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Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Hand; diese suchten ihre Ehre und ihren Gewinn und ihren Uebermuth
gegenüber von Herren und Unterthanen in der höchst möglich betriebenen
Zutageförderung eines doch nicht leicht irgend in einem Herrenhause, in
das er blinkte, ernstlich zurückgewiesenen Mammons, und waren bei der
ruhigen Zeit der bisherigen Beamtenherrschaft sicher ihres Nibelungen-
hortes in Kisten und Kästen. Nach andern konnten selbst die eifrigsten
Münzmeister nicht genug von der neuerfundenen Rechtsprägmaschine
liefern, selbst beim willigsten Diensteifer. Alle aber, bei denen über-
haupt "das System" blühte oder nicht, stellten gegen den Haß und Zorn
der Pflichtigen die lieben Rentmeister in die Schanze. Wirklich hatten
denn diese den ganzen Sturm nun gegen sich und ihre Bücher herauf-
beschworen.

Eine neue Stunde der Freiheit schlägt über Europa lauter, heller
als vor 50 und 300 Jahren. Preßfreiheiten, neue Minister? Die Nen-
nung der neuen württembergischen Ministernamen brachte in Widdern
nicht die geringste Störung in das Geschäft der bücherfordernden Menge.
Wie vor 300 Jahren will der gemeine Mann vorher den Druck aus den
Schuhen, ehe er die Freiheitsfahne über dem Haupt und aus dem Dach-
laden schwingt. Mit unsichtbarer Eile blitzt durch die gedrückten Bevöl-
kerungen ein Gedanke, zu dem "das System" nur zu unglückselig her-
ausgefordert. Auf die Rentleute, auf die Bücher los! Dieß und nur dieß
allein ist das Feldgeschrei des neuen Bundschuhes. Kein Blut, Bücher,
freilich Schuldbücher zum Verbrennen wollen deine ärmsten Kinder, du
presse-seliges Jahrhundert! Nur wo die Beamten sich am verhaßtesten
gemacht hatten, nur im allerersten Sturme wollte es über den aller-
nächsten Zweck hinausgehen, wie in Niederstetten. An allen andern
Orten württembergischen Gebietes begnügten sich die sich rechtlos Dün-
kenden in freilich entschieden verwerflicher Gesetzes- und Ordnungs-
widrigkeit mit Herausgabe der grundherrlichen Bücher. Wo sie gut-
willig verabfolgt wurden, wurden sie meist auf der Stelle in gewisser
Ordnung verbrannt; die landesherrlichen überall verschont. Wo es
nicht so leicht ging, ward gegen Thüren und Registraturkästen rohere
Gewaltthat geübt, aber selten gegen Häuser und Menschen. An einigen
Orten, wie in Künzelsau, wurden die Bücher vor der Menge dadurch
gerettet daß sie oberamtsgerichtlich niedergelegt und versiegelt wurden,
damit so "Recht werde", und die Leute ließen sich's gefallen. Ander-
wärts dagegen ward selbst solcher gerichtlichen Verwahrung nicht mehr
getraut: in Löwenstein (zu Werthheim gehörig) haben sie die Bücher in
ein Gewölbe eingemauert, damit sie dort unversehrt verwahrt blieben
bis zum Tage der endlichen Auferstehung des Unterthanenrechtes, von
dem sie erwarten daß in summa die Herrschaften von unrechtmäßigen
Forderungen nicht bloß abstehen, sondern noch herauszahlen werden
müssen. Erscheint hier das friedliche Mißtrauen am weitesten getrieben,
so ist das Vertrauen der Berlichingen'schen Unterthanen und das der
Leute im Fürstenthum Hohenlohe-Kirchberg um so unbegränzter. Erstere
versprechen ihrem Grundherrn Schutz auf Leben und Tod, und lassen
sich von ihm bewaffnen zu solchem Schutz des von der zu ängstlichen
Familie verlassenen Schlosses in Jarthausen; letztere kommen in großem
geordneten Haufen ganz ruhig zum Fürstensitz, legen draußen die Stäbe
und Tabakspfeifen selbst alle ab und bringen ihre Bitten und Beschwer-
den dem menschenfreundlichen Herrn vor, der alle Abhülfe verspricht.

