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Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848.

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[Spaltenumbruch] namentlich beinahe sämmtliche Mitglieder des hiesigen Kreis-Gerichts-
hofes eingereiht haben, übt sich bereits eifrig in den Waffen. Am heu-
tigen Morgen wurde auf dem mittleren Thurme der die Stadt beherr-
schenden Wilhelmsburg eine prachtvolle schwarz-roth-goldene Fahne
mit dem Reichsadler, den Befehlen des deutschen Bundes gemäß, in
Gegenwart sämmtlicher bei dem Festungsbau beschäftigter Officiere auf-
gesteckt. Möchte dieses deutsche Nationalzeichen, dessen Anerkennung
endlich officiell erfolgt ist, für alle Zeiten das Symbol der Einigkeit und
Verbrüderung aller deutschen Volksstämme seyn und bleiben und kein
anderes Banner mehr dasselbe verdrängen!


Auch unsere neuesten Stuttgarter Briefe versichern daß sich die
Lärmgerüchte als Erfindungen des Schreckens ausgewiesen hätten. Da
dieser Schrecken aber an das Gefühl der Hülflostgkeit erinnert in wel-
cher, militärisch betrachtet, ein guter Theil von Südwestdeutschland sich
befindet, so liegt darin Mahnung genug die nöthigen Rüstungen und
Vorkehrungen nicht länger aufzuschieben. -- Die Stuttgarter Kammer-
verhandlungen müssen wir auf morgen vertagen. Gestern schon ha-
ben wir kurz angeführt daß die Kammer der Abgeordneten das Ablö-
sungsgesetz, gegen nur wenige verneinende Stimmen, angenom-
men hat.

Gr. Baden.

In der heutigen Sitzung
der zweiten Kammer wurde unter allseitiger lebhafter Zustimmung fol-
gender Antrag des Abg. Bassermann einstimmig angenommen: Die
Vertreter des badischen Volkes erklären für sich selbst und erwarten von
ihren Mitbürgern daß sie sowohl für die schleunigste Herstellung eines
freien, einigen Deutschlands und eines wahrhaft freien Rechtszustandes
in Baden, als auch gegen jede diesem edlen Streben der Nation hinder-
liche Störung der gesetzlichen Ordnung aus allen Kräften wirken. Sie
erklären zugleich und erwarten von ihren Mitbürgern daß sie der Regie-
rung, solange dieselbe auf dem Wege der Verfassung wandelt, den kräf-
tigsten Beistand leisten werden in der Erfüllung ihrer Pflicht diejenigen
zur gesetzlichen Verantwortung zu ziehen welche die Sache der Freiheit
durch freventliche Handlungen gegen Personen und Eigenthum gefähr-
den. (Karlsr. Z.)


Die Deutsche Zeitung sagt über die Berliner Ereignisse und
die Erklärung des Königs: "Wir maßen uns nicht an in diesem Au-
genblick die ganze Schwere jener Ereignisse für den nächsten Augenblick
richtig zu schätzen. Das fühlen wir deutlich daß über das Licht, in dem
noch vorgestern unsere deutschen Sachen standen, ein tiefer, schwarzer
Schatten gefallen ist. Eine große, glänzende Sühne scheint uns nöthig,
wenn der heitere Geist wieder gewonnen werden soll mit dem man bis
daher der Umgestaltung der deutschen Verhältnisse oblag, wenn man
sich in Preußen mit der Dynastie und der Monarchie wieder aufrichtig
aussöhnen soll. Dieß sind nicht Zeiten um Rücksichten und Rückhalte
zu haben. Wir sagen daher mit offenem Bekenntniß: es scheint uns
wünschenswerth daß der König und der Prinz von Preußen resigniren
und dem Sohne des letzteren die Krone abtreten, dem für die kurze Zeit
seiner Minderjährigkeit seine edle, freistnnige Mutter zur Regentin bei-
gegeben werden mag. Wir verkennen den ganzen Uebelstand einer Mi-
norennität und Regentischaft in diesen Zeiten durchaus nicht; man mag,
wenn wir dennoch diesen Uebelstand vorziehen, den Ernst unserer Ueber-
zeugung daraus ermessen daß eine geringere Sühne die Freudigkeit und
das Vertrauen weder in Preußen noch in Deutschland ungetrübt her-
stellen wird. In dem Moment wo wir schreiben lesen wir die Nachrich-
ten von den versöhnenden Scenen in Berlin. Große Handlungen, wahre
Hingebung an die Nation und ihren erhabenen Aufschwung können viel-
leicht doch noch retten. Wir fühlen uns gewachsen die Früchte unserer
Regeneration im Innern zu pflücken und zugleich eine wohlthätige Aus-
saat nach außen zu streuen. Die Diversion nach außen wird es uns so-
gar erleichtern unsere heimische Ernte sicherer einzuthun. Spreche der
König von Preußen ohne Verzug seine Absicht aus den polnischen Theil
von Posen als Basts eines herzustellenden Polens herauszugeben. Lade
er Oesterreich ein mit Galizien beizutreten; wenn es weise ist, wird es
keine Stunde zögern. Rüste er gegen Rußland: die Stunde des Kriegs
wird nur verfrüht werden; er ist auf die Länge doch unvermeidlich, denn
die Freiheit kann nicht so nahe an die Sklaverei gränzen. Mögen
dann die Polen zu Pferde sitzen um sich Litthauen, die Kuren, die
Liven, die Finnen, um sich ihre Nationalität wieder zu erkämpfen.
