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Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848.

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[Spaltenumbruch] seine volle Zufriedenheit mit den Erfolgen aus. Ein vieltausendstimmi-
ges Hoch erscholl, wo der König sich zeigte. 9 Uhr Vormittags. So
eben wird folgende Proclamation verbreitet:

An die deutsche Na-
tion!
Eine neue glorreiche Geschichte hebt mit dem heutigen Tage für
euch an! Ihr seyd fortan wiederum eine einzige große Nation, stark, frei
und mächtig im Herzen von Europa! Preußens Friedrich Wilhelm IV
hat sich, im Vertrauen auf euern heldenmüthigen Beistand und eure gei-
stige Wiedergeburt, zur Rettung Deutschlands an die Spitze des Gesammt-
vaterlandes gestellt. Ihr werdet ihn mit den alten ehrwürdigen Farben deut-
scher Nation noch heute zu Pferde in eurer Mitte erblicken. Heil und Segen
dem constitutionellen Fürsten, dem Führer des gesammten deutschen Vol-
kes, dem neuen Könige der freien wiedergebornen deutschen Nation!

10 Uhr. Der Minister Graf v. Schwerin hat die
Studirenden welche im Castanienwalde mit Exerciren beschäftigt waren
in der Aula versammelt. Mit den Wassen in der Hand stürmte ein
großer Theil in die Aula, wo der Minister, umgeben von den ebenfalls
bewaffneten Professoren Rector Müller und Prorector Hecker, folgende
Worte an die Studirenden richtete: "Meine Herren! Se. Maj. der König
hält es für seine Pflicht die akademische Jugend welche sich so glanzvoll
in den Tagen des Ruhms bewährt hat, von den Fortschritten zu unter-
richten welche er zu nehmen gedenkt. Se. Maj. wollen sich an die
Spitze des constitutionellen Deutschlands stellen. Sie wollen Freiheit
und Constitution. Sie haben daher auch die schleunige Bildung eines
deutschen Parlaments beschlossen und werden sich an die Spitze des Fort-
schritts stellen. Der König rechnet auf den Schutz des Volks, ist das
nicht Ihre Meinung? (Tausendstimmiges Ja.) Der König wird
demnächst, geschmückt mit den deutschen Farben, in den Straßen
erscheinen, und rechnet darauf daß die deutsche Jugend sich um ihn
schaaren werde. Meine Herren! es lebe der deutsche König! (End-
loses Hoch.) Meine Herren, wir sind Sr. Maj. verantwortliche Minister,
aber unsere Seele ist der König und der Fortschritt, die Freiheit sein
Gedanke, die verantwortlichen Minister Hoch!" Graf v. Schwerin ver-
ließ unter Beifallsruf die Aula. 103/4 Uhr. Der König erschien auf
dem Schloßhofe an dem Eingange der Wendeltreppe. Der König war
zu Pferd, trug die Uniform des ersten Garderegiments und den Helm,
die deutschen Farben um den Arm, umgeben von den anwesenden Prin-
zen und den Ministern, letztere in Civil, aber alle mit den deutschen
Farben geschmückt. Ein unermeßlicher Jubel empfing den König bei
seinem Erscheinen, und er richtete zuerst folgende Worte an das Volk:
"Was Ihr hier seht ist keine Usurpation, ich will keinen Fürsten vom
Throne stürzen, alles richtet sich nur auf die Wiederherstellung der
Einigkeit Deutschlands, diese Einigkeit ist an einzelnen Orten gefährdet,
man spricht in Breslau namentlich von Verrath, und Verrath und
Deutsch, das geht nicht zusammen, ich will Einigkeit und Ordnung."
Ein endloser Freudenruf brach los, und der Zug hatte Mühe vor-
wärts zu kommen. Dieser bildete sich folgendermaßen: Voran ritten
zwei Generale mit den deutschen Farben um den Arm, ihnen folgten drei
Minister in gleichem Schmucke, und diesen zwei Bürgerschützen zu Fuß und
der Stadtverordnete Gleich mit der dreifarbigen deutschen Fahne. Jetzt kam
der König, umgeben von den Prinzen und Generalen. Der König hielt
aufs neue an dem Schloßplatze um Worte an das Volk zu richten.
