Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848.Nr. 78. [Spaltenumbruch]
Beilage zur Allgemeinen Zeitung. [Spaltenumbruch]
18 März 1848.[Spaltenumbruch]
Der volkswirthschaftliche Beruf des deutschen * Stuttgart, 11 März.Parlaments. Die Sache Deutschlands schreitet mit Es ist nicht meine Absicht die wünschenswertheste Einrichtung der So wenig als ich im gegenwärtigen Aufsatze die angemessenste Von allen diesen Fragen werde ich für jetzt nur die volkswirth- Als die wichtigste volkswirthschastliche Aufgabe bei dem Aufbau *) Das Nähere hierüber s. in Robert Mohl, das Bundesstaatsrecht der
Vereinigten Staaten von Nordamerika, 1824. Nr. 78. [Spaltenumbruch]
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18 März 1848.[Spaltenumbruch]
Der volkswirthſchaftliche Beruf des deutſchen * Stuttgart, 11 März.Parlaments. Die Sache Deutſchlands ſchreitet mit Es iſt nicht meine Abſicht die wünſchenswertheſte Einrichtung der So wenig als ich im gegenwärtigen Aufſatze die angemeſſenſte Von allen dieſen Fragen werde ich für jetzt nur die volkswirth- Als die wichtigſte volkswirthſchaſtliche Aufgabe bei dem Aufbau *) Das Nähere hierüber ſ. in Robert Mohl, das Bundesſtaatsrecht der
Vereinigten Staaten von Nordamerika, 1824. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009"/> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="volume"> <hi rendition="#b">Nr. 78.</hi> </titlePart> <cb/> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Beilage zur Allgemeinen Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle> <cb/> <docImprint> <docDate> <hi rendition="#b">18 März 1848.</hi> </docDate> </docImprint> </titlePage> </front><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <body> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der volkswirthſchaftliche Beruf des deutſchen<lb/> Parlaments.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Stuttgart</hi>, 11 März.</dateline><lb/> <p>Die Sache Deutſchlands ſchreitet mit<lb/> Rieſenſchritten vorwärts. Der Ruf nach einem deutſchen Parlament<lb/> fliegt von einem Ende unſers großen Vaterlandes zum andern mit der<lb/> Macht des Sturmwindes hin welcher tauſendjährige Eichen in einem<lb/> Augenblick zu entwurzeln vermöchte, mit der Gewalt einer längſt zur<lb/> Reife gediehenen, aber durch ein weltgeſchichtliches Ereigniß plötzlich<lb/> zum allgemeinen Bewußtſeyn gekommenen, Lebensfrage eines Volkes von<lb/> 40 Millionen Menſchen. Mag auch da oder dort noch ein augenblick-<lb/> liches Zögern in Anerkennung dieſer erſten Nationalforderung ſtatt-<lb/> finden, ſo darf man doch die unwiderſtehliche Kraft der letztern als<lb/> zweifellos betrachten, und es kann ſich nur noch um das <hi rendition="#g">Wie</hi> ihrer Er-<lb/> füllung handeln. Nur bei einer vollkommen befriedigenden, auf breiter<lb/> Grundlage ruhenden Löſung dieſer Frage iſt die Vermittlung der innern<lb/> und äußern Sicherheit, des Glückes und der Beruhigung von Deutſch-<lb/> land mit den beſtehenden Gebietseintheilungen denkbar. Möchten dieß<lb/> alle beherzigen welchen es um dieſe Vermittlung zu thun iſt, und möch-<lb/> ten ſie mit Beſeitigung aller hergebrachten Begriffe ſich zu bereitwilliger<lb/> und voller Gewährung einer Bundesverfaſſung entſchließen, an welcher<lb/> der Deutſche mit Liebe hängen, welche er zu erhalten, gegen innen und<lb/> außen zu vertheidigen wünſchen kann. Denn die Zeiten ſind vorbei wo<lb/> man ſich mit halben Zugeſtändniſſen und mit ſcheinbaren Maßregeln<lb/> begnügt. Beweist dieß doch jeder Tag und jede Stunde in erſchüttern-<lb/> den Ereigniſſen. Doch zur Sache.