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Der Arbeitgeber. Nr. 671. Frankfurt a. M., 11. März 1870.

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* Nachdruckgesetz. Der volkswirthschaftliche Verein in Berlin
( Prince=Smith, Faucher, Born ec. ) hat sich für Aufhebung der Nach-
druckgesetze im Prinzip ausgesprochen; er empfiehlt indeß nicht damit
sofort vorzugehen, sondern erst nach Ablauf von 3--5 Jahren, bis
der Geschäftsgang der Buchhändler reformirt sei; ferner meint er
eine Schutzfrist von drei Jahren genüge, alsdann könne der Nachdruck
erlaubt werden gegen ein Honorar von 1 Pfennig per abgesetzten
Bogen -- allein aus dem Grund, weil es einen literarischen Dieb-
stahl prinzipiell nicht gibt.

* Auswanderung. Jm englischen Parlament war ein An-
trag gestellt worden auf Unterstützung der Auswanderung durch den
Staat. Derselbe wurde verworfen.

* Todesstrafe. Der norddeutsche Reichstag hat sich mit bedeu-
tender Majorität gegen die Todesstrafe ausgesprochen.

* Arbeiter=Angelegenheiten. Die neue Fabrikordnung in Pforz-
heim
kann als angenommen betrachtet werden, da die Arbeiter auf
die Vorschläge der Fabrikanten eingegangen sind. Darnach soll die
tägliche Arbeitszeit 10 Stunden betragen, Samstags eine halbe Stunde
weniger. Jm Allgemeinen ist die Lage der Pforzheimer Goldarbeiter
gegen manche andere industrielle Orte als eine sehr befriedigende zu
betrachten. Jhr Unterstützungsverein, der sich unter gemeinsamer Ver-
waltung in einen Verein für Unterstützung der Kranken und in einen
für Unterstützung arbeitsunfähiger Arbeiter theilt, besitzt ein Vermögen
von 31,000 Gulden.

-- Zur Förderung der Fortbildung unter den Arbeitern hat
die Firma Cornelius Heyl in Worms a. Rh. die gewiß nach-
ahmungswerthe Einrichtung getroffen, daß sie in einem ihrer Fabrik-
räume ein Lesezimmer eingerichtet hat, worin mehrere größere und
kleinere politische Zeitungen, belletristische und illustrirte Zeitschriften
aufliegen. Den Aufsehern und Arbeitern der genannten Firma steht
das Lesezimmer zur Benützung offen und zwar täglich Mittags von
12 bis 1 Uhr und Abends von Schluß der Arbeit bis 8 Uhr, fer-
ner jeden Sonntag.

-- Die Berliner Schneider verlangen eine Lohnerhöhung von
25 pCt. und wollen die Arbeit einstellen, wenn dieselbe nicht bis
zum 15. d. M. bewilligt ist.

-- Die Grubenarbeiter der Gruben bei la Mure ( Frankreich )
haben die Arbeit eingestellt.

-- Jn Glasgow haben 1400 Tischler die Arbeit eingestellt.

-- Eine Wiener Schriftgießerei, die durch den Ausstand ihre
Arbeitskräfte verloren hat, beschäftigt jetzt Frauen. Die vereinigten
Buchdruckereibesitzer errichten eine Schule für Setzerinnen.

Handel und Verkehr.

* Hypothekenwesen. Jn einer im "Justizministerialblatte"
enthaltenen Uebersicht des Hypotheken=Verkehrs der Stadt Berlin
während der Jahre 1867 bis 1869 wird berichtet, daß nicht nur
bei fast allen Hypotheken der noch weniger als 5 pCt. betragende
Zinsfuß auf diese Höhe gebracht worden, sondern auch Privatleute
die durch das Gesetz vom 14. November 1867 gegebene Möglichkeit
eines höheren Zinsgenusses reichlich benutzt haben, indem der Zins-
fuß auch von ihnen nicht nur auf 5 pCt. erhöht ist, sondern
auch 6 pCt. ziemlich regelmäßig für zweite, ja mitunter schon für
erste Hypotheken gefordert und erlangt worden sind. Ja es sind
bei einigen Hypotheken=Forderungen 8, 10, 12, 16, 17 ja 20 pCt.
Zinsen zur Eintragung gekommen.