Wir Deutschen wollen dann nicht zurückbleiben; wir wollen nicht allein
mit Freiheiten, sondern zugleich mit Thaten in die Geschichte eintre-
[Spaltenumbruch] ten. Für unsere gemeindeutsche Sache ist nach jener furchtbaren Ver-
stimmung irgend ein großer Schritt dieser Art, sey es der Resignation, sey
es der großen That, eine Nothwendigkeit. Das Patent vom 18 März hätte
ohne die nachfolgenden Ereignisse ga nz Deutschland in Einen Jubel ver-
setzt. Es war fertig, sagt man ehe überhaupt in Berlin Unruhen ent-
standen. Warum zögerte man es bekannt zu machen? Man war sich
in jedem Winkel von Deutschland klar darüber welchen Werth jetzt
die Stunden und Minuten haben, nur in Berlin nicht. Der Tag,
der große Tag auf den man Jahrzehende bei uns gewartet hatte, war
mit diesem Patente für Preußen, für Deutschland erschienen. Denn
alles was wir wünschten war hier mit vollen Händen gegeben, und
zum erstenmale in einer Sprache gesagt die plan, rund, staatsmän-
nisch, warm und bestimmt zugleich war. Wir haben der Versamm-
lung in Heidelberg beigewohnt, und glauben sagen zu dürfen daß nie-
mand dort solche Grundzüge der künftigen Gestaltung Deutschlands
von Preußen, von dem Bunde, von irgendeinem Hofe Deutschlands
ausgehen zu sehen erwartet hätte. Um dieses Programm hätte sich
Deutschland mit Jauchzen geschaart, sich schaaren dürfen und müssen.
Jetzt ist es wie zu Boden gefallen, seine Züge wie verblaßt und ver-
wischt. Es ist als ob sich niemand im Angesicht dieser blutigen Vor-
gänge getraute das Werk zu loben das mitten in sie hineinfiel; als
ob niemand wagte der Aufrichtigkeit des Patentes zu vertrauen, da
man nach seinem Erlasse einen halbtägigen Bürgerkrieg fortwüthen
ließ. Es ist die Pflicht der Presse -- wie undankbar sie auch seyn
möge -- die trübe Stimmung der Leidenschaft zuerst zu bemeistern
und die erhitzten Gemüther zur Ruhe und Besonnenheit zu bringen.
Sehen wir die Dinge nicht mit persönlicher Erregung an, sehen wir
auf das Ganze, ermannen wir uns zu einer gefaßten Betrachtung,
selbst wenn sie hart und kalt erschiene. Die Berliner Bluttaufe, wenn
auch nicht die Veränderung auf dem Throne vorgeht die uns räth-
lich und wohlgethan scheint, ist vielleicht allein im Stande gewesen
die eingewurzelten Begriffe des altmonarchischen Princips in den Ge-
müthern vöklig zu tilgen und das Volk der Hauptstadt, das die Schick-
sale in eine jahrhundertlange Apathie geworfen hatten, so aufzurüt-
teln daß es fernerhin, wie es der ersten Stadt des Reiches gebührt,
an der Spitze und auf der Hochwacht der politischen Dinge in Preu-
ßen stehe und sich darauf behaupte. Der politische Indifferentismus hat
eine harte und grausame Buße erleiden müssen; dafür ist auch der
Anbruch einer neuen Zeit desto gewisser und gesicherter. Für den
Ernst der Vorschläge, für die Ausführung der Forderungen ferner
die das Patent an die deutschen Bundesgenossen stellt, ist jene Blut-
taufe ein desto festerer Bürge. Lassen wir uns also das dort Ver-
heißene durch die Ereignisse in Berlin in keiner Weise verkümmern.
