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Der Arbeitgeber. Nr. 1069. Frankfurt a. M., 27. Oktober 1877.

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[Spaltenumbruch] die am neuen Justizpalast arbeitet, ist von den feiernden englischen
Collegen auf der Straße angegriffen worden. Seitdem schlafen sie
in dem Palast. Der Ausstands=Ausschuß hat in den Zeitungen
erklärt, daß er nichts mit den Angriffen zu thun habe.

Bessere Nachrichten kommen aus Nordamerika.

Jn Australien werden Eisenbahn=Arbeiter gesucht; man hat
auch schon Japanesen zur Einwanderung veranlaßt.

Das Stellen=Vermittlungs=Bureau des schweizerischen Vereins
junger Kaufleute in Deutschland hat vom 1. Juni 1876 bis
1. Mai 1877 479 Stellengesuche erhalten, und 244 Anmeldungen
offener Stellen, wovon die meisten aus der Schweiz und nur
9% vom Ausland. Vom 1. Mai bis 1. September gingen 159
Stellengesuche ein und 105 Anmeldungen offener Stellen. Den
Vorort für die schweizerischen Unterstützungs=Vereine im Ausland
wird für die nächste Periode wahrscheinlich Berlin übernehmen.

Bei dem Eisenbahnbau fehlt es trotz der großen Zahl anderswo
unbeschäftigter Arbeiter an Kräften. So werden neuerdings 100
tüchtige Erd= und Felsarbeiter von dem Schachtmeister Friedrich
Held in Horstmar bei Burgsteinfurt gesucht.

[ Wir bitten um Zusendung aller Zeitungsnummern, worin sich Angaben
über Bedarf oder Ueberfluß an Arbeitern befinden. D. Red. ]

* Geschäftsbericht. Die Thronrede zur Eröffnung des preu-
ßischen Landtages hebt hervor, daß die Finanzlage Preußens
für das Jahr 1876 "eine über Erwarten günstige" sei, dagegen
sei für das laufende Jahr der gehegten Voraussetzung entgegen
"der Matrikularbeitrag zum Haushalte des Reiches bedeutend
erhöht worden". Einzelne Einnahmezweige seien erheblich zurück-
geblieben. Zur Vorlage kommen außer dem Budget: eine Anleihe,
eine Abänderung der Städte=Ordnung für 5 Provinzen, eine Weg-
Ordnung, ein Gesetz zum Schutze der Felder und Wälder, ein
Gemeindesteuergesetz, die Ausführung der deutschen Gerichtsver-
fassung und die Vorbildung zum höheren Verwaltungsdienst.

Den bisherigen Verzollungen nach erwartet man einen Ausfall
von 10 Mill. in der Zoll=Einnahme.

Wie sehr die Eisenpreise in der Schwindelzeit 1871/3 ge-
stiegen und seitdem gefallen sind, zeigte eine Uebersicht der Preise
von Röhrenkesseln,
welche in dem Jahresbericht der Bergwerks-
Direction von Saarbrücken vorkommt. Dieselben sind vom Jahre
1856 an systematisch von 600 auf 580, 558, 510, 450, 408,
378, 366, 330, 324 ( 1868 ) herabgegangen mit geringen Schwan-
kungen. Es ist daraus ersichtlich, daß die Preise mit dem Fort-
schritte der Technik sanken. Vom Jahre 1869 an gingen sie aber
von 339 M. die 1000 Kg. auf 375, 442, 570, 642 im Durch-
schnitt hinauf, erreichten sogar 756, um dann wieder auf 435,
336 und 306 in den Jahren 1874/6 zu sinken. Der heutige
Preis entfernt sich also nicht weit von dem vor dem Kriege und
würde ohne diesen wohl bei derselben Zahl angelangt sein. Die
Klagen der Eisenindustriellen werden damit auf ihr richtiges Maß
zurückgeführt: sie sind veranlaßt durch die selbstverschuldete Ueber-
production.