Jetzt ging es die Schloßfreiheit entlang, aus allen Fenstern wehten
Tücher, und der Jubel tönte stürmisch fort. An der Königswache
hielt der König vor den salutirenden Bürgern und sprach: "Ich sehe
euch hier auf der Wache, ich kaun es nicht genugsam in Worte klei-
den was ich euch danke -- glaubt's mir!" Einer der Versammelten
rief nun: "Es lebe der Kaiser von Deutschland!" worauf der König
unwillig erwiederte: "Nicht doch, das will, das mag ich nicht!" Jetzt
ging der Zug bei der Blücherstatue vorbei, die Behrenstraße entlang
und über die Linden zurück. Drei Studirende trugen das Reichs-
banuer vorauf. Der König hielt unsern des Denkmals Friedrichs II
und sprach: "Mein Herz schlägt hoch daß es meine Hauptstadt ist in
der sich eine so kräftige Gesinnung bewährt hat. Der heutige Tag ist
ein großer, unvergeßlicher, entscheidender. In Ihnen, meine Herren,
sehe ich eine große Zukunft, und wenn Sie in der Mitte oder am Ziele
Ihres Lebens zurückblicken auf dasselbe, so bleiben Sie doch ja des
heutigen Tages eingedenk. Die Studirenden machen den größten Ein-
druck auf das Volk und das Volk auf die Studirenden. Ich trage
Farben, die nicht mein sind, aber ich will damit nichts ursurpiren,
ich will keine Krone, keine Herrschaft, ich will Deutschlands Freiheit,
Deutschlands Einigkeit, ich will Ordnung, das schwöre ich zu Gott
[Spaltenumbruch] hier erhob der König seine Rechte gen Himmel). Ich habe nur ge-
than was in der deutschen Geschichte schon oft geschehen ist: daß mäch-
tige Fürsten und Herzoge, wenn die Ordnung niedergetreten war, das
Banner ergriffen und sich an die Spitze des ganzen Volks gestellt ha-
ben, und ich glaube daß die Herzen der Fürsten mir entgegenschlagen
und der Wille des Volkes mich unterstützen werden. Merken Sie sich
das, meine Herren, schreiben Sie es auf daß ich nichts usurpiren, nichts
will als deutsche Freiheit und Einheit. Sagen Sie es der abwesen-
den studirenden Judend, es thut mir unendlich leid daß sie nicht alle da
sind. Sagen Sie es allen." Friedrich Wilhelm hoch! erscholl es von
allen Seiten. Die Studenten schlugen die Wassen an einander, das
Volk warf die Hüte, an denen die deutschen Farben prangten, in die
Höhe, und brach wiederum in endlosen Jubel aus. Wie auf dem
ganzen Zuge umdrängte es den König, dessen Pferd nur mit Mühe
vorwärts konnte .... (Spen. Z.)

Die Stadt ist seit zwei Tagen im voll-
sten Aufstande. Die königl. Verwaltungsbehörden sind außer Thätig-
keit, Hr. v. Wedell hat die Stadt verlassen. Eine Volksversammlung
drängt die andere, und auf dem Neumarkt werden jetzt Reden ge-
halten die denen der ersten französischen Revolutionsperiode nicht nach-
stehen. Die Nachrichten aus Berlin haben Entsetzen und Wuth er-
regt. (Nürnb. Corresp.)

Oesterreich.

Die heutige amtliche Wiener
Zeitung bringt die Namensliste des neuen Cabinets: Kolowrat,
Ficquelmont, Pillersdorf, Kübeck, Taaffe.
