Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848.[Spaltenumbruch]
fahr ist. Gegen Mitternacht aber war die Ruhe an allen Punkten her- P Aus dem preußischen Sachsen, 16 März. (Eine Schleswig, 19 März. (Dänische Drohungen. Ab- [Spaltenumbruch]
fahr iſt. Gegen Mitternacht aber war die Ruhe an allen Punkten her- P Aus dem preußiſchen Sachſen, 16 März. (Eine ⊕ Schleswig, 19 März. (Däniſche Drohungen. Ab- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0013" n="1373"/><cb/> fahr iſt. Gegen Mitternacht aber war die Ruhe an allen Punkten her-<lb/> geſtellt und wurde auch nicht weiter geſtört. Am 18 März erſchien eine<lb/> Bekanntmachung des Magiſtrats welche die Bürgerwehr und die damit<lb/> vereinten Schützencompagnien ſowie die bewaffneten Studirenden des<lb/> Collegium Carolinum wegen ihres Eifers belobte, und zugleich verkün-<lb/> dete daß bei fernern Angriffen dieſelben auf die Ruheſtörer ſcharf feuern<lb/> würden. Dieſes und die feſte Haltung der Bürgergarde hat eine gute<lb/> Wirkung gehabt, indem am 18 und 19 keine weiteren Verſuche zur Stö-<lb/> rung der Ordnung gemacht ſind. Die Bürgergarde die man als den<lb/> Anfang zur Volksbewaffnung betrachtet, findet immer mehr Theilnahme,<lb/> auch der hieſige Turnverein wird ſich bewaffnen und derſelben anſchlie-<lb/> ßen. In unſerm aus den Staatsminiſtern v. Veltheim, v. Schleinitz<lb/> und Schulz als ſtimmführenden Mitgliedern beſtehenden Miniſterium<lb/> iſt eine bedeutende Veränderung vor ſich gegangen. Der Staatsmini-<lb/> ſter Graf v. Veltheim hat ſeine Entlaſſung gegeben und erhalten, woge-<lb/> gen der bisherige Miniſterialrath v. Koch und Finanzdirector v. Geyß<lb/> als wirkliche Mitglieder mit dem Geheimerathstitel in dasſelbe einge-<lb/> treten ſind. Der Graf v. Veltheim iſt ein perſönlich achtbarer und auch<lb/> durchaus nicht unbeliebter Mann, indeß ſchwerlich fähig ſich in die Ideen<lb/> zu finden welche jetzt ſo mächtig zur Herrſchaft kommen, er paßt nach<lb/> ſeinen Anſichten und ſeiner Richtung mehr zu einem patriarchaliſchen<lb/> Regiment, und würde daher, wenn er auch den beſten Willen hätte, für<lb/> die uns jetzt nothwendige Entwickelung ein Hinderniß ſeyn. Dem Mi-<lb/> niſter Schulz, welchem die Finanzen anvertraut ſind, wirft man vor daß<lb/> er es nicht ernſt genug nimmt und den Zuſtand des Landes immer in<lb/> zu roſenfarbenem Lichte erblickt. Unſere Landesregierung ſcheint aber<lb/> aus Ueberzeugung und mit vollkommener Aufrichtigkeit den Grundſätzen<lb/> die das königl. preußiſche Patent vom 18 d. M. enthält, huldigen zu<lb/> wollen, ſie hat dasſelbe in vielen tauſend Exemplaren abdrucken und ver-<lb/> theilen laſſen, mit folgender Erklärung: „Es gereicht dem unterzeichne-<lb/> ten Staatsminiſterium zur größten Freude dieſe von Sr. Maj. dem Kö-<lb/> nig von Preußen verkündeten Grundſätze öffentlich kundzumachen, da<lb/> die hiefige Landesregierung ſich ſelbſt zu denſelben bekennt, und mit Zu-<lb/> verſicht hofft daß mit deren Verwirklichung die Morgenröthe einer neuen<lb/> Zeit für Deutſchland anbrechen und deſſen Macht, Einheit und Glück<lb/> dauernd gründen werde.