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Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848.

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[Spaltenumbruch] vielleicht niemals aufgehellt wird, die Reiterei heransprengen und
auf die friedlichen wehrlosen Bürger die dem König ein Vivat nach dem
andern riefen einhauen ließ, nun alles mit Entsetzen Verrath rief, und
durch die Stadt wie mit Sturmeseile das Geschrei nach Waffen flog.
Bis zu dem eben gefeierten Frieden hatte der kaum seit acht Tagen er-
nannte neue Gouverneur von Berlin, General v. Pfuel, den Befehl
geführt, und ebenso menschenfreundlich als mit militärisch richtiger Ein-
sicht die Truppen auf die Vertheidigung des Schlosses beschränkt und die
Anwendung der Schußwaffen verhütet. Mit jenem Angriff auf das
vivatrufende Volk ging der Oberbefehl auf einen andern General
über, und bald wogte der Kampf nun durch den größten Theil der Stadt.
Die Truppen hatten Verstärkung aus Potsdam, Halle und Stettin er-
halten, und alle Waffengattungen standen bald im erbitterten Streite
gegen die wie durch Zauber emporsteigenden Barricaden, die von der
ganzen Bevölkerung, besonders aber von jungen Leuten und Arbeitern
mit einem Heldenmuthe vertheidigt wurden der dem der Pariser nichts
nachgab. In der Nähe des Schlosses siegte zwar theilweise die An-
strengung der Truppen, aber in den entfernteren Stadttheilen wurden
die Barricaden behauptet, oft durch wenige todverachtende Streiter, und
mehr als die Hälfte der Stadt blieb zur Nacht im Besitze des Volks.
Viele, sehr viele Bürger fielen im Kampf, aber der Verlust der Truppen
war bei weitem größer, der Steinhagel von den Dächern und wohlge-
zielte Schüsse aus den Fenstern streckte ganze Reihen darnieder. Man
mußte wohl erkennen daß die Militärmacht, wenn auch auf einzelnen
Punkten siegreich, doch im ganzen bei solchen Hindernissen gegen die
Volkserhebung nichts ausrichten konnte, und sah nun erst ein wie nutz-
los und verderblich die rohe Waffengewalt sich erweisen mußte! Der
zweifelhafte Sieg war eine unzweifelhafte moralische Nieder-
lage.
Die Entscheidung zeigte sich durch das Abziehen der Truppen,
die sogar das Schloß räumten und die Sicherheit des Königs den
Bürgern
anvertrauten, die jetzt erst Waffen erhielten! Neue Ge-
währungen des Königs folgten rasch aufeinander und begannen die
Gemüther zu versöhnen, nur in einigen Schaaren tobte noch die empörte
Leidenschaft fort. Die große Mehrheit aber war in ihrem Vertrauen
nicht erschüttert: man kennt das Herz des Königs, seinen ächten Edel-
sinn, man liebt in ihm den angestammten Fürsten noch immer. Mit
bessern Räthen als die bisherigen waren, mit Zuziehung des Landtags
und mit nun selbsterlangter Kenntniß der ihm lange vorenthaltenen
Wahrheit wird er an der Spitze seines freien tapfern Volks Preußen
auf der neuen Bahn zu neuem Glück und Ruhm führen können,
und auch für Deutschlands Heil die großen Anordnungen treffen
helfen zu denen der Willen der Nation so herrlich aufstrebt, und
die sie zu erlangen so muthig entschlossen ist. Das heute Mittag hier
ausgegebene "Extrablatt der Freude" der Vossischen Zeitung gibt ein
lebendiges und, so weit unser Gesichtskreis es zu bezeugen vermag,
wahrheitgetreues Bild des Heldenkampfes vom 18 März.

Die Allg. Preuß. Zeitung zeigt in ihrem amtlichen Theil an
daß der Prinz von Preußen nach England abgereist ist. Der
Wink genügt um zu zeigen wem zunächst das Blutbad zugeschrieben
werden muß.