Das amerikanische Export = Journal meldet, daß nunmehr
sichere Zeichen für eine Wiederkehr besserer Zeiten auftreten. Die
Bewegung im Handel und auf den Märkten ist eine lebhaftere und
macht sich bereits fühlbar. Amerika kann aber darin nicht allein
stehen, andere Länder müssen ihm nachfolgen.

* Patentwesen. Das Reichs=Patentamt empfiehlt den Er-
findern, da eine gesetzliche Vorschrift darüber nicht beliebt wurde,
ihre patentirten Waaren mit der Bezeichnung D. R. P. oder "Deutsches
Reich. Patent", unter Beifügung des Datums, zu versehen.
Wenn der Patentschutz von Handelsartikeln leicht erkennbar und
letztere von andern nicht patentirten Waaren unterschieden werden
sollen, so müsse die Bezeichnung eine gleichmäßige sein. Jm Aus-
lande geschieht das fast ausschließlich: man bezeichnet die Waaren
einfach mit dem Datum des Patentes ( Patent vom.... ) oder
fügt nur bei "patentirt".

Zur Uebertragung von Landespatenten werden nach einer
neueren Verfügung sämmtliche noch vorhandenen deutschen Patente
verlangt, sammt Beschreibung und Zeichnung.

-- Das Journ. d. Jnv. begrüßt die neue Vorschrift des
belgischen Patentamtes, daß zu den Beschreibungen und Zeichnungen
bestimmtes Papier von bestimmtem Maße genommen werden müsse,
mit Genugthuung. Sorgfältige Patent=Anwalte hätten dieß bisher
[Spaltenumbruch] schon gethan, und dann sei in der Maßregel der erste Schritt zur
Errichtung eines Museums der Erfindungen zu erkennen. -- Das-
selbe Blatt begrüßt mit lebhaftem Beifall die Vorlage des schweizer.
Patent=Gesetz=Entwurfes,
bedauert aber, daß es zu sehr dem
deutschen Gesetze nachgebildet sei, u. A. bezüglich der chemischen Er-
findungen. Außerdem seien noch manche andere "retrograde" Be-
stimmungen darin, welche ihm gegenüber dieselbe Vorsicht nöthig
machten, wie beim deutschen Gesetz. Letzteres scheint in Belgien
nicht sehr in Gunst zu stehen.

-- Jn England ist die Gründung einer großen Gesellschaft
mit 400,000 Ls. Grundstock zur Unterstützung der Erfinder, Aus-
führung und Verwerthung neuer Erfindungen beabsichtigt.

* Markenschutz. Jm September wurden von 33 Firmen
36 Zeichen hinterlegt gegen 39 im August. Die Gesammtzahl
für dieses Jahr beträgt nun 417 Zeichen von 333 Firmen, seit
Bestehen des Gesetzes 7520 von 3640 Firmen, worunter 941
ausländische.

* Kunstgewerbe. Jn Hannover ist eine Kunstschule errichtet
worden, die nun durch eine Fachschule für Decorationsmaler
erweitert wurde.

* Versammlungen. Der hessische Thierschutzverein hat am
24. seine Jahresversammlung in Großgerau abgehalten, auf welcher
Prämien vertheilt und von Lehrer Oswald aus Darmstadt ein
Vortrag über die Berücksichtigung des Thierschutzes in der Schule
gehalten wurde.

* Der deutsche Arbeiter=Kongreß ist am 21. in Gera er-
öffnet und zum Vorsitzenden Dr. Max Hirsch erwählt worden.
Es waren 490 Vereine durch 90 Abgeordnete vertreten. Das vor-
gelegte antisocialistische Programm wurde fast einstimmig genehmigt.