“ Man kann in dieſem offenen und freimüthi-<lb/> gen Glaubensbekenntniſſe den vollſtändigen Bruch mit der Metternich’-<lb/> ſchen Politik und das Beginnen einer neuen ſegensreichen Bahn erbli-<lb/> cken. Dieſer Eindruck war ein allgemeiner und die nächſte Folge davon<lb/> daß geſtern eine große Anzahl von Bürgern, eine Fahne mit den deut-<lb/> ſchen Farben voran, vor das Schloß zog und dem Herzog aus voller Bruſt<lb/> ein Lebehoch brachte. Dieſer erſchien zuerſt am Fenſter, trat aber nach-<lb/> her zu dem verſammelten Volke, ſchwang ſelbſt unter unbeſchreibli-<lb/> chem Zujauchzen die deutſche Fahne und ſprach die Verſicherung aus<lb/> daß man auf ihn bauen könne. Unſere Regierung hat die richtige Bahn<lb/> eingeſchlagen, denn es gibt nur die einzig richtige nach den aus ganz<lb/> Deutſchland erſchallenden in dem preußiſchen Patent wiedergegebenen<lb/> Wünſchen zu regieren, dem Volke zu vertrauen und in aufrichtiger<lb/> Uebereinſtimmung mit deſſen Vertretern zu verhandeln. Eine Regie-<lb/> rung die dieſes Syſtem befolgt wird nicht an Macht verlieren, ſondern<lb/> gewinnen, ſie erwirbt einen Verbündeten der mächtiger iſt als alle bis-<lb/> herigen — die Liebe ihres eigenen Volks und aller Völker Deutſchlands.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">P</hi></hi><hi rendition="#b">Aus dem preußiſchen Sachſen,</hi> 16 März.</dateline> <p><hi rendition="#g">(Eine<lb/> Schulzenverſammlung.)</hi> Geſtern Nachmittag hatten wir Gelegen-<lb/> heit eine Bauernverſammlung mit anzuſehen, unſers Wiſſens die erſte<lb/> in Preußen, welche zur Entwerfung einer den ſtädtiſchen Adreſſen<lb/> an den König ſich anſchließenden Adreſſe gehalten wurde. Merk-<lb/> würdig war ſie auch dadurch daß hier keineswegs, wie bei der frühern<lb/> Adreſſe der vierzig Bauern, eine Anregung von außen vorlag. 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So<lb/> lange hatten ſie gebraucht um die Bedeutung der Preßfreiheit, der<lb/> Schwurgerichte, der Volksvertretung beim deutſchen Bunde u. ſ. w.<lb/> ſich ſelbſt vollkommen klar zu machen und dann raſch die Bitte um<lb/> ihre Gewährung zu beſchließen; nun wollten ſie noch ſpeciell auf ihre<lb/> bäuerlichen Verhältniſſe kommen, vorher aber hatten ſie eine kurze<lb/><cb/> Pauſe gemacht. „Man habe Punkte,“ ſagte uns einer bedeutungs-<lb/> voll, und ein dumpfes Geſumm von „Punkten“ ſcholl durch das<lb/> ganze Verſammlungshaus, in dem die Anweſenden während der Pauſe<lb/> durcheinander wogten. 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Da er aber nicht davon abließ<lb/> und die Bauern traurig die Nacht hereinbrechen ſahen, ohne daß ihre<lb/> „Punkte“ zur Sprache gekommen waren, ſo legten wir uns endlich<lb/> ins Mittel und ſchlugen ſo populär als möglich den Ausweg vor<lb/> daß man ſtatt deſſen um „Vermehrung der Aufklärung auf dem Lande<lb/> von Staatswegen“ bäte. Der Vorſchlag wurde mit Jubel aufge-<lb/> nommen, die Schulzen umringten uns mit den übrigen Bauern und<lb/> drückten uns die Hände. — Nun zu den Punkten! rief alles. Dieſe<lb/> waren nicht unbillig und kamen im weſentlichen auf die Anwendung<lb/> der preußiſchen Städteordnung auf die Landgemeinden hinaus. 