</p><lb/> <p>Es iſt nicht meine Abſicht die wünſchenswertheſte Einrichtung der<lb/> künftigen Bundesverfaſſung heute zu beſprechen. 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Die Zeiten der letztern liegen hinter uns, und jeder Verſuch<lb/> denſelben ein neues Vorrecht im Bunde zu ſchaffen könnte nur zum Un-<lb/> heil führen, was wohl in einem Augenblick welcher dieſe Warnung mit<lb/> Flammenſchriften in die Geſchichte ſchreibt, keiner näheren Erörterung<lb/> bedarf. Endlich gehe ich von der Vorausſetzung aus daß, wie für die<lb/> conſtituirende Nationalverſammlung, ſo für das künftige Parlament,<lb/> zwar eine Wahlart feſtgeſetzt werde welche für die Sendung gebildeter<lb/> Vertreter bürge, dagegen aber keine andere Bedingung der Wählbarkeit<lb/> als das deutſche Staatsbürgerrecht feſtgeſetzt, auch die Wahl nicht auf<lb/> die Ständemitglieder der einzelnen Staaten beſchränkt werde, ſondern<lb/> jede deutſche Fähigkeit wählbar ſey, daß mit Einem Worte die Nation<lb/> die freie Wahl der edelſten Geſinnungen und der beſten Köpfe habe, ohne<lb/> durch Geburt, äußere Verhältniſſe oder durch Anſäſſigkeit in dem einen<lb/> oder andern deutſchen Staate hierin beſchränkt zu ſeyn.</p><lb/> <p>So wenig als ich im gegenwärtigen Aufſatze die angemeſſenſte<lb/> Wahlart eines deutſchen Parlaments zu beſprechen beabſichtige, ebenſo-<lb/> wenig iſt es der Zweck dieſer Zeilen über das verfaſſungsmäßige Ver-<lb/> hältniß des Parlaments zum Bundestag, über Zuſtändigkeit und Rechte<lb/> beider einander gegenüber im allgemeinen, über die nothwendig ganz<lb/> veränderte Beſtimmung der Befugniſſe der deutſchen Regierungen im<lb/> Schooße des Bundestages ſelbſt ꝛc. bei dieſem Anlaß zu reden. Nur<lb/> das glaub’ ich als erſte Vorausſetzung in dieſer Hinſicht ausſprechen zu<lb/> dürfen daß von einem bloß berathenden deutſchen Parlament die Rede<lb/> nicht ſeyn könne, daß ein ſolches von der deutſchen Nation mit einſtim-<lb/> migem Unwillen zurückgewieſen werden würde; daß die Initiative eben-<lb/> ſowohl dem Parlament als dem Bundestage zuſtehen müſſe, und daß<lb/> die Beſchlüſſe der einen Verſammlung von der Zuſtimmung der andern<lb/> abhängen müſſen, ſoweit nicht ein Parlamentsbeſchluß den Bundestag<lb/><cb/> zur Ausführung von Bundesgeſetzen ermächtigt. Was aber die Gegen-<lb/> ſtände der Zuſtändigkeit beider Verſammlungen betrifft, ſo möchten<lb/> darunter jedenfalls <hi rendition="#g">im weſentlichen</hi> diejenigen aufzunehmen ſeyn<lb/> welche nach der Verfaſſung der Vereinigten Staaten von Nordamerika<lb/> dem Congreß dieſes mächtigen Bundesſtaates vorbehalten ſind<note place="foot" n="*)">Das Nähere hierüber ſ. in Robert <hi rendition="#g">Mohl</hi>, das Bundesſtaatsrecht der<lb/> Vereinigten Staaten von Nordamerika, 1824.</note>, alſo<lb/> namentlich das Recht des Kriegs und Friedens, die Sorge für das Heer-<lb/> weſen und die Landwehr, die Errichtung und Unterhaltung der Flotte, über-<lb/> haupt alle zur Vertheidigung der Vereinigten Staaten nothwendigen Ein-<lb/> richtungen und Anſtalten, die Ordnung des Handels mit fremden Völkern<lb/> im Wege der Zoll- und Schifffahrtsgeſetzgebung, die Geſetzgebung über<lb/> den innern Handel unter verfaſſungsmäßiger Feſthaltung des Grund-<lb/> ſatzes der gleichen Behandlung aller Bundesangehörigen hinſichtlich der<lb/> Hafen- und andern Abgaben, die Geſetzgebung gegen Seeräuberei, das<lb/> Bundes-, Finanz- und Abgabenweſen (welches namentlich in der Aus-<lb/> übung durch die Zoll- und Schifffahrtsgeſetzgebung und Verwaltung<lb/> von der größten nationalen Bedeutung iſt), die Poſtgeſetzgebung