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Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848.

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[Spaltenumbruch] gen. Mit dem Landtage werde er auch noch weitere an ihn gelangende
Anträge erledigen. Das fand in Weimar statt. Jn dem andern Theil
der Stadt Weimar-Jena, in Jena ward am Morgen des 9 die vorläu-
sige Antwort der Landstände auf die Petitionen der Bevölkerung von
Jena bekannt gemacht. Da sie nicht genügend erschien, beschlossen Bür-
ger und Studenten am Nachmittag in Masse nach Weimar zu ziehen,
und ließen sich nur mit Mühe von diesem Vorsatz abbringen, schickten
aber eine neue Deputation mit einer Adresse an den Großherzog, worin
derselbe um sofortiges Zugeständniß der nicht erledigten Punkte der
Jenaer Adressen ersucht wird. Vielleicht bewahrheitet sich auch hier
das Sprichwort, ein gutes Wort findet einen guten Ort. Es sind
die bisherigen Minister entlassen. Der Abg. Wydenbrugk ist proviso-
risch an die Spitze eines neuen Ministeriums getreten, und der Großher-
zog hat seine Civilliste, wie es heißt, auf 300,000 Thlr. angesetzt. Jn
Eisenach haben leider tadelnswerthe Unordnungen stattgefunden. Jn
Rudolstadt sollen die Mitglieder der Regierung verjagt seyn. Jn Co-
burg endlich ist der Landtag auf den 2 April zusammenberufen, und es
ist ihm die Vorlage von Gesetzen über vollständige Preßfreiheit, Peti-
tionsrecht, Volksversammlungen und Vereidigung des Militärs auf die
Verfassung zugesagt. Oeffentlichkeit, Mündlichkeit und Schwurgerichte
sollen eingeführt werden. Auch ist Thätigkeit der Regierung für ein
deutsches Parlament und für ein die Last des stehenden Heers erleich-
terndes Wehrsystem zugesagt. Der Landtag von Meiningen hat auf
Preßfreiheit, Schwurgerichte etc. angetragen.

K. Sachsen.

Wir bewegen uns immer, aber
wir kommen nicht vorwärts; wenigstens in Vergleich mit den andern
deutschen Staaten. Diese fortdauernde Aufregung ohne Ergebnisse hat
etwas außerordentlich abspannendes, und die Reaction benützt dieß ganz
geschickt um in ihrem Sinne zu wirken. Sie hat auch leichteres Spiel
als die Fortschrittsbewegung; die Leute setzen sich viel lieber zur Ruhe,
als daß sie fort und fort auf einen Punkt ohne Nachlaß der Kräfte
hinarbeiteten. Leipzig steht jetzt entschieden an der Spitze der säch-
sischen Bewegung; es hat den Beweis gegeben daß ihm das eine
Wahrheit ist, was man häusig nur für schöne Redensart hielt. Dieß
wird auch vom ganzen Lande anerkannt, und theils laufen Dankadressen für
Leipzigs Vorschreiten an die städtischen Behörden ein, theils lehnen sich
die Städte und Dörfer in ihren Adressen an den König direct an die Leip-
ziger Eingaben an. Ganz anders betrachtet die Regierung die Dinge.
Sie glaubt ganz Leipzig von ein paar Schreiern verführt, und die städti-
schen Behörden von einer Partei eingeschüchtert. Sie kennt die eigent-
liche Stimmung selbst der Ruhigsten im Lande nicht; und wenn einer un-
serer Minister diese Behauptung hier liest, wird er mich auch zu den
"Raisonneurs" zählen. Diese volle Unkenntniß wäre tief bedauerlich,
wenn sie nicht unverantwortlich wäre, weil eine Folge starren Einlebens
in ganz enge Residenzkreise und absichtliche Taubheit. Und was sind
die Folgen? Jmmer unheilbarerer Bruch zwischen Regierung und Volk.
So hat man jetzt Leipzig mit einer verhältnißmäßig ungeheuern Militär-
masse umzingelt; alle umliegenden Dörfer wimmeln von Einquartierung.
