Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848.[Spaltenumbruch]
seine volle Zufriedenheit mit den Erfolgen aus. Ein vieltausendstimmi- An die deutsche Na- Ber- lin, 21 März 1848. 10 Uhr. Der Minister Graf v. Schwerin hat die Breslau, 20 März Die Stadt ist seit zwei Tagen im voll- Oesterreich. x Wien, 21 März. Die heutige amtliche Wiener [Spaltenumbruch]
ſeine volle Zufriedenheit mit den Erfolgen aus. Ein vieltauſendſtimmi- An die deutſche Na- Ber- lin, 21 März 1848. 10 Uhr. Der Miniſter Graf v. Schwerin hat die Breslau, 20 März Die Stadt iſt ſeit zwei Tagen im voll- Oeſterreich. × Wien, 21 März. Die heutige amtliche Wiener <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0006" n="1350"/><cb/> ſeine volle Zufriedenheit mit den Erfolgen aus. Ein vieltauſendſtimmi-<lb/> ges Hoch erſcholl, wo der König ſich zeigte. 9 <hi rendition="#g">Uhr Vormittags.</hi> So<lb/> eben wird folgende Proclamation verbreitet:</p> <floatingText> <body> <div n="1"> <p><hi rendition="#g">An die deutſche Na-<lb/> tion!</hi> Eine neue glorreiche Geſchichte hebt mit dem heutigen Tage für<lb/> euch an! Ihr ſeyd fortan wiederum eine einzige große Nation, ſtark, frei<lb/> und mächtig im Herzen von Europa! Preußens Friedrich Wilhelm <hi rendition="#aq">IV</hi><lb/> hat ſich, im Vertrauen auf euern heldenmüthigen Beiſtand und eure gei-<lb/> ſtige Wiedergeburt, zur Rettung Deutſchlands an die Spitze des Geſammt-<lb/> vaterlandes geſtellt. Ihr werdet ihn mit den alten ehrwürdigen Farben deut-<lb/> ſcher Nation noch heute zu Pferde in eurer Mitte erblicken. Heil und Segen<lb/> dem conſtitutionellen Fürſten, dem Führer des geſammten deutſchen Vol-<lb/> kes, dem neuen Könige der freien wiedergebornen deutſchen Nation! </p> <closer> <dateline>Ber-<lb/> lin, 21 März 1848.</dateline> </closer> </div> </body> </floatingText> <p>10 <hi rendition="#g">Uhr.</hi> Der Miniſter Graf v. Schwerin hat die<lb/> Studirenden welche im Caſtanienwalde mit Exerciren beſchäftigt waren<lb/> in der Aula verſammelt. Mit den Waſſen in der Hand ſtürmte ein<lb/> großer Theil in die Aula, wo der Miniſter, umgeben von den ebenfalls<lb/> bewaffneten Profeſſoren Rector Müller und Prorector Hecker, folgende<lb/> Worte an die Studirenden richtete: „Meine Herren! Se. Maj. der König<lb/> hält es für ſeine Pflicht die akademiſche Jugend welche ſich ſo glanzvoll<lb/> in den Tagen des Ruhms bewährt hat, von den Fortſchritten zu unter-<lb/> richten welche er zu nehmen gedenkt. Se. Maj. wollen ſich an die<lb/> Spitze des conſtitutionellen Deutſchlands ſtellen. Sie wollen Freiheit<lb/> und Conſtitution. Sie haben daher auch die ſchleunige Bildung eines<lb/> deutſchen Parlaments beſchloſſen und werden ſich an die Spitze des Fort-<lb/> ſchritts ſtellen. Der König rechnet auf den Schutz des Volks, iſt das<lb/> nicht Ihre Meinung? (Tauſendſtimmiges Ja.) Der König wird<lb/> demnächſt, geſchmückt mit den deutſchen Farben, in den Straßen<lb/> erſcheinen, und rechnet darauf daß die deutſche Jugend ſich um ihn<lb/> ſchaaren werde. Meine Herren! es lebe der <hi rendition="#g">deutſche König!