Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848.[Spaltenumbruch]
Die Soldaten ziehen in die Casernen. Nur an der Burg, an der Staats- Jupiter Wien, 14 März. (Nachmittags 3 Uhr.) Nationalgarde * Wien, 14 März. Die Nacht war lärmend. Die Volksbewaff- Sun Wien, 13 März. Wien ist im Aufstand; Blut ist geflossen, Sun Wien, 14 März Morgens. Eine kaiserl. Proclamation er- Großbritannien. London, 11 März. Lord John Russell ist von seinem kurzen Aufenthalt an der See- [Spaltenumbruch]
Die Soldaten ziehen in die Caſernen. Nur an der Burg, an der Staats- ♃ Wien, 14 März. (Nachmittags 3 Uhr.) Nationalgarde * Wien, 14 März. Die Nacht war lärmend. Die Volksbewaff- ☉ Wien, 13 März. Wien iſt im Aufſtand; Blut iſt gefloſſen, ☉ Wien, 14 März Morgens. Eine kaiſerl. Proclamation er- Großbritannien. London, 11 März. Lord John Ruſſell iſt von ſeinem kurzen Aufenthalt an der See- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0007" n="1223"/><cb/> Die Soldaten ziehen in die Caſernen. Nur an der Burg, an der Staats-<lb/> kanzlei, am Ständehauſe bleibt Militär in ruhiger Haltung. Tauſende<lb/> durchziehen die Straßen; man ſteht in Gruppen; man geht ſpazieren;<lb/> Herrten und Damen; alles beleuchtet und ein milder Frühlingshimmel ſieht<lb/> herab auf die ruhig wallenden Menſchen. Hier ſchließe ich und ſende dieſen<lb/> Brief ab, obgleich ich nicht weiß ob er abgehen kann, abgehen wird.<lb/> Heute werden Waffen aus dem bürgerlichen Zeughauſe abgegeben;<lb/> alles bewaffnet ſich und man ſieht neuen Unruhen entgegen. Jch<lb/> glaube nicht daß Ruhe vollſtändige Ruhe möglich ſey bis daß der Staat<lb/> in das neue Geleiſe eingefahren ſeyn wird welches die Umſtände vor-<lb/> ſchreiben. Aus dem alten iſt bereits ausgelenkt worden. — Der Abendtrain<lb/> aus Prag brachte geſtern Nachricht von ähnlichen Auftritten. Man er-<lb/> wartet das Gleiche aus andern Städten zu hören. — <hi rendition="#g">Mittags</hi>. Die<lb/> bewaffneten Bürgerpatrouillen durchziehen die Stadt nach allen Richtun-<lb/> gen und werden mit Jubel begrüßt. Eine kaiſerliche Proclamation ver-<lb/> heißt: Volksbewaffnung, und gibt die Verſicherung die Zeit in Erwä-<lb/> gung zu ziehen unter dem Beirathe nicht nur der Stände, ſondern<lb/> auch einiger Mitglieder aus dem Bürgerſtande. Zugleich wird zur Ord-<lb/> nung ermahnt, indem „Se. Majeſtät nur mit Bedauern Gebrauch von<lb/> den Waffen machen laſſen würde.“ Dieſer letztere Beiſatz beruhigt<lb/> eben nicht; vielmehr ſind die Proclamationen faſt an den meiſten<lb/> Straßenecken abgeriſſen. Man iſt von allen Seiten voll banger Er-<lb/> wartung. Jn Mariahilf brannte es; viele Todte hat es dort gegeben.<lb/> Geſtern gingen die Poſten nicht fort; ich will dieſem Briefe ein beſſeres<lb/> Schickſal wünſchen. Fürſt Metternich und mehrere andere Perſonen<lb/> haben die Stadt verlaſſen.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">♃ Wien,</hi> 14 März. (Nachmittags 3 Uhr.)</dateline><lb/> <p><hi rendition="#g">Nationalgarde</hi><lb/> unter dem Befehl des Grafen <hi rendition="#g">Hoyos; Preßfreiheit;</hi> dieß find die<lb/> großen Angebinde der Bewegung. 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Auf den Glacis find die Gaspſähle herausgeriſſen, die La-<lb/> ternen zertrümmert. Bürger und Studenten trachten auch dort Ord-<lb/> nung herzuſtellen. 11 <hi rendition="#g">Uhr</hi>. In den Vorſtädten ſoll es wild hergehen;<lb/> man ſoll Angriffe auf einige Fabriken gemacht haben. Jn der Stadt hat<lb/> man bis jetzt nur an den Regierungsgebäuden zerſtört was man erreichen<lb/> konnte. Von der Regierung iſt eine Kundmachung in der Zeitung er-<lb/> ſchienen, ohne Wirkung zu machen. Seither iſt nichts mehr von ihr<lb/> bekannt gemacht worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>☉ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 13 März.