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Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Vaterlandes. Statt der stehenden Heere führe das Volk selbst die
Waffen zu Schutz und Trutz gegen innere und äußere Feinde. Ver-
schaffen Sie sofort die vollste Anerkennung den Grundsätzen der höch-
sten Freiheit in der Presse, dem Glauben, der Lehre, dem Rechte ge-
sellschaftlichen Zusammentritts und unbeschränkter Meinungsäußerung.
Verschaffen Sie Geltung den Grundsätzen der Gleichheit vor dem Ge-
setze ohne Unterschied von Ständen oder Religionsparteien, der Selbst-
verwaltung der Gemeinden durch freigewählte Organe, besonderer Re-
präsentation des Kreises, sowie einer freiern Stellung des Kreises
und seines Landraths; aber lassen Sie sich nicht durch Versprechun-
gen täuschen, denn die Erfahrung zeigte sie uns wandelbar. Allen po-
litisch Verurtheilten werden die Kerker geöffnet, den Flüchtlingen die
Heimath wieder gegeben, denn alle sind sie Opfer einer frühern volks-
feindlichen Politik, und das Vaterland zählt unter ihnen die edelsten
seiner Söhne. Haben Sie diese Aufgabe gelöst, so berathen Sie ohne
Verzug ein Wahlgesetz welches ohne Rücksicht auf Stände und Clas-
sen dem Talente oder der Vaterlandsliebe den Weg zur Kammer er-
öffnet, nicht aber das höchste Recht der Volksvertretung von Besitz
und Vermögen abhängig macht, oder gar der Krone die Befugniß
ertheilt durch Urlaubsverweigerung die besten Männer auszuschlie-
ßen. Eine andere Kammer, nach dem neuen Gesetz gewählt, baue
dann fort auf dem Freiheitsgrunde den Sie gelegt haben, damit
die Verfassung eine Wahrheit werde, befreit von den hemmenden
Fesseln der Edicte und sonstigen Beiwerks. Die bewährten Freunde der
Freiheit selbst werden, getragen von der Liebe und dem Vertrauen des
Volks, wiederkehren in diese neue Kammer und dann in deren Mitte die
Unterstützung finden welche sie jetzt nur, in der Macht der öffentlichen
Meinung, der Verhältnisse der Gegenwart und sittlichen Kraft der guten
Sache zu suchen haben. Wirken Sie in diesem Geiste, so wird Jhnen die
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unser Vertrauen nach München begleitet, so werden wir Sie bei Jhrer
Rückkehr aus dem Kampfe für Freiheit und Vaterland wieder mit Stolz
als die Unsern begrüßen. Mit Hochachtung Jhre Mitbürger. (Deutsche
const. Ztg
.)


Die Nachrichten aus Oberfranken
lauten immer erschreckender, alle Bande der Ordnung scheinen gelöst.
Heute Morgen schon ging ein starkes Detaschement des hiefigen Linien-
infanterieregiments mit einem Extrazuge nach Lichtenfels ab, in dessen
Umgegend die verabscheuungswürdigsten Excesse von Leuten in der Nacht
vom 12 auf den 13 verübt wurden. Mehrere Edelleute wurden arg miß-
handelt, Baron Künsberg liegt dem Tode nahe, Baron Redwitz rettete
mit Mühe sein Leben, er erhielt mehrere Stichwunden. Jn Kronach,
wo eben Markt gehalten wurde, packten die Krämer ihre Waaren ein
und flohen. Von Unterlengenfeld, wo Menschen mit geschwärzten Ge-
sichtern eindrangen, wurden die meisten Häuser der dortigen jüdischen
Kaufleute ausgeplündert. Gestern Abend wanderten alle aus, der Eisen-
bahnzug den sie zu ihrer Flucht benützten, wurde dadurch um eine
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von Bränden. Eben geht ein Extrazug mit dem noch disponibeln Mi-
litär ab nach Forchheim, wo heute Morgen das Landgerichtsgebäude er-
stürmt*), alle Acten etc. vernichtet und der Landrichter verjagt wurde. Hier
übernimmt die Landwehr welche schon seit einigen Tagen in Abtheilun-
gen patrouillirt, den Wachtdienst. -- Es geht das Gerücht daß in Ka-
dolzburg das Rentamtsgebäude brenne, doch fehlen darüber noch bestä-
tigende Nachrichten.

Württemberg.