</hi> (End-<lb/> loſes Hoch.) Meine Herren, wir ſind Sr. Maj. verantwortliche Miniſter,<lb/> aber unſere Seele iſt der König und der Fortſchritt, die Freiheit ſein<lb/> Gedanke, die verantwortlichen Miniſter Hoch!“ Graf v. Schwerin ver-<lb/> ließ unter Beifallsruf die Aula. 10¾ <hi rendition="#g">Uhr</hi>. Der König erſchien auf<lb/> dem Schloßhofe an dem Eingange der Wendeltreppe. Der König war<lb/> zu Pferd, trug die Uniform des erſten Garderegiments und den Helm,<lb/> die deutſchen Farben um den Arm, umgeben von den anweſenden Prin-<lb/> zen und den Miniſtern, letztere in Civil, aber alle mit den deutſchen<lb/> Farben geſchmückt. Ein unermeßlicher Jubel empfing den König bei<lb/> ſeinem Erſcheinen, und er richtete zuerſt folgende Worte an das Volk:<lb/> „Was Ihr hier ſeht iſt keine Uſurpation, ich will keinen Fürſten vom<lb/> Throne ſtürzen, alles richtet ſich nur auf die Wiederherſtellung der<lb/> Einigkeit Deutſchlands, dieſe Einigkeit iſt an einzelnen Orten gefährdet,<lb/> man ſpricht in Breslau namentlich von Verrath, und Verrath und<lb/> Deutſch, das geht nicht zuſammen, ich will Einigkeit und Ordnung.“<lb/> Ein endloſer Freudenruf brach los, und der Zug hatte Mühe vor-<lb/> wärts zu kommen. Dieſer bildete ſich folgendermaßen: Voran ritten<lb/> zwei Generale mit den deutſchen Farben um den Arm, ihnen folgten drei<lb/> Miniſter in gleichem Schmucke, und dieſen zwei Bürgerſchützen zu Fuß und<lb/> der Stadtverordnete Gleich mit der dreifarbigen deutſchen Fahne. Jetzt kam<lb/> der König, umgeben von den Prinzen und Generalen. Der König hielt<lb/> aufs neue an dem Schloßplatze um Worte an das Volk zu richten.<lb/> Jetzt ging es die Schloßfreiheit entlang, aus allen Fenſtern wehten<lb/> Tücher, und der Jubel tönte ſtürmiſch fort. An der Königswache<lb/> hielt der König vor den ſalutirenden Bürgern und ſprach: „Ich ſehe<lb/> euch hier auf der Wache, ich kaun es nicht genugſam in Worte klei-<lb/> den was ich euch danke — glaubt’s mir!“ Einer der Verſammelten<lb/> rief nun: „Es lebe der Kaiſer von Deutſchland!“ worauf der König<lb/> unwillig erwiederte: „Nicht doch, das will, das mag ich nicht!“ Jetzt<lb/> ging der Zug bei der Blücherſtatue vorbei, die Behrenſtraße entlang<lb/> und über die Linden zurück. Drei Studirende trugen das Reichs-<lb/> banuer vorauf. Der König hielt unſern des Denkmals Friedrichs <hi rendition="#aq">II</hi><lb/> und ſprach: „Mein Herz ſchlägt hoch daß es meine Hauptſtadt iſt in<lb/> der ſich eine ſo kräftige Geſinnung bewährt hat. Der heutige Tag iſt<lb/> ein großer, unvergeßlicher, entſcheidender. In Ihnen, meine Herren,<lb/> ſehe ich eine große Zukunft, und wenn Sie in der Mitte oder am Ziele<lb/> Ihres Lebens zurückblicken auf dasſelbe, ſo bleiben Sie doch ja des<lb/> heutigen Tages eingedenk. Die Studirenden machen den größten Ein-<lb/> druck auf das Volk und das Volk auf die Studirenden. Ich trage<lb/> Farben, die nicht mein ſind, aber ich will damit nichts urſurpiren,<lb/> ich will keine Krone, keine Herrſchaft, ich will Deutſchlands Freiheit,<lb/> Deutſchlands Einigkeit, ich will Ordnung, das ſchwöre ich zu Gott<lb/><cb/> hier erhob der König ſeine Rechte gen Himmel). Ich habe nur