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Der fanatiſche Profeſſor Clauſen<lb/> nennt die Frage über Schleswigs Feſthaltung bei Dänemark oder deſſen<lb/> Hingeben an Holſtein oder Deutſchland in einer von 2300 Dänen beſuch-<lb/> ten Verſammlung unter lautem Beifall der Anweſenden die Frage um<lb/> Leben oder Tod für das däniſche Volk. „Es erſcheint“, ſagt er, „gut<lb/> und erwünſcht daß es dahin gekommen iſt daß die Erledigung dieſer<lb/> Frage nicht länger ausgeſetzt werden kann. Eine drückende und ſchwüle<lb/> Gewitterluft hat lange unſern Athemzug beſchwert, wir haben das<lb/> drohende Unwetter lange über unſeren Köpfen ſich zuſammenziehen<lb/> ſehen, ohne daß wir haben entdecken können daß für zureichende Ablei-<lb/> tung geſorgt ſey. Es iſt die höchſte Zeit daß ein Ausbruch uns zu einer<lb/> gereinigten Luft und zu einem klaren Horizont helfen muß.“ Das Volk<lb/> wird aufgefordert ſich zu erheben, um zu helfen daß die Zeit bringen<lb/> müſſe was zum Leben und zur Ehre, nicht was zur Niederlage<lb/> und zum Tode führt. Obwohl die Gerüchte übertrieben waren welche<lb/> neulich über das was in Kopenhagen geſchehen ſeyn ſollte umgingen,<lb/> ſo iſt doch gewiß daß man dort eine kriegeriſche Haltung annimmt und<lb/> in Rußland, auch etwa in England Verbündete ſucht, daß die zügelloſe<lb/> Menge den König-Herzog immer weiter für ihre Zwecke fortzutreiben<lb/> ſich bemüht. Ob und wie lange er noch widerſteht, iſt zweifelhaft, nach<lb/> ſeiner Perſönlichkeit und Neigung ſehr zweifelhaft. Inzwiſchen rüſtet<lb/> man ſich auch in den Herzogthümern zur Abwehr und faſt überall werden<lb/> Waffen angeſchafft, wie Waffenübungen von den Bürgern und Land-<lb/> leuten angeſtellt. Alles iſt in völliger Auflöſung der ſtaatsbürgerlichen<lb/> Zuſtände begriffen, da weder die ſchleswig-holſtein Lauenburgiſche Kanz-<lb/> lei mit ihrem Präſidenten, dem Grafen Karl Moltcke, noch die ſchleswig-<lb/> holſteiniſche Regierung mit ihrem Präſidenten v. Scheel irgend einigen<lb/> moraliſchen Einfluß mehr ausüben können. Unter dieſen Verhältniſſen<lb/> ward geſtern in der Stadt Rendsburg, in der die Straßen allgemein<lb/> mit deutſchen Fahnen behangen waren, eine Verſammlung der Abge-<lb/> ordneten beider Herzogthümer zur Berathung über die andringenden<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1373/0013]
fahr iſt. Gegen Mitternacht aber war die Ruhe an allen Punkten her-
geſtellt und wurde auch nicht weiter geſtört. Am 18 März erſchien eine
Bekanntmachung des Magiſtrats welche die Bürgerwehr und die damit
vereinten Schützencompagnien ſowie die bewaffneten Studirenden des
Collegium Carolinum wegen ihres Eifers belobte, und zugleich verkün-
dete daß bei fernern Angriffen dieſelben auf die Ruheſtörer ſcharf feuern
würden. Dieſes und die feſte Haltung der Bürgergarde hat eine gute
Wirkung gehabt, indem am 18 und 19 keine weiteren Verſuche zur Stö-