</dateline><lb/> <p>Wien iſt im Aufſtand; Blut iſt gefloſſen,<lb/> Fürſt Metternich hat Abends 7 Uhr abgedankt. 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Geſtürmt iſt das Stadtgerichtsgebäude, zu wiederhol-<lb/> tenmalen das Schottenthor, das Zeughaus konnte man nicht erſtürmen.<lb/> Von höhern Officieren ſind einige als Opfer gefallen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>☉ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 14 März Morgens.</dateline><lb/> <p>Eine kaiſerl. Proclamation er-<lb/> mahnt zur Ruhe; eine Commiſſion mit Hinzunahme von Männern aus<lb/> dem Bürgerſtande iſt niedergeſetzt die Reformen ſchleunigſt zu entwer-<lb/> fen. Die Studenten ſind bewaffnet und ziehen gemeinſchaftlich mit der<lb/> Bürgergarde durch die Stadt, wo ſie erſcheinen ungeheurer Jubel.<lb/> Ueberhaupt gebührt den Studenten das erhebendſte Zeugniß von feſtem<lb/> Bewußtſeyn, edler Haltung, hinreißender Begeiſterung; ſie haben haupt-<lb/> ſächlich dem ungeheuren Strome der allgemeinen Bewegung den ent-<lb/> ſcheidenden Anſtoß und die Richtung geben helfen. Heute geſteigerte<lb/> Spannung, die Vorſtädte werden gefürchtet, in den Straßen das Publi-<lb/> cum ein anderes als geſtern; Handwerker aller Art, fürchterliche Schaa-<lb/> ren ziehen umher. Wenn bis Mittag keine umfaſſenden Reformen da<lb/> find, ſteht das Aergſte zu erwarten. Nachrichten aus allen Provinzen<lb/> ſehr bedenkliche. Die Forderungen an die Regierung find dieſelben die<lb/> ganz Deutſchland an ſeine Regierungen ſtellt, eher überbietend als da-<lb/> hinter zurückbleibend. <hi rendition="#g">Nachſchrift</hi>. 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Die<lb/> Sorgen und Beängſtigungen des Miniſteriums ſind, wir wiſſen es<lb/> aus beſter Quelle, zuviel für die Kräfte des edlen Lord, und ſein län-<lb/> geres Verbleiben in einem ſo beſchwerlichen Amte dürfte ſelbſt von Ge-<lb/> fahr für ſein Leben begleitet ſeyn.“ Die <hi rendition="#g">Times</hi> — von welcher <hi rendition="#g">Daily<lb/> News</hi> bemerkt ſie ahne bevorſtehenden Tod mit ſo ſicherem Jnſtinct wie<lb/> ein Aasgeier oder ein Rabe — deutet in ziemlich beſtimmten Worten<lb/> den nahen Rücktritt der jetzigen Verwaltung an. „Bei dem dermaligen<lb/> kritiſchen Stande der auswärtigen Angelegenheiten“, ſagt ſie, „ſtellen<lb/> ſich viele die Frage: beſitzen wir eine hinlänglich energiſche Regierung,<lb/> welche die nöthigen Verbeſſerungen im Innern leiten und durchführen<lb/> kann? Die Nation ahnt in dieſem Punkt nichts gutes. Bei all unſerer<lb/> perſönlichen Achtung für die einzelnen Mitglieder des jetzigen Cabinets<lb/> können wir doch für den Miniſter und ſeine Plane kein volles Vertrauen<lb/> in Anſpruch nehmen. Wenig wird verheißen, aber noch weniger gethan.<lb/> Wichtige Maßregeln ſchiebt man auf die lange Bank. Wie kommt es<lb/> daß die Regierung ſo beſtändig und erfolgreich angegriffen wird? Weil<lb/> ſie ſtillſitzt und dem Schützen ein leichtes Ziel darbietet. Jeder Ein-<lb/> faltspinſel kann eine ſtationäre Regierung treffen. Niemand kann<lb/> denen helfen die ſich ſelbſt nicht helfen wollen. Was thun die Miniſter?