Der Minister des
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tenant Heß oder der General Schön dieses Portefeuille erhalten. Graf
Kolowrat hat immer den Ruf eines freisinnigen Staatsmannes und
eines vorzüglichen Beschützers der slavischen Nationalität gehabt. Frei-
lich scheint es ihm während seines langen Dienstes unter der vorigen Ver-
waltung (er war unter derselben Minister des Innern) nicht gelungen
zu seyn auch nur eine einzige wichtige Maßregel durchzuführen, oder
eine der Reformideen der Zeit zur That zu machen. Seine ganze frü-
here Thätigkeit schien mehr negativer und hindernder Art, und sich zu-
meist nur auf administrative Verhältnisse und auf die persönlichen Be-
förderungen im Staatsdienste zu beschränken. Nun da er an der Spitze
des Cabinets steht, wird der edle Graf Gelegenheit haben seine Grund-
sätze der Nation offen darzulegen, und sie auch im Staatsleben geltend
zu machen. Wenn er und seine Collegen die kolossale Aufgabe dieses
großen Moments richtig erfassen; wenn sie das seyn werden, ganz seyn
werden wozu sie die Gnade des erhabenen Monarchen bestimmt, was
30 Millionen in ihnen zu sehen erwarten: die Regeneratoren dieses so
lange vernachlässigten Reichs, wenn sie durch das große Geschenk unsers
hochherzigen Fürsten, durch eine wahre unverfälschte Constitution mit
eben so vieler Weisheit und Kühnheit als Beharrlichkeit und Consequenz
Oesterreich wieder auf den Standpunkt in Deutschland, in Europa und
in der Meinung der gebildeten Welt erheben von dem es durch eine
fluchwürdige Politik herabgefallen, dann wird ein unverwelklicher Kranz
ihr Haupt schmücken und unsterblicher Ruhm sich um ihr Denkmal sam-
meln. Wir haben in unsrer Geschichte leider wenig Namen mit denen
wir sie dann vergleichen könnten; aber wir werden sie den politischen
Heroen Englands und Frankreichs an die Seite setzen. -- Graf Ficquel-
mont ist im diplomatischen Corps zu wohlbekannt, als daß diese Wahl
in diesen Kreisen nicht überall mit Beifall begrüßt werden sollte. Ueber
die finanziellen Talente und den ausgezeichneten Charakter des Baron
Kübeck herrscht wohl nur Eine Stimme, und wir wollen nur bemerken
daß Baron Kübeck schon im Jahr 1846 die Veröffentlichung des
Staatshaushalts
in der Staatsconferenz beantragte, wo aber na-
türlich dieser Vorschlag nicht angenommen wurde. Baron Pillersdorf
hat der öffentlichen Meinung immer als der Minister der Zukunft gegol-
ten, und er hat in der Hofkanzlei stets mit großem Freimuth das Prin-
cip der Reform vertreten. Mit dem Ministerium des Innern wird nun
auch das Polizeidepartement vereinigt seyn, und wie man sagt soll der
Hofrath der so kurz bestandenen Censuroberdirection Martinez ein hu-
maner Mann aus der alten Schule an dessen Spitze treten. Mit einem
guten, klarbestimmten Polizeigesetz und mit einem Gesetz über die per-
sönliche Freiheit, welche wir von der ersten Reichsversammlung erwar-
ten, können wir seiner Amtsverwaltung ruhig entgegensehen. Einen
minder guten Eindruck hat die Ernennung, eigentlich Beibehaltung des
Grafen Taaffe als Justizminister gemacht. Man beschuldigt ihn feind-
seliger Gesinnungen gegen die Ideen der Neuzeit, namentlich gegen die

[Spaltenumbruch] ſeine volle Zufriedenheit mit den Erfolgen aus. Ein vieltauſendſtimmi-
ges Hoch erſcholl, wo der König ſich zeigte. 9 Uhr Vormittags. So
eben wird folgende Proclamation verbreitet:

An die deutſche Na-
tion!
Eine neue glorreiche Geſchichte hebt mit dem heutigen Tage für
euch an! Ihr ſeyd fortan wiederum eine einzige große Nation, ſtark, frei
und mächtig im Herzen von Europa! Preußens Friedrich Wilhelm IV
hat ſich, im Vertrauen auf euern heldenmüthigen Beiſtand und eure gei-
ſtige Wiedergeburt, zur Rettung Deutſchlands an die Spitze des Geſammt-
vaterlandes geſtellt. Ihr werdet ihn mit den alten ehrwürdigen Farben deut-
ſcher Nation noch heute zu Pferde in eurer Mitte erblicken. Heil und Segen
dem conſtitutionellen Fürſten, dem Führer des geſammten deutſchen Vol-
kes, dem neuen Könige der freien wiedergebornen deutſchen Nation!

