Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848.[Spaltenumbruch]
mußte, und auf der Landstraße noch drei Schüsse auf ihn fielen! Die * Vom Bodensee, 14 März. Gerüchte sprechen von immer stei- Gr. Hessen. Darmstadt, 12 März. Der Versuch ein System *** Darmstadt, 13 März. Staatsminister v. Gagern Mainz, 11 März. Das Bürgercomite welches sich hier gebildet Freie Städte. Frankfurt a. M., 12 März. Seit heute Lübeck, 11 März. Der Senat hat die Aufhebung der Censur * Aus den sächsischen Herzogthümern. 11 März. Wie im *) Wird widerrufen.
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mußte, und auf der Landſtraße noch drei Schüſſe auf ihn fielen! Die * Vom Bodenſee, 14 März. Gerüchte ſprechen von immer ſtei- Gr. Heſſen. Darmſtadt, 12 März. Der Verſuch ein Syſtem *** Darmſtadt, 13 März. Staatsminiſter v. Gagern Mainz, 11 März. Das Bürgercomité welches ſich hier gebildet Freie Städte. Frankfurt a. M., 12 März. Seit heute Lübeck, 11 März. Der Senat hat die Aufhebung der Cenſur * Aus den ſächſiſchen Herzogthümern. 11 März. Wie im *) Wird widerrufen.
<TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0003" n="1203"/><cb/> mußte, und auf der Landſtraße noch drei Schüſſe auf ihn fielen! Die<lb/> eifrigſten Patrioten geſtehen daß ſolche Handlungen den Ruhm des<lb/> Volks beflecken müſſen. An den Thoren von Konſtanz laſſen ſich keine<lb/> Gränzzollwächter mehr ſehen. Man will den Magiſtrat abſetzen, ſpricht<lb/> nur von Republik, der allgemeine Ruf iſt: „Zu den Waffen!“ Dagegen<lb/> macht heute der Bürgermeiſter <hi rendition="#g">Hüetlin</hi> bekannt daß die Sicherheit der<lb/> Perſonen und des Eigenthums bisher noch nicht geſtört worden ſey.<lb/> Trotzdem ſchicken ſich viele Familien an Konſtanz zu verlaſſen. Man<lb/> ſieht die gepackten Möbel ꝛc. auf dem Damme. Junge Männer haben<lb/> eigenmächtig ein bewaffnetes Corps conſtituirt, und fordern in den<lb/> Blättern zur Theilnahme auf. In Stockach waren bei 8000 Bürger<lb/> verſammelt. 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Die<lb/> Konſtanzer berathen — mit den Waffen in der Hand — über die Art<lb/> und Weiſe wie die Verſammlung zu beſchicken ſey. Was ich Ihnen<lb/> mittheile, habe ich als Augenzeuge beobachtet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>* <hi rendition="#b">Vom Bodenſee,</hi> 14 März.</dateline><lb/> <p>Gerüchte ſprechen von immer ſtei-<lb/> gender Aufregung in Konſtanz, Stockach, Offenbach ꝛc., von vielen tau-<lb/> ſend Bewaffneten, von immer maſſenhafteren Rufen für die deutſche Re-<lb/> publik, von einem beabſichtigten bewaffneten Zuge nach Karlsruhe. Ich<lb/> muß es dahin geſtellt ſeyn laſſen ob das in dieſer Ausdehnung ſich be-<lb/> wahrheitet, aber ſelbſt die Berichte der Karlsruher Zeitung beweiſen wie<lb/> von einer Partei die den Boden nicht kennt auf dem ſie ſteht, die Dinge<lb/> zu jenem Aeußerſten gedrängt werden wollen wo die Reaction unvermeid-<lb/> lich wäre, die dann die beſonnenen Freiheitsfreunde ſo hart als die unbe-<lb/> ſonnenen treffen würde. 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Die Jünglinge welche in den dreißiger Jahren in<lb/> Jena, der vorzugsweiſe burſchenſchaftlichen Univerſität Deutſchlands ſtu-<lb/> dirt hatten, waren Männer geworden, und das Gewehrfeuer von Paris<lb/> hat ein Echo in den thüringiſchen Bergen gefunden. Jn Altenburg, in<lb/> Schleiz, in Coburg regt man ſich mit Adreſſen: ſeltner will man Local-<lb/> wünſche erfüllt ſehen, wie z. B. in den reußiſchen Landen eine zeitgemäße<lb/> Verfaſſung, ſondern meiſt die allgemein deutſchen Forderungen: Preß-<lb/> freiheit, deutſches Parlament, ſofortige Berufung der Stände u. ſ. w.