* Kunstprodukten=Handel. Daß die Kunst nicht bloß "nach
Brod geht", sondern auch durch einen recht umfangreichen Handel
theilweise zu solchem gelangt, beweist allein der Handelsverkehr von
Düsseldorf. Dasselbe zählt nach den Angaben der "Elberfeld. Ztg."
gegenwärtig 200 Maler, die Professoren und Schüler der Akademie
einbegriffen, welche zusammen in vorigem Jahre gegen 360,000 Thlr.
Geldwerth in Bildern producirt haben. Der Kunsthandel, der direkte,
wie der indirekte, nach dem Auslande, besonders nach Amerika, ist
bedeutend. Dieser Exporthandel, für welchen einige tüchtige Maler
fast ausschließlich beschäftigt sind, umfaßt nahezu die Hälfte des
Werthes aller gemalten Bilder, und Amerika allein bezog im vorigen
Jahre Bilder von dort im Werthe von ungefähr 50,000 Thlr.
Der Handel mit Bildern der gewöhnlichen Sorten ist auch im
Steigen begriffen, wie die vermehrte Anzahl der Kunsthändler be-
[Spaltenumbruch] weist. Dieser Handel mit den sogenannten "Eintagsfliegen" und den
falschen Copien beziffert ebenfalls jährlich die Summe von ungefähr
50,000 Thaler. Die Masse von Kisten, welche fast täglich mit
den Erzeugnissen der für's tägliche liebe Brod malenden Kunstjünger
in die größeren und kleineren Städte Deutschlands wandern, sind
enorm, und der Profit der Händler, trotz des geringen Erzeugungs-
werthes und der meistens noch dürftiger gezahlten Preise, bedeutend.
Der Handel mit den falschen Copien geht ebenfalls, trotz verschiedener,
von den betreffenden Künstlervereinen dagegen ergriffenen Remedien,
seinen blühenden Fortgang.

Gewerbe.

* Die Licht= und Schattenseiten der Jndustrie von J. C.
Brunner, Fabrikant in Niederlenz ( Verlag von Sauerländer in Aarau )
II. Auflage. Brunner, der wie es scheint, vom Arbeiter sich bis zum
Fabrikherrn emporgeschwungen hat, schildert in diesem Schriftchen sehr
unpartheiisch die Vortheile der Jndustrie für ein Volk, namentlich die
unbemittelten Volksklassen und deren Nachtheile. Mit dem praktischen
Sinne, der alle schweizer Arbeiter in dieser Richtung auszeichnet,
zergliedert er den durch die große Jndustrie erzielten Fortschritt. Jn
seiner eigenen Fabrik wird z. B. ein Kleiderstoff gefertigt, der zu
50 Rappen die Elle ( 14 Kr. ) verkauft wird. Der Rohstoff dazu
kostet allein 35 R., in die übrigbleibenden 15 müssen sich Spinner,
Färber, Zwirner und Weber theilen, während der Handweber allein
15--20 R. per Elle Lohn fordert. Aus diesem Zeug kann sich ein
Arbeiter für 7 Franken einen ganzen Anzug machen lassen. Welcher
Fortschritt liegt in diesen Zahlen! ein Fortschritt, der Jedem auf-
fallen muß, der gesehen hat, wie vor 40 Jahren die untersten
Schichten gekleidet waren. Der Beschreibung Brunner's zufolge ent-
steht in der Schweiz in den Jndustrie=Bezirken eine besondere Fabrik-
bevölkerung, die sich aus sich selbst rekrutirt und Gefahr läuft zu
verkommen. Als Mittel dagegen empfiehlt er Enthaltung von der
Ehe, Auswanderung und Vermehrung der Jndustrie; er geht also
von der Ansicht aus, daß Uebervölkerung die Ursache des Elendes
sei. Ein näherer Blick auf die Jndustriegegenden würde ihm sofort
das Gegentheil gelehrt haben, denn die bevölkertsten Kantone sind
zugleich die wohlhabendsten. Rußland ist nicht reich, sondern Eng-
land. Es kommt also nicht auf die Menge der Bevölkerung, sondern
auf die Menge der Produktion im Verhältniß zur Volkszahl an.
Die Lage der Schweizer Jndustrie ist nach Brunner eine günstige,
und die Arbeiter haben nicht Ursache, sich zu beschweren. Die Fabriken
arbeiten regelmäßig fort, auch in schlechten Zeiten. Brunner bestätigt,
daß viel Elend in den Fabrik=Distrikten deshalb angetroffen werde,
weil alle Diejenigen, welche aus körperlichen oder materiellen Grün-
den beim Ackerbau nicht mehr zu brauchen sind, sich der Jndustrie
zuwenden, die auch schwache Kräfte verwenden kann. -- Daß die
Bestimmung des Arbeitlohnes vom Arbeitgeber abhänge, bezeichnet
Brunner als einen Jrrthum: in der Schweiz seien die Löhne seit
40 Jahren um 30--50 pCt. gestiegen, daran seien aber weder die
Arbeitgeber noch die Arbeiter Schuld. Jn den Kantonen Zürich und
Aargau z. B. sei 10,000 Fr. das durchschnittliche Vermögen auf die
Haushaltung, ein ziemlicher Wohlstand, da die Vermögens=Unterschiede
in der Schweiz nicht so groß sind, wie in andern Ländern. Am
Schluß sind die Mittel angegeben, die Fabrikarbeiter auf besseren
Weg zu bringen, Mittel, die namentlich Fabrikanten sehr zur Beach-
tung zu empfehlen sind.