Die Allg. Preuß. Zeitung vom 22 März bringt folgende Er-
klärungen des Königs von Preußen:

I. An mein Volk und an die
deutsche Nation.
Mit Vertrauen sprach der König vor fünfunddrei-
ßig Jahren in den Tagen hoher Gefahr zu seinem Volke, und sein Ver-
trauen ward nicht zu Schanden; der König, mit seinem Volk vereint,
rettete Preußen und Deutschland von Schmach und Erniedrigung. Mit
Vertrauen spreche Ich heute, im Augenblick wo das Vaterland in höch-
ster Gefahr schwebt, zu der deutschen Nation, unter dessen edelste Stämme
Mein Volk sich mit Stolz rechnen darf. Deutschland ist von innerer
Gährung ergriffen, und kann durch äußere Gefahr von mehr als einer
Seite bedroht werden. Rettung aus dieser doppelten, dringenden Ge-
fahr kann nur aus der innigsten Vereinigung der deutschen Fürsten und
Völker unter einer Leitung hervorgehen. Ich übernehme heute
diese Leitung für die Tage der Gefahr.
Mein Volk, das die Ge-
fahr nicht scheut, wird Mich nicht verlassen, und Deutschland wird sich
Mir mit Vertrauen anschließen. Ich habe heute die alten deutschen
Farben angenommen und Mich und Mein Volk unter das ehrwürdige
Banner des deutschen Reiches gestellt. Preußen geht fortan in
Deutschland auf.
Als Mittel und gesetzliches Organ, um im Ver-
[Spaltenumbruch] ein mit Meinem Volk zur Rettung und Beruhigung Deutschlands vor-
anzugehen, bietet sich der auf den 2 April bereits einberufene Land-
tag dar. Ich beabsichtige in einer unverzüglich näher zu er-
wägenden Form den Fürsten und Ständen Deutschlands
die Gelegeheit zu eröffnen mit Organen dieses Land-
tages zu einer gemeinschaftlichen Versammlung zusam-
menzutreten.
Die auf diese Weise zeitweilig sich bildende
deutsche Ständeversammlung
wird in gemeinsamer, freier Be-
rathung das Erforderliche in der gemeinsamen, inneren und äußeren
Gefahr ohne Verzug vorkehren. Was heute vor allem nothtut, ist
1) Aufstellung eines allgemeinen deutschen, volksthümlichen Bundes-
heeres, 2) bewaffnete Neutralitätserklärung. Solche vaterländische Rü-
stung und Erklärung werden Europa Achtung einflößen vor der Hei-
ligkeit und Unverletzlichkeit des Gebietes deutscher Zunge und deut-
schen Namens. Nur Eintracht und Stärke vermögen heute den Frie-
den in unserem schönen, durch Handel und Gewerbe blühenden Ge-
sammtvaterlande zu erhalten. Gleichzeitig mit den Maßregeln zur Ab-
wendung der augenblicklichen Gefahr wird die deutsche Stände-
versammlung über die Wiedergeburt und Gründung ei-
nes neuen Deutschlands berathen,
eines einigen, nicht ein-
förmigen Deutschlands, einer Einheit in der Verschiedenheit, einer Ein-
heit mit Freiheit. Allgemeine Einführung wahrer constitutioneller Ver-
fassungen, mit Verantwortlichkeit der Minister in allen Einzelstaaten,
öffentliche und mündliche Rechtspflege, in Strafsachen auf Geschwore-
nengerichte gestützt, gleiche politische und bürgerliche Rechte für alle
religiösen Glaubensbekenntnisse und eine wahrhaft volksthümliche, frei-
sinnige Verwaltung werden allein solche höhere und innere Einheit
zu bewirken und zu befestigen im Stande seyn.

Friedrich Wilhelm. Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin.
Bornemann. Arnim. Kühne.

II. Ich habe heute den bisherigen Gesandten v. Arnim zum Mini-
ster der auswärtigen Angelegenheiten ernannt, welche Verwaltung der
Minister Graf v. Arnim bisher vorläufig geführt hat. Bei dem noth-
wendigen Zusammenhange der allgemeinen deutschen mit den preußi-
schen Verfassungsangelegenheiten übernimmt der Minister v. Arnim auch
deren Verwaltung. Der Minister Graf v. Arnim bleibt Vorsitzender
des Staatsministeriums vorläufig ohne Verwaltung eines besonderen
Portefeuille.