Halten wir uns unverrückt daran weil es das Rechte, das Tüchtige,
das Nothwendige ist. Wer in den Dingen des Staates eine Stimme
haben will, muß frühzeitig lernen die häusliche Feinfühligkeit abzu-
legen; das Gemüth wird von vielen Sachen verletzt und erschüttert,
die gleichwohl der politische Verstand zu ergreifen und zu benutzen
suchen muß. Preußen soll festhalten an diesem Patente, es soll es
ausführen, aber ohne allen Zeitverlust. Es soll einen consti-
tuirenden Bundestag nach Frankfurt ausschreiben, dessen Glieder, in
nicht zu geringer, in nicht zu großer Zahl, von den deutschen Stän-
den, nicht aus den Ständen, sondern in ganz freier Wahl aus je-
dem Ort und jeder Klasse von deutschen Bürgern gewählt würden.
Es soll nicht warten bis jeder Bundesfürst eingestimmt hat zu kom-
men und zu beschicken, es soll einladend ausschreiben..."


Diesen Morgen ist eine Abtheilung des
dritten Infanterieregiments auf der Eisenbahn nach Kehl abgegangen.
Es hängt diese Maßregel ohne Zweifel mit der Nachricht zusammen daß
deutsche Arbeiter welche aus Paris und Frankreich ausgewiesen werden
in bewaffneten Haufen über den Rhein dringen wollen. So eben (Mit-
tags 1 Uhr) geht ein weiteres Bataillon nach der Ortenau und dem
Hanauischen ab, während einige Compagnien von dem Dorfe Au an,
gegenüber von Lauterburg, längs dem Rhein aufwärts eine Art mobiler
Colonne bilden um die öffentliche Sicherheit zu wahren. Unzählige Ge-
rüchte von dem Einbruch französischer und deutscher Arbeiter sind längs
dem ganzen Rheinstrom verbreitet, und haben, wenn sich auch die Ge-
rüchte als unwahr darstellen, doch immer den Nachtheil daß unsere dies-
seitige Bevölkerung, in Erinnerung der neunziger Jahre, stets in Allarm
ist. Die Bewachung der Rheingränze ist darum dringend geboten.
(Karlsr. Zig.)

[Spaltenumbruch] namentlich beinahe ſämmtliche Mitglieder des hieſigen Kreis-Gerichts-
hofes eingereiht haben, übt ſich bereits eifrig in den Waffen. Am heu-
tigen Morgen wurde auf dem mittleren Thurme der die Stadt beherr-
ſchenden Wilhelmsburg eine prachtvolle ſchwarz-roth-goldene Fahne
mit dem Reichsadler, den Befehlen des deutſchen Bundes gemäß, in
Gegenwart ſämmtlicher bei dem Feſtungsbau beſchäftigter Officiere auf-
geſteckt. Möchte dieſes deutſche Nationalzeichen, deſſen Anerkennung
endlich officiell erfolgt iſt, für alle Zeiten das Symbol der Einigkeit und
Verbrüderung aller deutſchen Volksſtämme ſeyn und bleiben und kein
anderes Banner mehr dasſelbe verdrängen!


Auch unſere neueſten Stuttgarter Briefe verſichern daß ſich die
Lärmgerüchte als Erfindungen des Schreckens ausgewieſen hätten. Da
dieſer Schrecken aber an das Gefühl der Hülfloſtgkeit erinnert in wel-
cher, militäriſch betrachtet, ein guter Theil von Südweſtdeutſchland ſich
befindet, ſo liegt darin Mahnung genug die nöthigen Rüſtungen und
Vorkehrungen nicht länger aufzuſchieben. — Die Stuttgarter Kammer-
verhandlungen müſſen wir auf morgen vertagen. Geſtern ſchon ha-
ben wir kurz angeführt daß die Kammer der Abgeordneten das Ablö-
ſungsgeſetz, gegen nur wenige verneinende Stimmen, angenom-
men hat.

Gr. Baden.