In all diesen verschiedenen Abstufungen von Selbsthülfe und Hülfe-
suchen wo Regierung und Gerichte keine Hülfe zu bringen wußten, was
zeigt sich uns da? Freilich leider arges Unrecht durch oft nicht kleines
Unrecht geweckt, Gesetzlosigkeit gegen Rechtlosigkeit gesetzt, aber bei
allem Bedauerlichen denn doch auch die freundliche und Hoffnung er-
weckende Erscheinung daß zwischen dem ersten Bauernkrieg und dieser,
hoffentlich letzten Bauernbewegung nicht umsonst 300 Jahre verflossen
sind. Nach allem was vorgegangen ist, zeigt sich eine Mäßigung, ein
Ansichhalten, das Achtung verdient bei aller nachdrücklichsten Verwer-
fung der einzelnen Roheiten und Gesetzwidrigkeiten. Ungebühr zeugt
Ungebühr, und das ist der Sünde größtes Uebel daß sie fortzeugend
Sünde muß gebären. Aber es gibt auch Gnade, es gibt Vergebung, es
gibt Versöhnung. Bereits erklären die Ritter daß sie ein Herz zu Opfern
fürs Vaterland haben. Auch die Knappen werden es nicht fehlen lassen.
Wer will am gesunden Sinn unseres Volkes verzweifeln? Gewiß, es
ist ein freies, großes, in seinen gottgeordneten Unterschieden einiges
Deutschland möglich, wenn alle von der Scholle bis zum Thron im war-
men Herzen fühlen: wie die Pflichten so die Rechte, und wie die Rechte
so die Pflichten!

[Spaltenumbruch]

(Die Volksstim-
mung und die Offenburger Versammlung.)
Ich werde
Ihnen hinfort stets genaue Nachrichten ertheilen, sooft in unserer
Gegend Dinge vorgehen welche für unsere große deutsche Sache wich-
tig sind. Anfangs voriger Woche erscholl in unserer Stadt die Nachricht
daß der Redacteur der Seeblätter, Fickler, ein ehemaliger Kaufmann von
großem Talent, in Constanz und dem badischen Seekreise die Republik
ausrufe, auch auf dem benachbarten Schwarzwalde und im Oberlande
zeigten sich Spuren von Hinneigung zu dieser Regierungsform. Un-
sere kleine Universität, die sich seit einer Reihe von Jahren, aus Grün-
den welche zu entwickeln hier nicht der Ort ist, von der badischen Op-
positionsbewegung ziemlich ferne gehalten hatte, erkannte sogleich die
Nothwendigkeit sich nach dem Maß ihrer Kräfte der bedrohten Sache
des deutschen Vaterlandes anzunehmen. Am Mitwoch Abend trat
die große Mehrzahl der Professoren zu einer Besprechung zusammen,
in welcher man sich darüber verständigte die bisherigen, auf allen
Akademien unvermeidlichen Zänkereien fallen zu lassen und gemeinsam
zu handeln. Ein Aufruf an das Volk wurde vorgelegt, von allen An-
wesenden gebilligt, und im Namen der Universität bei den hiesigen
Zeitungen zum Drucke mitgetheilt. Dieses Actenstück wird Ihnen zu-
gekommen seyn, es besagt daß kein Stamm, kein Landestheil sich von
den übrigen deutschen Volksgenossen trennen dürfe, daß man alle
Kräfte aufbieten müsse damit die zu Ende des laufenden Monats nach
Frankfurt einberufene deutsche Versammlung frei über die gemeinsa-
men Angelegenheiten berathen könne, und daß endlich die Errichtung
kleiner Republiken ein unberechenbares Unglück seyn würde, weil sie
das badische Land nothwendig den Franzosen in die Hände spielen
müßte. Zugleich wurde beschossen die bevorstehende Volksversammlung
in Offenburg, welche bekannlich mehrere unserer angesehensten De-
putirten von der Opposition vor einiger Zeit ausgeschrieben hatten,
in möglichst großer Zahl zu besuchen, auch bei dieser Gelegenheit, da-
mit ein äußeres Abzeichen die politische Gesinnung die uns belebt ver-
kündige, ein Banner mit dem alten deutschen Reichsadler,
Schwert und Apfel -- doch ohne Wappenschild im Herzen -- vor-
antragen zu lassen. Ein geschickter Künstler machte sich am Donners-
tage an die Arbeit dieses edle Sinnbild zu verfertigen -- es ist schön
ausgefallen. Während wir mit diesen Arbeiten und der Vorbereitung
zur Reise nach Offenburg beschäftigt waren, gerieth die Stadt Freiburg
Som abend Mittags in die größte Bewegung: ein Eilbote war mit dem
Befehl eingelaufen daß unsere gegen 2000 Mann starke Besatzung sich
augenblicklich nach Rastatt zu begeben habe. Soldaten rannten von
allen Seiten durch die Stadt, packen ein -- und von 3 Uhr an wurde
die Mannschaft auf der Eifenbahn -- ich möchte sagen -- eingeschifft.