<lb/> Jn Gotha arbeitete man an einer Adreſſe während der Herzog noch<lb/> außer Landes war. Unmittelbar nachdem er in die Heimath zurückge-<lb/> kehrt war, verkündete er am 7 einige Conceſſionen. Die Preſſe ſollte frei<lb/> ſeyn, das Land eine Repräſentativverfaſſung erhalten. Die Bürger<lb/> dankten für das Bewilligte, reichten aber nichtsdeſtoweniger ihre Adreſſe<lb/> ein, und am folgenden Tage 8 nach einigem Zögern dieſſeits, nach eini-<lb/> gem Drängen jenſeits wurden ihnen reichlichere Gewährungen zu Theil:<lb/> Preßſreiheit, Petitions- und Verſammlungsrecht, Verſprechen einer<lb/> zeitgemäßen Repräſentativverfaſſung, der Verwendung für ein deut-<lb/> ſches Parlament und einige andere Verſprechungen, worunter die local-<lb/> wichtigſte daß die Kammereinkünfte zur Beſtreitung des geſammten<lb/> mit der Staatsverwaltung verknüpften Aufwandes mit den zu dieſem<lb/> Zweck beſtimmten Einnahmen der Oberſteuercaſſe in eine Caſſe vereinigt<lb/> werden ſollen. Abgeſchlagen ward in umſchreibenden Worten die in der<lb/> Petition erbetene Beſetzung der höchſten Landesſtellen mit andern Per-<lb/> ſonen. Der conſtitutionelle Grundſatz daß der Wechſel des Syſtems<lb/> naturgemäß einen Wechſel der Perſonen nach ſich ziehe, iſt alſo hier bis<lb/> jetzt nicht anerkannt. Jn Weimar endlich hatten weimariſche Bürger<lb/> ſowie die Bevölkerung von Jena beim Landtag petitionirt, der Landtag<lb/> bei dem Großherzog. Preßfreiheit, deutſches Parlament ꝛc. war begehrt.<lb/> Auf den 8 März hatten ſich die weimariſchen Bürger Reſolution ausge-<lb/> beten; auf dem Lande hieß es: am 8 kommt es zur Entſcheidung. Als<lb/> dieſer Tag eintrat, ſtrömten von früh Morgens an Maſſen von Landvolk<lb/> zur Reſidenz. Mittags verbreitete man unter ſie eine Bekanntmachung der<lb/> Regierung: „die Preßfreiheit, wie ſie bis 30 Oct. 1819 im Großherzog-<lb/> thum beſtanden hat, iſt wieder eingeführt; die in der Verordnung vom<lb/> 6 April ertheilten Vorſchriften wegen Preßmißbräuchen treten wieder in<lb/> Kraft; weitere Beſtimmungen zur Verhinderung von Preßmißbräuchen<lb/> bleiben vorbehalten und ſoll hierüber ein Geſetzentwurf dem getreuen Land-<lb/> tag in kürzeſter Friſt vorgelegt werden. Vergebens. Das Blatt ward zer-<lb/> riſſen, es entſtand ein wilder anhaltender Tumult. Um 7 Uhr füllte<lb/> ſich der wie in Zeiten tiefſter Ruhe nur mit zwei Schildwachen beſetzte<lb/> Schloßhof mit Menſchen. Der Großherzog erſchien am Fenſter und<lb/> verſicherte: daß er die Wünſche ſeines Volks, ſoweit als es bis jetzt ir-<lb/> gend thunlich geweſen, erfüllt habe, daß er auch die noch unerfüllten<lb/> ſchon wohl erwogen und auch dieſe nach Kräften befriedigen werde Sein<lb/> Wort verſchaffte nur für einen Augenblick Ruhe; ſeine Verſprechungen<lb/> befriedigten nicht. Erſt den energiſchen Bemühungen des Oppoſitions-<lb/> abgeordneten v. Wydenbrugk gelang es die Menge aus dem Schloßhof<lb/> zu führen, die von da aus in der Stadt einige Wohnungen beſchädigte und<lb/> ſich dann verlief, während von den Bürgern Weimars mehrere zu einer<lb/> Bürgergarde zuſammentraten. Unter Bezugnahme auf dieſe Vorfälle<lb/> erſchien am 9 März eine neue Bekanntmachung: Der Fürſt werde für<lb/> eine deutſche Nationalvertretung thätig ſeyn; die Verminderung und<lb/> Verwandlung der ſtehenden Heere und eine allgemeine Volksbewaffnung<lb/> werde er ins Auge faſſen, über Umgeſtaltung der Rechtspflege behalte<lb/> er ſich ſeine Entſchließung vor. Das Kammervermögen werde er mit<lb/> dem landſchaftlichen Vermögen gegen Gewähr einer Civilliſte vereini-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1203/0003]
mußte, und auf der Landſtraße noch drei Schüſſe auf ihn fielen! Die
eifrigſten Patrioten geſtehen daß ſolche Handlungen den Ruhm des
Volks beflecken müſſen. An den Thoren von Konſtanz laſſen ſich keine
Gränzzollwächter mehr ſehen. Man will den Magiſtrat abſetzen, ſpricht
nur von Republik, der allgemeine Ruf iſt: „Zu den Waffen!“ Dagegen
macht heute der Bürgermeiſter Hüetlin bekannt daß die Sicherheit der
Perſonen und des Eigenthums bisher noch nicht geſtört worden ſey.