Friedrich Wilhelm.

Diese überraschende Erklärung ist offenbar von Deutschland nur
anzunehmen, wenn die hier in Aussicht gestellte Reconstituirung Deutsch-
lands eine durchaus freie seyn soll, ohne daß Preußen oder seinem Kö-
nig im voraus, kraft eigenen Willens, die hegemonische oder Kaiser-
Gewalt übertragen würde -- eine Gewalt über die, wie über das ganze
Werk der Wiedergeburt nur die freie Wahl der ganzen Nation, aller
gleichberechtigten Stämme -- entscheiden darf. Der König scheint ihr
auch lediglich diese Deutung geben zu wollen, aber Graf Schwerin, sein
Minister, ging bereits weiter, und auch aus den Massen scholl der Ruf:
"dem deutschen Kaiser." So weit sind wir noch nicht. Noch
liegt die Berliner Schlächterei zu frisch vor uns. Die deutsche Kai-
serkrone wird nur von Deutschland verliehen, und der König von
Preußen eröffnet bloß die Schranken des großen Wahlfeldes.*) Doch
hören wir die Berliner Spen. Ztg. vom 21 März, welche die Mani-
festationen, mit denen der König jenes bedeutungsvolle Wort: Preu-
ßen geht in Deutschland auf!
begleitete, also erzählt: Gestern Abend
erschien der König in Begleitung des Prinzen Albrecht auf dem Schloß-
platze, redete alle Umstehenden an, reichte ihnen die Hand und sprach

*) Die Deutsche Ztg. äußerte schon bei dem Patent des Königs von
Preußen vom 18 März, das dieselbe Absicht der Berusung einer vorläu-
figen Repräsentation aus allen deutschen Stämmen aussprach: "Wie
ewig Schade daß diesem Erlasse so bejammernswerthe Ereignisse folgen
mußten! Welch einen reinen Eindruck würde es in ganz Deutschland
hinterlassen haben! Das ist nun das Programm das wir von jeher be-
kannten, das die Nation schon längst als das ihrige aufgestellt hat, das
so oft von Preußen her bespottet und bedroht worden ist! Es sey ver-
gessen! Und auch die Opfer die dieser Sache, noch als sie ausgekämpft
war, fallen mußten -- wir werden sie ewig zu beklagen haben; aber
es muß selbst ihre Manen versöhnen wenn diese Worte zu Thaten werden."