<lb/> Lord J. Ruſſell iſt unwohl. Unwohl war Oberſt Elphinſtone in Kabul,<lb/> unwohl war der Befehlshaber der „Snake“, die im Auguſt v. J. an der<lb/> Küſte von Oſt-Afrika ſcheiterte. Leider wird die Kränklichkeit eines<lb/> Miniſters leicht anſteckend. Arbeitsleute ſchaffen ſelten gut wenn das<lb/> Auge des Werkmeiſters nicht über ihnen wacht. Das Parlament ſitzt ſeit<lb/> drei Monaten, und wie wenig hat es in dieſer Zeit geleiſtet! Man miß-<lb/> verſtehe uns nicht, wenn wir ſagen: jetzt wo alle unſere Nachbarn ihre<lb/> Revolutionen haben, muß auch England eine haben — eine Revolu-<lb/> tion der ruhigen und verfaſſungsmäßigen Art. Ganz Europa, inſoweit<lb/> es nicht von Barbaren bewohnt iſt, ſchreitet in neue Bahnen. Jedes<lb/> Land trägt etwas zu der Bewegung bei. Frankreich hofft durch ſeine<lb/> Aenderung etwas zu gewinnen. Das brittiſche Volk würde ſich ſchämen<lb/> dahinter zu bleiben. Es will keine Staatsumwälzung im gewöhnlichen<lb/> Sinn, aber einen entſchiedenen Fortſchritt; kann es ſolchen nicht durch<lb/> den einen Miniſter erlangen, wird es ihn erſuchen abzudanken und ſei-<lb/> nen Platz an einen andern übertragen.“</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1223/0007]
Die Soldaten ziehen in die Caſernen. Nur an der Burg, an der Staats-
kanzlei, am Ständehauſe bleibt Militär in ruhiger Haltung. Tauſende
durchziehen die Straßen; man ſteht in Gruppen; man geht ſpazieren;
Herrten und Damen; alles beleuchtet und ein milder Frühlingshimmel ſieht
herab auf die ruhig wallenden Menſchen. Hier ſchließe ich und ſende dieſen
Brief ab, obgleich ich nicht weiß ob er abgehen kann, abgehen wird.
Heute werden Waffen aus dem bürgerlichen Zeughauſe abgegeben;
alles bewaffnet ſich und man ſieht neuen Unruhen entgegen. Jch
glaube nicht daß Ruhe vollſtändige Ruhe möglich ſey bis daß der Staat
in das neue Geleiſe eingefahren ſeyn wird welches die Umſtände vor-
ſchreiben. Aus dem alten iſt bereits ausgelenkt worden. — Der Abendtrain
aus Prag brachte geſtern Nachricht von ähnlichen Auftritten. Man er-
wartet das Gleiche aus andern Städten zu hören. — Mittags. Die
bewaffneten Bürgerpatrouillen durchziehen die Stadt nach allen Richtun-
gen und werden mit Jubel begrüßt. Eine kaiſerliche Proclamation ver-
heißt: Volksbewaffnung, und gibt die Verſicherung die Zeit in Erwä-
gung zu ziehen unter dem Beirathe nicht nur der Stände, ſondern
auch einiger Mitglieder aus dem Bürgerſtande. Zugleich wird zur Ord-
nung ermahnt, indem „Se. Majeſtät nur mit Bedauern Gebrauch von
den Waffen machen laſſen würde.“ Dieſer letztere Beiſatz beruhigt
eben nicht; vielmehr ſind die Proclamationen faſt an den meiſten
Straßenecken abgeriſſen. Man iſt von allen Seiten voll banger Er-
wartung. Jn Mariahilf brannte es; viele Todte hat es dort gegeben.
Geſtern gingen die Poſten nicht fort; ich will dieſem Briefe ein beſſeres
Schickſal wünſchen. Fürſt Metternich und mehrere andere Perſonen
haben die Stadt verlaſſen.
♃ Wien, 14 März. (Nachmittags 3 Uhr.)
Nationalgarde
unter dem Befehl des Grafen Hoyos; Preßfreiheit; dieß find die
großen Angebinde der Bewegung. Erzherzog Albrecht, welcher ge-
ſtern den Befehl zum Feuern gab, hat das Generalcommando der Mi-
litärmacht verloren, und wird vom Fürſten von Windiſchgrätz erſetzt
werden. Als Stellvertreter von Metternich wird Montecucculi
oder Colloredo genannt. Die Bürgerſchaft wird unverzüglich zur
Wahl eines neuen Bürgermeiſters ſchreiten, und man hat Rudolph
Arthaber ſo ziemlich als denjenigen bezeichnet auf den die Wahl fal-
len wird. Welche große Ereigniſſe in 24 Stunden! Oeſterreich mit
den freieſten Jnſtitutionen, das ſo weit darin zurück war. Aber die
Bevölkerung hat ſie ſich errungen, auf eine Weiſe errungen die ſie deren
werth zeigt. Der Jubel iſt unbeſchreiblich; alles mit weißen Schleifen
geſchmückt, welche die Damen nebſt Kränzen auf die vorüberziehenden
bewaffneten Bürger werfen. Als Motto wählt die Nationalgarde:
Beſitz, Arbeit, Jntelligenz! Kein Unterſchied der Confeſſionen,
obgleich noch nicht von oben herab decretirt; ebenſo dem Adel Achtung
wenn er arbeitet oder intelligent iſt.