* Baumwollverbrauch seit 1860. Das Jahr 1860 wird be-
kanntlich von den englischen Spinnern als das Normaljahr für den
Baumwollverbrauch hingestellt. Jn demselben wurden konsumirt: in
England 2,633,000 Ballen, Frankreich 621,000 Ballen, Holland
117,000 B., Belgien 64,000 B., Deutschland 307,000 B., Triest
77,000 B., Genua 72,000 B., Spanien 106,000 B., Rußland
324,000 B., die Vereinigten Staaten 860,000 B., zus. 5,181,000 B.
Während der Kriegsjahre hatte sich die Produktion und entsprechend
der Konsum bedeutend vermindert. Jm Jahre 1868 war der Ver-
brauch wieder auf 5,674,000 B. gestiegen, 1869 ging er wieder auf
5,433,000 B. zurück. Die düsteren Prophezeihungen der Schutz-
zöllner beim Abschluß der letzten Zollverträge sind also nicht nur
nicht in Erfüllung gegangen, sondern es hat die deutsche Spinnerei
im Ganzen und Großen einen erfreulichen Aufschwung genommen.

[Spaltenumbruch]

* Nachdruckgesetz. Der volkswirthschaftliche Verein in Berlin
( Prince=Smith, Faucher, Born ec. ) hat sich für Aufhebung der Nach-
druckgesetze im Prinzip ausgesprochen; er empfiehlt indeß nicht damit
sofort vorzugehen, sondern erst nach Ablauf von 3--5 Jahren, bis
der Geschäftsgang der Buchhändler reformirt sei; ferner meint er
eine Schutzfrist von drei Jahren genüge, alsdann könne der Nachdruck
erlaubt werden gegen ein Honorar von 1 Pfennig per abgesetzten
Bogen -- allein aus dem Grund, weil es einen literarischen Dieb-
stahl prinzipiell nicht gibt.

* Auswanderung. Jm englischen Parlament war ein An-
trag gestellt worden auf Unterstützung der Auswanderung durch den
Staat. Derselbe wurde verworfen.

* Todesstrafe. Der norddeutsche Reichstag hat sich mit bedeu-
tender Majorität gegen die Todesstrafe ausgesprochen.