Heute Morgen 10 Uhr
wurde die Kammer der Abgeordneten durch eine zum Festhalten an Thron
und Bund, zur Unterstützung der Minister auffordernde Rede des Prä-
sidenten eröffnet. Der Chef des Departements des Jnnern legte einen
Gesetzentwurf über die Bewaffnung des Volkes vor. Es wurde der Kam-
mer mitgetheilt daß ihre Auflösung in kurzem erfolgen werde. Viele
Abgeordnete, besonders Wiest, sprachen das Verlangen aus daß noch
vor der Auflösung eine Vorlage über Befreiung des Grundes und Bodens
gemacht werde. Morgen wird die Feudalcommission hierüber berichten.
(Wir entlehnen dieß dem Schwäb. Merkur, und tragen einen ausführli-
cheren Bericht nach.)


Dem Vernehmen nach wird in Folge
eines von der hiesigen Regierung abgesendeten Couriers das bei Bre-
genz etc. stehende österreichische Bundescorps die württembergischen
Gränzen nicht überschreiten, sondern sich nur zum Vorrücken bereit
halten, wenn Bundeszwecke, durch die auswärtige politische Lage
Deutschlands bedingt, dieß fordern sollten, was weitern Verhandlungen
vorbehalten ist.

[Spaltenumbruch]
Gr. Baden.

Das förmliche Ausschreiben
einer allgemeinen Versammlung der Abgeordneten aller deutschen Staa-
ten hat lange auf sich warten lassen; doch es ist jetzt endlichergangen, und
wir vergessen die während der letzten acht Tage erlittene Ungeduld. Wir
bemerken indessen in dem Ausschreiben eine Lücke welche die peinlichsten
Empfindungen in uns rege machen würde wenn wir sie nicht als die
Folge eines bloßen Vergessens betrachteten. Die Abgeordneten von Ost-
und Westpreußen sind neben denen von Schleswig-Holstein namentlich
zu der Frankfurter Versammlung geladen, die Abgeordneten von Posen
dagegen mit Stillschweigen übergangen. Nochmals, wir können in die-
ser Auslassung nichts anderes sehen als ein Vergessen, welches die Com-
mission ohne Zweifel unverzüglich gutmachen wird. Sicherlich, es ist
nicht nöthig daß wir die Commission daran erinnern daß Posen eine
deutsche Bevölkerung von mehr als einer halben Million Menschen hat,
daß Posen geographisch einen ergänzenden Bestandtheil des deutschen Ge-
sammtstaats bildet, der aus der gegenwärtigen Krisis hervorgehen soll
und wird; es ist nicht nöthig daß wir sie darauf aufmerksam machen
welche gebieterische Rücksichten verlangen daß Preußen mit seinem gan-
zen Ländergebiet in den neuen deutschen Bundesstaat eintrete. Diese
Nothwendigkeit ist sogar in der Zöpfl'schen Schrift über die Reorga-
nistrung des deutschen Bundes anerkannt, welche in allen andern Stücken
so weit hinter den Anforderungen des Augenblicks zurückbleibt daß wir
nur mit Bedauern hören können daß sie den am Bundestage gepfloge-
nenen Berathungen zum Grunde gelegt ist. Wenn der Bundestag
auf diese Unterlage hin seinen Entwurf der neuen deutschen Verfas-
sung ausarbeitet, so können wir ihm ohne Prophetengabe vor-
aussagen daß er damit wenig Glück machen wird. Vor vierzehn
Tagen wäre vielleicht eine auf das gegenwärtige Stimmenverhält-
niß der Bundesglieder gebaute "Vertretung des Volks am Bundestage"
mit Zustimmung und Dank aufgenommen worden, jetzt fordert Deutsch-
land ein "Nationalparlament" und kein Vorschlag der dem großen Be-
griffe dieses Wortes nicht vollständig entspricht, kann irgend eine ernst-
liche Berücksichtigung erwarten. Auf Preußen sind jetzt alle Blicke ge-
richtet. Daß sich Preußen von der deutschen Bewegung aus- und ab-
schließe, ist gar nicht denkbar, ist moralisch und materiell unmöglich.
Aber gerade darum begreift man um so weniger daß man da zögert wo
die entschiedenste und rascheste Jnitiative schon das Gebot des handgreif-
lichen Vortheils ist. Die halben Maßregeln sind es welche wir über
alles fürchten, im Namen Deutschlands überhaupt, und im Namen
Preußens ganz insbesondere, denn halbe Maßregeln -- die Erfahrung der
jüngsten Tage hat dieß zwanzigmal bewiesen -- sind auf die Dauer eben
so unausführbar als ganzer Widerstand, sie retten nichts, und setzen
alles aufs Spiel.