* Wien, 14 März.
Die Nacht war lärmend. Die Volksbewaff-
nung nimmt zu. Jedermann der Luſt hat erhält Waffen aus dem bür-
gerlichen Zeughaus. Das Militär zieht ab, und Studenten und bewaff-
nete Bürger beziehen alle Poſten. Man erwartet jede Stunde ein Zu-
geſtändniß der Regierung. Fürſt Metternich hat reſignirt. Bür-
ger und Studenten durchziehen die Stadt, und halten Ordnung ſoviel
ihre Kräfte vermögen, und bis jetzt iſt es ihrem Eifer gelungen. Pri-
vateigenthum iſt nirgends verletzt. In den Vorſtädten ſoll es ſehr übel
ausſehen. Auf den Glacis find die Gaspſähle herausgeriſſen, die La-
ternen zertrümmert. Bürger und Studenten trachten auch dort Ord-
nung herzuſtellen. 11 Uhr. In den Vorſtädten ſoll es wild hergehen;
man ſoll Angriffe auf einige Fabriken gemacht haben. Jn der Stadt hat
man bis jetzt nur an den Regierungsgebäuden zerſtört was man erreichen
konnte. Von der Regierung iſt eine Kundmachung in der Zeitung er-
ſchienen, ohne Wirkung zu machen. Seither iſt nichts mehr von ihr
bekannt gemacht worden.
☉ Wien, 13 März.
Wien iſt im Aufſtand; Blut iſt gefloſſen,
Fürſt Metternich hat Abends 7 Uhr abgedankt. Wer dieſe friedliche
lebensluſtige Stadt Morgens 8 Uhr noch geſehen hat, konnte ſie um
die Mittagsſtunde nicht mehr erkennen, glaubte ſich um 5 Uhr Nach-
mittags mitten im Tumulte einer Pariſer Julirevolution und Abends
um 9 Uhr in einer Stadt des freudigſten Feenmärchens, in der nur
hie und da böſe Kobolde noch durch einzelne Schüſſe geheimnißvoll fern
und nahe erſchrecken. Ein Theil des Adels flieht. Eine Proclama-
tion ruft das Volk zur Ordnung und will durch vage Verſprechungen
der allgemeinen Ruhe dienen. Daß Metternich geſtürzt, hat einen
unermeßlichen Jubel hervorgerufen, der von Minute zu Minute ſteigt,
indem man endlich Bürgermilitär und bewaffnete Studenten patrouil-
liren ſieht. Die Zahl der Todten beträgt nach einigen 10, nach an-
deren 18; die Zahl der Verwundeten 40 bis 50. Die Aufregung iſt
noch unbeſchreiblich, alle Thore ſind geſperrt, man läßt nur Einzelne
aus und ein. Geſtürmt iſt das Stadtgerichtsgebäude, zu wiederhol-
tenmalen das Schottenthor, das Zeughaus konnte man nicht erſtürmen.
Von höhern Officieren ſind einige als Opfer gefallen.
☉ Wien, 14 März Morgens.
Eine kaiſerl. Proclamation er-
mahnt zur Ruhe; eine Commiſſion mit Hinzunahme von Männern aus
dem Bürgerſtande iſt niedergeſetzt die Reformen ſchleunigſt zu entwer-
fen. Die Studenten ſind bewaffnet und ziehen gemeinſchaftlich mit der
Bürgergarde durch die Stadt, wo ſie erſcheinen ungeheurer Jubel.