Trotzdem ſchicken ſich viele Familien an Konſtanz zu verlaſſen. Man
ſieht die gepackten Möbel ꝛc. auf dem Damme. Junge Männer haben
eigenmächtig ein bewaffnetes Corps conſtituirt, und fordern in den
Blättern zur Theilnahme auf. In Stockach waren bei 8000 Bürger
verſammelt. Die Verſammlung fand unter freiem Himmel ſtatt. Bürger-
meiſter Emmert von Mößkirch eröffnete dieſelbe. Nach ihm ſprach Dr.
Wirth von Konſtanz, der bekannte Pfarrer Kuenzer, Kaufmann Zogel-
mann ꝛc. Der heftigſte Redner war Fickler von Konſtanz (Redacteur
der Seeblätter). Es ſey von Belgiens Gränzen bis zu des Schwarz-
waldes Höhen nur ein Ruf: „Die deutſche Republik! ꝛc.“ Bei der Heim-
kehr allgemeiner Jubel in der Stadt, dreifarbige Fahnen, Schüſſe und
Muſik. „Jn den freiheitlichen Beſtrebungen des badiſchen Volks iſt
keine Einigung,“ und die Ausbrüche der ungeregelten Aufregung (Walds-
hut, Müllheim ꝛc.) ſind höchſt beklagenswerth. Auf den 19 März iſt
Einladung ergangen zur Volksverſammlung in Offenbach (dieſelbe
iſt von Hecker, Jtzſtein, Soiron, Welcker, Kapp ꝛc. unterſchrieben). Die
Konſtanzer berathen — mit den Waffen in der Hand — über die Art
und Weiſe wie die Verſammlung zu beſchicken ſey. Was ich Ihnen
mittheile, habe ich als Augenzeuge beobachtet.
* Vom Bodenſee, 14 März.
Gerüchte ſprechen von immer ſtei-
gender Aufregung in Konſtanz, Stockach, Offenbach ꝛc., von vielen tau-
ſend Bewaffneten, von immer maſſenhafteren Rufen für die deutſche Re-
publik, von einem beabſichtigten bewaffneten Zuge nach Karlsruhe. Ich
muß es dahin geſtellt ſeyn laſſen ob das in dieſer Ausdehnung ſich be-
wahrheitet, aber ſelbſt die Berichte der Karlsruher Zeitung beweiſen wie
von einer Partei die den Boden nicht kennt auf dem ſie ſteht, die Dinge
zu jenem Aeußerſten gedrängt werden wollen wo die Reaction unvermeid-
lich wäre, die dann die beſonnenen Freiheitsfreunde ſo hart als die unbe-
ſonnenen treffen würde. Wer es wohl mit dem Vaterlande meint, wird
vor dem Abgrund warnen zu dem jene Verſuche ſchnurgerade führen.
Gr. Heſſen. Darmſtadt, 12 März.