rung der Ordnung gemacht ſind. Die Bürgergarde die man als den
Anfang zur Volksbewaffnung betrachtet, findet immer mehr Theilnahme,
auch der hieſige Turnverein wird ſich bewaffnen und derſelben anſchlie-
ßen. In unſerm aus den Staatsminiſtern v. Veltheim, v. Schleinitz
und Schulz als ſtimmführenden Mitgliedern beſtehenden Miniſterium
iſt eine bedeutende Veränderung vor ſich gegangen. Der Staatsmini-
ſter Graf v. Veltheim hat ſeine Entlaſſung gegeben und erhalten, woge-
gen der bisherige Miniſterialrath v. Koch und Finanzdirector v. Geyß
als wirkliche Mitglieder mit dem Geheimerathstitel in dasſelbe einge-
treten ſind. Der Graf v. Veltheim iſt ein perſönlich achtbarer und auch
durchaus nicht unbeliebter Mann, indeß ſchwerlich fähig ſich in die Ideen
zu finden welche jetzt ſo mächtig zur Herrſchaft kommen, er paßt nach
ſeinen Anſichten und ſeiner Richtung mehr zu einem patriarchaliſchen
Regiment, und würde daher, wenn er auch den beſten Willen hätte, für
die uns jetzt nothwendige Entwickelung ein Hinderniß ſeyn. Dem Mi-
niſter Schulz, welchem die Finanzen anvertraut ſind, wirft man vor daß
er es nicht ernſt genug nimmt und den Zuſtand des Landes immer in
zu roſenfarbenem Lichte erblickt. Unſere Landesregierung ſcheint aber
aus Ueberzeugung und mit vollkommener Aufrichtigkeit den Grundſätzen
die das königl. preußiſche Patent vom 18 d. M. enthält, huldigen zu
wollen, ſie hat dasſelbe in vielen tauſend Exemplaren abdrucken und ver-
theilen laſſen, mit folgender Erklärung: „Es gereicht dem unterzeichne-
ten Staatsminiſterium zur größten Freude dieſe von Sr. Maj. dem Kö-
nig von Preußen verkündeten Grundſätze öffentlich kundzumachen, da
die hiefige Landesregierung ſich ſelbſt zu denſelben bekennt, und mit Zu-
verſicht hofft daß mit deren Verwirklichung die Morgenröthe einer neuen
Zeit für Deutſchland anbrechen und deſſen Macht, Einheit und Glück
dauernd gründen werde.“ Man kann in dieſem offenen und freimüthi-
gen Glaubensbekenntniſſe den vollſtändigen Bruch mit der Metternich’-
ſchen Politik und das Beginnen einer neuen ſegensreichen Bahn erbli-
cken. Dieſer Eindruck war ein allgemeiner und die nächſte Folge davon
daß geſtern eine große Anzahl von Bürgern, eine Fahne mit den deut-
ſchen Farben voran, vor das Schloß zog und dem Herzog aus voller Bruſt
ein Lebehoch brachte. Dieſer erſchien zuerſt am Fenſter, trat aber nach-
her zu dem verſammelten Volke, ſchwang ſelbſt unter unbeſchreibli-
chem Zujauchzen die deutſche Fahne und ſprach die Verſicherung aus
daß man auf ihn bauen könne. Unſere Regierung hat die richtige Bahn
eingeſchlagen, denn es gibt nur die einzig richtige nach den aus ganz
Deutſchland erſchallenden in dem preußiſchen Patent wiedergegebenen
Wünſchen zu regieren, dem Volke zu vertrauen und in aufrichtiger
Uebereinſtimmung mit deſſen Vertretern zu verhandeln. Eine Regie-
rung die dieſes Syſtem befolgt wird nicht an Macht verlieren, ſondern
gewinnen, ſie erwirbt einen Verbündeten der mächtiger iſt als alle bis-
herigen — die Liebe ihres eigenen Volks und aller Völker Deutſchlands.