* Arbeiter=Angelegenheiten. Die neue Fabrikordnung in Pforz-
heim
kann als angenommen betrachtet werden, da die Arbeiter auf
die Vorschläge der Fabrikanten eingegangen sind. Darnach soll die
tägliche Arbeitszeit 10 Stunden betragen, Samstags eine halbe Stunde
weniger. Jm Allgemeinen ist die Lage der Pforzheimer Goldarbeiter
gegen manche andere industrielle Orte als eine sehr befriedigende zu
betrachten. Jhr Unterstützungsverein, der sich unter gemeinsamer Ver-
waltung in einen Verein für Unterstützung der Kranken und in einen
für Unterstützung arbeitsunfähiger Arbeiter theilt, besitzt ein Vermögen
von 31,000 Gulden.

-- Zur Förderung der Fortbildung unter den Arbeitern hat
die Firma Cornelius Heyl in Worms a. Rh. die gewiß nach-
ahmungswerthe Einrichtung getroffen, daß sie in einem ihrer Fabrik-
räume ein Lesezimmer eingerichtet hat, worin mehrere größere und
kleinere politische Zeitungen, belletristische und illustrirte Zeitschriften
aufliegen. Den Aufsehern und Arbeitern der genannten Firma steht
das Lesezimmer zur Benützung offen und zwar täglich Mittags von
12 bis 1 Uhr und Abends von Schluß der Arbeit bis 8 Uhr, fer-
ner jeden Sonntag.

-- Die Berliner Schneider verlangen eine Lohnerhöhung von
25 pCt. und wollen die Arbeit einstellen, wenn dieselbe nicht bis
zum 15. d. M. bewilligt ist.

-- Die Grubenarbeiter der Gruben bei la Mure ( Frankreich )
haben die Arbeit eingestellt.

-- Jn Glasgow haben 1400 Tischler die Arbeit eingestellt.

-- Eine Wiener Schriftgießerei, die durch den Ausstand ihre
Arbeitskräfte verloren hat, beschäftigt jetzt Frauen. Die vereinigten
Buchdruckereibesitzer errichten eine Schule für Setzerinnen.

Handel und Verkehr.

* Hypothekenwesen. Jn einer im „Justizministerialblatte“
enthaltenen Uebersicht des Hypotheken=Verkehrs der Stadt Berlin
während der Jahre 1867 bis 1869 wird berichtet, daß nicht nur
bei fast allen Hypotheken der noch weniger als 5 pCt. betragende
Zinsfuß auf diese Höhe gebracht worden, sondern auch Privatleute
die durch das Gesetz vom 14. November 1867 gegebene Möglichkeit
eines höheren Zinsgenusses reichlich benutzt haben, indem der Zins-
fuß auch von ihnen nicht nur auf 5 pCt. erhöht ist, sondern
auch 6 pCt. ziemlich regelmäßig für zweite, ja mitunter schon für
erste Hypotheken gefordert und erlangt worden sind. Ja es sind
bei einigen Hypotheken=Forderungen 8, 10, 12, 16, 17 ja 20 pCt.
Zinsen zur Eintragung gekommen.

* Kunstprodukten=Handel. Daß die Kunst nicht bloß „nach
Brod geht“, sondern auch durch einen recht umfangreichen Handel
theilweise zu solchem gelangt, beweist allein der Handelsverkehr von
Düsseldorf. Dasselbe zählt nach den Angaben der „Elberfeld. Ztg.“
gegenwärtig 200 Maler, die Professoren und Schüler der Akademie
einbegriffen, welche zusammen in vorigem Jahre gegen 360,000 Thlr.
Geldwerth in Bildern producirt haben. Der Kunsthandel, der direkte,
wie der indirekte, nach dem Auslande, besonders nach Amerika, ist
bedeutend. Dieser Exporthandel, für welchen einige tüchtige Maler
fast ausschließlich beschäftigt sind, umfaßt nahezu die Hälfte des
Werthes aller gemalten Bilder, und Amerika allein bezog im vorigen
Jahre Bilder von dort im Werthe von ungefähr 50,000 Thlr.
Der Handel mit Bildern der gewöhnlichen Sorten ist auch im
Steigen begriffen, wie die vermehrte Anzahl der Kunsthändler be-
[Spaltenumbruch] weist. Dieser Handel mit den sogenannten „Eintagsfliegen“ und den
falschen Copien beziffert ebenfalls jährlich die Summe von ungefähr
50,000 Thaler. Die Masse von Kisten, welche fast täglich mit
den Erzeugnissen der für's tägliche liebe Brod malenden Kunstjünger
in die größeren und kleineren Städte Deutschlands wandern, sind
enorm, und der Profit der Händler, trotz des geringen Erzeugungs-
werthes und der meistens noch dürftiger gezahlten Preise, bedeutend.
Der Handel mit den falschen Copien geht ebenfalls, trotz verschiedener,
von den betreffenden Künstlervereinen dagegen ergriffenen Remedien,
seinen blühenden Fortgang.