Aber dazu ist nicht die mindeste Veranlassung. Zieht man ein allnächtlich
wiederkehrendes Vivatrufen vor einigen Häusern ab, so ist in der äußern
Physiognomie des Lebens unsrer Stadt auch nicht der mindeste Unter-
schied zwischen jetzt und den ruhigsten Zeiten. Da diese Vivatzüge nicht
gestört werden, verlaufen sie sich auch in jeder Nacht sehr rasch. Den-
noch diese Militärmassen! Jn einer heute Nachmittag abgehaltenen Stadt-
verordnetensitzung wurde denn auch die Erklärung einstimmig angenom-
men: "daß so lange diese militärischen Maßnahmen fortdauerten das
Vertrauen zwischen Regierten und Regierung nicht herzustellen sey, weß-
halb Stadtverordnete und Stadtrath die sofortige Zurückziehung der die
Stadt umgebenden Truppen beantragen." Doch war dieß nur ein Zwi-
schenfall; eigentlich trat die Versammlung zusammen um die Zusammen-
stellung der Materialien zu einer Petition an den außerordentlichen Land-
tag zu berathen. Dieß Geschäft ward einer Deputation übertragen. --
Minister v. Carlowitz ist heute hier angekommen, und wird dem Ver-
nehmen nach einige Zeit als königlicher Commissär hier bleiben. Er
hatte Stadtverordnete und Stadtrath auf das Rathhaus bestellt um ih-
nen Eröffnungen zu machen. Diese ließen zuvor durch eine Deputation
anfragen, ob eine förmliche Besprechung der öffentlichen Angelegenhei-
ten stattfinden solle? Da Hr. v. Carlowitz erklärte daß er sich auf Dis-
cussionen nicht einlassen könne, so kam die Versammlung nicht zu Stande.
Uebrigens versprach Hr. v. Carlowitz, es werde "wohl auch für Zurück-
ziehung der Truppen aus Leipzigs Nähe Sorge getragen werden" wenn
[Spaltenumbruch] man ihm dafür stehe -- daß kein äußeres Zeichen die innere Aufre-
gung der Bevölkerung kundgebe. Dazu ist vorderhand aber keine Hoff-
nug, solange die Minister noch in ihren Stellen bleiben. Dagegen hat
man den Petitionszug nach Dresden von selbst aufgegeben, da vor Zu-
sammentritt der Stände doch keinerlei Erledigungen zu erwarten ste-
hen. Nur war heute die Aufregung wieder dadurch sehr gestiegen daß
sich das Gerücht verbreitet hatte, die Regierung wolle die umliegenden
Truppen in kommender Nacht zu der Besetzung der Stadt und zur Ver-
haftung der populären Männer verwenden. Jn solchem Falle wäre ar-
ges Blutvergießen unvermeidlich. -- Wie wir vernehmen, wird auf dem
Landtage die Competenzfrage doch noch eine der ersten seyn; die Oppo-
sition ist sehr entschieden dafür, weil sie die durch die jetzige Wahlweise
zusammengesetzte Kammer nicht als volksvertretend, sondern von der Re-
gierung eingenommen betrachtet. -- Dunkle Gerüchte von bedeutenden
Unruhen in Dresden, welche heute Mittag begonnen haben sollen, er-
mangeln noch der Bestätigung.


Durch den Landtagsabgeordneten Joseph
war für heute eine Zusammenkunft von Vertretern sächsischer Städte
ausgeschrieben, damit man in Betreff der allgemeinen deutschen Angele-
genheiten und der Sachsens berathe, was von Sachsen aus zu thun sey.
Alle sächsischen Städte hatten ihre Abgesandten abgeschickt, nur die der
Lausitz ließen sich entschuldigen. Im Schützenhaussaale wurde die Ver-
sammlung unter dem Vorsitz des Hrn. Joseph und bei überfüllter Be-
setzung der Galerien abgehalten. Das Programm stellte vorzüglich sie-
ben Punkte zur Debatte, unter denen man aber nach alter sächsischer Art
die allgemeinen und nationalen nicht eben obenan gestellt hatte. So war
z. B. die Debatte über das deutsche Parlament des Programms vorletzte.
Es wäre hier überflüssig auf die Einzelheiten der Berathungen einzuge-
hen; ihr volksthümlicher Charakter ist durch die Namen der Hauptstimm-
führer Joseph, Schaffrath, Biedermann, Blum, Tod, Klinger etc. schon
genugsam angedeutet. Die hauptsächlichsten allgemeinen Uebereinkünfte
der Verhandlung waren, so weit ich dieselben vernehmen konnte, bei Be-
rathung des Preßgesetzes den Wegfall aller Präventiv- und Repressivmaß-
regeln, kurz jeder Macht der Verwaltung über die Presse als leitendes
Princip festzuhalten, und dieselbe nur dem Strafgesetz zu unterstellen, durch
die richterliche Entscheidung einer Jury. Nächstdem wurden einige spe-
ciell sächsische Berathungen in Betreff des außerordentlichen Landtags
und des Verhaltens der Opposition gepflogen. Zu der Versammlung der
beabsichtigten Nationalrepräsentanten sind die HH. Tod und Biedermann
gewählt worden.