P Aus dem preußiſchen Sachſen, 16 März. (Eine
Schulzenverſammlung.) Geſtern Nachmittag hatten wir Gelegen-
heit eine Bauernverſammlung mit anzuſehen, unſers Wiſſens die erſte
in Preußen, welche zur Entwerfung einer den ſtädtiſchen Adreſſen
an den König ſich anſchließenden Adreſſe gehalten wurde. Merk-
würdig war ſie auch dadurch daß hier keineswegs, wie bei der frühern
Adreſſe der vierzig Bauern, eine Anregung von außen vorlag. In
dem Dorfe Neuwegersleben bei Oſchersleben waren etwa hundert Per-
ſonen in der Bauerntracht unſerer Gegend beiſammen, von denen
ſehr viele Schulzen waren, und die meiſten als Vertreter ganzer
Ortſchaften betrachtet werden konnten. Sie hatten als wir mit eini-
gen andern Fremden eintraten, ungefähr zwei Stunden über die
Dinge debattirt um welche die Städte bereits petitionirt haben. So
lange hatten ſie gebraucht um die Bedeutung der Preßfreiheit, der
Schwurgerichte, der Volksvertretung beim deutſchen Bunde u. ſ. w.
ſich ſelbſt vollkommen klar zu machen und dann raſch die Bitte um
ihre Gewährung zu beſchließen; nun wollten ſie noch ſpeciell auf ihre
bäuerlichen Verhältniſſe kommen, vorher aber hatten ſie eine kurze
Pauſe gemacht. „Man habe Punkte,“ ſagte uns einer bedeutungs-
voll, und ein dumpfes Geſumm von „Punkten“ ſcholl durch das
ganze Verſammlungshaus, in dem die Anweſenden während der Pauſe
durcheinander wogten. Als die Verſammlung wieder eröffnet war,
glaubte der Vorſitzende den Fremden zunächſt die Erklärung ſchuldig
zu ſeyn, daß man „nichtsdeſtoweniger“ eine Revolution wolle.
Er wollte ſagen: man wolle nichts weniger als eine Revolution.
Doch wurden die Worte „Menſchenrechte“ und „Ackerbuproletariat“
von uns gehört, und ſie bewieſen hinlänglich daß unter den Männern
in Bauernröcken ſich Perſonen befanden welchen zum mindeſten die
Ideen, von denen Revolutionen auszugehen pflegen, nicht unbekannt
ſind. — Die Bauern drängten nun zwar: man ſolle doch auf die
„Punkte“ kommen, worunter ſie ſpeciell die Bauernpunkte verſtanden;
aber ein Bader oder Wundarzt aus dem bekannten, ſelbſt im eng-
liſchen Parlament ſchon erwähnten Dorfe W. hatte noch eine Reihe
von Anträgen zu ſtellen, die eine allgemeinere Bedeutung hatten.