[Spaltenumbruch] vielleicht niemals aufgehellt wird, die Reiterei heranſprengen und
auf die friedlichen wehrloſen Bürger die dem König ein Vivat nach dem
andern riefen einhauen ließ, nun alles mit Entſetzen Verrath rief, und
durch die Stadt wie mit Sturmeseile das Geſchrei nach Waffen flog.
Bis zu dem eben gefeierten Frieden hatte der kaum ſeit acht Tagen er-
nannte neue Gouverneur von Berlin, General v. Pfuel, den Befehl
geführt, und ebenſo menſchenfreundlich als mit militäriſch richtiger Ein-
ſicht die Truppen auf die Vertheidigung des Schloſſes beſchränkt und die
Anwendung der Schußwaffen verhütet. Mit jenem Angriff auf das
vivatrufende Volk ging der Oberbefehl auf einen andern General
über, und bald wogte der Kampf nun durch den größten Theil der Stadt.
Die Truppen hatten Verſtärkung aus Potsdam, Halle und Stettin er-
halten, und alle Waffengattungen ſtanden bald im erbitterten Streite
gegen die wie durch Zauber emporſteigenden Barricaden, die von der
ganzen Bevölkerung, beſonders aber von jungen Leuten und Arbeitern
mit einem Heldenmuthe vertheidigt wurden der dem der Pariſer nichts
nachgab. In der Nähe des Schloſſes ſiegte zwar theilweiſe die An-
ſtrengung der Truppen, aber in den entfernteren Stadttheilen wurden
die Barricaden behauptet, oft durch wenige todverachtende Streiter, und
mehr als die Hälfte der Stadt blieb zur Nacht im Beſitze des Volks.
Viele, ſehr viele Bürger fielen im Kampf, aber der Verluſt der Truppen
war bei weitem größer, der Steinhagel von den Dächern und wohlge-
zielte Schüſſe aus den Fenſtern ſtreckte ganze Reihen darnieder. Man
mußte wohl erkennen daß die Militärmacht, wenn auch auf einzelnen
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Volkserhebung nichts ausrichten konnte, und ſah nun erſt ein wie nutz-
los und verderblich die rohe Waffengewalt ſich erweiſen mußte! Der
zweifelhafte Sieg war eine unzweifelhafte moraliſche Nieder-
lage.
Die Entſcheidung zeigte ſich durch das Abziehen der Truppen,
die ſogar das Schloß räumten und die Sicherheit des Königs den
Bürgern
anvertrauten, die jetzt erſt Waffen erhielten! Neue Ge-
währungen des Königs folgten raſch aufeinander und begannen die
Gemüther zu verſöhnen, nur in einigen Schaaren tobte noch die empörte
Leidenſchaft fort. Die große Mehrheit aber war in ihrem Vertrauen
nicht erſchüttert: man kennt das Herz des Königs, ſeinen ächten Edel-
ſinn, man liebt in ihm den angeſtammten Fürſten noch immer. Mit
beſſern Räthen als die bisherigen waren, mit Zuziehung des Landtags
und mit nun ſelbſterlangter Kenntniß der ihm lange vorenthaltenen
Wahrheit wird er an der Spitze ſeines freien tapfern Volks Preußen
auf der neuen Bahn zu neuem Glück und Ruhm führen können,
und auch für Deutſchlands Heil die großen Anordnungen treffen
helfen zu denen der Willen der Nation ſo herrlich aufſtrebt, und
die ſie zu erlangen ſo muthig entſchloſſen iſt. Das heute Mittag hier
ausgegebene „Extrablatt der Freude“ der Voſſiſchen Zeitung gibt ein
lebendiges und, ſo weit unſer Geſichtskreis es zu bezeugen vermag,
wahrheitgetreues Bild des Heldenkampfes vom 18 März.

Die Allg. Preuß. Zeitung zeigt in ihrem amtlichen Theil an
daß der Prinz von Preußen nach England abgereist iſt. Der
Wink genügt um zu zeigen wem zunächſt das Blutbad zugeſchrieben
werden muß.

Die Allg. Preuß. Zeitung vom 22 März bringt folgende Er-
klärungen des Königs von Preußen:

I. An mein Volk und an die
deutſche Nation.
Mit Vertrauen ſprach der König vor fünfunddrei-
ßig Jahren in den Tagen hoher Gefahr zu ſeinem Volke, und ſein Ver-
trauen ward nicht zu Schanden; der König, mit ſeinem Volk vereint,
rettete Preußen und Deutſchland von Schmach und Erniedrigung. Mit
Vertrauen ſpreche Ich heute, im Augenblick wo das Vaterland in höch-
ſter Gefahr ſchwebt, zu der deutſchen Nation, unter deſſen edelſte Stämme
Mein Volk ſich mit Stolz rechnen darf. Deutſchland iſt von innerer
Gährung ergriffen, und kann durch äußere Gefahr von mehr als einer
Seite bedroht werden. Rettung aus dieſer doppelten, dringenden Ge-
fahr kann nur aus der innigſten Vereinigung der deutſchen Fürſten und
Völker unter einer Leitung hervorgehen. Ich übernehme heute
dieſe Leitung für die Tage der Gefahr.
Mein Volk, das die Ge-
fahr nicht ſcheut, wird Mich nicht verlaſſen, und Deutſchland wird ſich
Mir mit Vertrauen anſchließen. Ich habe heute die alten deutſchen
Farben angenommen und Mich und Mein Volk unter das ehrwürdige
Banner des deutſchen Reiches geſtellt. Preußen geht fortan in
Deutſchland auf.
Als Mittel und geſetzliches Organ, um im Ver-
[Spaltenumbruch] ein mit Meinem Volk zur Rettung und Beruhigung Deutſchlands vor-
anzugehen, bietet ſich der auf den 2 April bereits einberufene Land-
tag dar. Ich beabſichtige in einer unverzüglich näher zu er-
wägenden Form den Fürſten und Ständen Deutſchlands
die Gelegeheit zu eröffnen mit Organen dieſes Land-
tages zu einer gemeinſchaftlichen Verſammlung zuſam-
menzutreten.
Die auf dieſe Weiſe zeitweilig ſich bildende
deutſche Ständeverſammlung
wird in gemeinſamer, freier Be-
rathung das Erforderliche in der gemeinſamen, inneren und äußeren
Gefahr ohne Verzug vorkehren. Was heute vor allem nothtut, iſt
1) Aufſtellung eines allgemeinen deutſchen, volksthümlichen Bundes-
heeres, 2) bewaffnete Neutralitätserklärung. Solche vaterländiſche Rü-
ſtung und Erklärung werden Europa Achtung einflößen vor der Hei-
ligkeit und Unverletzlichkeit des Gebietes deutſcher Zunge und deut-
ſchen Namens. Nur Eintracht und Stärke vermögen heute den Frie-
den in unſerem ſchönen, durch Handel und Gewerbe blühenden Ge-
ſammtvaterlande zu erhalten. Gleichzeitig mit den Maßregeln zur Ab-
wendung der augenblicklichen Gefahr wird die deutſche Stände-
verſammlung über die Wiedergeburt und Gründung ei-
nes neuen Deutſchlands berathen,
eines einigen, nicht ein-
förmigen Deutſchlands, einer Einheit in der Verſchiedenheit, einer Ein-
heit mit Freiheit. Allgemeine Einführung wahrer conſtitutioneller Ver-
faſſungen, mit Verantwortlichkeit der Miniſter in allen Einzelſtaaten,
öffentliche und mündliche Rechtspflege, in Strafſachen auf Geſchwore-
nengerichte geſtützt, gleiche politiſche und bürgerliche Rechte für alle
religiöſen Glaubensbekenntniſſe und eine wahrhaft volksthümliche, frei-
ſinnige Verwaltung werden allein ſolche höhere und innere Einheit
zu bewirken und zu befeſtigen im Stande ſeyn.

Friedrich Wilhelm. Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin.
Bornemann. Arnim. Kühne.

II. Ich habe heute den bisherigen Geſandten v. Arnim zum Mini-
ſter der auswärtigen Angelegenheiten ernannt, welche Verwaltung der
Miniſter Graf v. Arnim bisher vorläufig geführt hat. Bei dem noth-
wendigen Zuſammenhange der allgemeinen deutſchen mit den preußi-
ſchen Verfaſſungsangelegenheiten übernimmt der Miniſter v. Arnim auch
deren Verwaltung. Der Miniſter Graf v. Arnim bleibt Vorſitzender
des Staatsminiſteriums vorläufig ohne Verwaltung eines beſonderen
Portefeuille.

Friedrich Wilhelm.

Dieſe überraſchende Erklärung iſt offenbar von Deutſchland nur
anzunehmen, wenn die hier in Ausſicht geſtellte Reconſtituirung Deutſch-
lands eine durchaus freie ſeyn ſoll, ohne daß Preußen oder ſeinem Kö-
nig im voraus, kraft eigenen Willens, die hegemoniſche oder Kaiſer-
Gewalt übertragen würde — eine Gewalt über die, wie über das ganze
Werk der Wiedergeburt nur die freie Wahl der ganzen Nation, aller
gleichberechtigten Stämme — entſcheiden darf. Der König ſcheint ihr
auch lediglich dieſe Deutung geben zu wollen, aber Graf Schwerin, ſein
Miniſter, ging bereits weiter, und auch aus den Maſſen ſcholl der Ruf:
„dem deutſchen Kaiſer.“ So weit ſind wir noch nicht. Noch
liegt die Berliner Schlächterei zu friſch vor uns. Die deutſche Kai-
ſerkrone wird nur von Deutſchland verliehen, und der König von
Preußen eröffnet bloß die Schranken des großen Wahlfeldes.*) Doch
hören wir die Berliner Spen. Ztg. vom 21 März, welche die Mani-
feſtationen, mit denen der König jenes bedeutungsvolle Wort: Preu-
ßen geht in Deutſchland auf!
begleitete, alſo erzählt: Geſtern Abend
erſchien der König in Begleitung des Prinzen Albrecht auf dem Schloß-
platze, redete alle Umſtehenden an, reichte ihnen die Hand und ſprach