In der heutigen Sitzung
der zweiten Kammer wurde unter allſeitiger lebhafter Zuſtimmung fol-
gender Antrag des Abg. Baſſermann einſtimmig angenommen: Die
Vertreter des badiſchen Volkes erklären für ſich ſelbſt und erwarten von
ihren Mitbürgern daß ſie ſowohl für die ſchleunigſte Herſtellung eines
freien, einigen Deutſchlands und eines wahrhaft freien Rechtszuſtandes
in Baden, als auch gegen jede dieſem edlen Streben der Nation hinder-
liche Störung der geſetzlichen Ordnung aus allen Kräften wirken. Sie
erklären zugleich und erwarten von ihren Mitbürgern daß ſie der Regie-
rung, ſolange dieſelbe auf dem Wege der Verfaſſung wandelt, den kräf-
tigſten Beiſtand leiſten werden in der Erfüllung ihrer Pflicht diejenigen
zur geſetzlichen Verantwortung zu ziehen welche die Sache der Freiheit
durch freventliche Handlungen gegen Perſonen und Eigenthum gefähr-
den. (Karlsr. Z.)


Die Deutſche Zeitung ſagt über die Berliner Ereigniſſe und
die Erklärung des Königs: „Wir maßen uns nicht an in dieſem Au-
genblick die ganze Schwere jener Ereigniſſe für den nächſten Augenblick
richtig zu ſchätzen. Das fühlen wir deutlich daß über das Licht, in dem
noch vorgeſtern unſere deutſchen Sachen ſtanden, ein tiefer, ſchwarzer
Schatten gefallen iſt. Eine große, glänzende Sühne ſcheint uns nöthig,
wenn der heitere Geiſt wieder gewonnen werden ſoll mit dem man bis
daher der Umgeſtaltung der deutſchen Verhältniſſe oblag, wenn man
ſich in Preußen mit der Dynaſtie und der Monarchie wieder aufrichtig
ausſöhnen ſoll. Dieß ſind nicht Zeiten um Rückſichten und Rückhalte
zu haben. Wir ſagen daher mit offenem Bekenntniß: es ſcheint uns
wünſchenswerth daß der König und der Prinz von Preußen reſigniren
und dem Sohne des letzteren die Krone abtreten, dem für die kurze Zeit
ſeiner Minderjährigkeit ſeine edle, freiſtnnige Mutter zur Regentin bei-
gegeben werden mag. Wir verkennen den ganzen Uebelſtand einer Mi-
norennität und Regentiſchaft in dieſen Zeiten durchaus nicht; man mag,
wenn wir dennoch dieſen Uebelſtand vorziehen, den Ernſt unſerer Ueber-
zeugung daraus ermeſſen daß eine geringere Sühne die Freudigkeit und
das Vertrauen weder in Preußen noch in Deutſchland ungetrübt her-
ſtellen wird. In dem Moment wo wir ſchreiben leſen wir die Nachrich-
ten von den verſöhnenden Scenen in Berlin. Große Handlungen, wahre
Hingebung an die Nation und ihren erhabenen Aufſchwung können viel-
leicht doch noch retten. Wir fühlen uns gewachſen die Früchte unſerer
Regeneration im Innern zu pflücken und zugleich eine wohlthätige Aus-
ſaat nach außen zu ſtreuen. Die Diverſion nach außen wird es uns ſo-
gar erleichtern unſere heimiſche Ernte ſicherer einzuthun. Spreche der
König von Preußen ohne Verzug ſeine Abſicht aus den polniſchen Theil
von Poſen als Baſts eines herzuſtellenden Polens herauszugeben. Lade
er Oeſterreich ein mit Galizien beizutreten; wenn es weiſe iſt, wird es
keine Stunde zögern. Rüſte er gegen Rußland: die Stunde des Kriegs
wird nur verfrüht werden; er iſt auf die Länge doch unvermeidlich, denn
die Freiheit kann nicht ſo nahe an die Sklaverei gränzen. Mögen
dann die Polen zu Pferde ſitzen um ſich Litthauen, die Kuren, die
Liven, die Finnen, um ſich ihre Nationalität wieder zu erkämpfen.