Der bisherige Bundestagsgesandte
und Gesandte an den Höfen von Brüssel und Haag, Frhr. v. Blit-
tersdorff, ist in den Ruhestand versetzt. Jn der heutigen Sitzung der
Kammer erössnete der Präsident daß die körperliche Züchtigung beim
Militär ganz abgeschafft sey. Auf geschehene Anfrage, ob von Seite
des Bundes wegen Besetzung der Rheingränzen schon Anordnungen
und welche getroffen worden, wurde von der Regierungsbank aus erklärt:
daß die dießfälligen Berathungen, und insbesondere auch jene wegen
Besetzung der Bundesfestung Rastadt noch im Laufe seyen. Letztere
Bemerkung gab mehreren Kammermitgliedern Anlaß feierlich gegen
eine solche Besetzung durch preußische oder österreichische Truppen zu
protestiren. Das thörichte Gerücht als müßten die badischen Trup-
pen das Land verlassen und andern Truppen Platz geben, wird vom
Staatsminister Dusch und Kriegsrath Vogelmann für durchaus falsch
erklärt. Bekk sprach die Hoffnung aus, die Standes- und Grundher-
ren könnten veranlaßt werden freiwillig auf ihre Hoheitsrechte zu ver-
zichten. Die Frage: ob die Regierung sich schon wegen Einführung einer
allgemeinen Preßfreiheit und wegen der übrigen die Bundeseinrich-
tungen betreffenden Wünsche der Kammer beim Bunde verwendet habe,
wurde von der Regierungsbank aus in Bezug auf die Preßfreiheit
bejaht. Angenommen wurde der Commissionsantrag den Hrn. v.
Blittersdorff zum Ersatz einer Budgetsüberschreitung von 208 fl. 20 kr.
auf geeignetem Wege anzuhalten. (Schwäb. M.)


Die Aufregung in Konstanz
nimmt von Stunde zu Stunde zu, und wie sie jetzt geleitet wird, ist
kein Segen zu erwarten. Es herrscht halbe Anarchie. Jn dem nahen
Radolfszell war die Aufregung in Folge einer Bürgerversammlung so
groß daß der großherzogliche Amtmann Klein die Flucht ergreifen

*) Wird widerrufen durch eine spätere Correspondenz.

[Spaltenumbruch] Vaterlandes. Statt der ſtehenden Heere führe das Volk ſelbſt die
Waffen zu Schutz und Trutz gegen innere und äußere Feinde. Ver-
ſchaffen Sie ſofort die vollſte Anerkennung den Grundſätzen der höch-
ſten Freiheit in der Preſſe, dem Glauben, der Lehre, dem Rechte ge-
ſellſchaftlichen Zuſammentritts und unbeſchränkter Meinungsäußerung.
Verſchaffen Sie Geltung den Grundſätzen der Gleichheit vor dem Ge-
ſetze ohne Unterſchied von Ständen oder Religionsparteien, der Selbſt-
verwaltung der Gemeinden durch freigewählte Organe, beſonderer Re-
präſentation des Kreiſes, ſowie einer freiern Stellung des Kreiſes
und ſeines Landraths; aber laſſen Sie ſich nicht durch Verſprechun-
gen täuſchen, denn die Erfahrung zeigte ſie uns wandelbar. Allen po-
litiſch Verurtheilten werden die Kerker geöffnet, den Flüchtlingen die
Heimath wieder gegeben, denn alle ſind ſie Opfer einer frühern volks-
feindlichen Politik, und das Vaterland zählt unter ihnen die edelſten
ſeiner Söhne. Haben Sie dieſe Aufgabe gelöst, ſo berathen Sie ohne
Verzug ein Wahlgeſetz welches ohne Rückſicht auf Stände und Claſ-
ſen dem Talente oder der Vaterlandsliebe den Weg zur Kammer er-
öffnet, nicht aber das höchſte Recht der Volksvertretung von Beſitz
und Vermögen abhängig macht, oder gar der Krone die Befugniß
ertheilt durch Urlaubsverweigerung die beſten Männer auszuſchlie-
ßen. Eine andere Kammer, nach dem neuen Geſetz gewählt, baue
dann fort auf dem Freiheitsgrunde den Sie gelegt haben, damit
die Verfaſſung eine Wahrheit werde, befreit von den hemmenden
Feſſeln der Edicte und ſonſtigen Beiwerks. Die bewährten Freunde der
Freiheit ſelbſt werden, getragen von der Liebe und dem Vertrauen des
Volks, wiederkehren in dieſe neue Kammer und dann in deren Mitte die
Unterſtützung finden welche ſie jetzt nur, in der Macht der öffentlichen
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Sache zu ſuchen haben. Wirken Sie in dieſem Geiſte, ſo wird Jhnen die
Zuſtimmung aller Jhrer Committenten gewiß ſeyn, und wie Sie jetzt
unſer Vertrauen nach München begleitet, ſo werden wir Sie bei Jhrer
Rückkehr aus dem Kampfe für Freiheit und Vaterland wieder mit Stolz
als die Unſern begrüßen. Mit Hochachtung Jhre Mitbürger. (Deutſche
conſt. Ztg
.)