ge-<lb/> than was in der deutſchen Geſchichte ſchon oft geſchehen iſt: daß mäch-<lb/> tige Fürſten und Herzoge, wenn die Ordnung niedergetreten war, das<lb/> Banner ergriffen und ſich an die Spitze des ganzen Volks geſtellt ha-<lb/> ben, und ich glaube daß die Herzen der Fürſten mir entgegenſchlagen<lb/> und der Wille des Volkes mich unterſtützen werden. Merken Sie ſich<lb/> das, meine Herren, ſchreiben Sie es auf daß ich nichts uſurpiren, nichts<lb/> will als deutſche Freiheit und Einheit. Sagen Sie es der abweſen-<lb/> den ſtudirenden Judend, es thut mir unendlich leid daß ſie nicht alle da<lb/> ſind. Sagen Sie es allen.“ Friedrich Wilhelm hoch! erſcholl es von<lb/> allen Seiten. Die Studenten ſchlugen die Waſſen an einander, das<lb/> Volk warf die Hüte, an denen die deutſchen Farben prangten, in die<lb/> Höhe, und brach wiederum in endloſen Jubel aus. Wie auf dem<lb/> ganzen Zuge umdrängte es den König, deſſen Pferd nur mit Mühe<lb/> vorwärts konnte .... (<hi rendition="#g">Spen.</hi> Z.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Breslau,</hi> 20 März</dateline> <p>Die Stadt iſt ſeit zwei Tagen im voll-<lb/> ſten Aufſtande. Die königl. Verwaltungsbehörden ſind außer Thätig-<lb/> keit, Hr. v. Wedell hat die Stadt verlaſſen. Eine Volksverſammlung<lb/> drängt die andere, und auf dem Neumarkt werden jetzt Reden ge-<lb/> halten die denen der erſten franzöſiſchen Revolutionsperiode nicht nach-<lb/> ſtehen. Die Nachrichten aus Berlin haben Entſetzen und Wuth er-<lb/> regt. (Nürnb. Correſp.)</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Oeſterreich.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>× <hi rendition="#b">Wien,</hi> 21 März.</dateline> <p>Die heutige amtliche Wiener<lb/> Zeitung bringt die Namensliſte des neuen Cabinets: <hi rendition="#g">Kolowrat,<lb/> Ficquelmont, Pillersdorf, Kübeck, Taaffe.</hi> Der Miniſter des<lb/> Kriegs iſt noch nicht ernannt, wahrſcheinlich wird der Feldmarſchalllieu-<lb/> tenant <hi rendition="#g">Heß</hi> oder der General <hi rendition="#g">Schön</hi> dieſes Portefeuille erhalten. Graf<lb/> Kolowrat hat immer den Ruf eines freiſinnigen Staatsmannes und<lb/> eines vorzüglichen Beſchützers der ſlaviſchen Nationalität gehabt. Frei-<lb/> lich ſcheint es ihm während ſeines langen Dienſtes unter der vorigen Ver-<lb/> waltung (er war unter derſelben Miniſter des Innern) nicht gelungen<lb/> zu ſeyn auch nur eine einzige wichtige Maßregel durchzuführen, oder<lb/> eine der Reformideen der Zeit zur That zu machen. Seine ganze frü-<lb/> here Thätigkeit ſchien mehr negativer und hindernder Art, und ſich zu-<lb/> meiſt nur auf adminiſtrative Verhältniſſe und auf die perſönlichen Be-<lb/> förderungen im Staatsdienſte zu beſchränken. Nun da er an der Spitze<lb/> des Cabinets ſteht, wird der edle Graf Gelegenheit haben ſeine Grund-<lb/> ſätze der Nation offen darzulegen, und ſie auch im Staatsleben geltend<lb/> zu machen. Wenn er und ſeine Collegen die koloſſale Aufgabe dieſes<lb/> großen Moments richtig erfaſſen; wenn ſie das ſeyn werden, ganz ſeyn<lb/> werden wozu ſie die Gnade des erhabenen Monarchen beſtimmt, was<lb/> 30 