K. Hannover.

Auch wir haben Unruhen
gehabt, welche jedoch nur in entferntem Zusammenhang mit den gegenwär-
tigen politischen Aufregungen stehen. Die Studirenden hatten, wie ander-
wärts, Versammlungen und Berathungen über ihre Wünsche und Be-
dürfnisse gehalten. Diese Nacht ging eine größere Zahl unter etwas
lauter Bewegung nach Hause. Es kam zu Conflicten mit den Polizei-
soldaten. Die herbeigeeilten Landdragoner hieben auf Geheiß des Po-
lizeivorstandes ein und so wurden einige Studenten verwundet. Diesen
Morgen kam eine requirirte Abtheilung Cuirassiere von Northeim, und
stellte sich vor dem Universitätsgebäude auf, wo Senat, Professoren und
Studenten versammelt waren. Nachmittags versammelten sich auch die
Bürger. Eine Deputation von Professoren (Briegleb, Fuchs, Ritter,
Zachariä) wurde nach Hannover gesendet, und fuhr soeben unter Vivat-
rufen der Bevölkerung ab. Hoffentlich kommt es zu einer Entfernung
des Polizeivorstandes, der seine völlige Unfähigkeit zu seinem Amte
wiederholt bethätigt hat. Nunmehr wird es auch wahrscheinlich zu
politischen Adressen von Seite der Bürgerschaft kommen, die vielleicht
sonst unterblieben wären. Die Universität hat sich nicht dazu entschlossen,
obwohl die Frage erörtert wurde. Man vertraut dem einberufenen
Landtag, beklagt es aber jetzt doppelt daß die Universität keinen Ver-
treter aus ihrer Mitte gewählt hat. Wie in Rheinpreußen, so findet
man auch in Hannover große Abneigung gegen ungesetzliche und stür-
mische Wege und in Göttingen vielleicht am meisten, wo die Bürger
noch die Unruhen von 1831 und deren Folgen in guter Erinnerung
haben. Die gegenwärtige Aufregung wird übrigens noch gesteigert
durch die gestern bekannt gegebene Jnsolvenz des ersten jüdischen Ban-
kierhauses Benfey, wie man sagt mit 150,000 Thalern, wo viele Dienst-
boten und ärmere Leute ihre Ersparnisse angelegt hatten. Die Woh-
nung der Chefs war gestern ganz umlagert und mit polizeilicher Be-
wachung versehen.

[Spaltenumbruch] gen. Mit dem Landtage werde er auch noch weitere an ihn gelangende
Anträge erledigen. Das fand in Weimar ſtatt. Jn dem andern Theil
der Stadt Weimar-Jena, in Jena ward am Morgen des 9 die vorläu-
ſige Antwort der Landſtände auf die Petitionen der Bevölkerung von
Jena bekannt gemacht. Da ſie nicht genügend erſchien, beſchloſſen Bür-
ger und Studenten am Nachmittag in Maſſe nach Weimar zu ziehen,
und ließen ſich nur mit Mühe von dieſem Vorſatz abbringen, ſchickten
aber eine neue Deputation mit einer Adreſſe an den Großherzog, worin
derſelbe um ſofortiges Zugeſtändniß der nicht erledigten Punkte der
Jenaer Adreſſen erſucht wird. Vielleicht bewahrheitet ſich auch hier
das Sprichwort, ein gutes Wort findet einen guten Ort. Es ſind
die bisherigen Miniſter entlaſſen. Der Abg. Wydenbrugk iſt proviſo-
riſch an die Spitze eines neuen Miniſteriums getreten, und der Großher-
zog hat ſeine Civilliſte, wie es heißt, auf 300,000 Thlr. angeſetzt. Jn
Eiſenach haben leider tadelnswerthe Unordnungen ſtattgefunden. Jn
Rudolſtadt ſollen die Mitglieder der Regierung verjagt ſeyn. Jn Co-
burg endlich iſt der Landtag auf den 2 April zuſammenberufen, und es
iſt ihm die Vorlage von Geſetzen über vollſtändige Preßfreiheit, Peti-
tionsrecht, Volksverſammlungen und Vereidigung des Militärs auf die
Verfaſſung zugeſagt. Oeffentlichkeit, Mündlichkeit und Schwurgerichte
ſollen eingeführt werden. Auch iſt Thätigkeit der Regierung für ein
deutſches Parlament und für ein die Laſt des ſtehenden Heers erleich-
terndes Wehrſyſtem zugeſagt. Der Landtag von Meiningen hat auf
Preßfreiheit, Schwurgerichte ꝛc. angetragen.