Gewerbe.

* Die Licht= und Schattenseiten der Jndustrie von J. C.
Brunner, Fabrikant in Niederlenz ( Verlag von Sauerländer in Aarau )
II. Auflage. Brunner, der wie es scheint, vom Arbeiter sich bis zum
Fabrikherrn emporgeschwungen hat, schildert in diesem Schriftchen sehr
unpartheiisch die Vortheile der Jndustrie für ein Volk, namentlich die
unbemittelten Volksklassen und deren Nachtheile. Mit dem praktischen
Sinne, der alle schweizer Arbeiter in dieser Richtung auszeichnet,
zergliedert er den durch die große Jndustrie erzielten Fortschritt. Jn
seiner eigenen Fabrik wird z. B. ein Kleiderstoff gefertigt, der zu
50 Rappen die Elle ( 14 Kr. ) verkauft wird. Der Rohstoff dazu
kostet allein 35 R., in die übrigbleibenden 15 müssen sich Spinner,
Färber, Zwirner und Weber theilen, während der Handweber allein
15--20 R. per Elle Lohn fordert. Aus diesem Zeug kann sich ein
Arbeiter für 7 Franken einen ganzen Anzug machen lassen. Welcher
Fortschritt liegt in diesen Zahlen! ein Fortschritt, der Jedem auf-
fallen muß, der gesehen hat, wie vor 40 Jahren die untersten
Schichten gekleidet waren. Der Beschreibung Brunner's zufolge ent-
steht in der Schweiz in den Jndustrie=Bezirken eine besondere Fabrik-
bevölkerung, die sich aus sich selbst rekrutirt und Gefahr läuft zu
verkommen. Als Mittel dagegen empfiehlt er Enthaltung von der
Ehe, Auswanderung und Vermehrung der Jndustrie; er geht also
von der Ansicht aus, daß Uebervölkerung die Ursache des Elendes
sei. Ein näherer Blick auf die Jndustriegegenden würde ihm sofort
das Gegentheil gelehrt haben, denn die bevölkertsten Kantone sind
zugleich die wohlhabendsten. Rußland ist nicht reich, sondern Eng-
land. Es kommt also nicht auf die Menge der Bevölkerung, sondern
auf die Menge der Produktion im Verhältniß zur Volkszahl an.
Die Lage der Schweizer Jndustrie ist nach Brunner eine günstige,
und die Arbeiter haben nicht Ursache, sich zu beschweren. Die Fabriken
arbeiten regelmäßig fort, auch in schlechten Zeiten. Brunner bestätigt,
daß viel Elend in den Fabrik=Distrikten deshalb angetroffen werde,
weil alle Diejenigen, welche aus körperlichen oder materiellen Grün-
den beim Ackerbau nicht mehr zu brauchen sind, sich der Jndustrie
zuwenden, die auch schwache Kräfte verwenden kann. -- Daß die
Bestimmung des Arbeitlohnes vom Arbeitgeber abhänge, bezeichnet
Brunner als einen Jrrthum: in der Schweiz seien die Löhne seit
40 Jahren um 30--50 pCt. gestiegen, daran seien aber weder die
Arbeitgeber noch die Arbeiter Schuld. Jn den Kantonen Zürich und
Aargau z. B. sei 10,000 Fr. das durchschnittliche Vermögen auf die
Haushaltung, ein ziemlicher Wohlstand, da die Vermögens=Unterschiede
in der Schweiz nicht so groß sind, wie in andern Ländern. Am
Schluß sind die Mittel angegeben, die Fabrikarbeiter auf besseren
Weg zu bringen, Mittel, die namentlich Fabrikanten sehr zur Beach-
tung zu empfehlen sind.