Millionen in ihnen zu ſehen erwarten: die Regeneratoren dieſes ſo<lb/> lange vernachläſſigten Reichs, wenn ſie durch das große Geſchenk unſers<lb/> hochherzigen Fürſten, durch eine wahre unverfälſchte Conſtitution mit<lb/> eben ſo vieler Weisheit und Kühnheit als Beharrlichkeit und Conſequenz<lb/> Oeſterreich wieder auf den Standpunkt in Deutſchland, in Europa und<lb/> in der Meinung der gebildeten Welt erheben von dem es durch eine<lb/> fluchwürdige Politik herabgefallen, dann wird ein unverwelklicher Kranz<lb/> ihr Haupt ſchmücken und unſterblicher Ruhm ſich um ihr Denkmal ſam-<lb/> meln. Wir haben in unſrer Geſchichte leider wenig Namen mit denen<lb/> wir ſie dann vergleichen könnten; aber wir werden ſie den politiſchen<lb/> Heroen Englands und Frankreichs an die Seite ſetzen. — Graf Ficquel-<lb/> mont iſt im diplomatiſchen Corps zu wohlbekannt, als daß dieſe Wahl<lb/> in dieſen Kreiſen nicht überall mit Beifall begrüßt werden ſollte. Ueber<lb/> die finanziellen Talente und den ausgezeichneten Charakter des Baron<lb/> Kübeck herrſcht wohl nur Eine Stimme, und wir wollen nur bemerken<lb/> daß Baron Kübeck ſchon im Jahr 1846 die <hi rendition="#g">Veröffentlichung des<lb/> Staatshaushalts</hi> in der Staatsconferenz beantragte, wo aber na-<lb/> türlich dieſer Vorſchlag nicht angenommen wurde. Baron Pillersdorf<lb/> hat der öffentlichen Meinung immer als der Miniſter der Zukunft gegol-<lb/> ten, und er hat in der Hofkanzlei ſtets mit großem Freimuth das Prin-<lb/> cip der Reform vertreten. Mit dem Miniſterium des Innern wird nun<lb/> auch das Polizeidepartement vereinigt ſeyn, und wie man ſagt ſoll der<lb/> Hofrath der ſo kurz beſtandenen Cenſuroberdirection Martinez ein hu-<lb/> maner Mann aus der alten Schule an deſſen Spitze treten. Mit einem<lb/> guten, klarbeſtimmten Polizeigeſetz und mit einem Geſetz über die per-<lb/> ſönliche Freiheit, welche wir von der erſten Reichsverſammlung erwar-<lb/> ten, können wir ſeiner Amtsverwaltung ruhig entgegenſehen. Einen<lb/> minder guten Eindruck hat die Ernennung, eigentlich Beibehaltung des<lb/> Grafen Taaffe als Juſtizminiſter gemacht. Man beſchuldigt ihn feind-<lb/> ſeliger Geſinnungen gegen die Ideen der Neuzeit, namentlich gegen die<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1350/0006]
ſeine volle Zufriedenheit mit den Erfolgen aus. Ein vieltauſendſtimmi-
ges Hoch erſcholl, wo der König ſich zeigte. 9 Uhr Vormittags. So
eben wird folgende Proclamation verbreitet:
An die deutſche Na-
tion! Eine neue glorreiche Geſchichte hebt mit dem heutigen Tage für
euch an! Ihr ſeyd fortan wiederum eine einzige große Nation, ſtark, frei
und mächtig im Herzen von Europa! Preußens Friedrich Wilhelm IV
hat ſich, im Vertrauen auf euern heldenmüthigen Beiſtand und eure gei-
ſtige Wiedergeburt, zur Rettung Deutſchlands an die Spitze des Geſammt-
vaterlandes geſtellt. Ihr werdet ihn mit den alten ehrwürdigen Farben deut-
ſcher Nation noch heute zu Pferde in eurer Mitte erblicken. Heil und Segen
dem conſtitutionellen Fürſten, dem Führer des geſammten deutſchen Vol-
kes, dem neuen Könige der freien wiedergebornen deutſchen Nation!