Das mit großer Mehrheit gegen den Widerspruch der Na-
tionalliberalen angenommene Programm verlangt: "1. Gleiches
und directes Wahlrecht mit Diäten. 2. Gerechtere Vertheilung
der Steuern. 3. Verkürzung der Militär=Dienstzeit. 4. Unent-
geltliche Volks = Bildung mit Fortbildungs= und Fach = Schulen.
5. Schutz der Arbeiter gegen Schädigung und Ausbeutung, strenge
Aufsicht durch Fabrik=Jnspectionen, wirksames Haftpflicht=Gesetz.
6. Gewerbliche Schieds=Gerichte, gesetzliche Anerkennung der Gewerk-
Vereine. Abwehr neuer Beschränkungen der Coalitions=Freiheit.
7. Beseitigung der Straf=Arbeit [ Was sollen denn aber die Ge-
fangenen arbeiten? Nichts? Glaubt man, daß die dadurch ver-
ursachten Mehrkosten den Arbeiter nicht drücken? Anm. d. Red. ]
und der Militär=Arbeit. 8. Humanes, die gegenseitigen Rechte und
Pflichten achtendes Verhältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer, Vereinbarung der Arbeits=Ordnungen, des Lohns, ange-
messene Arbeit = Zeit und möglichste Jnteressirung der Arbeiter an
dem Gedeihen des Geschäfts. 9. Förderung der Ausbildung der
Lehrlinge. 10. Gründung von Bildungs=Vereinen, wirthschaftlichen
Genossenschaften, nationalen Gewerk=Vereinen und Arbeitgeber-
Verbänden, Hülfs= und Jnvaliden=Kassen, von Einigungs=Aemtern,
welche Ausstände und Aussperrungen wirksam verhüten. 11. Aus-
dauernder Kampf durch Wort und Schrift gegen alle Bestrebungen
nach Klassen=Herrschaft, mögen dieselben von oben oder von unten
ausgehen." Wir hätten gewünscht, daß das sonst anerkennens-
werthe Programm so allgemeine Redensarten weggelassen hätte, wie
"Kampf gegen Klassenherrschaft", "humanes Verhältniß", "schädigende
Einrichtungen" ec., weil Niemand weiß, was darunter zu verstehen
ist.

Jn der Schulfrage erklärte sich der Kongreß für eine
wesentlich erhöhte Volksbildung durch Unentgeltlichkeit des Unter-
richts, Verbot der Kinder=Arbeit in Fabriken, Organisation der
Fortbildungs=Schulen, Auswahl der Lese=Gegenstände und genü-
gende Dotation der Schulen."

* Der Verband rhein. und westf. Bildungsvereine,
welcher jetzt 56 Mitglieder zählt, tagte heuer in Crefeld und be-
schloß die Gründung von Volksbibliotheken an allen Orten
anzuregen, wo noch keine sind, und vorläufig Wanderbiblio-
theken
zu errichten. Es wurde dafür ein besonderer Ausschuß
niedergesetzt und 424 M. bewilligt. Vorträge erklärte man
für einen unentbehrlichen Theil der Vereinsthätigkeit, nach den ge-
machten Erfahrungen werde keine "verderbliche Halbbildung" durch
sie erzeugt, nur müßten sie passend ausgewählt sein, den Bildungs-
grad der Zuhörer berücksichtigen, gemeinverständlich sein, also Viel-
wisserei vermeiden, auch den Ansichten von Gegnern gerecht werden

[Spaltenumbruch] die am neuen Justizpalast arbeitet, ist von den feiernden englischen
Collegen auf der Straße angegriffen worden. Seitdem schlafen sie
in dem Palast. Der Ausstands=Ausschuß hat in den Zeitungen
erklärt, daß er nichts mit den Angriffen zu thun habe.

Bessere Nachrichten kommen aus Nordamerika.

Jn Australien werden Eisenbahn=Arbeiter gesucht; man hat
auch schon Japanesen zur Einwanderung veranlaßt.

Das Stellen=Vermittlungs=Bureau des schweizerischen Vereins
junger Kaufleute in Deutschland hat vom 1. Juni 1876 bis
1. Mai 1877 479 Stellengesuche erhalten, und 244 Anmeldungen
offener Stellen, wovon die meisten aus der Schweiz und nur
9% vom Ausland. Vom 1. Mai bis 1. September gingen 159
Stellengesuche ein und 105 Anmeldungen offener Stellen. Den
Vorort für die schweizerischen Unterstützungs=Vereine im Ausland
wird für die nächste Periode wahrscheinlich Berlin übernehmen.