Muth und Freudigkeit blickte aus den Gesichtern unserer jungen Sol-
daten -- es hieß daß der Befehl darum ergangen sey, weil man be-
fürchte daß sehr viel Volk aus dem Elsaße bewaffnet dem Tage in
Offenburg anwohnen wolle. Erst gestern merkte ich daß diese jeden-
falls verständige Maßregel einen andern Zweck hatte. Nur etwa 100
Mann blieben zurück, um das sehr gefüllte und zum Theil von gefähr-
lichen Menschen bewohnte Zuchthaus, die Casernen und den Pulver-
thum zu bewachen. Die Bürger, schon seit vierzehn Tagen zu einer
Stadtwehr vereinigt, und unsere kleine aber wohlgesinnte und patrio-
tische Studentenschaft wurden aufgefordert den nachgerade lästig wer-
denden Dienst in der Stadt gänzlich zu übernehmen: ein Auftrag dem
sie sich mit großem Eifer unterzogen. Sonntags 19 März Morgens
vor 7 Uhr bestiegen wir die Eisenbahn auf einem mächtigen Zuge,
der, bereits mit vielen Festbesuchern gefüllt, vom Oberlande herunter-
dampfte. Ueberall an allen Stationen, wo wir vorüberkamen, fanden
wir Städter und Bauern festlich geschmückt und bereit die Reise mit-
zumachen; bald konnte unser Zug, obgleich selbst das Verdeck der Wa-
gen besetzt wurde, niemand mehr fassen. Doch war für diesen Man-
gel gesorgt: in kurzen Zwischenräumen folgte Zug auf Zug, und nahm
die Menge auf. Gegen zehn Uhr langten wir in Offenburg an und
fanden dort bereits einige Tausend Menschen. Auf dem Rathhause, des-
sen Vorderseite mit dem Balcon zur Rednerbühne eingerichtet war,
fand eine öffentliche Vorberathung statt, welcher der Verfasser
dieser Zeilen anwohnte und dabei Gelegenheit hatte ein wenig hinter
die Coulissen zu sehen, und den innerlichen Stand der Parteien zu
überblicken. Fickler war dort anwesend, eine kurze, gedrungene, dicke
Gestalt mit einem Stiernacken, und einem Gesichte a la Danton, und
ausgerüstet mit einem bemerkenswerthen, die Bauern hinreißenden

[Spaltenumbruch] Hand; dieſe ſuchten ihre Ehre und ihren Gewinn und ihren Uebermuth
gegenüber von Herren und Unterthanen in der höchſt möglich betriebenen
Zutageförderung eines doch nicht leicht irgend in einem Herrenhauſe, in
das er blinkte, ernſtlich zurückgewieſenen Mammons, und waren bei der
ruhigen Zeit der bisherigen Beamtenherrſchaft ſicher ihres Nibelungen-
hortes in Kiſten und Käſten. Nach andern konnten ſelbſt die eifrigſten
Münzmeiſter nicht genug von der neuerfundenen Rechtsprägmaſchine
liefern, ſelbſt beim willigſten Dienſteifer. Alle aber, bei denen über-
haupt „das Syſtem“ blühte oder nicht, ſtellten gegen den Haß und Zorn
der Pflichtigen die lieben Rentmeiſter in die Schanze. Wirklich hatten
denn dieſe den ganzen Sturm nun gegen ſich und ihre Bücher herauf-
beſchworen.

Eine neue Stunde der Freiheit ſchlägt über Europa lauter, heller
als vor 50 und 300 Jahren. Preßfreiheiten, neue Miniſter? Die Nen-
nung der neuen württembergiſchen Miniſternamen brachte in Widdern
nicht die geringſte Störung in das Geſchäft der bücherfordernden Menge.