Die Nachrichten aus Oberfranken
lauten immer erſchreckender, alle Bande der Ordnung ſcheinen gelöst.
Heute Morgen ſchon ging ein ſtarkes Detaſchement des hiefigen Linien-
infanterieregiments mit einem Extrazuge nach Lichtenfels ab, in deſſen
Umgegend die verabſcheuungswürdigſten Exceſſe von Leuten in der Nacht
vom 12 auf den 13 verübt wurden. Mehrere Edelleute wurden arg miß-
handelt, Baron Künsberg liegt dem Tode nahe, Baron Redwitz rettete
mit Mühe ſein Leben, er erhielt mehrere Stichwunden. Jn Kronach,
wo eben Markt gehalten wurde, packten die Krämer ihre Waaren ein
und flohen. Von Unterlengenfeld, wo Menſchen mit geſchwärzten Ge-
ſichtern eindrangen, wurden die meiſten Häuſer der dortigen jüdiſchen
Kaufleute ausgeplündert. Geſtern Abend wanderten alle aus, der Eiſen-
bahnzug den ſie zu ihrer Flucht benützten, wurde dadurch um eine
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von Bränden. Eben geht ein Extrazug mit dem noch disponibeln Mi-
litär ab nach Forchheim, wo heute Morgen das Landgerichtsgebäude er-
ſtürmt*), alle Acten ꝛc. vernichtet und der Landrichter verjagt wurde. Hier
übernimmt die Landwehr welche ſchon ſeit einigen Tagen in Abtheilun-
gen patrouillirt, den Wachtdienſt. — Es geht das Gerücht daß in Ka-
dolzburg das Rentamtsgebäude brenne, doch fehlen darüber noch beſtä-
tigende Nachrichten.

Württemberg.

Heute Morgen 10 Uhr
wurde die Kammer der Abgeordneten durch eine zum Feſthalten an Thron
und Bund, zur Unterſtützung der Miniſter auffordernde Rede des Prä-
ſidenten eröffnet. Der Chef des Departements des Jnnern legte einen
Geſetzentwurf über die Bewaffnung des Volkes vor. Es wurde der Kam-
mer mitgetheilt daß ihre Auflöſung in kurzem erfolgen werde. Viele
Abgeordnete, beſonders Wieſt, ſprachen das Verlangen aus daß noch
vor der Auflöſung eine Vorlage über Befreiung des Grundes und Bodens
gemacht werde. Morgen wird die Feudalcommiſſion hierüber berichten.
(Wir entlehnen dieß dem Schwäb. Merkur, und tragen einen ausführli-
cheren Bericht nach.)


Dem Vernehmen nach wird in Folge
eines von der hieſigen Regierung abgeſendeten Couriers das bei Bre-
genz ꝛc. ſtehende öſterreichiſche Bundescorps die württembergiſchen
Gränzen nicht überſchreiten, ſondern ſich nur zum Vorrücken bereit
halten, wenn Bundeszwecke, durch die auswärtige politiſche Lage
Deutſchlands bedingt, dieß fordern ſollten, was weitern Verhandlungen
vorbehalten iſt.

[Spaltenumbruch]
Gr. Baden.