Der Verſuch ein Syſtem
der Proſcription zu gründen iſt, Dank dem edlen Gagern, augenblicklich
geſcheitert. Jn der geſtrigen Sitzung unſerer zweiten Kammer beantragte
Zitz die Entfernung des Prinzen Emil und v. Linde’s aus dem Lande ſo
lange bis die neuen Verhältniſſe ſich befeſtigt hätten. Dem geweſenen Kanz-
ler v. Linde ſollte überdieß ſeine Mitgliedſchaft der erſten Kammer entzogen
werden. Dieß wurde von Tauſenden in Rheinheſſen verlangt. Gagern
erklärte: wenn die Kammer dieſen Antrag annehme, müſſe er ſeine
Miſſion als Miniſter für beendet anſehen. Möge der politiſche Einfluß
des Prinzen Emil früher geweſen ſeyn welcher Art er wolle, für jetzt ſey
er ſeiner thätigen Mitwirkung in allem was zum wahren Wohle des
Volkes gereiche, ſicher. Aber auch abgeſehen von jeder politiſchen Be-
ſtrebung, könne er Proſcriptionen nimmermehr gutheißen. Jhn unter-
ſtützte der Abg. Wernher, der überdieß beſtritt daß die Mehrzahl der
Rheinheſſen ein ſolches verlange. Zitz nahm ſeinen Antrag zurück, ihm
genügten die Verſicherungen des Miniſters. Auf eine weitere Anfrage
des genannten Abgeordneten bemerkte Hr. v. Gagern: der Geſandte
der franzöſiſchen Republik ſey mit ihm in Verbindung getreten; die An-
erkennung der Republik werde ſofort erfolgen, auf Aufrechthaltung des
Friedens zähle er feſt. (Mannh. u. Frankf. J.)
*** Darmſtadt, 13 März.
Staatsminiſter v. Gagern
hat eben einen warmen kräftigen Aufruf an die Odenwälder er-
laſſen, worin er ſie vor den Ruheſtörungen und Geſetzloſigkeiten ver-
warnt, ihnen die Sendung des trefflichen Miniſterialraths Eigenbrodt
in ihre Bezirke anzeigt, und mit den Worten ſchließt: „Bedenkt, nur
auf dem Wege des Geſetzes und der Ordnung welche aufrechtzuhalten
mich mein Eid und mein Gewiſſen verpflichten, kann etwas Gutes ge-
deihen und für die Dauer erreicht werden!“
Mainz, 11 März.
Das Bürgercomité welches ſich hier gebildet
hat um für Erhaltung und Weiterbildung der eben erlangten Freiheit
zu wirken, ſcheint ein Centralcomité für Heſſen zu werden. Es kommen
ihm viele Zuſchriften von Comités zu, die ſich in verſchiedenen Theilen
Heſſens gebildet haben. (F. J.)
Freie Städte.
Frankfurt a. M., 12 März.
Seit heute
Mittag weht von dem Bundespalaſt auf der großen Eſchen-
heimergaſſe die ſchwarz-roth-goldne Fahne als Zeichen
der Anerkennung von Seite des Bundestags. *) (Fr. J.)
Lübeck, 11 März.
Der Senat hat die Aufhebung der Cenſur
beſchloſſen. Die Reformbewegung Deutſchlands, im Südweſten Deutſch-
lands ſo zuſammenhängend, hat im Norden etwas mehr Sporadiſches.
Erfreulich iſt dabei daß die Reichsſtädte viel regeres, thatkräftigeres,
politiſches Leben zeigen als man ihnen von gewiſſen Seiten her zu-
trauen wollte.
* Aus den ſächſiſchen Herzogthümern. 11 März.
Wie im
vorigen Jahrhundert Schwaben, ſo iſt jetzt das Gebiet der ſächſiſchen
Herzogthümer das zerſtückeltſte von Deutſchland. Seine Einwohner
ſind nicht eigentlich das was man politiſche Harttraber nennen kann,
indeß hat ſich hier in den letzten Jahren ein immer regeres politiſches
Leben entwickelt. Die Jünglinge welche in den dreißiger Jahren in
Jena, der vorzugsweiſe burſchenſchaftlichen Univerſität Deutſchlands ſtu-
dirt hatten, waren Männer geworden, und das Gewehrfeuer von Paris
hat ein Echo in den thüringiſchen Bergen gefunden. Jn Altenburg, in
Schleiz, in Coburg regt man ſich mit Adreſſen: ſeltner will man Local-
wünſche erfüllt ſehen, wie z. B. in den reußiſchen Landen eine zeitgemäße
Verfaſſung, ſondern meiſt die allgemein deutſchen Forderungen: Preß-
freiheit, deutſches Parlament, ſofortige Berufung der Stände u. ſ. w.