Wie vor 300 Jahren will der gemeine Mann vorher den Druck aus den
Schuhen, ehe er die Freiheitsfahne über dem Haupt und aus dem Dach-
laden ſchwingt. Mit unſichtbarer Eile blitzt durch die gedrückten Bevöl-
kerungen ein Gedanke, zu dem „das Syſtem“ nur zu unglückſelig her-
ausgefordert. Auf die Rentleute, auf die Bücher los! Dieß und nur dieß
allein iſt das Feldgeſchrei des neuen Bundſchuhes. Kein Blut, Bücher,
freilich Schuldbücher zum Verbrennen wollen deine ärmſten Kinder, du
preſſe-ſeliges Jahrhundert! Nur wo die Beamten ſich am verhaßteſten
gemacht hatten, nur im allererſten Sturme wollte es über den aller-
nächſten Zweck hinausgehen, wie in Niederſtetten. An allen andern
Orten württembergiſchen Gebietes begnügten ſich die ſich rechtlos Dün-
kenden in freilich entſchieden verwerflicher Geſetzes- und Ordnungs-
widrigkeit mit Herausgabe der grundherrlichen Bücher. Wo ſie gut-
willig verabfolgt wurden, wurden ſie meiſt auf der Stelle in gewiſſer
Ordnung verbrannt; die landesherrlichen überall verſchont. Wo es
nicht ſo leicht ging, ward gegen Thüren und Regiſtraturkäſten rohere
Gewaltthat geübt, aber ſelten gegen Häuſer und Menſchen. An einigen
Orten, wie in Künzelsau, wurden die Bücher vor der Menge dadurch
gerettet daß ſie oberamtsgerichtlich niedergelegt und verſiegelt wurden,
damit ſo „Recht werde“, und die Leute ließen ſich’s gefallen. Ander-
wärts dagegen ward ſelbſt ſolcher gerichtlichen Verwahrung nicht mehr
getraut: in Löwenſtein (zu Werthheim gehörig) haben ſie die Bücher in
ein Gewölbe eingemauert, damit ſie dort unverſehrt verwahrt blieben
bis zum Tage der endlichen Auferſtehung des Unterthanenrechtes, von
dem ſie erwarten daß in summa die Herrſchaften von unrechtmäßigen
Forderungen nicht bloß abſtehen, ſondern noch herauszahlen werden
müſſen. Erſcheint hier das friedliche Mißtrauen am weiteſten getrieben,
ſo iſt das Vertrauen der Berlichingen’ſchen Unterthanen und das der
Leute im Fürſtenthum Hohenlohe-Kirchberg um ſo unbegränzter. Erſtere
verſprechen ihrem Grundherrn Schutz auf Leben und Tod, und laſſen
ſich von ihm bewaffnen zu ſolchem Schutz des von der zu ängſtlichen
Familie verlaſſenen Schloſſes in Jarthauſen; letztere kommen in großem
geordneten Haufen ganz ruhig zum Fürſtenſitz, legen draußen die Stäbe
und Tabakspfeifen ſelbſt alle ab und bringen ihre Bitten und Beſchwer-
den dem menſchenfreundlichen Herrn vor, der alle Abhülfe verſpricht.

In all dieſen verſchiedenen Abſtufungen von Selbſthülfe und Hülfe-
ſuchen wo Regierung und Gerichte keine Hülfe zu bringen wußten, was
zeigt ſich uns da? Freilich leider arges Unrecht durch oft nicht kleines
Unrecht geweckt, Geſetzloſigkeit gegen Rechtloſigkeit geſetzt, aber bei
allem Bedauerlichen denn doch auch die freundliche und Hoffnung er-
weckende Erſcheinung daß zwiſchen dem erſten Bauernkrieg und dieſer,
hoffentlich letzten Bauernbewegung nicht umſonſt 300 Jahre verfloſſen
ſind. Nach allem was vorgegangen iſt, zeigt ſich eine Mäßigung, ein
Anſichhalten, das Achtung verdient bei aller nachdrücklichſten Verwer-
fung der einzelnen Roheiten und Geſetzwidrigkeiten. Ungebühr zeugt
Ungebühr, und das iſt der Sünde größtes Uebel daß ſie fortzeugend
Sünde muß gebären. Aber es gibt auch Gnade, es gibt Vergebung, es
gibt Verſöhnung. Bereits erklären die Ritter daß ſie ein Herz zu Opfern
fürs Vaterland haben. Auch die Knappen werden es nicht fehlen laſſen.
Wer will am geſunden Sinn unſeres Volkes verzweifeln? Gewiß, es
iſt ein freies, großes, in ſeinen gottgeordneten Unterſchieden einiges
Deutſchland möglich, wenn alle von der Scholle bis zum Thron im war-
men Herzen fühlen: wie die Pflichten ſo die Rechte, und wie die Rechte
ſo die Pflichten!

[Spaltenumbruch]

(Die Volksſtim-
mung und die Offenburger Verſammlung.)