Ber-
lin, 21 März 1848.10 Uhr. Der Miniſter Graf v. Schwerin hat die
Studirenden welche im Caſtanienwalde mit Exerciren beſchäftigt waren
in der Aula verſammelt. Mit den Waſſen in der Hand ſtürmte ein
großer Theil in die Aula, wo der Miniſter, umgeben von den ebenfalls
bewaffneten Profeſſoren Rector Müller und Prorector Hecker, folgende
Worte an die Studirenden richtete: „Meine Herren! Se. Maj. der König
hält es für ſeine Pflicht die akademiſche Jugend welche ſich ſo glanzvoll
in den Tagen des Ruhms bewährt hat, von den Fortſchritten zu unter-
richten welche er zu nehmen gedenkt. Se. Maj. wollen ſich an die
Spitze des conſtitutionellen Deutſchlands ſtellen. Sie wollen Freiheit
und Conſtitution. Sie haben daher auch die ſchleunige Bildung eines
deutſchen Parlaments beſchloſſen und werden ſich an die Spitze des Fort-
ſchritts ſtellen. Der König rechnet auf den Schutz des Volks, iſt das
nicht Ihre Meinung? (Tauſendſtimmiges Ja.) Der König wird
demnächſt, geſchmückt mit den deutſchen Farben, in den Straßen
erſcheinen, und rechnet darauf daß die deutſche Jugend ſich um ihn
ſchaaren werde. Meine Herren! es lebe der deutſche König! (End-
loſes Hoch.) Meine Herren, wir ſind Sr. Maj. verantwortliche Miniſter,
aber unſere Seele iſt der König und der Fortſchritt, die Freiheit ſein
Gedanke, die verantwortlichen Miniſter Hoch!“ Graf v. Schwerin ver-
ließ unter Beifallsruf die Aula. 10¾ Uhr. Der König erſchien auf
dem Schloßhofe an dem Eingange der Wendeltreppe. Der König war
zu Pferd, trug die Uniform des erſten Garderegiments und den Helm,
die deutſchen Farben um den Arm, umgeben von den anweſenden Prin-
zen und den Miniſtern, letztere in Civil, aber alle mit den deutſchen
Farben geſchmückt. Ein unermeßlicher Jubel empfing den König bei
ſeinem Erſcheinen, und er richtete zuerſt folgende Worte an das Volk:
„Was Ihr hier ſeht iſt keine Uſurpation, ich will keinen Fürſten vom
Throne ſtürzen, alles richtet ſich nur auf die Wiederherſtellung der
Einigkeit Deutſchlands, dieſe Einigkeit iſt an einzelnen Orten gefährdet,
man ſpricht in Breslau namentlich von Verrath, und Verrath und
Deutſch, das geht nicht zuſammen, ich will Einigkeit und Ordnung.“
Ein endloſer Freudenruf brach los, und der Zug hatte Mühe vor-
wärts zu kommen. Dieſer bildete ſich folgendermaßen: Voran ritten
zwei Generale mit den deutſchen Farben um den Arm, ihnen folgten drei
Miniſter in gleichem Schmucke, und dieſen zwei Bürgerſchützen zu Fuß und
der Stadtverordnete Gleich mit der dreifarbigen deutſchen Fahne. Jetzt kam
der König, umgeben von den Prinzen und Generalen. Der König hielt
aufs neue an dem Schloßplatze um Worte an das Volk zu richten.
