darlehens mit 30 Mill. und der Vorſchuß aus dem Privatvermögen der
kaiſerlichen Familie an die Staatscaſſe immer mehr an Conſiſtenz ge-
winnen. Wir zweifeln nicht daß ſich das geſunkene Vertrauen wieder
herſtellen wird wenn die Einwechslungen an den kaiſerlichen Caſſen
regelmäßig fortgehen, und kennen keinen Grund anzunehmen daß dieſes
aufhören werde; aber wir dürfen nicht ſchweigen über die Urſache dieſes
ſeit 37 Jahren unerhörten Ereigniſſes inmitten einer von allen politiſchen
Umtrieben entfernten friedlichen Bevölkerung. Vor einigen Tagen war
hier und, wie uns verſichert wird, auch in der Reſidenz das Gerücht ver-
breitet, die Staatsconferenz ſey endlich zu dem Entſchluſſe gelangt: die
ſtändiſchen Verfaſſungen neu zu beleben, die längſt erſehnte Gemeinde-
ordnung einzuführen und die ſeit den letzten Veränderungen bei der
Polizeihofftelle ſtraffer gezogenen Zügel der Cenſur zu lüften. Aber die
Nachricht welche allgemeine Freude erregte, erwies ſich als wenigſtens
voreilig; ja ſtatt der erwarteten Beſtätigung erſchien der merkwürdige
Artikel der Wiener Zeitung welcher, verſtehen wir ſeine Folgerungen
richtig, alle Conſtitutionen faſt offen als Anfänge zum Communismus
bezeichnet. Er erregte überall die größte Senſation. Dieſe Anklage,
welcher ein unverdienter Werth beigelegt wurde, weil man bei uns ge-
wohnt iſt alle leitenden Artikel als Ausfluß der Regierung zu betrachten,
muß um ſo ungeſchickter erſcheinen als wenige Meilen von der Reſidenz
ein conſtitutioneller Landtag verſammelt iſt, deſſen Recht durch Eid-
ſchwüre wie durch die Weihe der Jahrhunderte ebenſo gewährleiſtet iſt,
wie irgendein hiſtoriſches Recht. Sie werden wiſſen welche Antwort
von Preßburg aus erfolgte; die hochherzigen Magyaren, die einzigen
Habsburgs Scepter gehorchenden Völker welchen es geſtattet iſt die
Geſammtwünſche der Nation an die Stufen des Thrones zu bringen,
die edlen Söhne des herrlichen Ungarlandes haben ihre kräftige Stimme
erhoben für Verleihung verfaſſungsmäßiger Rechte an alle Ländertheile
Oeſterreichs; ſie haben mit kühnem Freimuth ihren Brüdern in der Lom-
bardei das Wort geredet und die Urſachen der beklagenswerthen Wirren
laut als mangelhafte Verfaſſungsform, unvereinbar mit dem allge-
meinen Bewußtſeyn der Zeit, bezeichnet. Jetzt fangen wir an zu hoffen.
Oeſterreich iſt geſund in Mark und Blut, ſeiner Dynaſtie treu ergeben,
abhold allen umſtürzenden Neuerungen, bereit mit Gut und Blut für
Kaiſer und Vaterland einzuſtehen, aber durch alle Schichten der Geſell-
ſchaft läuft der Ruf: So geht es nicht mehr, etwas muß geſchehen!
Mit Bangigkeit harren alle Provinzen der erſehnten Nachrichten aus
der Hofburg, um ein Freudengeſchrei zu erheben wie es in Oeſterreichs
Gauen noch nie gehört wurde.
** Wien, 10 März.Die auf Befehl des Kaiſers heute ver-
öffentlichte Erklärung daß die politiſchen Veränderungen in Frankreich
als eine innere Angelegenheit dieſes Landes angeſehen werden, worein
ſich Oeſterreich weder mittelbar noch unmittelbar — es ſey denn daß
die Gränzen des Kaiſerſtaates oder des deutſchen Bundesgebiets feind-
lich bedroht würden — einmengen wolle, hat auf das Publicum und
die Börſe eine ſehr beruhigende Wirkung geübt. Zugleich ſpricht der
Monarch den Willen aus die eigenen Staatsinſtitutionen gegen alle
Verſuche aufrechtzuerhalten. Der Wirkungskreis des Erzherzogs
Vicekönigs in Italien hat in mehrern Punkten eine Erweiterung er-
halten: ſo wird ihm unter anderm die Beſetzung gewiſſer Stellen und
die Verwendung der Landescaſſe bis zu einer bedeutenden Summe für
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(2022-03-29T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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