Ich werde
Ihnen hinfort ſtets genaue Nachrichten ertheilen, ſooft in unſerer
Gegend Dinge vorgehen welche für unſere große deutſche Sache wich-
tig ſind. Anfangs voriger Woche erſcholl in unſerer Stadt die Nachricht
daß der Redacteur der Seeblätter, Fickler, ein ehemaliger Kaufmann von
großem Talent, in Conſtanz und dem badiſchen Seekreiſe die Republik
ausrufe, auch auf dem benachbarten Schwarzwalde und im Oberlande
zeigten ſich Spuren von Hinneigung zu dieſer Regierungsform. Un-
ſere kleine Univerſität, die ſich ſeit einer Reihe von Jahren, aus Grün-
den welche zu entwickeln hier nicht der Ort iſt, von der badiſchen Op-
poſitionsbewegung ziemlich ferne gehalten hatte, erkannte ſogleich die
Nothwendigkeit ſich nach dem Maß ihrer Kräfte der bedrohten Sache
des deutſchen Vaterlandes anzunehmen. Am Mitwoch Abend trat
die große Mehrzahl der Profeſſoren zu einer Beſprechung zuſammen,
in welcher man ſich darüber verſtändigte die bisherigen, auf allen
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zu handeln. Ein Aufruf an das Volk wurde vorgelegt, von allen An-
weſenden gebilligt, und im Namen der Univerſität bei den hieſigen
Zeitungen zum Drucke mitgetheilt. Dieſes Actenſtück wird Ihnen zu-
gekommen ſeyn, es beſagt daß kein Stamm, kein Landestheil ſich von
den übrigen deutſchen Volksgenoſſen trennen dürfe, daß man alle
Kräfte aufbieten müſſe damit die zu Ende des laufenden Monats nach
Frankfurt einberufene deutſche Verſammlung frei über die gemeinſa-
men Angelegenheiten berathen könne, und daß endlich die Errichtung
kleiner Republiken ein unberechenbares Unglück ſeyn würde, weil ſie
das badiſche Land nothwendig den Franzoſen in die Hände ſpielen
müßte. Zugleich wurde beſchoſſen die bevorſtehende Volksverſammlung
in Offenburg, welche bekannlich mehrere unſerer angeſehenſten De-
putirten von der Oppoſition vor einiger Zeit ausgeſchrieben hatten,
in möglichſt großer Zahl zu beſuchen, auch bei dieſer Gelegenheit, da-
mit ein äußeres Abzeichen die politiſche Geſinnung die uns belebt ver-
kündige, ein Banner mit dem alten deutſchen Reichsadler,
Schwert und Apfel — doch ohne Wappenſchild im Herzen — vor-
antragen zu laſſen. Ein geſchickter Künſtler machte ſich am Donners-
tage an die Arbeit dieſes edle Sinnbild zu verfertigen — es iſt ſchön
ausgefallen. Während wir mit dieſen Arbeiten und der Vorbereitung
zur Reiſe nach Offenburg beſchäftigt waren, gerieth die Stadt Freiburg
Som abend Mittags in die größte Bewegung: ein Eilbote war mit dem
Befehl eingelaufen daß unſere gegen 2000 Mann ſtarke Beſatzung ſich
augenblicklich nach Raſtatt zu begeben habe. Soldaten rannten von
allen Seiten durch die Stadt, packen ein — und von 3 Uhr an wurde
die Mannſchaft auf der Eifenbahn — ich möchte ſagen — eingeſchifft.