Bei dem Eisenbahnbau fehlt es trotz der großen Zahl anderswo
unbeschäftigter Arbeiter an Kräften. So werden neuerdings 100
tüchtige Erd= und Felsarbeiter von dem Schachtmeister Friedrich
Held in Horstmar bei Burgsteinfurt gesucht.

[ Wir bitten um Zusendung aller Zeitungsnummern, worin sich Angaben
über Bedarf oder Ueberfluß an Arbeitern befinden. D. Red. ]

* Geschäftsbericht. Die Thronrede zur Eröffnung des preu-
ßischen Landtages hebt hervor, daß die Finanzlage Preußens
für das Jahr 1876 „eine über Erwarten günstige“ sei, dagegen
sei für das laufende Jahr der gehegten Voraussetzung entgegen
„der Matrikularbeitrag zum Haushalte des Reiches bedeutend
erhöht worden“. Einzelne Einnahmezweige seien erheblich zurück-
geblieben. Zur Vorlage kommen außer dem Budget: eine Anleihe,
eine Abänderung der Städte=Ordnung für 5 Provinzen, eine Weg-
Ordnung, ein Gesetz zum Schutze der Felder und Wälder, ein
Gemeindesteuergesetz, die Ausführung der deutschen Gerichtsver-
fassung und die Vorbildung zum höheren Verwaltungsdienst.

Den bisherigen Verzollungen nach erwartet man einen Ausfall
von 10 Mill. in der Zoll=Einnahme.

Wie sehr die Eisenpreise in der Schwindelzeit 1871/3 ge-
stiegen und seitdem gefallen sind, zeigte eine Uebersicht der Preise
von Röhrenkesseln,
welche in dem Jahresbericht der Bergwerks-
Direction von Saarbrücken vorkommt. Dieselben sind vom Jahre
1856 an systematisch von 600 auf 580, 558, 510, 450, 408,
378, 366, 330, 324 ( 1868 ) herabgegangen mit geringen Schwan-
kungen. Es ist daraus ersichtlich, daß die Preise mit dem Fort-
schritte der Technik sanken. Vom Jahre 1869 an gingen sie aber
von 339 M. die 1000 Kg. auf 375, 442, 570, 642 im Durch-
schnitt hinauf, erreichten sogar 756, um dann wieder auf 435,
336 und 306 in den Jahren 1874/6 zu sinken. Der heutige
Preis entfernt sich also nicht weit von dem vor dem Kriege und
würde ohne diesen wohl bei derselben Zahl angelangt sein. Die
Klagen der Eisenindustriellen werden damit auf ihr richtiges Maß
zurückgeführt: sie sind veranlaßt durch die selbstverschuldete Ueber-
production.

Das amerikanische Export = Journal meldet, daß nunmehr
sichere Zeichen für eine Wiederkehr besserer Zeiten auftreten. Die
Bewegung im Handel und auf den Märkten ist eine lebhaftere und
macht sich bereits fühlbar. Amerika kann aber darin nicht allein
stehen, andere Länder müssen ihm nachfolgen.

* Patentwesen. Das Reichs=Patentamt empfiehlt den Er-
findern, da eine gesetzliche Vorschrift darüber nicht beliebt wurde,
ihre patentirten Waaren mit der Bezeichnung D. R. P. oder „Deutsches
Reich. Patent“, unter Beifügung des Datums, zu versehen.
Wenn der Patentschutz von Handelsartikeln leicht erkennbar und
letztere von andern nicht patentirten Waaren unterschieden werden
sollen, so müsse die Bezeichnung eine gleichmäßige sein. Jm Aus-
lande geschieht das fast ausschließlich: man bezeichnet die Waaren
einfach mit dem Datum des Patentes ( Patent vom.... ) oder
fügt nur bei „patentirt“.

Zur Uebertragung von Landespatenten werden nach einer
neueren Verfügung sämmtliche noch vorhandenen deutschen Patente
verlangt, sammt Beschreibung und Zeichnung.