und<lb/> Verwaltung für Bundesrechnung, die Anlegung von Poſtſtraßen, die<lb/> Münzgeſetzgebung und das alleinige Ausmünzen von Bundeswegen, die<lb/> Ertheilung von Patenten an Schriftſteller und Erfinder zum Schutz<lb/> ihres geiſtigen Eigenthums, das Recht Geſetze über die gleichförmige<lb/> Aufnahme in das Bundesbürgerrecht zu geben, das Recht überhaupt zu<lb/> Anordnung ſolcher Einrichtungen welche die allgemeine Wohlfahrt der<lb/> Vereinigten Staaten befördern ꝛc. Ich ſage <hi rendition="#g">im weſentlichen</hi>; denn<lb/> z. B. ſtatt der Anlegung von Poſtſtraßen, welche in Deutſchland füglich<lb/> den einzelnen Staaten wird überlaſſen bleiben können, wäre es doch<lb/> dringend nothwendig daß dem deutſchen Bund ein Geſetzgebungs- und<lb/> Zwangsrecht hinſichtlich der innern Verbindungsmittel zuſtände, wie<lb/> die Aergerniſſe der Abſperrung deutſcher Staaten von einander im Poſt-<lb/> ſtraßen- und Eiſenbahnverkehr, der Vernachläſſigung der Schiffſahrts-<lb/> ſtraßen bei Erhebung erdrückender Waſſerzölle ꝛc. mehr als hinreichend<lb/> erweiſen. Auch von den Rechten des Präſidenten und des Senats der<lb/> nordamerikaniſchen Staaten dürfte dem deutſchen Bund ein Theil zuzu-<lb/> weiſen ſeyn, namentlich die Vertretung Deutſchlands gegen außen, der<lb/> Abſchluß von Staatsverträgen (über Krieg und Frieden, Handel, Schiff-<lb/> fahrt, Poſtweſen ꝛc.) mit dem Ausland ꝛc. Erſt dann wenn der Deutſche<lb/> im Auslande ſtatt durch einen von zwanzig Diplomaten kleiner Länder,<lb/> deren Namen dort beinahe niemand kennt, noch auch nur auszuſprechen<lb/> weiß, durch <hi rendition="#g">einen</hi> deutſchen Botſchafter vertreten iſt, wenn das deutſche<lb/> Handelsſchiff nicht mehr mit dem mecklenburgiſchen Ochſenkopf oder<lb/> mit der Pappenburger Flagge in die Häfen fremder übermächtigen und<lb/> übermüthigen Völker ſchutzlos einläuft, ſondern mit der <hi rendition="#g">einen</hi> deut-<lb/> ſchen Flagge neben einem Linienſchiffe des deutſchen Bundes ſtolz ſeine<lb/> Anker fallen läßt — erſt dann wird von den Deutſchen im Auslande das<lb/> vernichtende Bewußtſeyn ſeines jetzigen Nichts, dieſer Alp, genommen<lb/> ſeyn, unter deſſen Druck er bis jetzt ſo demüthig und erbärmlich unter<lb/> fremden Völkern herumgeſchlichen iſt (ich frage jeden der im Auslande<lb/> war, ob ihn dieſes Gefühl nicht erdrückt hat?). Uebrigens bin ich weit<lb/> entfernt mit jener Hinweiſung auf die Zuſtändigkeiten der nordamerika-<lb/> niſchen Bundesbehörden, welche in Deutſchland jedenfalls zum Theil<lb/> der Anpaſſung an die Verhältniſſe bedürfen, die Anſicht ausdrücken zu<lb/> wollen als dürfte der Wirkungskreis eines deutſchen Parlaments damit<lb/> geſchloſſen ſeyn. So möchte z. B. jede gemeinſame Geſetzgebung über<lb/> peinliches, bürgerliches, Handels- ꝛc. Recht, ſo weit eine ſolche bei der<lb/> großen provinziellen Verſchiedenheit Deutſchlands für zuläſſig erachtet<lb/> werden mag, der Berathung und Zuſtimmung des Parlaments bedür-<lb/> fen. Ebenſo eine gemeinſame deutſche Preßgeſetzgebung, gemeinſame<lb/> Beſtimmungen über Heimathsverhältniſſe und über die Zuweiſung Hei-<lb/> mathloſer ꝛc.</p><lb/> <p>Von allen dieſen Fragen werde ich für jetzt nur die volkswirth-<lb/> ſchaftlichen zu beſprechen verſuchen, ſo genau ſie auch mit den völker-<lb/> und ſtaatsrechtlichen zuſammenhängen.</p><lb/> <p>Als die wichtigſte volkswirthſchaſtliche Aufgabe bei dem Aufbau<lb/> des deutſchen Bundes auf nationale Grundlagen betrachte ich das Auf-<lb/> gehen des Zollvereins im deutſchen Bunde, die Zurhandnahme des<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Nr. 78.