10 Uhr. Der Miniſter Graf v. Schwerin hat die
Studirenden welche im Caſtanienwalde mit Exerciren beſchäftigt waren
in der Aula verſammelt. Mit den Waſſen in der Hand ſtürmte ein
großer Theil in die Aula, wo der Miniſter, umgeben von den ebenfalls
bewaffneten Profeſſoren Rector Müller und Prorector Hecker, folgende
Worte an die Studirenden richtete: „Meine Herren! Se. Maj. der König
hält es für ſeine Pflicht die akademiſche Jugend welche ſich ſo glanzvoll
in den Tagen des Ruhms bewährt hat, von den Fortſchritten zu unter-
richten welche er zu nehmen gedenkt. Se. Maj. wollen ſich an die
Spitze des conſtitutionellen Deutſchlands ſtellen. Sie wollen Freiheit
und Conſtitution. Sie haben daher auch die ſchleunige Bildung eines
deutſchen Parlaments beſchloſſen und werden ſich an die Spitze des Fort-
ſchritts ſtellen. Der König rechnet auf den Schutz des Volks, iſt das
nicht Ihre Meinung? (Tauſendſtimmiges Ja.) Der König wird
demnächſt, geſchmückt mit den deutſchen Farben, in den Straßen
erſcheinen, und rechnet darauf daß die deutſche Jugend ſich um ihn
ſchaaren werde. Meine Herren! es lebe der deutſche König! (End-
loſes Hoch.) Meine Herren, wir ſind Sr. Maj. verantwortliche Miniſter,
aber unſere Seele iſt der König und der Fortſchritt, die Freiheit ſein
Gedanke, die verantwortlichen Miniſter Hoch!“ Graf v. Schwerin ver-
ließ unter Beifallsruf die Aula. 10¾ Uhr. Der König erſchien auf
dem Schloßhofe an dem Eingange der Wendeltreppe. Der König war
zu Pferd, trug die Uniform des erſten Garderegiments und den Helm,
die deutſchen Farben um den Arm, umgeben von den anweſenden Prin-
zen und den Miniſtern, letztere in Civil, aber alle mit den deutſchen
Farben geſchmückt. Ein unermeßlicher Jubel empfing den König bei
ſeinem Erſcheinen, und er richtete zuerſt folgende Worte an das Volk:
„Was Ihr hier ſeht iſt keine Uſurpation, ich will keinen Fürſten vom
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Einigkeit Deutſchlands, dieſe Einigkeit iſt an einzelnen Orten gefährdet,
man ſpricht in Breslau namentlich von Verrath, und Verrath und
Deutſch, das geht nicht zuſammen, ich will Einigkeit und Ordnung.“
Ein endloſer Freudenruf brach los, und der Zug hatte Mühe vor-
wärts zu kommen. Dieſer bildete ſich folgendermaßen: Voran ritten
zwei Generale mit den deutſchen Farben um den Arm, ihnen folgten drei
Miniſter in gleichem Schmucke, und dieſen zwei Bürgerſchützen zu Fuß und
der Stadtverordnete Gleich mit der dreifarbigen deutſchen Fahne. Jetzt kam
der König, umgeben von den Prinzen und Generalen. Der König hielt
aufs neue an dem Schloßplatze um Worte an das Volk zu richten.
Jetzt ging es die Schloßfreiheit entlang, aus allen Fenſtern wehten
Tücher, und der Jubel tönte ſtürmiſch fort. An der Königswache
hielt der König vor den ſalutirenden Bürgern und ſprach: „Ich ſehe
euch hier auf der Wache, ich kaun es nicht genugſam in Worte klei-
den was ich euch danke — glaubt’s mir!“ Einer der Verſammelten
rief nun: „Es lebe der Kaiſer von Deutſchland!“ worauf der König
unwillig erwiederte: „Nicht doch, das will, das mag ich nicht!“ Jetzt
ging der Zug bei der Blücherſtatue vorbei, die Behrenſtraße entlang
und über die Linden zurück. Drei Studirende trugen das Reichs-
banuer vorauf. Der König hielt unſern des Denkmals Friedrichs II
und ſprach: „Mein Herz ſchlägt hoch daß es meine Hauptſtadt iſt in
der ſich eine ſo kräftige Geſinnung bewährt hat. Der heutige Tag iſt
ein großer, unvergeßlicher, entſcheidender. In Ihnen, meine Herren,
ſehe ich eine große Zukunft, und wenn Sie in der Mitte oder am Ziele
Ihres Lebens zurückblicken auf dasſelbe, ſo bleiben Sie doch ja des
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druck auf das Volk und das Volk auf die Studirenden. Ich trage
Farben, die nicht mein ſind, aber ich will damit nichts urſurpiren,
ich will keine Krone, keine Herrſchaft, ich will Deutſchlands Freiheit,
Deutſchlands Einigkeit, ich will Ordnung, das ſchwöre ich zu Gott
[Spaltenumbruch] hier erhob der König ſeine Rechte gen Himmel). Ich habe nur ge-
than was in der deutſchen Geſchichte ſchon oft geſchehen iſt: daß mäch-
tige Fürſten und Herzoge, wenn die Ordnung niedergetreten war, das
Banner ergriffen und ſich an die Spitze des ganzen Volks geſtellt ha-
ben, und ich glaube daß die Herzen der Fürſten mir entgegenſchlagen
und der Wille des Volkes mich unterſtützen werden. Merken Sie ſich
das, meine Herren, ſchreiben Sie es auf daß ich nichts uſurpiren, nichts
will als deutſche Freiheit und Einheit. Sagen Sie es der abweſen-
den ſtudirenden Judend, es thut mir unendlich leid daß ſie nicht alle da
ſind. Sagen Sie es allen.“ Friedrich Wilhelm hoch! erſcholl es von
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Volk warf die Hüte, an denen die deutſchen Farben prangten, in die
Höhe, und brach wiederum in endloſen Jubel aus. Wie auf dem
ganzen Zuge umdrängte es den König, deſſen Pferd nur mit Mühe
vorwärts konnte .... (Spen. Z.)