-- Das Journ. d. Jnv. begrüßt die neue Vorschrift des
belgischen Patentamtes, daß zu den Beschreibungen und Zeichnungen
bestimmtes Papier von bestimmtem Maße genommen werden müsse,
mit Genugthuung. Sorgfältige Patent=Anwalte hätten dieß bisher
[Spaltenumbruch] schon gethan, und dann sei in der Maßregel der erste Schritt zur
Errichtung eines Museums der Erfindungen zu erkennen. -- Das-
selbe Blatt begrüßt mit lebhaftem Beifall die Vorlage des schweizer.
Patent=Gesetz=Entwurfes,
bedauert aber, daß es zu sehr dem
deutschen Gesetze nachgebildet sei, u. A. bezüglich der chemischen Er-
findungen. Außerdem seien noch manche andere „retrograde“ Be-
stimmungen darin, welche ihm gegenüber dieselbe Vorsicht nöthig
machten, wie beim deutschen Gesetz. Letzteres scheint in Belgien
nicht sehr in Gunst zu stehen.

-- Jn England ist die Gründung einer großen Gesellschaft
mit 400,000 Ls. Grundstock zur Unterstützung der Erfinder, Aus-
führung und Verwerthung neuer Erfindungen beabsichtigt.

* Markenschutz. Jm September wurden von 33 Firmen
36 Zeichen hinterlegt gegen 39 im August. Die Gesammtzahl
für dieses Jahr beträgt nun 417 Zeichen von 333 Firmen, seit
Bestehen des Gesetzes 7520 von 3640 Firmen, worunter 941
ausländische.

* Kunstgewerbe. Jn Hannover ist eine Kunstschule errichtet
worden, die nun durch eine Fachschule für Decorationsmaler
erweitert wurde.

* Versammlungen. Der hessische Thierschutzverein hat am
24. seine Jahresversammlung in Großgerau abgehalten, auf welcher
Prämien vertheilt und von Lehrer Oswald aus Darmstadt ein
Vortrag über die Berücksichtigung des Thierschutzes in der Schule
gehalten wurde.

* Der deutsche Arbeiter=Kongreß ist am 21. in Gera er-
öffnet und zum Vorsitzenden Dr. Max Hirsch erwählt worden.
Es waren 490 Vereine durch 90 Abgeordnete vertreten. Das vor-
gelegte antisocialistische Programm wurde fast einstimmig genehmigt.

Das mit großer Mehrheit gegen den Widerspruch der Na-
tionalliberalen angenommene Programm verlangt: „1. Gleiches
und directes Wahlrecht mit Diäten. 2. Gerechtere Vertheilung
der Steuern. 3. Verkürzung der Militär=Dienstzeit. 4. Unent-
geltliche Volks = Bildung mit Fortbildungs= und Fach = Schulen.
5. Schutz der Arbeiter gegen Schädigung und Ausbeutung, strenge
Aufsicht durch Fabrik=Jnspectionen, wirksames Haftpflicht=Gesetz.
6. Gewerbliche Schieds=Gerichte, gesetzliche Anerkennung der Gewerk-
Vereine. Abwehr neuer Beschränkungen der Coalitions=Freiheit.
7. Beseitigung der Straf=Arbeit [ Was sollen denn aber die Ge-
fangenen arbeiten? Nichts? Glaubt man, daß die dadurch ver-
ursachten Mehrkosten den Arbeiter nicht drücken? Anm. d. Red. ]
und der Militär=Arbeit. 8. Humanes, die gegenseitigen Rechte und
Pflichten achtendes Verhältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer, Vereinbarung der Arbeits=Ordnungen, des Lohns, ange-
messene Arbeit = Zeit und möglichste Jnteressirung der Arbeiter an
dem Gedeihen des Geschäfts. 9. Förderung der Ausbildung der
Lehrlinge. 10. Gründung von Bildungs=Vereinen, wirthschaftlichen
Genossenschaften, nationalen Gewerk=Vereinen und Arbeitgeber-
Verbänden, Hülfs= und Jnvaliden=Kassen, von Einigungs=Aemtern,
welche Ausstände und Aussperrungen wirksam verhüten. 11. Aus-
dauernder Kampf durch Wort und Schrift gegen alle Bestrebungen
nach Klassen=Herrschaft, mögen dieselben von oben oder von unten
ausgehen.“ Wir hätten gewünscht, daß das sonst anerkennens-
werthe Programm so allgemeine Redensarten weggelassen hätte, wie
„Kampf gegen Klassenherrschaft“, „humanes Verhältniß“, „schädigende
Einrichtungen“ ec., weil Niemand weiß, was darunter zu verstehen
ist.