Das förmliche Ausſchreiben
einer allgemeinen Verſammlung der Abgeordneten aller deutſchen Staa-
ten hat lange auf ſich warten laſſen; doch es iſt jetzt endlichergangen, und
wir vergeſſen die während der letzten acht Tage erlittene Ungeduld. Wir
bemerken indeſſen in dem Ausſchreiben eine Lücke welche die peinlichſten
Empfindungen in uns rege machen würde wenn wir ſie nicht als die
Folge eines bloßen Vergeſſens betrachteten. Die Abgeordneten von Oſt-
und Weſtpreußen ſind neben denen von Schleswig-Holſtein namentlich
zu der Frankfurter Verſammlung geladen, die Abgeordneten von Poſen
dagegen mit Stillſchweigen übergangen. Nochmals, wir können in die-
ſer Auslaſſung nichts anderes ſehen als ein Vergeſſen, welches die Com-
miſſion ohne Zweifel unverzüglich gutmachen wird. Sicherlich, es iſt
nicht nöthig daß wir die Commiſſion daran erinnern daß Poſen eine
deutſche Bevölkerung von mehr als einer halben Million Menſchen hat,
daß Poſen geographiſch einen ergänzenden Beſtandtheil des deutſchen Ge-
ſammtſtaats bildet, der aus der gegenwärtigen Kriſis hervorgehen ſoll
und wird; es iſt nicht nöthig daß wir ſie darauf aufmerkſam machen
welche gebieteriſche Rückſichten verlangen daß Preußen mit ſeinem gan-
zen Ländergebiet in den neuen deutſchen Bundesſtaat eintrete. Dieſe
Nothwendigkeit iſt ſogar in der Zöpfl’ſchen Schrift über die Reorga-
niſtrung des deutſchen Bundes anerkannt, welche in allen andern Stücken
ſo weit hinter den Anforderungen des Augenblicks zurückbleibt daß wir
nur mit Bedauern hören können daß ſie den am Bundestage gepfloge-
nenen Berathungen zum Grunde gelegt iſt. Wenn der Bundestag
auf dieſe Unterlage hin ſeinen Entwurf der neuen deutſchen Verfaſ-
ſung ausarbeitet, ſo können wir ihm ohne Prophetengabe vor-
ausſagen daß er damit wenig Glück machen wird. Vor vierzehn
Tagen wäre vielleicht eine auf das gegenwärtige Stimmenverhält-
niß der Bundesglieder gebaute „Vertretung des Volks am Bundestage“
mit Zuſtimmung und Dank aufgenommen worden, jetzt fordert Deutſch-
land ein „Nationalparlament“ und kein Vorſchlag der dem großen Be-
griffe dieſes Wortes nicht vollſtändig entſpricht, kann irgend eine ernſt-
liche Berückſichtigung erwarten. Auf Preußen ſind jetzt alle Blicke ge-
richtet. Daß ſich Preußen von der deutſchen Bewegung aus- und ab-
ſchließe, iſt gar nicht denkbar, iſt moraliſch und materiell unmöglich.
Aber gerade darum begreift man um ſo weniger daß man da zögert wo
die entſchiedenſte und raſcheſte Jnitiative ſchon das Gebot des handgreif-
lichen Vortheils iſt. Die halben Maßregeln ſind es welche wir über
alles fürchten, im Namen Deutſchlands überhaupt, und im Namen
Preußens ganz insbeſondere, denn halbe Maßregeln — die Erfahrung der
jüngſten Tage hat dieß zwanzigmal bewieſen — ſind auf die Dauer eben
ſo unausführbar als ganzer Widerſtand, ſie retten nichts, und ſetzen
alles aufs Spiel.


Der bisherige Bundestagsgeſandte
und Geſandte an den Höfen von Brüſſel und Haag, Frhr. v. Blit-
tersdorff, iſt in den Ruheſtand verſetzt. Jn der heutigen Sitzung der
Kammer eröſſnete der Präſident daß die körperliche Züchtigung beim
Militär ganz abgeſchafft ſey. Auf geſchehene Anfrage, ob von Seite
des Bundes wegen Beſetzung der Rheingränzen ſchon Anordnungen
und welche getroffen worden, wurde von der Regierungsbank aus erklärt:
daß die dießfälligen Berathungen, und insbeſondere auch jene wegen
Beſetzung der Bundesfeſtung Raſtadt noch im Laufe ſeyen. Letztere
Bemerkung gab mehreren Kammermitgliedern Anlaß feierlich gegen
eine ſolche Beſetzung durch preußiſche oder öſterreichiſche Truppen zu
proteſtiren. Das thörichte Gerücht als müßten die badiſchen Trup-
pen das Land verlaſſen und andern Truppen Platz geben, wird vom
Staatsminiſter Duſch und Kriegsrath Vogelmann für durchaus falſch
erklärt. Bekk ſprach die Hoffnung aus, die Standes- und Grundher-
ren könnten veranlaßt werden freiwillig auf ihre Hoheitsrechte zu ver-
zichten. Die Frage: ob die Regierung ſich ſchon wegen Einführung einer
allgemeinen Preßfreiheit und wegen der übrigen die Bundeseinrich-
tungen betreffenden Wünſche der Kammer beim Bunde verwendet habe,
wurde von der Regierungsbank aus in Bezug auf die Preßfreiheit
bejaht. Angenommen wurde der Commiſſionsantrag den Hrn. v.
Blittersdorff zum Erſatz einer Budgetsüberſchreitung von 208 fl. 20 kr.
auf geeignetem Wege anzuhalten. (Schwäb. M.)