K. Sachſen.

Wir bewegen uns immer, aber
wir kommen nicht vorwärts; wenigſtens in Vergleich mit den andern
deutſchen Staaten. Dieſe fortdauernde Aufregung ohne Ergebniſſe hat
etwas außerordentlich abſpannendes, und die Reaction benützt dieß ganz
geſchickt um in ihrem Sinne zu wirken. Sie hat auch leichteres Spiel
als die Fortſchrittsbewegung; die Leute ſetzen ſich viel lieber zur Ruhe,
als daß ſie fort und fort auf einen Punkt ohne Nachlaß der Kräfte
hinarbeiteten. Leipzig ſteht jetzt entſchieden an der Spitze der ſäch-
ſiſchen Bewegung; es hat den Beweis gegeben daß ihm das eine
Wahrheit iſt, was man häuſig nur für ſchöne Redensart hielt. Dieß
wird auch vom ganzen Lande anerkannt, und theils laufen Dankadreſſen für
Leipzigs Vorſchreiten an die ſtädtiſchen Behörden ein, theils lehnen ſich
die Städte und Dörfer in ihren Adreſſen an den König direct an die Leip-
ziger Eingaben an. Ganz anders betrachtet die Regierung die Dinge.
Sie glaubt ganz Leipzig von ein paar Schreiern verführt, und die ſtädti-
ſchen Behörden von einer Partei eingeſchüchtert. Sie kennt die eigent-
liche Stimmung ſelbſt der Ruhigſten im Lande nicht; und wenn einer un-
ſerer Miniſter dieſe Behauptung hier liest, wird er mich auch zu den
„Raiſonneurs“ zählen. Dieſe volle Unkenntniß wäre tief bedauerlich,
wenn ſie nicht unverantwortlich wäre, weil eine Folge ſtarren Einlebens
in ganz enge Reſidenzkreiſe und abſichtliche Taubheit. Und was ſind
die Folgen? Jmmer unheilbarerer Bruch zwiſchen Regierung und Volk.
So hat man jetzt Leipzig mit einer verhältnißmäßig ungeheuern Militär-
maſſe umzingelt; alle umliegenden Dörfer wimmeln von Einquartierung.
Aber dazu iſt nicht die mindeſte Veranlaſſung. Zieht man ein allnächtlich
wiederkehrendes Vivatrufen vor einigen Häuſern ab, ſo iſt in der äußern
Phyſiognomie des Lebens unſrer Stadt auch nicht der mindeſte Unter-
ſchied zwiſchen jetzt und den ruhigſten Zeiten. Da dieſe Vivatzüge nicht
geſtört werden, verlaufen ſie ſich auch in jeder Nacht ſehr raſch. Den-
noch dieſe Militärmaſſen! Jn einer heute Nachmittag abgehaltenen Stadt-
verordnetenſitzung wurde denn auch die Erklärung einſtimmig angenom-
men: „daß ſo lange dieſe militäriſchen Maßnahmen fortdauerten das
Vertrauen zwiſchen Regierten und Regierung nicht herzuſtellen ſey, weß-
halb Stadtverordnete und Stadtrath die ſofortige Zurückziehung der die
Stadt umgebenden Truppen beantragen.“ Doch war dieß nur ein Zwi-
ſchenfall; eigentlich trat die Verſammlung zuſammen um die Zuſammen-
ſtellung der Materialien zu einer Petition an den außerordentlichen Land-
tag zu berathen. Dieß Geſchäft ward einer Deputation übertragen. —
Miniſter v. Carlowitz iſt heute hier angekommen, und wird dem Ver-
nehmen nach einige Zeit als königlicher Commiſſär hier bleiben. Er
hatte Stadtverordnete und Stadtrath auf das Rathhaus beſtellt um ih-
nen Eröffnungen zu machen. Dieſe ließen zuvor durch eine Deputation
anfragen, ob eine förmliche Beſprechung der öffentlichen Angelegenhei-
ten ſtattfinden ſolle? Da Hr. v. Carlowitz erklärte daß er ſich auf Dis-
cuſſionen nicht einlaſſen könne, ſo kam die Verſammlung nicht zu Stande.