Wir Deutſchen wollen dann nicht zurückbleiben; wir wollen nicht allein
mit Freiheiten, ſondern zugleich mit Thaten in die Geſchichte eintre-
[Spaltenumbruch] ten. Für unſere gemeindeutſche Sache iſt nach jener furchtbaren Ver-
ſtimmung irgend ein großer Schritt dieſer Art, ſey es der Reſignation, ſey
es der großen That, eine Nothwendigkeit. Das Patent vom 18 März hätte
ohne die nachfolgenden Ereigniſſe ga nz Deutſchland in Einen Jubel ver-
ſetzt. Es war fertig, ſagt man ehe überhaupt in Berlin Unruhen ent-
ſtanden. Warum zögerte man es bekannt zu machen? Man war ſich
in jedem Winkel von Deutſchland klar darüber welchen Werth jetzt
die Stunden und Minuten haben, nur in Berlin nicht. Der Tag,
der große Tag auf den man Jahrzehende bei uns gewartet hatte, war
mit dieſem Patente für Preußen, für Deutſchland erſchienen. Denn
alles was wir wünſchten war hier mit vollen Händen gegeben, und
zum erſtenmale in einer Sprache geſagt die plan, rund, ſtaatsmän-
niſch, warm und beſtimmt zugleich war. Wir haben der Verſamm-
lung in Heidelberg beigewohnt, und glauben ſagen zu dürfen daß nie-
mand dort ſolche Grundzüge der künftigen Geſtaltung Deutſchlands
von Preußen, von dem Bunde, von irgendeinem Hofe Deutſchlands
ausgehen zu ſehen erwartet hätte. Um dieſes Programm hätte ſich
Deutſchland mit Jauchzen geſchaart, ſich ſchaaren dürfen und müſſen.
Jetzt iſt es wie zu Boden gefallen, ſeine Züge wie verblaßt und ver-
wiſcht. Es iſt als ob ſich niemand im Angeſicht dieſer blutigen Vor-
gänge getraute das Werk zu loben das mitten in ſie hineinfiel; als
ob niemand wagte der Aufrichtigkeit des Patentes zu vertrauen, da
man nach ſeinem Erlaſſe einen halbtägigen Bürgerkrieg fortwüthen
ließ. Es iſt die Pflicht der Preſſe — wie undankbar ſie auch ſeyn
möge — die trübe Stimmung der Leidenſchaft zuerſt zu bemeiſtern
und die erhitzten Gemüther zur Ruhe und Beſonnenheit zu bringen.
Sehen wir die Dinge nicht mit perſönlicher Erregung an, ſehen wir
auf das Ganze, ermannen wir uns zu einer gefaßten Betrachtung,
ſelbſt wenn ſie hart und kalt erſchiene. Die Berliner Bluttaufe, wenn
auch nicht die Veränderung auf dem Throne vorgeht die uns räth-
lich und wohlgethan ſcheint, iſt vielleicht allein im Stande geweſen
die eingewurzelten Begriffe des altmonarchiſchen Princips in den Ge-
müthern vöklig zu tilgen und das Volk der Hauptſtadt, das die Schick-
ſale in eine jahrhundertlange Apathie geworfen hatten, ſo aufzurüt-
teln daß es fernerhin, wie es der erſten Stadt des Reiches gebührt,
an der Spitze und auf der Hochwacht der politiſchen Dinge in Preu-
ßen ſtehe und ſich darauf behaupte. Der politiſche Indifferentismus hat
eine harte und grauſame Buße erleiden müſſen; dafür iſt auch der
Anbruch einer neuen Zeit deſto gewiſſer und geſicherter. Für den
Ernſt der Vorſchläge, für die Ausführung der Forderungen ferner
die das Patent an die deutſchen Bundesgenoſſen ſtellt, iſt jene Blut-
taufe ein deſto feſterer Bürge. Laſſen wir uns alſo das dort Ver-
heißene durch die Ereigniſſe in Berlin in keiner Weiſe verkümmern.
Halten wir uns unverrückt daran weil es das Rechte, das Tüchtige,
das Nothwendige iſt. Wer in den Dingen des Staates eine Stimme
haben will, muß frühzeitig lernen die häusliche Feinfühligkeit abzu-
legen; das Gemüth wird von vielen Sachen verletzt und erſchüttert,
die gleichwohl der politiſche Verſtand zu ergreifen und zu benutzen
ſuchen muß. Preußen ſoll feſthalten an dieſem Patente, es ſoll es
ausführen, aber ohne allen Zeitverluſt. Es ſoll einen conſti-
tuirenden Bundestag nach Frankfurt ausſchreiben, deſſen Glieder, in
nicht zu geringer, in nicht zu großer Zahl, von den deutſchen Stän-
den, nicht aus den Ständen, ſondern in ganz freier Wahl aus je-
dem Ort und jeder Klaſſe von deutſchen Bürgern gewählt würden.