* Baumwollverbrauch seit 1860. Das Jahr 1860 wird be-
kanntlich von den englischen Spinnern als das Normaljahr für den
Baumwollverbrauch hingestellt. Jn demselben wurden konsumirt: in
England 2,633,000 Ballen, Frankreich 621,000 Ballen, Holland
117,000 B., Belgien 64,000 B., Deutschland 307,000 B., Triest
77,000 B., Genua 72,000 B., Spanien 106,000 B., Rußland
324,000 B., die Vereinigten Staaten 860,000 B., zus. 5,181,000 B.
Während der Kriegsjahre hatte sich die Produktion und entsprechend
der Konsum bedeutend vermindert. Jm Jahre 1868 war der Ver-
brauch wieder auf 5,674,000 B. gestiegen, 1869 ging er wieder auf
5,433,000 B. zurück. Die düsteren Prophezeihungen der Schutz-
zöllner beim Abschluß der letzten Zollverträge sind also nicht nur
nicht in Erfüllung gegangen, sondern es hat die deutsche Spinnerei
im Ganzen und Großen einen erfreulichen Aufschwung genommen.

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[0004] * Nachdruckgesetz. Der volkswirthschaftliche Verein in Berlin ( Prince=Smith, Faucher, Born ec. ) hat sich für Aufhebung der Nach- druckgesetze im Prinzip ausgesprochen; er empfiehlt indeß nicht damit sofort vorzugehen, sondern erst nach Ablauf von 3--5 Jahren, bis der Geschäftsgang der Buchhändler reformirt sei; ferner meint er eine Schutzfrist von drei Jahren genüge, alsdann könne der Nachdruck erlaubt werden gegen ein Honorar von 1 Pfennig per abgesetzten Bogen -- allein aus dem Grund, weil es einen literarischen Dieb- stahl prinzipiell nicht gibt. * Auswanderung. Jm englischen Parlament war ein An- trag gestellt worden auf Unterstützung der Auswanderung durch den Staat. Derselbe wurde verworfen. * Todesstrafe. Der norddeutsche Reichstag hat sich mit bedeu- tender Majorität gegen die Todesstrafe ausgesprochen. * Arbeiter=Angelegenheiten. Die neue Fabrikordnung in Pforz- heim kann als angenommen betrachtet werden, da die Arbeiter auf die Vorschläge der Fabrikanten eingegangen sind. Darnach soll die tägliche Arbeitszeit 10 Stunden betragen, Samstags eine halbe Stunde weniger. Jm Allgemeinen ist die Lage der Pforzheimer Goldarbeiter gegen manche andere industrielle Orte als eine sehr befriedigende zu betrachten. Jhr Unterstützungsverein, der sich unter gemeinsamer Ver- waltung in einen Verein für Unterstützung der Kranken und in einen für Unterstützung arbeitsunfähiger Arbeiter theilt, besitzt ein Vermögen von 31,000 Gulden. -- Zur Förderung der Fortbildung unter den Arbeitern hat die Firma Cornelius Heyl in Worms a. Rh. die gewiß nach- ahmungswerthe Einrichtung getroffen, daß sie in einem ihrer Fabrik- räume ein Lesezimmer eingerichtet hat, worin mehrere größere und kleinere politische Zeitungen, belletristische und illustrirte Zeitschriften aufliegen. Den Aufsehern und Arbeitern der genannten Firma steht das Lesezimmer zur Benützung offen und zwar täglich Mittags von 12 bis 1 Uhr und Abends von Schluß der Arbeit bis 8 Uhr, fer- ner jeden Sonntag. -- Die Berliner Schneider verlangen eine Lohnerhöhung von 25 pCt. und wollen die Arbeit einstellen, wenn dieselbe nicht bis zum 15. d. M. bewilligt ist. -- Die Grubenarbeiter der Gruben bei la Mure ( Frankreich ) haben die Arbeit eingestellt. -- Jn Glasgow haben 1400 Tischler die