Uebrigens verſprach Hr. v. Carlowitz, es werde „wohl auch für Zurück-
ziehung der Truppen aus Leipzigs Nähe Sorge getragen werden“ wenn
[Spaltenumbruch] man ihm dafür ſtehe — daß kein äußeres Zeichen die innere Aufre-
gung der Bevölkerung kundgebe. Dazu iſt vorderhand aber keine Hoff-
nug, ſolange die Miniſter noch in ihren Stellen bleiben. Dagegen hat
man den Petitionszug nach Dresden von ſelbſt aufgegeben, da vor Zu-
ſammentritt der Stände doch keinerlei Erledigungen zu erwarten ſte-
hen. Nur war heute die Aufregung wieder dadurch ſehr geſtiegen daß
ſich das Gerücht verbreitet hatte, die Regierung wolle die umliegenden
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haftung der populären Männer verwenden. Jn ſolchem Falle wäre ar-
ges Blutvergießen unvermeidlich. — Wie wir vernehmen, wird auf dem
Landtage die Competenzfrage doch noch eine der erſten ſeyn; die Oppo-
ſition iſt ſehr entſchieden dafür, weil ſie die durch die jetzige Wahlweiſe
zuſammengeſetzte Kammer nicht als volksvertretend, ſondern von der Re-
gierung eingenommen betrachtet. — Dunkle Gerüchte von bedeutenden
Unruhen in Dresden, welche heute Mittag begonnen haben ſollen, er-
mangeln noch der Beſtätigung.


Durch den Landtagsabgeordneten Joſeph
war für heute eine Zuſammenkunft von Vertretern ſächſiſcher Städte
ausgeſchrieben, damit man in Betreff der allgemeinen deutſchen Angele-
genheiten und der Sachſens berathe, was von Sachſen aus zu thun ſey.
Alle ſächſiſchen Städte hatten ihre Abgeſandten abgeſchickt, nur die der
Lauſitz ließen ſich entſchuldigen. Im Schützenhausſaale wurde die Ver-
ſammlung unter dem Vorſitz des Hrn. Joſeph und bei überfüllter Be-
ſetzung der Galerien abgehalten. Das Programm ſtellte vorzüglich ſie-
ben Punkte zur Debatte, unter denen man aber nach alter ſächſiſcher Art
die allgemeinen und nationalen nicht eben obenan geſtellt hatte. So war
z. B. die Debatte über das deutſche Parlament des Programms vorletzte.
Es wäre hier überflüſſig auf die Einzelheiten der Berathungen einzuge-
hen; ihr volksthümlicher Charakter iſt durch die Namen der Hauptſtimm-
führer Joſeph, Schaffrath, Biedermann, Blum, Tod, Klinger ꝛc. ſchon
genugſam angedeutet. Die hauptſächlichſten allgemeinen Uebereinkünfte
der Verhandlung waren, ſo weit ich dieſelben vernehmen konnte, bei Be-
rathung des Preßgeſetzes den Wegfall aller Präventiv- und Repreſſivmaß-
regeln, kurz jeder Macht der Verwaltung über die Preſſe als leitendes
Princip feſtzuhalten, und dieſelbe nur dem Strafgeſetz zu unterſtellen, durch
die richterliche Entſcheidung einer Jury. Nächſtdem wurden einige ſpe-
ciell ſächſiſche Berathungen in Betreff des außerordentlichen Landtags
und des Verhaltens der Oppoſition gepflogen. Zu der Verſammlung der
beabſichtigten Nationalrepräſentanten ſind die HH. Tod und Biedermann
gewählt worden.