Die Stadt iſt ſeit zwei Tagen im voll-
ſten Aufſtande. Die königl. Verwaltungsbehörden ſind außer Thätig-
keit, Hr. v. Wedell hat die Stadt verlaſſen. Eine Volksverſammlung
drängt die andere, und auf dem Neumarkt werden jetzt Reden ge-
halten die denen der erſten franzöſiſchen Revolutionsperiode nicht nach-
ſtehen. Die Nachrichten aus Berlin haben Entſetzen und Wuth er-
regt. (Nürnb. Correſp.)

Oeſterreich.

Die heutige amtliche Wiener
Zeitung bringt die Namensliſte des neuen Cabinets: Kolowrat,
Ficquelmont, Pillersdorf, Kübeck, Taaffe.
Der Miniſter des
Kriegs iſt noch nicht ernannt, wahrſcheinlich wird der Feldmarſchalllieu-
tenant Heß oder der General Schön dieſes Portefeuille erhalten. Graf
Kolowrat hat immer den Ruf eines freiſinnigen Staatsmannes und
eines vorzüglichen Beſchützers der ſlaviſchen Nationalität gehabt. Frei-
lich ſcheint es ihm während ſeines langen Dienſtes unter der vorigen Ver-
waltung (er war unter derſelben Miniſter des Innern) nicht gelungen
zu ſeyn auch nur eine einzige wichtige Maßregel durchzuführen, oder
eine der Reformideen der Zeit zur That zu machen. Seine ganze frü-
here Thätigkeit ſchien mehr negativer und hindernder Art, und ſich zu-
meiſt nur auf adminiſtrative Verhältniſſe und auf die perſönlichen Be-
förderungen im Staatsdienſte zu beſchränken. Nun da er an der Spitze
des Cabinets ſteht, wird der edle Graf Gelegenheit haben ſeine Grund-
ſätze der Nation offen darzulegen, und ſie auch im Staatsleben geltend
zu machen. Wenn er und ſeine Collegen die koloſſale Aufgabe dieſes
großen Moments richtig erfaſſen; wenn ſie das ſeyn werden, ganz ſeyn
werden wozu ſie die Gnade des erhabenen Monarchen beſtimmt, was
30 Millionen in ihnen zu ſehen erwarten: die Regeneratoren dieſes ſo
lange vernachläſſigten Reichs, wenn ſie durch das große Geſchenk unſers
hochherzigen Fürſten, durch eine wahre unverfälſchte Conſtitution mit
eben ſo vieler Weisheit und Kühnheit als Beharrlichkeit und Conſequenz
Oeſterreich wieder auf den Standpunkt in Deutſchland, in Europa und
in der Meinung der gebildeten Welt erheben von dem es durch eine
fluchwürdige Politik herabgefallen, dann wird ein unverwelklicher Kranz
ihr Haupt ſchmücken und unſterblicher Ruhm ſich um ihr Denkmal ſam-
meln. Wir haben in unſrer Geſchichte leider wenig Namen mit denen
wir ſie dann vergleichen könnten; aber wir werden ſie den politiſchen
Heroen Englands und Frankreichs an die Seite ſetzen. — Graf Ficquel-
mont iſt im diplomatiſchen Corps zu wohlbekannt, als daß dieſe Wahl
in dieſen Kreiſen nicht überall mit Beifall begrüßt werden ſollte. Ueber
die finanziellen Talente und den ausgezeichneten Charakter des Baron
Kübeck herrſcht wohl nur Eine Stimme, und wir wollen nur bemerken
daß Baron Kübeck ſchon im Jahr 1846 die Veröffentlichung des
Staatshaushalts
in der Staatsconferenz beantragte, wo aber na-
türlich dieſer Vorſchlag nicht angenommen wurde. Baron Pillersdorf
hat der öffentlichen Meinung immer als der Miniſter der Zukunft gegol-
ten, und er hat in der Hofkanzlei ſtets mit großem Freimuth das Prin-
cip der Reform vertreten. Mit dem Miniſterium des Innern wird nun
auch das Polizeidepartement vereinigt ſeyn, und wie man ſagt ſoll der
Hofrath der ſo kurz beſtandenen Cenſuroberdirection Martinez ein hu-
maner Mann aus der alten Schule an deſſen Spitze treten. Mit einem
guten, klarbeſtimmten Polizeigeſetz und mit einem Geſetz über die per-