Es ſoll nicht warten bis jeder Bundesfürſt eingeſtimmt hat zu kom-
men und zu beſchicken, es ſoll einladend ausſchreiben...“


Dieſen Morgen iſt eine Abtheilung des
dritten Infanterieregiments auf der Eiſenbahn nach Kehl abgegangen.
Es hängt dieſe Maßregel ohne Zweifel mit der Nachricht zuſammen daß
deutſche Arbeiter welche aus Paris und Frankreich ausgewieſen werden
in bewaffneten Haufen über den Rhein dringen wollen. So eben (Mit-
tags 1 Uhr) geht ein weiteres Bataillon nach der Ortenau und dem
Hanauiſchen ab, während einige Compagnien von dem Dorfe Au an,
gegenüber von Lauterburg, längs dem Rhein aufwärts eine Art mobiler
Colonne bilden um die öffentliche Sicherheit zu wahren. Unzählige Ge-
rüchte von dem Einbruch franzöſiſcher und deutſcher Arbeiter ſind längs
dem ganzen Rheinſtrom verbreitet, und haben, wenn ſich auch die Ge-
rüchte als unwahr darſtellen, doch immer den Nachtheil daß unſere dieſ-
ſeitige Bevölkerung, in Erinnerung der neunziger Jahre, ſtets in Allarm
iſt. Die Bewachung der Rheingränze iſt darum dringend geboten.
(Karlsr. Zig.)

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[1380/0004] namentlich beinahe ſämmtliche Mitglieder des hieſigen Kreis-Gerichts- hofes eingereiht haben, übt ſich bereits eifrig in den Waffen. Am heu- tigen Morgen wurde auf dem mittleren Thurme der die Stadt beherr- ſchenden Wilhelmsburg eine prachtvolle ſchwarz-roth-goldene Fahne mit dem Reichsadler, den Befehlen des deutſchen Bundes gemäß, in Gegenwart ſämmtlicher bei dem Feſtungsbau beſchäftigter Officiere auf- geſteckt. Möchte dieſes deutſche Nationalzeichen, deſſen Anerkennung endlich officiell erfolgt iſt, für alle Zeiten das Symbol der Einigkeit und Verbrüderung aller deutſchen Volksſtämme ſeyn und bleiben und kein anderes Banner mehr dasſelbe verdrängen! Auch unſere neueſten Stuttgarter Briefe verſichern daß ſich die Lärmgerüchte als Erfindungen des Schreckens ausgewieſen hätten. Da dieſer Schrecken aber an das Gefühl der Hülfloſtgkeit erinnert in wel- cher, militäriſch betrachtet, ein guter Theil von Südweſtdeutſchland ſich befindet, ſo liegt darin Mahnung genug die nöthigen Rüſtungen und Vorkehrungen nicht länger aufzuſchieben. — Die Stuttgarter Kammer- verhandlungen müſſen wir auf morgen vertagen. Geſtern ſchon ha- ben wir kurz angeführt daß die Kammer der Abgeordneten das Ablö- ſungsgeſetz, gegen nur wenige verneinende Stimmen, angenom- men hat. Gr. Baden. Karlsruhe, 24 März. In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer wurde unter allſeitiger lebhafter Zuſtimmung fol- gender Antrag des Abg. Baſſermann einſtimmig angenommen: Die Vertreter des badiſchen Volkes erklären für ſich ſelbſt und erwarten von ihren Mitbürgern daß ſie ſowohl für die ſchleunigſte Herſtellung eines freien, einigen Deutſchlands und eines wahrhaft freien Rechtszuſtandes in Baden, als auch gegen jede dieſem edlen Streben der Nation hinder- liche Störung der geſetzlichen Ordnung aus allen Kräften wirken. Sie erklären zugleich und erwarten von ihren Mitbürgern daß ſie der Regie- rung, ſolange dieſelbe auf dem Wege der Verfaſſung wandelt, den kräf- tigſten Beiſtand leiſten werden in der Erfüllung ihrer Pflicht diejenigen zur geſetzlichen Verantwortung zu ziehen welche die Sache der Freiheit durch freventliche Handlungen gegen Perſonen und Eigenthum gefähr- den. (Karlsr. Z.) Die Deutſche Zeitung ſagt über die Berliner Ereigniſſe und die Erklärung des Königs: „Wir maßen uns nicht an in dieſem Au- genblick die ganze Schwere jener Ereigniſſe für den nächſten Augenblick richtig zu ſchätzen. Das