K. Hannover.

Auch wir haben Unruhen
gehabt, welche jedoch nur in entferntem Zuſammenhang mit den gegenwär-
tigen politiſchen Aufregungen ſtehen. Die Studirenden hatten, wie ander-
wärts, Verſammlungen und Berathungen über ihre Wünſche und Be-
dürfniſſe gehalten. Dieſe Nacht ging eine größere Zahl unter etwas
lauter Bewegung nach Hauſe. Es kam zu Conflicten mit den Polizei-
ſoldaten. Die herbeigeeilten Landdragoner hieben auf Geheiß des Po-
lizeivorſtandes ein und ſo wurden einige Studenten verwundet. Dieſen
Morgen kam eine requirirte Abtheilung Cuiraſſiere von Northeim, und
ſtellte ſich vor dem Univerſitätsgebäude auf, wo Senat, Profeſſoren und
Studenten verſammelt waren. Nachmittags verſammelten ſich auch die
Bürger. Eine Deputation von Profeſſoren (Briegleb, Fuchs, Ritter,
Zachariä) wurde nach Hannover geſendet, und fuhr ſoeben unter Vivat-
rufen der Bevölkerung ab. Hoffentlich kommt es zu einer Entfernung
des Polizeivorſtandes, der ſeine völlige Unfähigkeit zu ſeinem Amte
wiederholt bethätigt hat. Nunmehr wird es auch wahrſcheinlich zu
politiſchen Adreſſen von Seite der Bürgerſchaft kommen, die vielleicht
ſonſt unterblieben wären. Die Univerſität hat ſich nicht dazu entſchloſſen,
obwohl die Frage erörtert wurde. Man vertraut dem einberufenen
Landtag, beklagt es aber jetzt doppelt daß die Univerſität keinen Ver-
treter aus ihrer Mitte gewählt hat. Wie in Rheinpreußen, ſo findet
man auch in Hannover große Abneigung gegen ungeſetzliche und ſtür-
miſche Wege und in Göttingen vielleicht am meiſten, wo die Bürger
noch die Unruhen von 1831 und deren Folgen in guter Erinnerung
haben. Die gegenwärtige Aufregung wird übrigens noch geſteigert
durch die geſtern bekannt gegebene Jnſolvenz des erſten jüdiſchen Ban-
kierhauſes Benfey, wie man ſagt mit 150,000 Thalern, wo viele Dienſt-
boten und ärmere Leute ihre Erſparniſſe angelegt hatten. Die Woh-
nung der Chefs war geſtern ganz umlagert und mit polizeilicher Be-
wachung verſehen.

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[1204/0004] gen. Mit dem Landtage werde er auch noch weitere an ihn gelangende Anträge erledigen. Das fand in Weimar ſtatt. Jn dem andern Theil der Stadt Weimar-Jena, in Jena ward am Morgen des 9 die vorläu- ſige Antwort der Landſtände auf die Petitionen der Bevölkerung von Jena bekannt gemacht. Da ſie nicht genügend erſchien, beſchloſſen Bür- ger und Studenten am Nachmittag in Maſſe nach Weimar zu ziehen, und ließen ſich nur mit Mühe von dieſem Vorſatz abbringen, ſchickten aber eine neue Deputation mit einer Adreſſe an den Großherzog, worin derſelbe um ſofortiges Zugeſtändniß der nicht erledigten Punkte der Jenaer Adreſſen erſucht wird. Vielleicht bewahrheitet ſich auch hier das Sprichwort, ein gutes Wort findet einen guten Ort. Es ſind die bisherigen Miniſter entlaſſen. Der Abg. Wydenbrugk iſt proviſo- riſch an die Spitze eines neuen Miniſteriums getreten, und der Großher- zog hat ſeine Civilliſte, wie es heißt, auf 300,000 Thlr. angeſetzt. Jn Eiſenach haben leider tadelnswerthe Unordnungen ſtattgefunden. Jn Rudolſtadt ſollen die Mitglieder der Regierung verjagt ſeyn. Jn Co- burg endlich iſt der Landtag auf den 2 April zuſammenberufen, und es iſt ihm die Vorlage von Geſetzen über vollſtändige Preßfreiheit, Peti- tionsrecht, Volksverſammlungen und Vereidigung des Militärs auf die Verfaſſung zugeſagt. Oeffentlichkeit, Mündlichkeit und Schwurgerichte ſollen eingeführt werden. Auch iſt Thätigkeit der Regierung für ein deutſches Parlament und für ein die Laſt des ſtehenden Heers erleich- terndes Wehrſyſtem zugeſagt. Der Landtag von Meiningen hat auf Preßfreiheit, Schwurgerichte ꝛc. angetragen. K. Sachſen. * Leipzig, 12 März. Wir bewegen uns immer, aber wir kommen nicht vorwärts; wenigſtens in Vergleich mit den andern deutſchen Staaten. Dieſe fortdauernde Aufregung ohne Ergebniſſe hat etwas außerordentlich abſpannendes, und die Reaction benützt dieß ganz geſchickt