Jn der Schulfrage erklärte sich der Kongreß für eine
wesentlich erhöhte Volksbildung durch Unentgeltlichkeit des Unter-
richts, Verbot der Kinder=Arbeit in Fabriken, Organisation der
Fortbildungs=Schulen, Auswahl der Lese=Gegenstände und genü-
gende Dotation der Schulen.“

* Der Verband rhein. und westf. Bildungsvereine,
welcher jetzt 56 Mitglieder zählt, tagte heuer in Crefeld und be-
schloß die Gründung von Volksbibliotheken an allen Orten
anzuregen, wo noch keine sind, und vorläufig Wanderbiblio-
theken
zu errichten. Es wurde dafür ein besonderer Ausschuß
niedergesetzt und 424 M. bewilligt. Vorträge erklärte man
für einen unentbehrlichen Theil der Vereinsthätigkeit, nach den ge-
machten Erfahrungen werde keine „verderbliche Halbbildung“ durch
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[0002] die am neuen Justizpalast arbeitet, ist von den feiernden englischen Collegen auf der Straße angegriffen worden. Seitdem schlafen sie in dem Palast. Der Ausstands=Ausschuß hat in den Zeitungen erklärt, daß er nichts mit den Angriffen zu thun habe. Bessere Nachrichten kommen aus Nordamerika. Jn Australien werden Eisenbahn=Arbeiter gesucht; man hat auch schon Japanesen zur Einwanderung veranlaßt. Das Stellen=Vermittlungs=Bureau des schweizerischen Vereins junger Kaufleute in Deutschland hat vom 1. Juni 1876 bis 1. Mai 1877 479 Stellengesuche erhalten, und 244 Anmeldungen offener Stellen, wovon die meisten aus der Schweiz und nur 9% vom Ausland. Vom 1. Mai bis 1. September gingen 159 Stellengesuche ein und 105 Anmeldungen offener Stellen. Den Vorort für die schweizerischen Unterstützungs=Vereine im Ausland wird für die nächste Periode wahrscheinlich Berlin übernehmen. Bei dem Eisenbahnbau fehlt es trotz der großen Zahl anderswo unbeschäftigter Arbeiter an Kräften. So werden neuerdings 100 tüchtige Erd= und Felsarbeiter von dem Schachtmeister Friedrich Held in Horstmar bei Burgsteinfurt gesucht. [ Wir bitten um Zusendung aller Zeitungsnummern, worin sich Angaben über Bedarf oder Ueberfluß an Arbeitern befinden. D. Red. ] * Geschäftsbericht. Die Thronrede zur Eröffnung des preu- ßischen Landtages hebt hervor, daß die Finanzlage Preußens für das Jahr 1876 „eine über Erwarten günstige“ sei, dagegen sei für das laufende Jahr der gehegten Voraussetzung entgegen „der Matrikularbeitrag zum Haushalte des Reiches bedeutend erhöht worden“. Einzelne Einnahmezweige seien erheblich zurück- geblieben. Zur Vorlage kommen außer dem Budget: eine Anleihe, eine Abänderung der Städte=Ordnung für 5 Provinzen, eine Weg- Ordnung, ein Gesetz zum Schutze der Felder und Wälder, ein Gemeindesteuergesetz, die Ausführung der deutschen Gerichtsver- fassung und die Vorbildung zum höheren Verwaltungsdienst. Den bisherigen Verzollungen nach erwartet man einen Ausfall von 10 Mill. in der Zoll=Einnahme. Wie sehr die Eisenpreise in der Schwindelzeit 1871/3 ge- stiegen und seitdem gefallen sind, zeigte eine Uebersicht der Preise von Röhrenkesseln, welche in dem Jahresbericht der Bergwerks- Direction von Saarbrücken vorkommt. Dieselben sind vom Jahre 1856 an systematisch von 600 auf 580, 558, 510, 450, 408, 378, 366, 330, 324 ( 1868 ) herabgegangen mit geringen