Arbeit eingestellt. -- Eine Wiener Schriftgießerei, die durch den Ausstand ihre Arbeitskräfte verloren hat, beschäftigt jetzt Frauen. Die vereinigten Buchdruckereibesitzer errichten eine Schule für Setzerinnen. Handel und Verkehr. * Hypothekenwesen. Jn einer im „Justizministerialblatte“ enthaltenen Uebersicht des Hypotheken=Verkehrs der Stadt Berlin während der Jahre 1867 bis 1869 wird berichtet, daß nicht nur bei fast allen Hypotheken der noch weniger als 5 pCt. betragende Zinsfuß auf diese Höhe gebracht worden, sondern auch Privatleute die durch das Gesetz vom 14. November 1867 gegebene Möglichkeit eines höheren Zinsgenusses reichlich benutzt haben, indem der Zins- fuß auch von ihnen nicht nur auf 5 pCt. erhöht ist, sondern auch 6 pCt. ziemlich regelmäßig für zweite, ja mitunter schon für erste Hypotheken gefordert und erlangt worden sind. Ja es sind bei einigen Hypotheken=Forderungen 8, 10, 12, 16, 17 ja 20 pCt. Zinsen zur Eintragung gekommen. * Kunstprodukten=Handel. Daß die Kunst nicht bloß „nach Brod geht“, sondern auch durch einen recht umfangreichen Handel theilweise zu solchem gelangt, beweist allein der Handelsverkehr von Düsseldorf. Dasselbe zählt nach den Angaben der „Elberfeld. Ztg.“ gegenwärtig 200 Maler, die Professoren und Schüler der Akademie einbegriffen, welche zusammen in vorigem Jahre gegen 360,000 Thlr. Geldwerth in Bildern producirt haben. Der Kunsthandel, der direkte, wie der indirekte, nach dem Auslande, besonders nach Amerika, ist bedeutend. Dieser Exporthandel, für welchen einige tüchtige Maler fast ausschließlich beschäftigt sind, umfaßt nahezu die Hälfte des Werthes aller gemalten Bilder, und Amerika allein bezog im vorigen Jahre Bilder von dort im Werthe von ungefähr 50,000 Thlr. Der Handel mit Bildern der gewöhnlichen Sorten ist auch im Steigen begriffen, wie die vermehrte Anzahl der Kunsthändler be- weist. Dieser Handel mit den sogenannten „Eintagsfliegen“ und den falschen Copien beziffert ebenfalls jährlich die Summe von ungefähr 50,000 Thaler. Die Masse von Kisten, welche fast täglich mit den Erzeugnissen der für's tägliche liebe Brod malenden Kunstjünger in die größeren und kleineren Städte Deutschlands wandern, sind enorm, und der Profit der Händler, trotz des geringen Erzeugungs- werthes und der meistens noch dürftiger gezahlten Preise, bedeutend. Der Handel mit den falschen Copien geht ebenfalls, trotz verschiedener, von den betreffenden Künstlervereinen dagegen ergriffenen Remedien, seinen blühenden Fortgang. Gewerbe. * Die Licht= und Schattenseiten der Jndustrie von J. C. Brunner, Fabrikant in Niederlenz ( Verlag von Sauerländer in Aarau ) II. Auflage. Brunner, der wie es scheint, vom Arbeiter sich bis zum Fabrikherrn emporgeschwungen hat, schildert in diesem Schriftchen sehr unpartheiisch die Vortheile der Jndustrie für ein Volk, namentlich die unbemittelten Volksklassen und deren Nachtheile. Mit dem praktischen Sinne, der alle schweizer Arbeiter in dieser Richtung auszeichnet, zergliedert er den durch die große Jndustrie erzielten Fortschritt. Jn seiner eigenen Fabrik wird z. B. ein Kleiderstoff gefertigt, der zu 50 Rappen die Elle ( 14 Kr. ) verkauft wird. Der Rohstoff dazu kostet allein 35 R., in die