um in ihrem Sinne zu wirken. Sie hat auch leichteres Spiel als die Fortſchrittsbewegung; die Leute ſetzen ſich viel lieber zur Ruhe, als daß ſie fort und fort auf einen Punkt ohne Nachlaß der Kräfte hinarbeiteten. Leipzig ſteht jetzt entſchieden an der Spitze der ſäch- ſiſchen Bewegung; es hat den Beweis gegeben daß ihm das eine Wahrheit iſt, was man häuſig nur für ſchöne Redensart hielt. Dieß wird auch vom ganzen Lande anerkannt, und theils laufen Dankadreſſen für Leipzigs Vorſchreiten an die ſtädtiſchen Behörden ein, theils lehnen ſich die Städte und Dörfer in ihren Adreſſen an den König direct an die Leip- ziger Eingaben an. Ganz anders betrachtet die Regierung die Dinge. Sie glaubt ganz Leipzig von ein paar Schreiern verführt, und die ſtädti- ſchen Behörden von einer Partei eingeſchüchtert. Sie kennt die eigent- liche Stimmung ſelbſt der Ruhigſten im Lande nicht; und wenn einer un- ſerer Miniſter dieſe Behauptung hier liest, wird er mich auch zu den „Raiſonneurs“ zählen. Dieſe volle Unkenntniß wäre tief bedauerlich, wenn ſie nicht unverantwortlich wäre, weil eine Folge ſtarren Einlebens in ganz enge Reſidenzkreiſe und abſichtliche Taubheit. Und was ſind die Folgen? Jmmer unheilbarerer Bruch zwiſchen Regierung und Volk. So hat man jetzt Leipzig mit einer verhältnißmäßig ungeheuern Militär- maſſe umzingelt; alle umliegenden Dörfer wimmeln von Einquartierung. Aber dazu iſt nicht die mindeſte Veranlaſſung. Zieht man ein allnächtlich wiederkehrendes Vivatrufen vor einigen Häuſern ab, ſo iſt in der äußern Phyſiognomie des Lebens unſrer Stadt auch nicht der mindeſte Unter- ſchied zwiſchen jetzt und den ruhigſten Zeiten. Da dieſe Vivatzüge nicht geſtört werden, verlaufen ſie ſich auch in jeder Nacht ſehr raſch. Den- noch dieſe Militärmaſſen! Jn einer heute Nachmittag abgehaltenen Stadt- verordnetenſitzung wurde denn auch die Erklärung einſtimmig angenom- men: „daß ſo lange dieſe militäriſchen Maßnahmen fortdauerten das Vertrauen zwiſchen Regierten und Regierung nicht herzuſtellen ſey, weß- halb Stadtverordnete und Stadtrath die ſofortige Zurückziehung der die Stadt umgebenden Truppen beantragen.“ Doch war dieß nur ein Zwi- ſchenfall; eigentlich trat die Verſammlung zuſammen um die Zuſammen- ſtellung der Materialien zu einer Petition an den außerordentlichen Land- tag zu berathen. Dieß Geſchäft ward einer Deputation übertragen. — Miniſter v. Carlowitz iſt heute hier angekommen, und wird dem Ver- nehmen nach einige Zeit als königlicher Commiſſär hier bleiben. Er hatte Stadtverordnete und Stadtrath auf das Rathhaus beſtellt um ih- nen Eröffnungen zu machen. Dieſe ließen zuvor durch eine Deputation anfragen, ob eine förmliche Beſprechung der öffentlichen Angelegenhei- ten ſtattfinden ſolle? Da Hr. v. Carlowitz erklärte daß er ſich auf Dis- cuſſionen nicht einlaſſen könne, ſo kam die Verſammlung nicht zu Stande. Uebrigens verſprach Hr. v. Carlowitz, es werde „wohl auch für Zurück- ziehung der Truppen aus Leipzigs Nähe Sorge getragen werden“ wenn man ihm dafür ſtehe — daß kein äußeres Zeichen die innere Aufre- gung der Bevölkerung kundgebe. Dazu iſt vorderhand aber keine Hoff- nug, ſolange die Miniſter noch in ihren Stellen bleiben. Dagegen hat man den Petitionszug nach Dresden von ſelbſt aufgegeben, da vor Zu- ſammentritt der Stände doch keinerlei Erledigungen zu erwarten ſte- hen. Nur war heute die Aufregung wieder dadurch ſehr geſtiegen daß ſich das Gerücht verbreitet hatte, die Regierung wolle die umliegenden Truppen in kommender Nacht zu der Beſetzung der Stadt und zur Ver- haftung der populären Männer verwenden. Jn ſolchem Falle wäre ar- ges Blutvergießen unvermeidlich. — Wie wir vernehmen, wird auf dem Landtage die Competenzfrage doch noch eine der erſten ſeyn; die Oppo- ſition iſt ſehr entſchieden dafür, weil ſie die durch die jetzige Wahlweiſe zuſammengeſetzte Kammer nicht als volksvertretend, ſondern von der Re- gierung eingenommen