Die Aufregung in Konſtanz
nimmt von Stunde zu Stunde zu, und wie ſie jetzt geleitet wird, iſt
kein Segen zu erwarten. Es herrſcht halbe Anarchie. Jn dem nahen
Radolfszell war die Aufregung in Folge einer Bürgerverſammlung ſo
groß daß der großherzogliche Amtmann Klein die Flucht ergreifen

*) Wird widerrufen durch eine ſpätere Correſpondenz.
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[1202/0002] Vaterlandes. Statt der ſtehenden Heere führe das Volk ſelbſt die Waffen zu Schutz und Trutz gegen innere und äußere Feinde. Ver- ſchaffen Sie ſofort die vollſte Anerkennung den Grundſätzen der höch- ſten Freiheit in der Preſſe, dem Glauben, der Lehre, dem Rechte ge- ſellſchaftlichen Zuſammentritts und unbeſchränkter Meinungsäußerung. Verſchaffen Sie Geltung den Grundſätzen der Gleichheit vor dem Ge- ſetze ohne Unterſchied von Ständen oder Religionsparteien, der Selbſt- verwaltung der Gemeinden durch freigewählte Organe, beſonderer Re- präſentation des Kreiſes, ſowie einer freiern Stellung des Kreiſes und ſeines Landraths; aber laſſen Sie ſich nicht durch Verſprechun- gen täuſchen, denn die Erfahrung zeigte ſie uns wandelbar. Allen po- litiſch Verurtheilten werden die Kerker geöffnet, den Flüchtlingen die Heimath wieder gegeben, denn alle ſind ſie Opfer einer frühern volks- feindlichen Politik, und das Vaterland zählt unter ihnen die edelſten ſeiner Söhne. Haben Sie dieſe Aufgabe gelöst, ſo berathen Sie ohne Verzug ein Wahlgeſetz welches ohne Rückſicht auf Stände und Claſ- ſen dem Talente oder der Vaterlandsliebe den Weg zur Kammer er- öffnet, nicht aber das höchſte Recht der Volksvertretung von Beſitz und Vermögen abhängig macht, oder gar der Krone die Befugniß ertheilt durch Urlaubsverweigerung die beſten Männer auszuſchlie- ßen. Eine andere Kammer, nach dem neuen Geſetz gewählt, baue dann fort auf dem Freiheitsgrunde den Sie gelegt haben, damit die Verfaſſung eine Wahrheit werde, befreit von den hemmenden Feſſeln der Edicte und ſonſtigen Beiwerks. Die bewährten Freunde der Freiheit ſelbſt werden, getragen von der Liebe und dem Vertrauen des Volks, wiederkehren in dieſe neue Kammer und dann in deren Mitte die Unterſtützung finden welche ſie jetzt nur, in der Macht der öffentlichen Meinung, der Verhältniſſe der Gegenwart und ſittlichen Kraft der guten Sache zu ſuchen haben. Wirken Sie in dieſem Geiſte, ſo wird Jhnen die Zuſtimmung aller Jhrer Committenten gewiß ſeyn, und wie Sie jetzt unſer Vertrauen nach München begleitet, ſo werden wir Sie bei Jhrer Rückkehr aus dem Kampfe für Freiheit und Vaterland wieder mit Stolz als die Unſern begrüßen. Mit Hochachtung Jhre Mitbürger. (Deutſche conſt. Ztg.) * Nürnberg, 14 März. Die Nachrichten aus Oberfranken lauten immer erſchreckender, alle Bande der Ordnung ſcheinen gelöst. Heute Morgen ſchon ging ein ſtarkes Detaſchement des hiefigen Linien- infanterieregiments mit einem Extrazuge nach Lichtenfels ab, in deſſen Umgegend die verabſcheuungswürdigſten Exceſſe von Leuten in der Nacht vom 12 auf den 13 verübt wurden. Mehrere Edelleute wurden arg miß- handelt, Baron Künsberg liegt dem Tode nahe, Baron Redwitz rettete mit Mühe ſein Leben, er erhielt mehrere Stichwunden. Jn Kronach, wo eben Markt gehalten wurde, packten die Krämer ihre Waaren ein und flohen. Von Unterlengenfeld, wo Menſchen mit geſchwärzten Ge- ſichtern eindrangen, wurden die