Schwan- kungen. Es ist daraus ersichtlich, daß die Preise mit dem Fort- schritte der Technik sanken. Vom Jahre 1869 an gingen sie aber von 339 M. die 1000 Kg. auf 375, 442, 570, 642 im Durch- schnitt hinauf, erreichten sogar 756, um dann wieder auf 435, 336 und 306 in den Jahren 1874/6 zu sinken. Der heutige Preis entfernt sich also nicht weit von dem vor dem Kriege und würde ohne diesen wohl bei derselben Zahl angelangt sein. Die Klagen der Eisenindustriellen werden damit auf ihr richtiges Maß zurückgeführt: sie sind veranlaßt durch die selbstverschuldete Ueber- production. Das amerikanische Export = Journal meldet, daß nunmehr sichere Zeichen für eine Wiederkehr besserer Zeiten auftreten. Die Bewegung im Handel und auf den Märkten ist eine lebhaftere und macht sich bereits fühlbar. Amerika kann aber darin nicht allein stehen, andere Länder müssen ihm nachfolgen. * Patentwesen. Das Reichs=Patentamt empfiehlt den Er- findern, da eine gesetzliche Vorschrift darüber nicht beliebt wurde, ihre patentirten Waaren mit der Bezeichnung D. R. P. oder „Deutsches Reich. Patent“, unter Beifügung des Datums, zu versehen. Wenn der Patentschutz von Handelsartikeln leicht erkennbar und letztere von andern nicht patentirten Waaren unterschieden werden sollen, so müsse die Bezeichnung eine gleichmäßige sein. Jm Aus- lande geschieht das fast ausschließlich: man bezeichnet die Waaren einfach mit dem Datum des Patentes ( Patent vom.... ) oder fügt nur bei „patentirt“. Zur Uebertragung von Landespatenten werden nach einer neueren Verfügung sämmtliche noch vorhandenen deutschen Patente verlangt, sammt Beschreibung und Zeichnung. -- Das Journ. d. Jnv. begrüßt die neue Vorschrift des belgischen Patentamtes, daß zu den Beschreibungen und Zeichnungen bestimmtes Papier von bestimmtem Maße genommen werden müsse, mit Genugthuung. Sorgfältige Patent=Anwalte hätten dieß bisher schon gethan, und dann sei in der Maßregel der erste Schritt zur Errichtung eines Museums der Erfindungen zu erkennen. -- Das- selbe Blatt begrüßt mit lebhaftem Beifall die Vorlage des schweizer. Patent=Gesetz=Entwurfes, bedauert aber, daß es zu sehr dem deutschen Gesetze nachgebildet sei, u. A. bezüglich der chemischen Er- findungen. Außerdem seien noch manche andere „retrograde“ Be- stimmungen darin, welche ihm gegenüber dieselbe Vorsicht nöthig machten, wie beim deutschen Gesetz. Letzteres scheint in Belgien nicht sehr in Gunst zu stehen. -- Jn England ist die Gründung einer großen Gesellschaft mit 400,000 Ls. Grundstock zur Unterstützung der Erfinder, Aus- führung und Verwerthung neuer Erfindungen beabsichtigt. * Markenschutz. Jm September wurden von 33 Firmen 36 Zeichen hinterlegt gegen 39 im August. Die Gesammtzahl für dieses Jahr beträgt nun 417 Zeichen von 333 Firmen, seit Bestehen des Gesetzes 7520 von 3640 Firmen, worunter 941 ausländische. * Kunstgewerbe. Jn Hannover ist eine Kunstschule errichtet worden, die nun durch eine Fachschule für Decorationsmaler erweitert wurde. * Versammlungen. Der hessische Thierschutzverein hat am 24. seine Jahresversammlung in Großgerau abgehalten, auf welcher Prämien vertheilt und von Lehrer Oswald aus Darmstadt ein Vortrag über die Berücksichtigung des Thierschutzes in der Schule gehalten wurde. * Der deutsche Arbeiter=Kongreß ist am 21. in Gera er- öffnet und zum Vorsitzenden Dr. Max Hirsch erwählt worden. Es waren 490 Vereine durch 90 Abgeordnete vertreten. Das vor- gelegte antisocialistische Programm wurde fast einstimmig genehmigt. Das mit großer Mehrheit gegen den Widerspruch der Na- tionalliberalen angenommene Programm verlangt: „1. Gleiches und directes Wahlrecht mit Diäten. 