Jn Gotha arbeitete man an einer Adreſſe während der Herzog noch
außer Landes war. Unmittelbar nachdem er in die Heimath zurückge-
kehrt war, verkündete er am 7 einige Conceſſionen. Die Preſſe ſollte frei
ſeyn, das Land eine Repräſentativverfaſſung erhalten. Die Bürger
dankten für das Bewilligte, reichten aber nichtsdeſtoweniger ihre Adreſſe
ein, und am folgenden Tage 8 nach einigem Zögern dieſſeits, nach eini-
gem Drängen jenſeits wurden ihnen reichlichere Gewährungen zu Theil:
Preßſreiheit, Petitions- und Verſammlungsrecht, Verſprechen einer
zeitgemäßen Repräſentativverfaſſung, der Verwendung für ein deut-
ſches Parlament und einige andere Verſprechungen, worunter die local-
wichtigſte daß die Kammereinkünfte zur Beſtreitung des geſammten
mit der Staatsverwaltung verknüpften Aufwandes mit den zu dieſem
Zweck beſtimmten Einnahmen der Oberſteuercaſſe in eine Caſſe vereinigt
werden ſollen. Abgeſchlagen ward in umſchreibenden Worten die in der
Petition erbetene Beſetzung der höchſten Landesſtellen mit andern Per-
ſonen. Der conſtitutionelle Grundſatz daß der Wechſel des Syſtems
naturgemäß einen Wechſel der Perſonen nach ſich ziehe, iſt alſo hier bis
jetzt nicht anerkannt. Jn Weimar endlich hatten weimariſche Bürger
ſowie die Bevölkerung von Jena beim Landtag petitionirt, der Landtag
bei dem Großherzog. Preßfreiheit, deutſches Parlament ꝛc. war begehrt.
Auf den 8 März hatten ſich die weimariſchen Bürger Reſolution ausge-
beten; auf dem Lande hieß es: am 8 kommt es zur Entſcheidung. Als
dieſer Tag eintrat, ſtrömten von früh Morgens an Maſſen von Landvolk
zur Reſidenz. Mittags verbreitete man unter ſie eine Bekanntmachung der
Regierung: „die Preßfreiheit, wie ſie bis 30 Oct. 1819 im Großherzog-
thum beſtanden hat, iſt wieder eingeführt; die in der Verordnung vom
6 April ertheilten Vorſchriften wegen Preßmißbräuchen treten wieder in
Kraft; weitere Beſtimmungen zur Verhinderung von Preßmißbräuchen
bleiben vorbehalten und ſoll hierüber ein Geſetzentwurf dem getreuen Land-
tag in kürzeſter Friſt vorgelegt werden. Vergebens. Das Blatt ward zer-
riſſen, es entſtand ein wilder anhaltender Tumult. Um 7 Uhr füllte
ſich der wie in Zeiten tiefſter Ruhe nur mit zwei Schildwachen beſetzte
Schloßhof mit Menſchen. Der Großherzog erſchien am Fenſter und
verſicherte: daß er die Wünſche ſeines Volks, ſoweit als es bis jetzt ir-
gend thunlich geweſen, erfüllt habe, daß er auch die noch unerfüllten
ſchon wohl erwogen und auch dieſe nach Kräften befriedigen werde Sein
Wort verſchaffte nur für einen Augenblick Ruhe; ſeine Verſprechungen
befriedigten nicht. Erſt den energiſchen Bemühungen des Oppoſitions-
abgeordneten v. Wydenbrugk gelang es die Menge aus dem Schloßhof
zu führen, die von da aus in der Stadt einige Wohnungen beſchädigte und
ſich dann verlief, während von den Bürgern Weimars mehrere zu einer
Bürgergarde zuſammentraten. Unter Bezugnahme auf dieſe Vorfälle
erſchien am 9 März eine neue Bekanntmachung: Der Fürſt werde für
eine deutſche Nationalvertretung thätig ſeyn; die Verminderung und
Verwandlung der ſtehenden Heere und eine allgemeine Volksbewaffnung
werde er ins Auge faſſen, über Umgeſtaltung der Rechtspflege behalte
er ſich ſeine Entſchließung vor. Das Kammervermögen werde er mit
dem landſchaftlichen Vermögen gegen Gewähr einer Civilliſte vereini-
*) Wird widerrufen.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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