Jetzt ging es die Schloßfreiheit entlang, aus allen Fenſtern wehten
Tücher, und der Jubel tönte ſtürmiſch fort. An der Königswache
hielt der König vor den ſalutirenden Bürgern und ſprach: „Ich ſehe
euch hier auf der Wache, ich kaun es nicht genugſam in Worte klei-
den was ich euch danke — glaubt’s mir!“ Einer der Verſammelten
rief nun: „Es lebe der Kaiſer von Deutſchland!“ worauf der König
unwillig erwiederte: „Nicht doch, das will, das mag ich nicht!“ Jetzt
ging der Zug bei der Blücherſtatue vorbei, die Behrenſtraße entlang
und über die Linden zurück. Drei Studirende trugen das Reichs-
banuer vorauf. Der König hielt unſern des Denkmals Friedrichs II
und ſprach: „Mein Herz ſchlägt hoch daß es meine Hauptſtadt iſt in
der ſich eine ſo kräftige Geſinnung bewährt hat. Der heutige Tag iſt
ein großer, unvergeßlicher, entſcheidender. In Ihnen, meine Herren,
ſehe ich eine große Zukunft, und wenn Sie in der Mitte oder am Ziele
Ihres Lebens zurückblicken auf dasſelbe, ſo bleiben Sie doch ja des
heutigen Tages eingedenk. Die Studirenden machen den größten Ein-
druck auf das Volk und das Volk auf die Studirenden. Ich trage
Farben, die nicht mein ſind, aber ich will damit nichts urſurpiren,
ich will keine Krone, keine Herrſchaft, ich will Deutſchlands Freiheit,
Deutſchlands Einigkeit, ich will Ordnung, das ſchwöre ich zu Gott
hier erhob der König ſeine Rechte gen Himmel). Ich habe nur ge-
than was in der deutſchen Geſchichte ſchon oft geſchehen iſt: daß mäch-
tige Fürſten und Herzoge, wenn die Ordnung niedergetreten war, das
Banner ergriffen und ſich an die Spitze des ganzen Volks geſtellt ha-
ben, und ich glaube daß die Herzen der Fürſten mir entgegenſchlagen
und der Wille des Volkes mich unterſtützen werden. Merken Sie ſich
das, meine Herren, ſchreiben Sie es auf daß ich nichts uſurpiren, nichts
will als deutſche Freiheit und Einheit. Sagen Sie es der abweſen-
den ſtudirenden Judend, es thut mir unendlich leid daß ſie nicht alle da
ſind. Sagen Sie es allen.“ Friedrich Wilhelm hoch! erſcholl es von
allen Seiten. Die Studenten ſchlugen die Waſſen an einander, das
Volk warf die Hüte, an denen die deutſchen Farben prangten, in die
Höhe, und brach wiederum in endloſen Jubel aus. Wie auf dem
ganzen Zuge umdrängte es den König, deſſen Pferd nur mit Mühe
vorwärts konnte .... (Spen. Z.)
Breslau, 20 MärzDie Stadt iſt ſeit zwei Tagen im voll-
ſten Aufſtande. Die königl. Verwaltungsbehörden ſind außer Thätig-
keit, Hr. v. Wedell hat die Stadt verlaſſen. Eine Volksverſammlung
drängt die andere, und auf dem Neumarkt werden jetzt Reden ge-
halten die denen der erſten franzöſiſchen Revolutionsperiode nicht nach-
ſtehen. Die Nachrichten aus Berlin haben Entſetzen und Wuth er-
regt. (Nürnb. Correſp.)
Oeſterreich.