ſönliche Freiheit, welche wir von der erſten Reichsverſammlung erwar-
ten, können wir ſeiner Amtsverwaltung ruhig entgegenſehen. Einen
minder guten Eindruck hat die Ernennung, eigentlich Beibehaltung des
Grafen Taaffe als Juſtizminiſter gemacht. Man beſchuldigt ihn feind-
ſeliger Geſinnungen gegen die Ideen der Neuzeit, namentlich gegen die

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[1350/0006] ſeine volle Zufriedenheit mit den Erfolgen aus. Ein vieltauſendſtimmi- ges Hoch erſcholl, wo der König ſich zeigte. 9 Uhr Vormittags. So eben wird folgende Proclamation verbreitet: An die deutſche Na- tion! Eine neue glorreiche Geſchichte hebt mit dem heutigen Tage für euch an! Ihr ſeyd fortan wiederum eine einzige große Nation, ſtark, frei und mächtig im Herzen von Europa! Preußens Friedrich Wilhelm IV hat ſich, im Vertrauen auf euern heldenmüthigen Beiſtand und eure gei- ſtige Wiedergeburt, zur Rettung Deutſchlands an die Spitze des Geſammt- vaterlandes geſtellt. Ihr werdet ihn mit den alten ehrwürdigen Farben deut- ſcher Nation noch heute zu Pferde in eurer Mitte erblicken. Heil und Segen dem conſtitutionellen Fürſten, dem Führer des geſammten deutſchen Vol- kes, dem neuen Könige der freien wiedergebornen deutſchen Nation! Ber- lin, 21 März 1848.10 Uhr. Der Miniſter Graf v. Schwerin hat die Studirenden welche im Caſtanienwalde mit Exerciren beſchäftigt waren in der Aula verſammelt. Mit den Waſſen in der Hand ſtürmte ein großer Theil in die Aula, wo der Miniſter, umgeben von den ebenfalls bewaffneten Profeſſoren Rector Müller und Prorector Hecker, folgende Worte an die Studirenden richtete: „Meine Herren! Se. Maj. der König hält es für ſeine Pflicht die akademiſche Jugend welche ſich ſo glanzvoll in den Tagen des Ruhms bewährt hat, von den Fortſchritten zu unter- richten welche er zu nehmen gedenkt. Se. Maj. wollen ſich an die Spitze des conſtitutionellen Deutſchlands ſtellen. Sie wollen Freiheit und Conſtitution. Sie haben daher auch die ſchleunige Bildung eines deutſchen Parlaments beſchloſſen und werden ſich an die Spitze des Fort- ſchritts ſtellen. Der König rechnet auf den Schutz des Volks, iſt das nicht Ihre Meinung? (Tauſendſtimmiges Ja.) Der König wird demnächſt, geſchmückt mit den deutſchen Farben, in den Straßen erſcheinen, und rechnet darauf daß die deutſche Jugend ſich um ihn ſchaaren werde. Meine Herren! es lebe der deutſche König! (End- loſes Hoch.) Meine Herren, wir ſind Sr. Maj. verantwortliche Miniſter, aber unſere Seele iſt der König und der Fortſchritt, die Freiheit ſein Gedanke, die verantwortlichen Miniſter Hoch!“ Graf v. Schwerin ver- ließ unter Beifallsruf die Aula. 10¾ Uhr. Der König erſchien auf dem Schloßhofe an dem Eingange der Wendeltreppe. Der König war zu Pferd, trug die Uniform des erſten Garderegiments und den Helm, die deutſchen Farben um den Arm, umgeben von den anweſenden Prin- zen und den Miniſtern, letztere in Civil, aber alle mit den deutſchen Farben geſchmückt. Ein unermeßlicher Jubel empfing den König bei ſeinem Erſcheinen, und er richtete zuerſt folgende Worte an das Volk: „Was Ihr hier ſeht iſt keine Uſurpation, ich will keinen Fürſten vom Throne ſtürzen, alles richtet ſich nur auf die Wiederherſtellung der Einigkeit Deutſchlands, dieſe Einigkeit iſt an einzelnen Orten gefährdet, man ſpricht in Breslau namentlich von Verrath, und Verrath und Deutſch, das geht nicht zuſammen, ich will Einigkeit und Ordnung.