Muth und Freudigkeit blickte aus den Geſichtern unſerer jungen Sol-
daten — es hieß daß der Befehl darum ergangen ſey, weil man be-
fürchte daß ſehr viel Volk aus dem Elſaße bewaffnet dem Tage in
Offenburg anwohnen wolle. Erſt geſtern merkte ich daß dieſe jeden-
falls verſtändige Maßregel einen andern Zweck hatte. Nur etwa 100
Mann blieben zurück, um das ſehr gefüllte und zum Theil von gefähr-
lichen Menſchen bewohnte Zuchthaus, die Caſernen und den Pulver-
thum zu bewachen. Die Bürger, ſchon ſeit vierzehn Tagen zu einer
Stadtwehr vereinigt, und unſere kleine aber wohlgeſinnte und patrio-
tiſche Studentenſchaft wurden aufgefordert den nachgerade läſtig wer-
denden Dienſt in der Stadt gänzlich zu übernehmen: ein Auftrag dem
ſie ſich mit großem Eifer unterzogen. Sonntags 19 März Morgens
vor 7 Uhr beſtiegen wir die Eiſenbahn auf einem mächtigen Zuge,
der, bereits mit vielen Feſtbeſuchern gefüllt, vom Oberlande herunter-
dampfte. Ueberall an allen Stationen, wo wir vorüberkamen, fanden
wir Städter und Bauern feſtlich geſchmückt und bereit die Reiſe mit-
zumachen; bald konnte unſer Zug, obgleich ſelbſt das Verdeck der Wa-
gen beſetzt wurde, niemand mehr faſſen. Doch war für dieſen Man-
gel geſorgt: in kurzen Zwiſchenräumen folgte Zug auf Zug, und nahm
die Menge auf. Gegen zehn Uhr langten wir in Offenburg an und
fanden dort bereits einige Tauſend Menſchen. Auf dem Rathhauſe, deſ-
ſen Vorderſeite mit dem Balcon zur Rednerbühne eingerichtet war,
fand eine öffentliche Vorberathung ſtatt, welcher der Verfaſſer
dieſer Zeilen anwohnte und dabei Gelegenheit hatte ein wenig hinter
die Couliſſen zu ſehen, und den innerlichen Stand der Parteien zu
überblicken. Fickler war dort anweſend, eine kurze, gedrungene, dicke
Geſtalt mit einem Stiernacken, und einem Geſichte à la Danton, und
ausgerüſtet mit einem bemerkenswerthen, die Bauern hinreißenden

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[1371/0011] Hand; dieſe ſuchten ihre Ehre und ihren Gewinn und ihren Uebermuth gegenüber von Herren und Unterthanen in der höchſt möglich betriebenen Zutageförderung eines doch nicht leicht irgend in einem Herrenhauſe, in das er blinkte, ernſtlich zurückgewieſenen Mammons, und waren bei der ruhigen Zeit der bisherigen Beamtenherrſchaft ſicher ihres Nibelungen- hortes in Kiſten und Käſten. Nach andern konnten ſelbſt die eifrigſten Münzmeiſter nicht genug von der neuerfundenen Rechtsprägmaſchine liefern, ſelbſt beim willigſten Dienſteifer. Alle aber, bei denen über- haupt „das Syſtem“ blühte oder nicht, ſtellten gegen den Haß und Zorn der Pflichtigen die lieben Rentmeiſter in die Schanze. Wirklich hatten denn dieſe den ganzen Sturm nun gegen ſich und ihre Bücher herauf- beſchworen. Eine neue Stunde der Freiheit ſchlägt über Europa lauter, heller als vor 50 und 300 Jahren. Preßfreiheiten, neue Miniſter? Die Nen- nung der neuen württembergiſchen Miniſternamen brachte in Widdern nicht die geringſte Störung in das Geſchäft der bücherfordernden Menge. Wie vor 300 Jahren will der gemeine Mann vorher den Druck aus den Schuhen, ehe er die Freiheitsfahne über dem Haupt und aus dem Dach- laden ſchwingt. Mit unſichtbarer Eile blitzt durch die gedrückten Bevöl- kerungen ein Gedanke, zu dem „das Syſtem“ nur zu unglückſelig her- ausgefordert. Auf die Rentleute, auf die Bücher los! Dieß und nur dieß allein iſt das Feldgeſchrei des neuen Bundſchuhes. Kein Blut, Bücher, freilich Schuldbücher zum Verbrennen wollen deine ärmſten Kinder, du preſſe-ſeliges Jahrhundert! Nur wo die Beamten ſich am verhaßteſten gemacht hatten, nur im allererſten Sturme wollte es über den aller- nächſten Zweck hinausgehen, wie in Niederſtetten. An allen andern Orten württembergiſchen Gebietes begnügten ſich die ſich rechtlos Dün- kenden in freilich entſchieden verwerflicher Geſetzes- und Ordnungs- widrigkeit mit Herausgabe der