übrigbleibenden 15 müssen sich Spinner, Färber, Zwirner und Weber theilen, während der Handweber allein 15--20 R. per Elle Lohn fordert. Aus diesem Zeug kann sich ein Arbeiter für 7 Franken einen ganzen Anzug machen lassen. Welcher Fortschritt liegt in diesen Zahlen! ein Fortschritt, der Jedem auf- fallen muß, der gesehen hat, wie vor 40 Jahren die untersten Schichten gekleidet waren. Der Beschreibung Brunner's zufolge ent- steht in der Schweiz in den Jndustrie=Bezirken eine besondere Fabrik- bevölkerung, die sich aus sich selbst rekrutirt und Gefahr läuft zu verkommen. Als Mittel dagegen empfiehlt er Enthaltung von der Ehe, Auswanderung und Vermehrung der Jndustrie; er geht also von der Ansicht aus, daß Uebervölkerung die Ursache des Elendes sei. Ein näherer Blick auf die Jndustriegegenden würde ihm sofort das Gegentheil gelehrt haben, denn die bevölkertsten Kantone sind zugleich die wohlhabendsten. Rußland ist nicht reich, sondern Eng- land. Es kommt also nicht auf die Menge der Bevölkerung, sondern auf die Menge der Produktion im Verhältniß zur Volkszahl an. Die Lage der Schweizer Jndustrie ist nach Brunner eine günstige, und die Arbeiter haben nicht Ursache, sich zu beschweren. Die Fabriken arbeiten regelmäßig fort, auch in schlechten Zeiten. Brunner bestätigt, daß viel Elend in den Fabrik=Distrikten deshalb angetroffen werde, weil alle Diejenigen, welche aus körperlichen oder materiellen Grün- den beim Ackerbau nicht mehr zu brauchen sind, sich der Jndustrie zuwenden, die auch schwache Kräfte verwenden kann. -- Daß die Bestimmung des Arbeitlohnes vom Arbeitgeber abhänge, bezeichnet Brunner als einen Jrrthum: in der Schweiz seien die Löhne seit 40 Jahren um 30--50 pCt. gestiegen, daran seien aber weder die Arbeitgeber noch die Arbeiter Schuld. Jn den Kantonen Zürich und Aargau z. B. sei 10,000 Fr. das durchschnittliche Vermögen auf die Haushaltung, ein ziemlicher Wohlstand, da die Vermögens=Unterschiede in der Schweiz nicht so groß sind, wie in andern Ländern. Am Schluß sind die Mittel angegeben, die Fabrikarbeiter auf besseren Weg zu bringen, Mittel, die namentlich Fabrikanten sehr zur Beach- tung zu empfehlen sind. * Baumwollverbrauch seit 1860. Das Jahr 1860 wird be- kanntlich von den englischen Spinnern als das Normaljahr für den Baumwollverbrauch hingestellt. Jn demselben wurden konsumirt: in England 2,633,000 Ballen, Frankreich 621,000 Ballen, Holland 117,000 B., Belgien 64,000 B., Deutschland 307,000 B., Triest 77,000 B., Genua 72,000 B., Spanien 106,000 B., Rußland 324,000 B., die Vereinigten Staaten 860,000 B., zus. 5,181,000 B. Während der Kriegsjahre hatte sich die Produktion und entsprechend der Konsum bedeutend vermindert. Jm Jahre 1868 war der Ver- brauch wieder auf 5,674,000 B. gestiegen, 1869 ging er wieder auf 5,433,000 B. zurück. Die düsteren Prophezeihungen der Schutz- zöllner beim Abschluß der letzten Zollverträge sind also nicht nur nicht in Erfüllung gegangen, sondern es hat die deutsche Spinnerei im Ganzen und Großen einen erfreulichen Aufschwung genommen.

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 671. Frankfurt a. M., 11. März 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0671_1870/4>, abgerufen am 21.11.2024.