“ Ein endloſer Freudenruf brach los, und der Zug hatte Mühe vor- wärts zu kommen. Dieſer bildete ſich folgendermaßen: Voran ritten zwei Generale mit den deutſchen Farben um den Arm, ihnen folgten drei Miniſter in gleichem Schmucke, und dieſen zwei Bürgerſchützen zu Fuß und der Stadtverordnete Gleich mit der dreifarbigen deutſchen Fahne. Jetzt kam der König, umgeben von den Prinzen und Generalen. Der König hielt aufs neue an dem Schloßplatze um Worte an das Volk zu richten. Jetzt ging es die Schloßfreiheit entlang, aus allen Fenſtern wehten Tücher, und der Jubel tönte ſtürmiſch fort. An der Königswache hielt der König vor den ſalutirenden Bürgern und ſprach: „Ich ſehe euch hier auf der Wache, ich kaun es nicht genugſam in Worte klei- den was ich euch danke — glaubt’s mir!“ Einer der Verſammelten rief nun: „Es lebe der Kaiſer von Deutſchland!“ worauf der König unwillig erwiederte: „Nicht doch, das will, das mag ich nicht!“ Jetzt ging der Zug bei der Blücherſtatue vorbei, die Behrenſtraße entlang und über die Linden zurück. Drei Studirende trugen das Reichs- banuer vorauf. Der König hielt unſern des Denkmals Friedrichs II und ſprach: „Mein Herz ſchlägt hoch daß es meine Hauptſtadt iſt in der ſich eine ſo kräftige Geſinnung bewährt hat. Der heutige Tag iſt ein großer, unvergeßlicher, entſcheidender. In Ihnen, meine Herren, ſehe ich eine große Zukunft, und wenn Sie in der Mitte oder am Ziele Ihres Lebens zurückblicken auf dasſelbe, ſo bleiben Sie doch ja des heutigen Tages eingedenk. Die Studirenden machen den größten Ein- druck auf das Volk und das Volk auf die Studirenden. Ich trage Farben, die nicht mein ſind, aber ich will damit nichts urſurpiren, ich will keine Krone, keine Herrſchaft, ich will Deutſchlands Freiheit, Deutſchlands Einigkeit, ich will Ordnung, das ſchwöre ich zu Gott hier erhob der König ſeine Rechte gen Himmel). Ich habe nur ge- than was in der deutſchen Geſchichte ſchon oft geſchehen iſt: daß mäch- tige Fürſten und Herzoge, wenn die Ordnung niedergetreten war, das Banner ergriffen und ſich an die Spitze des ganzen Volks geſtellt ha- ben, und ich glaube daß die Herzen der Fürſten mir entgegenſchlagen und der Wille des Volkes mich unterſtützen werden. Merken Sie ſich das, meine Herren, ſchreiben Sie es auf daß ich nichts uſurpiren, nichts will als deutſche Freiheit und Einheit. Sagen Sie es der abweſen- den ſtudirenden Judend, es thut mir unendlich leid daß ſie nicht alle da ſind. Sagen Sie es allen.“ Friedrich Wilhelm hoch! erſcholl es von allen Seiten. Die Studenten ſchlugen die Waſſen an einander, das Volk warf die Hüte, an denen die deutſchen Farben prangten, in die Höhe, und brach wiederum in endloſen Jubel aus. Wie auf dem ganzen Zuge umdrängte es den König, deſſen Pferd nur mit Mühe vorwärts konnte .... (Spen. Z.) Breslau, 20 MärzDie Stadt iſt ſeit zwei Tagen im voll- ſten Aufſtande. Die königl. Verwaltungsbehörden ſind außer Thätig- keit, Hr. v. Wedell hat die Stadt verlaſſen. Eine Volksverſammlung drängt die andere, und auf dem Neumarkt werden jetzt Reden ge- halten die denen der erſten franzöſiſchen Revolutionsperiode nicht nach- ſtehen. Die Nachrichten aus Berlin haben Entſetzen und Wuth er- regt. (Nürnb. Correſp.) Oeſterreich. × Wien, 21 März.Die heutige amtliche Wiener Zeitung bringt die Namensliſte des neuen Cabinets: Kolowrat, Ficquelmont, Pillersdorf, Kübeck, Taaffe. Der Miniſter des Kriegs iſt noch nicht ernannt, wahrſcheinlich wird der Feldmarſchalllieu- tenant Heß oder der General Schön dieſes Portefeuille erhalten. Graf Kolowrat hat immer den Ruf eines freiſinnigen Staatsmannes und eines vorzüglichen Beſchützers der ſlaviſchen Nationalität gehabt. Frei- lich ſcheint es ihm während ſeines langen Dienſtes unter der vorigen Ver- waltung (er war unter derſelben Miniſter des Innern) nicht gelungen zu ſeyn auch nur eine einzige wichtige Maßregel durchzuführen, oder eine der Reformideen der Zeit zur That zu machen. Seine ganze frü- here Thätigkeit ſchien mehr negativer und hindernder Art, und ſich zu- meiſt nur auf adminiſtrative Verhältniſſe und auf die perſönlichen Be- förderungen im Staatsdienſte zu beſchränken. Nun da er an der Spitze des Cabinets ſteht, wird der edle Graf Gelegenheit haben ſeine Grund- ſätze der Nation offen darzulegen, und ſie auch im Staatsleben geltend zu machen. Wenn er und ſeine Collegen die koloſſale Aufgabe dieſes großen Moments richtig erfaſſen; wenn ſie das ſeyn werden, ganz ſeyn werden wozu ſie die Gnade des erhabenen Monarchen beſtimmt, was 30 Millionen in ihnen zu ſehen erwarten: die Regeneratoren dieſes ſo lange vernachläſſigten Reichs, wenn ſie durch das große Geſchenk unſers hochherzigen Fürſten, durch eine wahre unverfälſchte Conſtitution mit eben ſo vieler Weisheit und Kühnheit als Beharrlichkeit und Conſequenz Oeſterreich wieder auf den Standpunkt in Deutſchland, in Europa und in der Meinung der gebildeten Welt erheben von dem es durch eine fluchwürdige Politik herabgefallen, dann wird ein unverwelklicher Kranz ihr Haupt ſchmücken und unſterblicher Ruhm ſich um ihr Denkmal ſam- meln. Wir haben in unſrer Geſchichte leider wenig Namen mit denen wir ſie dann vergleichen könnten; aber wir werden ſie den politiſchen Heroen Englands und Frankreichs an die Seite ſetzen. — Graf Ficquel- mont iſt im diplomatiſchen Corps zu wohlbekannt, als daß dieſe Wahl in dieſen Kreiſen nicht überall mit Beifall begrüßt werden ſollte. Ueber die finanziellen Talente und den ausgezeichneten Charakter des Baron Kübeck herrſcht wohl nur Eine Stimme, und wir wollen nur bemerken daß Baron Kübeck ſchon im Jahr 1846 die Veröffentlichung des Staatshaushalts in der Staatsconferenz beantragte, wo aber na- türlich dieſer Vorſchlag nicht angenommen wurde. Baron Pillersdorf hat der öffentlichen Meinung immer als der Miniſter der Zukunft gegol- ten, und er hat in der Hofkanzlei ſtets mit großem Freimuth das Prin- cip der Reform vertreten. Mit dem Miniſterium des Innern wird nun auch das Polizeidepartement vereinigt ſeyn, und wie man ſagt ſoll der Hofrath der ſo kurz beſtandenen Cenſuroberdirection Martinez ein hu- maner Mann aus der alten Schule an deſſen Spitze treten. Mit einem guten, klarbeſtimmten Polizeigeſetz und mit einem Geſetz über die per- ſönliche Freiheit, welche wir von der erſten Reichsverſammlung erwar- ten, können wir ſeiner Amtsverwaltung ruhig entgegenſehen. Einen minder guten Eindruck hat die Ernennung, eigentlich Beibehaltung des Grafen Taaffe als Juſtizminiſter gemacht. Man beſchuldigt ihn feind- ſeliger Geſinnungen gegen die Ideen der Neuzeit, namentlich gegen die

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848, S. 1350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine85_1848/6>, abgerufen am 21.11.2024.