*) Die Deutſche Ztg. aͤußerte ſchon bei dem Patent des Königs von
Preußen vom 18 März, das dieſelbe Abſicht der Beruſung einer vorläu-
figen Repräſentation aus allen deutſchen Stämmen ausſprach: „Wie
ewig Schade daß dieſem Erlaſſe ſo bejammernswerthe Ereigniſſe folgen
mußten! Welch einen reinen Eindruck würde es in ganz Deutſchland
hinterlaſſen haben! Das iſt nun das Programm das wir von jeher be-
kannten, das die Nation ſchon längſt als das ihrige aufgeſtellt hat, das
ſo oft von Preußen her beſpottet und bedroht worden iſt! Es ſey ver-
geſſen! Und auch die Opfer die dieſer Sache, noch als ſie ausgekämpft
war, fallen mußten — wir werden ſie ewig zu beklagen haben; aber
es muß ſelbſt ihre Manen verſöhnen wenn dieſe Worte zu Thaten werden.“
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[1349/0005] vielleicht niemals aufgehellt wird, die Reiterei heranſprengen und auf die friedlichen wehrloſen Bürger die dem König ein Vivat nach dem andern riefen einhauen ließ, nun alles mit Entſetzen Verrath rief, und durch die Stadt wie mit Sturmeseile das Geſchrei nach Waffen flog. Bis zu dem eben gefeierten Frieden hatte der kaum ſeit acht Tagen er- nannte neue Gouverneur von Berlin, General v. Pfuel, den Befehl geführt, und ebenſo menſchenfreundlich als mit militäriſch richtiger Ein- ſicht die Truppen auf die Vertheidigung des Schloſſes beſchränkt und die Anwendung der Schußwaffen verhütet. Mit jenem Angriff auf das vivatrufende Volk ging der Oberbefehl auf einen andern General über, und bald wogte der Kampf nun durch den größten Theil der Stadt. Die Truppen hatten Verſtärkung aus Potsdam, Halle und Stettin er- halten, und alle Waffengattungen ſtanden bald im erbitterten Streite gegen die wie durch Zauber emporſteigenden Barricaden, die von der ganzen Bevölkerung, beſonders aber von jungen Leuten und Arbeitern mit einem Heldenmuthe vertheidigt wurden der dem der Pariſer nichts nachgab. In der Nähe des Schloſſes ſiegte zwar theilweiſe die An- ſtrengung der Truppen, aber in den entfernteren Stadttheilen wurden die Barricaden behauptet, oft durch wenige todverachtende Streiter, und mehr als die Hälfte der Stadt blieb zur Nacht im Beſitze des Volks. Viele, ſehr viele Bürger fielen im Kampf, aber der Verluſt der Truppen war bei weitem größer, der Steinhagel von den Dächern und wohlge- zielte Schüſſe aus den Fenſtern ſtreckte ganze Reihen darnieder. Man mußte wohl erkennen daß die Militärmacht, wenn auch auf einzelnen Punkten ſiegreich, doch im ganzen bei ſolchen Hinderniſſen gegen die Volkserhebung nichts ausrichten konnte, und ſah nun erſt ein wie nutz- los und verderblich die rohe Waffengewalt ſich erweiſen mußte! Der zweifelhafte Sieg war eine unzweifelhafte moraliſche Nieder- lage. Die Entſcheidung zeigte ſich durch das Abziehen der Truppen, die ſogar das Schloß räumten und die Sicherheit des Königs den Bürgern anvertrauten, die jetzt erſt Waffen erhielten! Neue Ge- währungen des Königs folgten raſch aufeinander und begannen die Gemüther zu verſöhnen, nur in einigen Schaaren tobte noch die empörte Leidenſchaft fort. Die große Mehrheit aber war in ihrem Vertrauen nicht erſchüttert: man kennt das Herz des Königs, ſeinen ächten Edel- ſinn, man liebt in ihm den angeſtammten Fürſten noch immer. Mit beſſern Räthen als die bisherigen waren, mit