betrachtet. — Dunkle Gerüchte von bedeutenden Unruhen in Dresden, welche heute Mittag begonnen haben ſollen, er- mangeln noch der Beſtätigung. ** Leipzig, 12 März. Durch den Landtagsabgeordneten Joſeph war für heute eine Zuſammenkunft von Vertretern ſächſiſcher Städte ausgeſchrieben, damit man in Betreff der allgemeinen deutſchen Angele- genheiten und der Sachſens berathe, was von Sachſen aus zu thun ſey. Alle ſächſiſchen Städte hatten ihre Abgeſandten abgeſchickt, nur die der Lauſitz ließen ſich entſchuldigen. Im Schützenhausſaale wurde die Ver- ſammlung unter dem Vorſitz des Hrn. Joſeph und bei überfüllter Be- ſetzung der Galerien abgehalten. Das Programm ſtellte vorzüglich ſie- ben Punkte zur Debatte, unter denen man aber nach alter ſächſiſcher Art die allgemeinen und nationalen nicht eben obenan geſtellt hatte. So war z. B. die Debatte über das deutſche Parlament des Programms vorletzte. Es wäre hier überflüſſig auf die Einzelheiten der Berathungen einzuge- hen; ihr volksthümlicher Charakter iſt durch die Namen der Hauptſtimm- führer Joſeph, Schaffrath, Biedermann, Blum, Tod, Klinger ꝛc. ſchon genugſam angedeutet. Die hauptſächlichſten allgemeinen Uebereinkünfte der Verhandlung waren, ſo weit ich dieſelben vernehmen konnte, bei Be- rathung des Preßgeſetzes den Wegfall aller Präventiv- und Repreſſivmaß- regeln, kurz jeder Macht der Verwaltung über die Preſſe als leitendes Princip feſtzuhalten, und dieſelbe nur dem Strafgeſetz zu unterſtellen, durch die richterliche Entſcheidung einer Jury. Nächſtdem wurden einige ſpe- ciell ſächſiſche Berathungen in Betreff des außerordentlichen Landtags und des Verhaltens der Oppoſition gepflogen. Zu der Verſammlung der beabſichtigten Nationalrepräſentanten ſind die HH. Tod und Biedermann gewählt worden. K. Hannover. □ Göttingen, 12 März. Auch wir haben Unruhen gehabt, welche jedoch nur in entferntem Zuſammenhang mit den gegenwär- tigen politiſchen Aufregungen ſtehen. Die Studirenden hatten, wie ander- wärts, Verſammlungen und Berathungen über ihre Wünſche und Be- dürfniſſe gehalten. Dieſe Nacht ging eine größere Zahl unter etwas lauter Bewegung nach Hauſe. Es kam zu Conflicten mit den Polizei- ſoldaten. Die herbeigeeilten Landdragoner hieben auf Geheiß des Po- lizeivorſtandes ein und ſo wurden einige Studenten verwundet. Dieſen Morgen kam eine requirirte Abtheilung Cuiraſſiere von Northeim, und ſtellte ſich vor dem Univerſitätsgebäude auf, wo Senat, Profeſſoren und Studenten verſammelt waren. Nachmittags verſammelten ſich auch die Bürger. Eine Deputation von Profeſſoren (Briegleb, Fuchs, Ritter, Zachariä) wurde nach Hannover geſendet, und fuhr ſoeben unter Vivat- rufen der Bevölkerung ab. Hoffentlich kommt es zu einer Entfernung des Polizeivorſtandes, der ſeine völlige Unfähigkeit zu ſeinem Amte wiederholt bethätigt hat. Nunmehr wird es auch wahrſcheinlich zu politiſchen Adreſſen von Seite der Bürgerſchaft kommen, die vielleicht ſonſt unterblieben wären. Die Univerſität hat ſich nicht dazu entſchloſſen, obwohl die Frage erörtert wurde. Man vertraut dem einberufenen Landtag, beklagt es aber jetzt doppelt daß die Univerſität keinen Ver- treter aus ihrer Mitte gewählt hat. Wie in Rheinpreußen, ſo findet man auch in Hannover große Abneigung gegen ungeſetzliche und ſtür- miſche Wege und in Göttingen vielleicht am meiſten, wo die Bürger noch die Unruhen von 1831 und deren Folgen in guter Erinnerung haben. Die gegenwärtige Aufregung wird übrigens noch geſteigert durch die geſtern bekannt gegebene Jnſolvenz des erſten jüdiſchen Ban- kierhauſes Benfey, wie man ſagt mit 150,000 Thalern, wo viele Dienſt- boten und ärmere Leute ihre Erſparniſſe angelegt hatten. Die Woh- nung der Chefs war geſtern ganz umlagert und mit polizeilicher Be- wachung verſehen.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848, S. 1204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine76_1848/4>, abgerufen am 21.11.2024.