fühlen wir deutlich daß über das Licht, in dem noch vorgeſtern unſere deutſchen Sachen ſtanden, ein tiefer, ſchwarzer Schatten gefallen iſt. Eine große, glänzende Sühne ſcheint uns nöthig, wenn der heitere Geiſt wieder gewonnen werden ſoll mit dem man bis daher der Umgeſtaltung der deutſchen Verhältniſſe oblag, wenn man ſich in Preußen mit der Dynaſtie und der Monarchie wieder aufrichtig ausſöhnen ſoll. Dieß ſind nicht Zeiten um Rückſichten und Rückhalte zu haben. Wir ſagen daher mit offenem Bekenntniß: es ſcheint uns wünſchenswerth daß der König und der Prinz von Preußen reſigniren und dem Sohne des letzteren die Krone abtreten, dem für die kurze Zeit ſeiner Minderjährigkeit ſeine edle, freiſtnnige Mutter zur Regentin bei- gegeben werden mag. Wir verkennen den ganzen Uebelſtand einer Mi- norennität und Regentiſchaft in dieſen Zeiten durchaus nicht; man mag, wenn wir dennoch dieſen Uebelſtand vorziehen, den Ernſt unſerer Ueber- zeugung daraus ermeſſen daß eine geringere Sühne die Freudigkeit und das Vertrauen weder in Preußen noch in Deutſchland ungetrübt her- ſtellen wird. In dem Moment wo wir ſchreiben leſen wir die Nachrich- ten von den verſöhnenden Scenen in Berlin. Große Handlungen, wahre Hingebung an die Nation und ihren erhabenen Aufſchwung können viel- leicht doch noch retten. Wir fühlen uns gewachſen die Früchte unſerer Regeneration im Innern zu pflücken und zugleich eine wohlthätige Aus- ſaat nach außen zu ſtreuen. Die Diverſion nach außen wird es uns ſo- gar erleichtern unſere heimiſche Ernte ſicherer einzuthun. Spreche der König von Preußen ohne Verzug ſeine Abſicht aus den polniſchen Theil von Poſen als Baſts eines herzuſtellenden Polens herauszugeben. Lade er Oeſterreich ein mit Galizien beizutreten; wenn es weiſe iſt, wird es keine Stunde zögern. Rüſte er gegen Rußland: die Stunde des Kriegs wird nur verfrüht werden; er iſt auf die Länge doch unvermeidlich, denn die Freiheit kann nicht ſo nahe an die Sklaverei gränzen. Mögen dann die Polen zu Pferde ſitzen um ſich Litthauen, die Kuren, die Liven, die Finnen, um ſich ihre Nationalität wieder zu erkämpfen. Wir Deutſchen wollen dann nicht zurückbleiben; wir wollen nicht allein mit Freiheiten, ſondern zugleich mit Thaten in die Geſchichte eintre- ten. Für unſere gemeindeutſche Sache iſt nach jener furchtbaren Ver- ſtimmung irgend ein großer Schritt dieſer Art, ſey es der Reſignation, ſey es der großen That, eine Nothwendigkeit. Das Patent vom 18 März hätte ohne die nachfolgenden Ereigniſſe ga nz Deutſchland in Einen Jubel ver- ſetzt. Es war fertig, ſagt man ehe überhaupt in Berlin Unruhen ent- ſtanden. Warum zögerte man es bekannt zu machen? Man war ſich in jedem Winkel von Deutſchland klar darüber welchen Werth jetzt die Stunden und Minuten haben, nur in Berlin nicht. Der Tag, der große Tag auf den man Jahrzehende bei uns gewartet hatte, war mit dieſem Patente für Preußen, für Deutſchland erſchienen. Denn alles was wir wünſchten war hier mit vollen Händen gegeben, und zum erſtenmale in einer Sprache geſagt die plan, rund, ſtaatsmän- niſch, warm und beſtimmt zugleich war. Wir haben der Verſamm- lung in Heidelberg beigewohnt, und glauben ſagen zu dürfen daß nie- mand dort ſolche Grundzüge der künftigen Geſtaltung Deutſchlands von Preußen, von dem Bunde, von irgendeinem Hofe Deutſchlands ausgehen zu ſehen erwartet hätte. Um dieſes Programm hätte ſich Deutſchland mit Jauchzen geſchaart, ſich ſchaaren dürfen und müſſen. Jetzt iſt es wie zu Boden gefallen, ſeine Züge wie verblaßt und ver- wiſcht. Es iſt als ob ſich