Zuziehung des Landtags und mit nun ſelbſterlangter Kenntniß der ihm lange vorenthaltenen Wahrheit wird er an der Spitze ſeines freien tapfern Volks Preußen auf der neuen Bahn zu neuem Glück und Ruhm führen können, und auch für Deutſchlands Heil die großen Anordnungen treffen helfen zu denen der Willen der Nation ſo herrlich aufſtrebt, und die ſie zu erlangen ſo muthig entſchloſſen iſt. Das heute Mittag hier ausgegebene „Extrablatt der Freude“ der Voſſiſchen Zeitung gibt ein lebendiges und, ſo weit unſer Geſichtskreis es zu bezeugen vermag, wahrheitgetreues Bild des Heldenkampfes vom 18 März. Die Allg. Preuß. Zeitung zeigt in ihrem amtlichen Theil an daß der Prinz von Preußen nach England abgereist iſt. Der Wink genügt um zu zeigen wem zunächſt das Blutbad zugeſchrieben werden muß. Die Allg. Preuß. Zeitung vom 22 März bringt folgende Er- klärungen des Königs von Preußen: I. An mein Volk und an die deutſche Nation. Mit Vertrauen ſprach der König vor fünfunddrei- ßig Jahren in den Tagen hoher Gefahr zu ſeinem Volke, und ſein Ver- trauen ward nicht zu Schanden; der König, mit ſeinem Volk vereint, rettete Preußen und Deutſchland von Schmach und Erniedrigung. Mit Vertrauen ſpreche Ich heute, im Augenblick wo das Vaterland in höch- ſter Gefahr ſchwebt, zu der deutſchen Nation, unter deſſen edelſte Stämme Mein Volk ſich mit Stolz rechnen darf. Deutſchland iſt von innerer Gährung ergriffen, und kann durch äußere Gefahr von mehr als einer Seite bedroht werden. Rettung aus dieſer doppelten, dringenden Ge- fahr kann nur aus der innigſten Vereinigung der deutſchen Fürſten und Völker unter einer Leitung hervorgehen. Ich übernehme heute dieſe Leitung für die Tage der Gefahr. Mein Volk, das die Ge- fahr nicht ſcheut, wird Mich nicht verlaſſen, und Deutſchland wird ſich Mir mit Vertrauen anſchließen. Ich habe heute die alten deutſchen Farben angenommen und Mich und Mein Volk unter das ehrwürdige Banner des deutſchen Reiches geſtellt. Preußen geht fortan in Deutſchland auf. Als Mittel und geſetzliches Organ, um im Ver- ein mit Meinem Volk zur Rettung und Beruhigung Deutſchlands vor- anzugehen, bietet ſich der auf den 2 April bereits einberufene Land- tag dar. Ich beabſichtige in einer unverzüglich näher zu er- wägenden Form den Fürſten und Ständen Deutſchlands die Gelegeheit zu eröffnen mit Organen dieſes Land- tages zu einer gemeinſchaftlichen Verſammlung zuſam- menzutreten. Die auf dieſe Weiſe zeitweilig ſich bildende deutſche Ständeverſammlung wird in gemeinſamer, freier Be- rathung das Erforderliche in der gemeinſamen, inneren und äußeren Gefahr ohne Verzug vorkehren. Was heute vor allem nothtut, iſt 1) Aufſtellung eines allgemeinen deutſchen, volksthümlichen Bundes- heeres, 2) bewaffnete Neutralitätserklärung. Solche vaterländiſche Rü- ſtung und Erklärung werden Europa Achtung einflößen vor der Hei- ligkeit und Unverletzlichkeit des Gebietes deutſcher Zunge und deut- ſchen Namens. Nur Eintracht und Stärke vermögen heute den Frie- den in unſerem ſchönen, durch Handel und Gewerbe blühenden Ge- ſammtvaterlande zu erhalten. Gleichzeitig mit den Maßregeln zur Ab- wendung der augenblicklichen Gefahr wird die deutſche Stände- verſammlung über die Wiedergeburt und Gründung ei- nes neuen Deutſchlands berathen, eines einigen, nicht ein- förmigen