Was man davon verſtand wurde raſch genehmigt, ſo der Antrag auf
Geſtattung der Ehen zwiſchen Juden und Chriſten; das gehörte ja zu
den „Menſchenrechten.“ Was man nicht verſtand, wurde rundweg
verworfen: ſo die Trennung der Schule von der Kirche, welche der
Bader nicht deutlich machen konnte. Da er aber nicht davon abließ
und die Bauern traurig die Nacht hereinbrechen ſahen, ohne daß ihre
„Punkte“ zur Sprache gekommen waren, ſo legten wir uns endlich
ins Mittel und ſchlugen ſo populär als möglich den Ausweg vor
daß man ſtatt deſſen um „Vermehrung der Aufklärung auf dem Lande
von Staatswegen“ bäte. Der Vorſchlag wurde mit Jubel aufge-
nommen, die Schulzen umringten uns mit den übrigen Bauern und
drückten uns die Hände. — Nun zu den Punkten! rief alles. Dieſe
waren nicht unbillig und kamen im weſentlichen auf die Anwendung
der preußiſchen Städteordnung auf die Landgemeinden hinaus. Einer
der radicalſten Punkte lautete „Aufhebung des Jagdrechts ohne alle
Entſchädigung.“ Ein Bauer wollte noch mehr, er verlangte: „Freie
Aufhebung des Jagdrechts ohne Entſchädigung.“
⊕ Schleswig, 19 März. (Däniſche Drohungen. Ab-
ordnung nach Kopenhagen.) Eine friedliche Löſung der
ſchleswigſchen Frage wird unter den gegenwärtigen Zuſtänden durch
die Frechheit und Zügelloſigkeit der Leiter des däniſchen Volks immer mehr
unmöglich gemacht. Sie predigen in zahlreichen Volksverſammlungen
einen nationalen Kreuzzug gegen uns, und ſuchen durch Bewirkung einer
drohenden Haltung des däniſchen Volks den König dazu zu treiben der
Führer dieſes Kreuzzuges zu werden. Der fanatiſche Profeſſor Clauſen
nennt die Frage über Schleswigs Feſthaltung bei Dänemark oder deſſen
Hingeben an Holſtein oder Deutſchland in einer von 2300 Dänen beſuch-
ten Verſammlung unter lautem Beifall der Anweſenden die Frage um
Leben oder Tod für das däniſche Volk. „Es erſcheint“, ſagt er, „gut
und erwünſcht daß es dahin gekommen iſt daß die Erledigung dieſer
Frage nicht länger ausgeſetzt werden kann. Eine drückende und ſchwüle
Gewitterluft hat lange unſern Athemzug beſchwert, wir haben das
drohende Unwetter lange über unſeren Köpfen ſich zuſammenziehen
ſehen, ohne daß wir haben entdecken können daß für zureichende Ablei-
tung geſorgt ſey. Es iſt die höchſte Zeit daß ein Ausbruch uns zu einer
gereinigten Luft und zu einem klaren Horizont helfen muß.“ Das Volk
wird aufgefordert ſich zu erheben, um zu helfen daß die Zeit bringen
müſſe was zum Leben und zur Ehre, nicht was zur Niederlage
und zum Tode führt. Obwohl die Gerüchte übertrieben waren welche
neulich über das was in Kopenhagen geſchehen ſeyn ſollte umgingen,
ſo iſt doch gewiß daß man dort eine kriegeriſche Haltung annimmt und
in Rußland, auch etwa in England Verbündete ſucht, daß die zügelloſe
Menge den König-Herzog immer weiter für ihre Zwecke fortzutreiben
ſich bemüht. Ob und wie lange er noch widerſteht, iſt zweifelhaft, nach
ſeiner Perſönlichkeit und Neigung ſehr zweifelhaft. Inzwiſchen rüſtet
man ſich auch in den Herzogthümern zur Abwehr und faſt überall werden
Waffen angeſchafft, wie Waffenübungen von den Bürgern und Land-
leuten angeſtellt. Alles iſt in völliger Auflöſung der ſtaatsbürgerlichen
Zuſtände begriffen, da weder die ſchleswig-holſtein Lauenburgiſche Kanz-
lei mit ihrem Präſidenten, dem Grafen Karl Moltcke, noch die ſchleswig-
holſteiniſche Regierung mit ihrem Präſidenten v. Scheel irgend einigen
moraliſchen Einfluß mehr ausüben können. Unter dieſen Verhältniſſen
ward geſtern in der Stadt Rendsburg, in der die Straßen allgemein
mit deutſchen Fahnen behangen waren, eine Verſammlung der Abge-
ordneten beider Herzogthümer zur Berathung über die andringenden
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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