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
18 März 1848.
Der volkswirthſchaftliche Beruf des deutſchen
Parlaments.
* Stuttgart, 11 März.
Die Sache Deutſchlands ſchreitet mit
Rieſenſchritten vorwärts. Der Ruf nach einem deutſchen Parlament
fliegt von einem Ende unſers großen Vaterlandes zum andern mit der
Macht des Sturmwindes hin welcher tauſendjährige Eichen in einem
Augenblick zu entwurzeln vermöchte, mit der Gewalt einer längſt zur
Reife gediehenen, aber durch ein weltgeſchichtliches Ereigniß plötzlich
zum allgemeinen Bewußtſeyn gekommenen, Lebensfrage eines Volkes von
40 Millionen Menſchen. Mag auch da oder dort noch ein augenblick-
liches Zögern in Anerkennung dieſer erſten Nationalforderung ſtatt-
finden, ſo darf man doch die unwiderſtehliche Kraft der letztern als
zweifellos betrachten, und es kann ſich nur noch um das Wie ihrer Er-
füllung handeln. Nur bei einer vollkommen befriedigenden, auf breiter
Grundlage ruhenden Löſung dieſer Frage iſt die Vermittlung der innern
und äußern Sicherheit, des Glückes und der Beruhigung von Deutſch-
land mit den beſtehenden Gebietseintheilungen denkbar. Möchten dieß
alle beherzigen welchen es um dieſe Vermittlung zu thun iſt, und möch-
ten ſie mit Beſeitigung aller hergebrachten Begriffe ſich zu bereitwilliger
und voller Gewährung einer Bundesverfaſſung entſchließen, an welcher
der Deutſche mit Liebe hängen, welche er zu erhalten, gegen innen und
außen zu vertheidigen wünſchen kann. Denn die Zeiten ſind vorbei wo
man ſich mit halben Zugeſtändniſſen und mit ſcheinbaren Maßregeln
begnügt. Beweist dieß doch jeder Tag und jede Stunde in erſchüttern-
den Ereigniſſen. Doch zur Sache.