meiſten Häuſer der dortigen jüdiſchen Kaufleute ausgeplündert. Geſtern Abend wanderten alle aus, der Eiſen- bahnzug den ſie zu ihrer Flucht benützten, wurde dadurch um eine Stunde aufgehalten. Reiſende die aus der Gegend kommen, erzählen von Bränden. Eben geht ein Extrazug mit dem noch disponibeln Mi- litär ab nach Forchheim, wo heute Morgen das Landgerichtsgebäude er- ſtürmt *), alle Acten ꝛc. vernichtet und der Landrichter verjagt wurde. Hier übernimmt die Landwehr welche ſchon ſeit einigen Tagen in Abtheilun- gen patrouillirt, den Wachtdienſt. — Es geht das Gerücht daß in Ka- dolzburg das Rentamtsgebäude brenne, doch fehlen darüber noch beſtä- tigende Nachrichten. Württemberg. * Stuttgart, 14 März. Heute Morgen 10 Uhr wurde die Kammer der Abgeordneten durch eine zum Feſthalten an Thron und Bund, zur Unterſtützung der Miniſter auffordernde Rede des Prä- ſidenten eröffnet. Der Chef des Departements des Jnnern legte einen Geſetzentwurf über die Bewaffnung des Volkes vor. Es wurde der Kam- mer mitgetheilt daß ihre Auflöſung in kurzem erfolgen werde. Viele Abgeordnete, beſonders Wieſt, ſprachen das Verlangen aus daß noch vor der Auflöſung eine Vorlage über Befreiung des Grundes und Bodens gemacht werde. Morgen wird die Feudalcommiſſion hierüber berichten. (Wir entlehnen dieß dem Schwäb. Merkur, und tragen einen ausführli- cheren Bericht nach.) *† Stuttgart, 15 März. Dem Vernehmen nach wird in Folge eines von der hieſigen Regierung abgeſendeten Couriers das bei Bre- genz ꝛc. ſtehende öſterreichiſche Bundescorps die württembergiſchen Gränzen nicht überſchreiten, ſondern ſich nur zum Vorrücken bereit halten, wenn Bundeszwecke, durch die auswärtige politiſche Lage Deutſchlands bedingt, dieß fordern ſollten, was weitern Verhandlungen vorbehalten iſt. Gr. Baden. ( Heidelberg, 13 März. Das förmliche Ausſchreiben einer allgemeinen Verſammlung der Abgeordneten aller deutſchen Staa- ten hat lange auf ſich warten laſſen; doch es iſt jetzt endlichergangen, und wir vergeſſen die während der letzten acht Tage erlittene Ungeduld. Wir bemerken indeſſen in dem Ausſchreiben eine Lücke welche die peinlichſten Empfindungen in uns rege machen würde wenn wir ſie nicht als die Folge eines bloßen Vergeſſens betrachteten. Die Abgeordneten von Oſt- und Weſtpreußen ſind neben denen von Schleswig-Holſtein namentlich zu der Frankfurter Verſammlung geladen, die Abgeordneten von Poſen dagegen mit Stillſchweigen übergangen. Nochmals, wir können in die- ſer Auslaſſung nichts anderes ſehen als ein Vergeſſen, welches die Com- miſſion ohne Zweifel unverzüglich gutmachen wird. Sicherlich, es iſt nicht nöthig daß wir die Commiſſion daran erinnern daß Poſen eine deutſche Bevölkerung von mehr als einer halben Million Menſchen hat, daß Poſen geographiſch einen ergänzenden Beſtandtheil des deutſchen Ge- ſammtſtaats bildet, der aus der gegenwärtigen Kriſis hervorgehen ſoll und wird; es iſt nicht nöthig daß wir ſie darauf aufmerkſam machen welche gebieteriſche Rückſichten verlangen daß Preußen mit ſeinem gan- zen Ländergebiet in den neuen deutſchen Bundesſtaat eintrete. Dieſe Nothwendigkeit iſt ſogar in der Zöpfl’ſchen Schrift über die Reorga- niſtrung des deutſchen Bundes anerkannt, welche in allen andern Stücken ſo weit hinter den Anforderungen des Augenblicks zurückbleibt daß wir nur mit Bedauern hören können daß ſie