Deutſchlands, einer Einheit in der Verſchiedenheit, einer Ein- heit mit Freiheit. Allgemeine Einführung wahrer conſtitutioneller Ver- faſſungen, mit Verantwortlichkeit der Miniſter in allen Einzelſtaaten, öffentliche und mündliche Rechtspflege, in Strafſachen auf Geſchwore- nengerichte geſtützt, gleiche politiſche und bürgerliche Rechte für alle religiöſen Glaubensbekenntniſſe und eine wahrhaft volksthümliche, frei- ſinnige Verwaltung werden allein ſolche höhere und innere Einheit zu bewirken und zu befeſtigen im Stande ſeyn. Berlin, den 21 März 1848.Friedrich Wilhelm. Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin. Bornemann. Arnim. Kühne. II. Ich habe heute den bisherigen Geſandten v. Arnim zum Mini- ſter der auswärtigen Angelegenheiten ernannt, welche Verwaltung der Miniſter Graf v. Arnim bisher vorläufig geführt hat. Bei dem noth- wendigen Zuſammenhange der allgemeinen deutſchen mit den preußi- ſchen Verfaſſungsangelegenheiten übernimmt der Miniſter v. Arnim auch deren Verwaltung. Der Miniſter Graf v. Arnim bleibt Vorſitzender des Staatsminiſteriums vorläufig ohne Verwaltung eines beſonderen Portefeuille. Berlin, den 21 März 1848.Friedrich Wilhelm. Dieſe überraſchende Erklärung iſt offenbar von Deutſchland nur anzunehmen, wenn die hier in Ausſicht geſtellte Reconſtituirung Deutſch- lands eine durchaus freie ſeyn ſoll, ohne daß Preußen oder ſeinem Kö- nig im voraus, kraft eigenen Willens, die hegemoniſche oder Kaiſer- Gewalt übertragen würde — eine Gewalt über die, wie über das ganze Werk der Wiedergeburt nur die freie Wahl der ganzen Nation, aller gleichberechtigten Stämme — entſcheiden darf. Der König ſcheint ihr auch lediglich dieſe Deutung geben zu wollen, aber Graf Schwerin, ſein Miniſter, ging bereits weiter, und auch aus den Maſſen ſcholl der Ruf: „dem deutſchen Kaiſer.“ So weit ſind wir noch nicht. Noch liegt die Berliner Schlächterei zu friſch vor uns. Die deutſche Kai- ſerkrone wird nur von Deutſchland verliehen, und der König von Preußen eröffnet bloß die Schranken des großen Wahlfeldes. *) Doch hören wir die Berliner Spen. Ztg. vom 21 März, welche die Mani- feſtationen, mit denen der König jenes bedeutungsvolle Wort: Preu- ßen geht in Deutſchland auf! begleitete, alſo erzählt: Geſtern Abend erſchien der König in Begleitung des Prinzen Albrecht auf dem Schloß- platze, redete alle Umſtehenden an, reichte ihnen die Hand und ſprach *) Die Deutſche Ztg. aͤußerte ſchon bei dem Patent des Königs von Preußen vom 18 März, das dieſelbe Abſicht der Beruſung einer vorläu- figen Repräſentation aus allen deutſchen Stämmen ausſprach: „Wie ewig Schade daß dieſem Erlaſſe ſo bejammernswerthe Ereigniſſe folgen mußten! Welch einen reinen Eindruck würde es in ganz Deutſchland hinterlaſſen haben! Das iſt nun das Programm das wir von jeher be- kannten, das die Nation ſchon längſt als das ihrige aufgeſtellt hat, das ſo oft von Preußen her beſpottet und bedroht worden iſt! Es ſey ver- geſſen! Und auch die Opfer die dieſer Sache, noch als ſie ausgekämpft war, fallen mußten — wir werden ſie ewig zu beklagen haben; aber es muß ſelbſt ihre Manen verſöhnen wenn dieſe Worte zu Thaten werden.“

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848, S. 1349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine85_1848/5>, abgerufen am 03.12.2024.