Ueberhaupt gebührt den Studenten das erhebendſte Zeugniß von feſtem
Bewußtſeyn, edler Haltung, hinreißender Begeiſterung; ſie haben haupt-
ſächlich dem ungeheuren Strome der allgemeinen Bewegung den ent-
ſcheidenden Anſtoß und die Richtung geben helfen. Heute geſteigerte
Spannung, die Vorſtädte werden gefürchtet, in den Straßen das Publi-
cum ein anderes als geſtern; Handwerker aller Art, fürchterliche Schaa-
ren ziehen umher. Wenn bis Mittag keine umfaſſenden Reformen da
find, ſteht das Aergſte zu erwarten. Nachrichten aus allen Provinzen
ſehr bedenkliche. Die Forderungen an die Regierung find dieſelben die
ganz Deutſchland an ſeine Regierungen ſtellt, eher überbietend als da-
hinter zurückbleibend. Nachſchrift. Eben organiſiren ſich der juriſtiſch-
politiſche und andere Vereine als Bürgergarde, ſie erhalten Waffen aus
dem Zeughauſe.
Großbritannien.
London, 11 März.
Lord John Ruſſell iſt von ſeinem kurzen Aufenthalt an der See-
küſte nach London zurückgekehrt, und wohnte am 10 März der fortge-
ſetzten Unterhausverhandlung über Hrn. Hume’s Amendement: die
Fortbewilligung der Einkommenſteuer auf ein Jahr zu beſchränken, als
ſtummer Zuhörer bei. Der Standard ſagt: „Wir haben ſtarken
Grund zu glauben daß Lord Johns Geſundheit fortwährend in einem
ſehr unbefriedigenden, um nicht zu ſagen bedenklichen Zuſtand iſt. Die
Sorgen und Beängſtigungen des Miniſteriums ſind, wir wiſſen es
aus beſter Quelle, zuviel für die Kräfte des edlen Lord, und ſein län-
geres Verbleiben in einem ſo beſchwerlichen Amte dürfte ſelbſt von Ge-
fahr für ſein Leben begleitet ſeyn.“ Die Times — von welcher Daily
News bemerkt ſie ahne bevorſtehenden Tod mit ſo ſicherem Jnſtinct wie
ein Aasgeier oder ein Rabe — deutet in ziemlich beſtimmten Worten
den nahen Rücktritt der jetzigen Verwaltung an. „Bei dem dermaligen
kritiſchen Stande der auswärtigen Angelegenheiten“, ſagt ſie, „ſtellen
ſich viele die Frage: beſitzen wir eine hinlänglich energiſche Regierung,
welche die nöthigen Verbeſſerungen im Innern leiten und durchführen
kann? Die Nation ahnt in dieſem Punkt nichts gutes. Bei all unſerer
perſönlichen Achtung für die einzelnen Mitglieder des jetzigen Cabinets
können wir doch für den Miniſter und ſeine Plane kein volles Vertrauen
in Anſpruch nehmen. Wenig wird verheißen, aber noch weniger gethan.
Wichtige Maßregeln ſchiebt man auf die lange Bank. Wie kommt es
daß die Regierung ſo beſtändig und erfolgreich angegriffen wird? Weil
ſie ſtillſitzt und dem Schützen ein leichtes Ziel darbietet. Jeder Ein-
faltspinſel kann eine ſtationäre Regierung treffen. Niemand kann
denen helfen die ſich ſelbſt nicht helfen wollen. Was thun die Miniſter?
Lord J. Ruſſell iſt unwohl. Unwohl war Oberſt Elphinſtone in Kabul,
unwohl war der Befehlshaber der „Snake“, die im Auguſt v. J. an der
Küſte von Oſt-Afrika ſcheiterte. Leider wird die Kränklichkeit eines
Miniſters leicht anſteckend. Arbeitsleute ſchaffen ſelten gut wenn das
Auge des Werkmeiſters nicht über ihnen wacht. Das Parlament ſitzt ſeit
drei Monaten, und wie wenig hat es in dieſer Zeit geleiſtet! Man miß-
verſtehe uns nicht, wenn wir ſagen: jetzt wo alle unſere Nachbarn ihre
Revolutionen haben, muß auch England eine haben — eine Revolu-
tion der ruhigen und verfaſſungsmäßigen Art. Ganz Europa, inſoweit
es nicht von Barbaren bewohnt iſt, ſchreitet in neue Bahnen. Jedes
Land trägt etwas zu der Bewegung bei. Frankreich hofft durch ſeine
Aenderung etwas zu gewinnen. Das brittiſche Volk würde ſich ſchämen
dahinter zu bleiben. Es will keine Staatsumwälzung im gewöhnlichen
Sinn, aber einen entſchiedenen Fortſchritt; kann es ſolchen nicht durch
den einen Miniſter erlangen, wird es ihn erſuchen abzudanken und ſei-
nen Platz an einen andern übertragen.“
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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