grundherrlichen Bücher. Wo ſie gut- willig verabfolgt wurden, wurden ſie meiſt auf der Stelle in gewiſſer Ordnung verbrannt; die landesherrlichen überall verſchont. Wo es nicht ſo leicht ging, ward gegen Thüren und Regiſtraturkäſten rohere Gewaltthat geübt, aber ſelten gegen Häuſer und Menſchen. An einigen Orten, wie in Künzelsau, wurden die Bücher vor der Menge dadurch gerettet daß ſie oberamtsgerichtlich niedergelegt und verſiegelt wurden, damit ſo „Recht werde“, und die Leute ließen ſich’s gefallen. Ander- wärts dagegen ward ſelbſt ſolcher gerichtlichen Verwahrung nicht mehr getraut: in Löwenſtein (zu Werthheim gehörig) haben ſie die Bücher in ein Gewölbe eingemauert, damit ſie dort unverſehrt verwahrt blieben bis zum Tage der endlichen Auferſtehung des Unterthanenrechtes, von dem ſie erwarten daß in summa die Herrſchaften von unrechtmäßigen Forderungen nicht bloß abſtehen, ſondern noch herauszahlen werden müſſen. Erſcheint hier das friedliche Mißtrauen am weiteſten getrieben, ſo iſt das Vertrauen der Berlichingen’ſchen Unterthanen und das der Leute im Fürſtenthum Hohenlohe-Kirchberg um ſo unbegränzter. Erſtere verſprechen ihrem Grundherrn Schutz auf Leben und Tod, und laſſen ſich von ihm bewaffnen zu ſolchem Schutz des von der zu ängſtlichen Familie verlaſſenen Schloſſes in Jarthauſen; letztere kommen in großem geordneten Haufen ganz ruhig zum Fürſtenſitz, legen draußen die Stäbe und Tabakspfeifen ſelbſt alle ab und bringen ihre Bitten und Beſchwer- den dem menſchenfreundlichen Herrn vor, der alle Abhülfe verſpricht. In all dieſen verſchiedenen Abſtufungen von Selbſthülfe und Hülfe- ſuchen wo Regierung und Gerichte keine Hülfe zu bringen wußten, was zeigt ſich uns da? Freilich leider arges Unrecht durch oft nicht kleines Unrecht geweckt, Geſetzloſigkeit gegen Rechtloſigkeit geſetzt, aber bei allem Bedauerlichen denn doch auch die freundliche und Hoffnung er- weckende Erſcheinung daß zwiſchen dem erſten Bauernkrieg und dieſer, hoffentlich letzten Bauernbewegung nicht umſonſt 300 Jahre verfloſſen ſind. Nach allem was vorgegangen iſt, zeigt ſich eine Mäßigung, ein Anſichhalten, das Achtung verdient bei aller nachdrücklichſten Verwer- fung der einzelnen Roheiten und Geſetzwidrigkeiten. Ungebühr zeugt Ungebühr, und das iſt der Sünde größtes Uebel daß ſie fortzeugend Sünde muß gebären. Aber es gibt auch Gnade, es gibt Vergebung, es gibt Verſöhnung. Bereits erklären die Ritter daß ſie ein Herz zu Opfern fürs Vaterland haben. Auch die Knappen werden es nicht fehlen laſſen. Wer will am geſunden Sinn unſeres Volkes verzweifeln? Gewiß, es iſt ein freies, großes, in ſeinen gottgeordneten Unterſchieden einiges Deutſchland möglich, wenn alle von der Scholle bis zum Thron im war- men Herzen fühlen: wie die Pflichten ſo die Rechte, und wie die Rechte ſo die Pflichten! * Freiburg im Breisgau, 20 März. (Die Volksſtim- mung und die Offenburger Verſammlung.) Ich werde Ihnen hinfort ſtets genaue Nachrichten ertheilen, ſooft in unſerer Gegend Dinge vorgehen welche für unſere große deutſche Sache wich- tig ſind. Anfangs voriger Woche erſcholl in unſerer Stadt die Nachricht daß der Redacteur der Seeblätter, Fickler, ein ehemaliger Kaufmann von großem Talent, in Conſtanz und dem badiſchen Seekreiſe die Republik ausrufe, auch auf dem benachbarten Schwarzwalde und im Oberlande zeigten ſich Spuren von Hinneigung zu dieſer Regierungsform. Un- ſere kleine Univerſität, die ſich ſeit einer Reihe von Jahren, aus Grün- den welche zu entwickeln hier nicht der Ort iſt, von der badiſchen Op- poſitionsbewegung ziemlich ferne gehalten hatte, erkannte ſogleich die Nothwendigkeit ſich nach dem Maß ihrer Kräfte der bedrohten Sache des deutſchen Vaterlandes anzunehmen. Am Mitwoch Abend trat die große Mehrzahl der Profeſſoren zu einer Beſprechung zuſammen, in welcher man ſich darüber verſtändigte die bisherigen, auf