Es iſt nicht meine Abſicht die wünſchenswertheſte Einrichtung der
künftigen Bundesverfaſſung heute zu beſprechen. Ich ſetze als erſte Be-
dingung irgendeiner befriedigenden Erledigung der ganzen großen
Nationalangelegenheit voraus daß der Bund eine vom deutſchen Volk
unmittelbar — nicht von den deutſchen Ständeverſammlungen in ihrer jetzi-
gen feudalen Zuſammenſetzung — gewählte conſtituirende Verſammlung
von Vertretern der Nation berufe, mit dieſer die künftige Bundesver-
faſſung vereinbare, und daß nicht verſucht werde dieſe letztere von Bundes-
wegen zu octroyiren. Ebenſo ſetz’ ich voraus daß die künftige Bundes-
verfaſſung jedenfalls nur zwei deutſche Nationalverſammlungen kenne,
die der Vertreter der deutſchen Regierungen (den Bundestag) und die
der Vertreter des deutſchen Volks, und daß von ſtandesherrlicher oder
anderer Vertretung bevorrechteter Kaſten dabei die Rede nicht ſeyn
könne. Die Zeiten der letztern liegen hinter uns, und jeder Verſuch
denſelben ein neues Vorrecht im Bunde zu ſchaffen könnte nur zum Un-
heil führen, was wohl in einem Augenblick welcher dieſe Warnung mit
Flammenſchriften in die Geſchichte ſchreibt, keiner näheren Erörterung
bedarf. Endlich gehe ich von der Vorausſetzung aus daß, wie für die
conſtituirende Nationalverſammlung, ſo für das künftige Parlament,
zwar eine Wahlart feſtgeſetzt werde welche für die Sendung gebildeter
Vertreter bürge, dagegen aber keine andere Bedingung der Wählbarkeit
als das deutſche Staatsbürgerrecht feſtgeſetzt, auch die Wahl nicht auf
die Ständemitglieder der einzelnen Staaten beſchränkt werde, ſondern
jede deutſche Fähigkeit wählbar ſey, daß mit Einem Worte die Nation
die freie Wahl der edelſten Geſinnungen und der beſten Köpfe habe, ohne
durch Geburt, äußere Verhältniſſe oder durch Anſäſſigkeit in dem einen
oder andern deutſchen Staate hierin beſchränkt zu ſeyn.
So wenig als ich im gegenwärtigen Aufſatze die angemeſſenſte
Wahlart eines deutſchen Parlaments zu beſprechen beabſichtige, ebenſo-
wenig iſt es der Zweck dieſer Zeilen über das verfaſſungsmäßige Ver-
hältniß des Parlaments zum Bundestag, über Zuſtändigkeit und Rechte
beider einander gegenüber im allgemeinen, über die nothwendig ganz
veränderte Beſtimmung der Befugniſſe der deutſchen Regierungen im
Schooße des Bundestages ſelbſt ꝛc. bei dieſem Anlaß zu reden. Nur
das glaub’ ich als erſte Vorausſetzung in dieſer Hinſicht ausſprechen zu
dürfen daß von einem bloß berathenden deutſchen Parlament die Rede
nicht ſeyn könne, daß ein ſolches von der deutſchen Nation mit einſtim-
migem Unwillen zurückgewieſen werden würde; daß die Initiative eben-
ſowohl dem Parlament als dem Bundestage zuſtehen müſſe, und daß
die Beſchlüſſe der einen Verſammlung von der Zuſtimmung der andern
abhängen müſſen, ſoweit nicht ein Parlamentsbeſchluß den Bundestag
zur Ausführung von Bundesgeſetzen ermächtigt. Was aber die Gegen-
ſtände der Zuſtändigkeit beider Verſammlungen betrifft, ſo möchten
darunter jedenfalls im weſentlichen diejenigen aufzunehmen ſeyn
welche nach der Verfaſſung der Vereinigten Staaten von Nordamerika
dem Congreß dieſes mächtigen Bundesſtaates vorbehalten ſind *), alſo
namentlich das Recht des Kriegs und Friedens, die Sorge für das Heer-
weſen und die Landwehr, die Errichtung und Unterhaltung der Flotte, über-
haupt alle zur Vertheidigung der Vereinigten Staaten nothwendigen Ein-
richtungen und Anſtalten, die Ordnung des Handels mit fremden Völkern
im Wege der Zoll- und Schifffahrtsgeſetzgebung, die Geſetzgebung über
den innern Handel unter verfaſſungsmäßiger Feſthaltung des Grund-
ſatzes der gleichen Behandlung aller Bundesangehörigen hinſichtlich der