den am Bundestage gepfloge- nenen Berathungen zum Grunde gelegt iſt. Wenn der Bundestag auf dieſe Unterlage hin ſeinen Entwurf der neuen deutſchen Verfaſ- ſung ausarbeitet, ſo können wir ihm ohne Prophetengabe vor- ausſagen daß er damit wenig Glück machen wird. Vor vierzehn Tagen wäre vielleicht eine auf das gegenwärtige Stimmenverhält- niß der Bundesglieder gebaute „Vertretung des Volks am Bundestage“ mit Zuſtimmung und Dank aufgenommen worden, jetzt fordert Deutſch- land ein „Nationalparlament“ und kein Vorſchlag der dem großen Be- griffe dieſes Wortes nicht vollſtändig entſpricht, kann irgend eine ernſt- liche Berückſichtigung erwarten. Auf Preußen ſind jetzt alle Blicke ge- richtet. Daß ſich Preußen von der deutſchen Bewegung aus- und ab- ſchließe, iſt gar nicht denkbar, iſt moraliſch und materiell unmöglich. Aber gerade darum begreift man um ſo weniger daß man da zögert wo die entſchiedenſte und raſcheſte Jnitiative ſchon das Gebot des handgreif- lichen Vortheils iſt. Die halben Maßregeln ſind es welche wir über alles fürchten, im Namen Deutſchlands überhaupt, und im Namen Preußens ganz insbeſondere, denn halbe Maßregeln — die Erfahrung der jüngſten Tage hat dieß zwanzigmal bewieſen — ſind auf die Dauer eben ſo unausführbar als ganzer Widerſtand, ſie retten nichts, und ſetzen alles aufs Spiel. Karlsruhe, 13 März. Der bisherige Bundestagsgeſandte und Geſandte an den Höfen von Brüſſel und Haag, Frhr. v. Blit- tersdorff, iſt in den Ruheſtand verſetzt. Jn der heutigen Sitzung der Kammer eröſſnete der Präſident daß die körperliche Züchtigung beim Militär ganz abgeſchafft ſey. Auf geſchehene Anfrage, ob von Seite des Bundes wegen Beſetzung der Rheingränzen ſchon Anordnungen und welche getroffen worden, wurde von der Regierungsbank aus erklärt: daß die dießfälligen Berathungen, und insbeſondere auch jene wegen Beſetzung der Bundesfeſtung Raſtadt noch im Laufe ſeyen. Letztere Bemerkung gab mehreren Kammermitgliedern Anlaß feierlich gegen eine ſolche Beſetzung durch preußiſche oder öſterreichiſche Truppen zu proteſtiren. Das thörichte Gerücht als müßten die badiſchen Trup- pen das Land verlaſſen und andern Truppen Platz geben, wird vom Staatsminiſter Duſch und Kriegsrath Vogelmann für durchaus falſch erklärt. Bekk ſprach die Hoffnung aus, die Standes- und Grundher- ren könnten veranlaßt werden freiwillig auf ihre Hoheitsrechte zu ver- zichten. Die Frage: ob die Regierung ſich ſchon wegen Einführung einer allgemeinen Preßfreiheit und wegen der übrigen die Bundeseinrich- tungen betreffenden Wünſche der Kammer beim Bunde verwendet habe, wurde von der Regierungsbank aus in Bezug auf die Preßfreiheit bejaht. Angenommen wurde der Commiſſionsantrag den Hrn. v. Blittersdorff zum Erſatz einer Budgetsüberſchreitung von 208 fl. 20 kr. auf geeignetem Wege anzuhalten. (Schwäb. M.) ♂ Vom Bodenſee, 12 März. Die Aufregung in Konſtanz nimmt von Stunde zu Stunde zu, und wie ſie jetzt geleitet wird, iſt kein Segen zu erwarten. Es herrſcht halbe Anarchie. Jn dem nahen Radolfszell war die Aufregung in Folge einer Bürgerverſammlung ſo groß daß der großherzogliche Amtmann Klein die Flucht ergreifen *) Wird widerrufen durch eine ſpätere Correſpondenz.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848, S. 1202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine76_1848/2>, abgerufen am 21.11.2024.