allen Akademien unvermeidlichen Zänkereien fallen zu laſſen und gemeinſam zu handeln. Ein Aufruf an das Volk wurde vorgelegt, von allen An- weſenden gebilligt, und im Namen der Univerſität bei den hieſigen Zeitungen zum Drucke mitgetheilt. Dieſes Actenſtück wird Ihnen zu- gekommen ſeyn, es beſagt daß kein Stamm, kein Landestheil ſich von den übrigen deutſchen Volksgenoſſen trennen dürfe, daß man alle Kräfte aufbieten müſſe damit die zu Ende des laufenden Monats nach Frankfurt einberufene deutſche Verſammlung frei über die gemeinſa- men Angelegenheiten berathen könne, und daß endlich die Errichtung kleiner Republiken ein unberechenbares Unglück ſeyn würde, weil ſie das badiſche Land nothwendig den Franzoſen in die Hände ſpielen müßte. Zugleich wurde beſchoſſen die bevorſtehende Volksverſammlung in Offenburg, welche bekannlich mehrere unſerer angeſehenſten De- putirten von der Oppoſition vor einiger Zeit ausgeſchrieben hatten, in möglichſt großer Zahl zu beſuchen, auch bei dieſer Gelegenheit, da- mit ein äußeres Abzeichen die politiſche Geſinnung die uns belebt ver- kündige, ein Banner mit dem alten deutſchen Reichsadler, Schwert und Apfel — doch ohne Wappenſchild im Herzen — vor- antragen zu laſſen. Ein geſchickter Künſtler machte ſich am Donners- tage an die Arbeit dieſes edle Sinnbild zu verfertigen — es iſt ſchön ausgefallen. Während wir mit dieſen Arbeiten und der Vorbereitung zur Reiſe nach Offenburg beſchäftigt waren, gerieth die Stadt Freiburg Som abend Mittags in die größte Bewegung: ein Eilbote war mit dem Befehl eingelaufen daß unſere gegen 2000 Mann ſtarke Beſatzung ſich augenblicklich nach Raſtatt zu begeben habe. Soldaten rannten von allen Seiten durch die Stadt, packen ein — und von 3 Uhr an wurde die Mannſchaft auf der Eifenbahn — ich möchte ſagen — eingeſchifft. Muth und Freudigkeit blickte aus den Geſichtern unſerer jungen Sol- daten — es hieß daß der Befehl darum ergangen ſey, weil man be- fürchte daß ſehr viel Volk aus dem Elſaße bewaffnet dem Tage in Offenburg anwohnen wolle. Erſt geſtern merkte ich daß dieſe jeden- falls verſtändige Maßregel einen andern Zweck hatte. Nur etwa 100 Mann blieben zurück, um das ſehr gefüllte und zum Theil von gefähr- lichen Menſchen bewohnte Zuchthaus, die Caſernen und den Pulver- thum zu bewachen. Die Bürger, ſchon ſeit vierzehn Tagen zu einer Stadtwehr vereinigt, und unſere kleine aber wohlgeſinnte und patrio- tiſche Studentenſchaft wurden aufgefordert den nachgerade läſtig wer- denden Dienſt in der Stadt gänzlich zu übernehmen: ein Auftrag dem ſie ſich mit großem Eifer unterzogen. Sonntags 19 März Morgens vor 7 Uhr beſtiegen wir die Eiſenbahn auf einem mächtigen Zuge, der, bereits mit vielen Feſtbeſuchern gefüllt, vom Oberlande herunter- dampfte. Ueberall an allen Stationen, wo wir vorüberkamen, fanden wir Städter und Bauern feſtlich geſchmückt und bereit die Reiſe mit- zumachen; bald konnte unſer Zug, obgleich ſelbſt das Verdeck der Wa- gen beſetzt wurde, niemand mehr faſſen. Doch war für dieſen Man- gel geſorgt: in kurzen Zwiſchenräumen folgte Zug auf Zug, und nahm die Menge auf. Gegen zehn Uhr langten wir in Offenburg an und fanden dort bereits einige Tauſend Menſchen. Auf dem Rathhauſe, deſ- ſen Vorderſeite mit dem Balcon zur Rednerbühne eingerichtet war, fand eine öffentliche Vorberathung ſtatt, welcher der Verfaſſer dieſer Zeilen anwohnte und dabei Gelegenheit hatte ein wenig hinter die Couliſſen zu ſehen, und den innerlichen Stand der Parteien zu überblicken. Fickler war dort anweſend, eine kurze, gedrungene, dicke Geſtalt mit einem Stiernacken, und einem Geſichte à la Danton, und ausgerüſtet mit einem bemerkenswerthen, die Bauern hinreißenden

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848, S. 1371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine86_1848/11>, abgerufen am 21.11.2024.