niemand im Angeſicht dieſer blutigen Vor- gänge getraute das Werk zu loben das mitten in ſie hineinfiel; als ob niemand wagte der Aufrichtigkeit des Patentes zu vertrauen, da man nach ſeinem Erlaſſe einen halbtägigen Bürgerkrieg fortwüthen ließ. Es iſt die Pflicht der Preſſe — wie undankbar ſie auch ſeyn möge — die trübe Stimmung der Leidenſchaft zuerſt zu bemeiſtern und die erhitzten Gemüther zur Ruhe und Beſonnenheit zu bringen. Sehen wir die Dinge nicht mit perſönlicher Erregung an, ſehen wir auf das Ganze, ermannen wir uns zu einer gefaßten Betrachtung, ſelbſt wenn ſie hart und kalt erſchiene. Die Berliner Bluttaufe, wenn auch nicht die Veränderung auf dem Throne vorgeht die uns räth- lich und wohlgethan ſcheint, iſt vielleicht allein im Stande geweſen die eingewurzelten Begriffe des altmonarchiſchen Princips in den Ge- müthern vöklig zu tilgen und das Volk der Hauptſtadt, das die Schick- ſale in eine jahrhundertlange Apathie geworfen hatten, ſo aufzurüt- teln daß es fernerhin, wie es der erſten Stadt des Reiches gebührt, an der Spitze und auf der Hochwacht der politiſchen Dinge in Preu- ßen ſtehe und ſich darauf behaupte. Der politiſche Indifferentismus hat eine harte und grauſame Buße erleiden müſſen; dafür iſt auch der Anbruch einer neuen Zeit deſto gewiſſer und geſicherter. Für den Ernſt der Vorſchläge, für die Ausführung der Forderungen ferner die das Patent an die deutſchen Bundesgenoſſen ſtellt, iſt jene Blut- taufe ein deſto feſterer Bürge. Laſſen wir uns alſo das dort Ver- heißene durch die Ereigniſſe in Berlin in keiner Weiſe verkümmern. Halten wir uns unverrückt daran weil es das Rechte, das Tüchtige, das Nothwendige iſt. Wer in den Dingen des Staates eine Stimme haben will, muß frühzeitig lernen die häusliche Feinfühligkeit abzu- legen; das Gemüth wird von vielen Sachen verletzt und erſchüttert, die gleichwohl der politiſche Verſtand zu ergreifen und zu benutzen ſuchen muß. Preußen ſoll feſthalten an dieſem Patente, es ſoll es ausführen, aber ohne allen Zeitverluſt. Es ſoll einen conſti- tuirenden Bundestag nach Frankfurt ausſchreiben, deſſen Glieder, in nicht zu geringer, in nicht zu großer Zahl, von den deutſchen Stän- den, nicht aus den Ständen, ſondern in ganz freier Wahl aus je- dem Ort und jeder Klaſſe von deutſchen Bürgern gewählt würden. Es ſoll nicht warten bis jeder Bundesfürſt eingeſtimmt hat zu kom- men und zu beſchicken, es ſoll einladend ausſchreiben...“ Raſtatt, 24 März. Dieſen Morgen iſt eine Abtheilung des dritten Infanterieregiments auf der Eiſenbahn nach Kehl abgegangen. Es hängt dieſe Maßregel ohne Zweifel mit der Nachricht zuſammen daß deutſche Arbeiter welche aus Paris und Frankreich ausgewieſen werden in bewaffneten Haufen über den Rhein dringen wollen. So eben (Mit- tags 1 Uhr) geht ein weiteres Bataillon nach der Ortenau und dem Hanauiſchen ab, während einige Compagnien von dem Dorfe Au an, gegenüber von Lauterburg, längs dem Rhein aufwärts eine Art mobiler Colonne bilden um die öffentliche Sicherheit zu wahren. Unzählige Ge- rüchte von dem Einbruch franzöſiſcher und deutſcher Arbeiter ſind längs dem ganzen Rheinſtrom verbreitet, und haben, wenn ſich auch die Ge- rüchte als unwahr darſtellen, doch immer den Nachtheil daß unſere dieſ- ſeitige Bevölkerung, in Erinnerung der neunziger Jahre, ſtets in Allarm iſt. Die Bewachung der Rheingränze iſt darum dringend geboten. (Karlsr. Zig.)

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848, S. 1380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine87_1848/4>, abgerufen am 21.11.2024.