× Wien, 21 März.Die heutige amtliche Wiener
Zeitung bringt die Namensliſte des neuen Cabinets: Kolowrat,
Ficquelmont, Pillersdorf, Kübeck, Taaffe. Der Miniſter des
Kriegs iſt noch nicht ernannt, wahrſcheinlich wird der Feldmarſchalllieu-
tenant Heß oder der General Schön dieſes Portefeuille erhalten. Graf
Kolowrat hat immer den Ruf eines freiſinnigen Staatsmannes und
eines vorzüglichen Beſchützers der ſlaviſchen Nationalität gehabt. Frei-
lich ſcheint es ihm während ſeines langen Dienſtes unter der vorigen Ver-
waltung (er war unter derſelben Miniſter des Innern) nicht gelungen
zu ſeyn auch nur eine einzige wichtige Maßregel durchzuführen, oder
eine der Reformideen der Zeit zur That zu machen. Seine ganze frü-
here Thätigkeit ſchien mehr negativer und hindernder Art, und ſich zu-
meiſt nur auf adminiſtrative Verhältniſſe und auf die perſönlichen Be-
förderungen im Staatsdienſte zu beſchränken. Nun da er an der Spitze
des Cabinets ſteht, wird der edle Graf Gelegenheit haben ſeine Grund-
ſätze der Nation offen darzulegen, und ſie auch im Staatsleben geltend
zu machen. Wenn er und ſeine Collegen die koloſſale Aufgabe dieſes
großen Moments richtig erfaſſen; wenn ſie das ſeyn werden, ganz ſeyn
werden wozu ſie die Gnade des erhabenen Monarchen beſtimmt, was
30 Millionen in ihnen zu ſehen erwarten: die Regeneratoren dieſes ſo
lange vernachläſſigten Reichs, wenn ſie durch das große Geſchenk unſers
hochherzigen Fürſten, durch eine wahre unverfälſchte Conſtitution mit
eben ſo vieler Weisheit und Kühnheit als Beharrlichkeit und Conſequenz
Oeſterreich wieder auf den Standpunkt in Deutſchland, in Europa und
in der Meinung der gebildeten Welt erheben von dem es durch eine
fluchwürdige Politik herabgefallen, dann wird ein unverwelklicher Kranz
ihr Haupt ſchmücken und unſterblicher Ruhm ſich um ihr Denkmal ſam-
meln. Wir haben in unſrer Geſchichte leider wenig Namen mit denen
wir ſie dann vergleichen könnten; aber wir werden ſie den politiſchen
Heroen Englands und Frankreichs an die Seite ſetzen. — Graf Ficquel-
mont iſt im diplomatiſchen Corps zu wohlbekannt, als daß dieſe Wahl
in dieſen Kreiſen nicht überall mit Beifall begrüßt werden ſollte. Ueber
die finanziellen Talente und den ausgezeichneten Charakter des Baron
Kübeck herrſcht wohl nur Eine Stimme, und wir wollen nur bemerken
daß Baron Kübeck ſchon im Jahr 1846 die Veröffentlichung des
Staatshaushalts in der Staatsconferenz beantragte, wo aber na-
türlich dieſer Vorſchlag nicht angenommen wurde. Baron Pillersdorf
hat der öffentlichen Meinung immer als der Miniſter der Zukunft gegol-
ten, und er hat in der Hofkanzlei ſtets mit großem Freimuth das Prin-
cip der Reform vertreten. Mit dem Miniſterium des Innern wird nun
auch das Polizeidepartement vereinigt ſeyn, und wie man ſagt ſoll der
Hofrath der ſo kurz beſtandenen Cenſuroberdirection Martinez ein hu-
maner Mann aus der alten Schule an deſſen Spitze treten. Mit einem
guten, klarbeſtimmten Polizeigeſetz und mit einem Geſetz über die per-
ſönliche Freiheit, welche wir von der erſten Reichsverſammlung erwar-
ten, können wir ſeiner Amtsverwaltung ruhig entgegenſehen. Einen
minder guten Eindruck hat die Ernennung, eigentlich Beibehaltung des
Grafen Taaffe als Juſtizminiſter gemacht. Man beſchuldigt ihn feind-
ſeliger Geſinnungen gegen die Ideen der Neuzeit, namentlich gegen die
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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