Hafen- und andern Abgaben, die Geſetzgebung gegen Seeräuberei, das
Bundes-, Finanz- und Abgabenweſen (welches namentlich in der Aus-
übung durch die Zoll- und Schifffahrtsgeſetzgebung und Verwaltung
von der größten nationalen Bedeutung iſt), die Poſtgeſetzgebung und
Verwaltung für Bundesrechnung, die Anlegung von Poſtſtraßen, die
Münzgeſetzgebung und das alleinige Ausmünzen von Bundeswegen, die
Ertheilung von Patenten an Schriftſteller und Erfinder zum Schutz
ihres geiſtigen Eigenthums, das Recht Geſetze über die gleichförmige
Aufnahme in das Bundesbürgerrecht zu geben, das Recht überhaupt zu
Anordnung ſolcher Einrichtungen welche die allgemeine Wohlfahrt der
Vereinigten Staaten befördern ꝛc. Ich ſage im weſentlichen; denn
z. B. ſtatt der Anlegung von Poſtſtraßen, welche in Deutſchland füglich
den einzelnen Staaten wird überlaſſen bleiben können, wäre es doch
dringend nothwendig daß dem deutſchen Bund ein Geſetzgebungs- und
Zwangsrecht hinſichtlich der innern Verbindungsmittel zuſtände, wie
die Aergerniſſe der Abſperrung deutſcher Staaten von einander im Poſt-
ſtraßen- und Eiſenbahnverkehr, der Vernachläſſigung der Schiffſahrts-
ſtraßen bei Erhebung erdrückender Waſſerzölle ꝛc. mehr als hinreichend
erweiſen. Auch von den Rechten des Präſidenten und des Senats der
nordamerikaniſchen Staaten dürfte dem deutſchen Bund ein Theil zuzu-
weiſen ſeyn, namentlich die Vertretung Deutſchlands gegen außen, der
Abſchluß von Staatsverträgen (über Krieg und Frieden, Handel, Schiff-
fahrt, Poſtweſen ꝛc.) mit dem Ausland ꝛc. Erſt dann wenn der Deutſche
im Auslande ſtatt durch einen von zwanzig Diplomaten kleiner Länder,
deren Namen dort beinahe niemand kennt, noch auch nur auszuſprechen
weiß, durch einen deutſchen Botſchafter vertreten iſt, wenn das deutſche
Handelsſchiff nicht mehr mit dem mecklenburgiſchen Ochſenkopf oder
mit der Pappenburger Flagge in die Häfen fremder übermächtigen und
übermüthigen Völker ſchutzlos einläuft, ſondern mit der einen deut-
ſchen Flagge neben einem Linienſchiffe des deutſchen Bundes ſtolz ſeine
Anker fallen läßt — erſt dann wird von den Deutſchen im Auslande das
vernichtende Bewußtſeyn ſeines jetzigen Nichts, dieſer Alp, genommen
ſeyn, unter deſſen Druck er bis jetzt ſo demüthig und erbärmlich unter
fremden Völkern herumgeſchlichen iſt (ich frage jeden der im Auslande
war, ob ihn dieſes Gefühl nicht erdrückt hat?). Uebrigens bin ich weit
entfernt mit jener Hinweiſung auf die Zuſtändigkeiten der nordamerika-
niſchen Bundesbehörden, welche in Deutſchland jedenfalls zum Theil
der Anpaſſung an die Verhältniſſe bedürfen, die Anſicht ausdrücken zu
wollen als dürfte der Wirkungskreis eines deutſchen Parlaments damit
geſchloſſen ſeyn. So möchte z. B. jede gemeinſame Geſetzgebung über
peinliches, bürgerliches, Handels- ꝛc. Recht, ſo weit eine ſolche bei der
großen provinziellen Verſchiedenheit Deutſchlands für zuläſſig erachtet
werden mag, der Berathung und Zuſtimmung des Parlaments bedür-
fen. Ebenſo eine gemeinſame deutſche Preßgeſetzgebung, gemeinſame
Beſtimmungen über Heimathsverhältniſſe und über die Zuweiſung Hei-
mathloſer ꝛc.
Von allen dieſen Fragen werde ich für jetzt nur die volkswirth-
ſchaftlichen zu beſprechen verſuchen, ſo genau ſie auch mit den völker-
und ſtaatsrechtlichen zuſammenhängen.
Als die wichtigſte volkswirthſchaſtliche Aufgabe bei dem Aufbau
des deutſchen Bundes auf nationale Grundlagen betrachte ich das Auf-
gehen des Zollvereins im deutſchen Bunde, die Zurhandnahme des
*) Das Nähere hierüber ſ. in Robert Mohl, das Bundesſtaatsrecht der
Vereinigten Staaten von Nordamerika, 1824.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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