2. Gerechtere Vertheilung der Steuern. 3. Verkürzung der Militär=Dienstzeit. 4. Unent- geltliche Volks = Bildung mit Fortbildungs= und Fach = Schulen. 5. Schutz der Arbeiter gegen Schädigung und Ausbeutung, strenge Aufsicht durch Fabrik=Jnspectionen, wirksames Haftpflicht=Gesetz. 6. Gewerbliche Schieds=Gerichte, gesetzliche Anerkennung der Gewerk- Vereine. Abwehr neuer Beschränkungen der Coalitions=Freiheit. 7. Beseitigung der Straf=Arbeit [ Was sollen denn aber die Ge- fangenen arbeiten? Nichts? Glaubt man, daß die dadurch ver- ursachten Mehrkosten den Arbeiter nicht drücken? Anm. d. Red. ] und der Militär=Arbeit. 8. Humanes, die gegenseitigen Rechte und Pflichten achtendes Verhältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeit- nehmer, Vereinbarung der Arbeits=Ordnungen, des Lohns, ange- messene Arbeit = Zeit und möglichste Jnteressirung der Arbeiter an dem Gedeihen des Geschäfts. 9. Förderung der Ausbildung der Lehrlinge. 10. Gründung von Bildungs=Vereinen, wirthschaftlichen Genossenschaften, nationalen Gewerk=Vereinen und Arbeitgeber- Verbänden, Hülfs= und Jnvaliden=Kassen, von Einigungs=Aemtern, welche Ausstände und Aussperrungen wirksam verhüten. 11. Aus- dauernder Kampf durch Wort und Schrift gegen alle Bestrebungen nach Klassen=Herrschaft, mögen dieselben von oben oder von unten ausgehen.“ Wir hätten gewünscht, daß das sonst anerkennens- werthe Programm so allgemeine Redensarten weggelassen hätte, wie „Kampf gegen Klassenherrschaft“, „humanes Verhältniß“, „schädigende Einrichtungen“ ec., weil Niemand weiß, was darunter zu verstehen ist. Jn der Schulfrage erklärte sich der Kongreß für eine wesentlich erhöhte Volksbildung durch Unentgeltlichkeit des Unter- richts, Verbot der Kinder=Arbeit in Fabriken, Organisation der Fortbildungs=Schulen, Auswahl der Lese=Gegenstände und genü- gende Dotation der Schulen.“ * Der Verband rhein. und westf. Bildungsvereine, welcher jetzt 56 Mitglieder zählt, tagte heuer in Crefeld und be- schloß die Gründung von Volksbibliotheken an allen Orten anzuregen, wo noch keine sind, und vorläufig Wanderbiblio- theken zu errichten. Es wurde dafür ein besonderer Ausschuß niedergesetzt und 424 M. bewilligt. Vorträge erklärte man für einen unentbehrlichen Theil der Vereinsthätigkeit, nach den ge- machten Erfahrungen werde keine „verderbliche Halbbildung“ durch sie erzeugt, nur müßten sie passend ausgewählt sein, den Bildungs- grad der Zuhörer berücksichtigen, gemeinverständlich sein, also Viel- wisserei vermeiden, auch den Ansichten von Gegnern gerecht werden

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 1069. Frankfurt a. M., 27. Oktober 1877, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber1069_1877/2>, abgerufen am 23.11.2024.