Badener Zeitung. Nr. 86, Baden (Niederösterreich), 26.10.1904. Nr. 86. Mittwoch Badener Zeitung 26 Oktober 1904. [Spaltenumbruch] Herzog, Hölzl, Hubler, Kollmann, Dr. Lautin, Bürger- Die Sitzung wird um 4 Uhr 15 Min. eröffnet. Der Vorsitzende teilt weiter mit, daß ein GR. Dr. Trenner bringt unter Hinweis "Da in den Entwürfen zur Abänderung der GR. Dr. Trenner greift in Begründung GA. Herzog konstatiert, daß es heute zum GR. Grab ist mit der Vorlage dieser Reso- GA. Süß gibt sich zwar auch keiner Täuschung GA. Martin hält es für eine Pflicht der GA. Kollmann glaubt, daß das Ansuchen GR. Dr. Trenner ist der Ansicht, daß der GA. Kollmann bespricht die politische Seite GA. Herzog repliziert auf die Ausführungen GR. Notar Grab verwahrt sich dagegen, daß Der Vorsitzende bringt nun den Antrag Dr. An Thoma wird noch heute abends das ent- GA. Herzog verlangt Aufklärung betreffend Der Vorsitzende bemerkt, daß ein diesbezüglicher GA. Herzog bringt zu oft wiederholtenmalen [Spaltenumbruch] widerte nichts, sie ging schweigend an der Seite der Nach dem Essen, als die Leitenbäuerin mit ihrer Der Sepp war zur Mittagszeit noch immer Endlich -- um zwei Uhr -- traf er auf dem "Oft hiast wohl alle Tag' an solch'n Rausch!" Man mußte den Vorfall im Hause drinnen [Spaltenumbruch] "Wia kummst denn du daher?" rief der Schwarz- Bald war der Sepp wie ein Weltwunder von Anfangs leugnete er, überhaupt einen Tropfen Die Aussage begegnete wohl allenthalben großem "Na freili was denn! Dö lassert sie enter va "Da losserst a no enter du was aus", sagte Sepp suchte seine Schlafstelle auf -- es war Die übrigen Dorfbewohner, der ältere Teil Die Kapellenbäuerin sowie ihren Mann versetzte Das Mädchen war stundenlang für die Haus- Nr. 86. Mittwoch Badener Zeitung 26 Oktober 1904. [Spaltenumbruch] Herzog, Hölzl, Hubler, Kollmann, Dr. Lautin, Bürger- Die Sitzung wird um 4 Uhr 15 Min. eröffnet. Der Vorſitzende teilt weiter mit, daß ein GR. Dr. Trenner bringt unter Hinweis „Da in den Entwürfen zur Abänderung der GR. Dr. Trenner greift in Begründung GA. Herzog konſtatiert, daß es heute zum GR. Grab iſt mit der Vorlage dieſer Reſo- GA. Süß gibt ſich zwar auch keiner Täuſchung GA. Martin hält es für eine Pflicht der GA. Kollmann glaubt, daß das Anſuchen GR. Dr. Trenner iſt der Anſicht, daß der GA. Kollmann beſpricht die politiſche Seite GA. Herzog repliziert auf die Ausführungen GR. Notar Grab verwahrt ſich dagegen, daß Der Vorſitzende bringt nun den Antrag Dr. An Thoma wird noch heute abends das ent- GA. Herzog verlangt Aufklärung betreffend Der Vorſitzende bemerkt, daß ein diesbezüglicher GA. Herzog bringt zu oft wiederholtenmalen [Spaltenumbruch] widerte nichts, ſie ging ſchweigend an der Seite der Nach dem Eſſen, als die Leitenbäuerin mit ihrer Der Sepp war zur Mittagszeit noch immer Endlich — um zwei Uhr — traf er auf dem „Oft hiaſt wohl alle Tag’ an ſolch’n Rauſch!“ Man mußte den Vorfall im Hauſe drinnen [Spaltenumbruch] „Wia kummſt denn du daher?“ rief der Schwarz- Bald war der Sepp wie ein Weltwunder von Anfangs leugnete er, überhaupt einen Tropfen Die Ausſage begegnete wohl allenthalben großem „Na freili was denn! Dö laſſert ſie enter va „Da loſſerſt a no enter du was aus“, ſagte Sepp ſuchte ſeine Schlafſtelle auf — es war Die übrigen Dorfbewohner, der ältere Teil Die Kapellenbäuerin ſowie ihren Mann verſetzte Das Mädchen war ſtundenlang für die Haus- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Nr. 86. Mittwoch Badener Zeitung 26 Oktober 1904.</hi> </hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div next="#gemeinde3" xml:id="gemeinde2" prev="#gemeinde1" type="jArticle" n="2"> <p>Herzog, Hölzl, Hubler, Kollmann, Dr. Lautin, Bürger-<lb/> ſchuldirektor Martin, Mayerhofer, Schratt, Schulrat<lb/> Schwetz, Dr. Süß, Weber, Witzmann; entſchuldigt<lb/> die Herren Bruſatti, Faſching, Odorfer und Zimmer-<lb/> mann.</p><lb/> <p>Die Sitzung wird um 4 Uhr 15 Min. eröffnet.<lb/> Der Vorſitzende bringt ein Schreiben des Profeſſors<lb/><hi rendition="#g">Reinöhl</hi> zur Verleſung, der dem Ausſchuß für die<lb/> ihm verliehene Archivarſtelle in herzlichen Worten<lb/> dankt und daran die Bemerkung knüpft, daß ihm<lb/> das ſtädtiſche Muſeum vom Bäderdirektor Frühauf<lb/> in muſterhafter Weiſe übergeben wurde; man möge<lb/> demſelben hiefür die Anerkennung ausſprechen, und<lb/> plaidiert der Vorſitzende ſodann dafür, daß man<lb/> beſchließen möge, dem Bäderdirektor Frühauf die<lb/> Anerkennung in ſchriftlicher Form zum Ausdruck zu<lb/> bringen, was angenommen wird.</p><lb/> <p>Der Vorſitzende teilt weiter mit, daß ein<lb/> Schreiben des Lehrers <hi rendition="#g">Hammerſchmid</hi> eingelangt<lb/> ſei der ſich zufolge des am 6. 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Er bezeichnet die Sache als einen Schlag<lb/> ins Waſſer. Der Landtag wird ſich um die Reſo-<lb/> lution nicht kümmern und wird dem Entwurf morgen<lb/> natürlich ſeine Zuſtimmung geben; unſer Proteſt<lb/> alſo wird wirkungslos verhallen.</p><lb/> <p>GR. <hi rendition="#g">Grab</hi> iſt mit der Vorlage dieſer Reſo-<lb/> lution einverſtanden, wünſcht aber, dieſelbe auch an<lb/> die hohe Regierung gerichtet, damit Se. 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Er beantragt, den Landtagsabgeordneten der<lb/> Stadt, Herrn Thoma, auf kürzeſtem Wege von dieſer<lb/> Entſchließung zu verſtändigen und zu erſuchen, die<lb/> Entrechtung der Steuerzahler, Gemeinden und Lehrer<lb/> tatkräftigſt zu bekämpfen.</p><lb/> <p>GA. <hi rendition="#g">Martin</hi> hält es für eine Pflicht der<lb/> Gemeindevertretung, für die freie Schule einzutreten<lb/> in dem Momente, wo man die Axt an die Wurzeln<lb/> legen will; das Geſetz ſei der Tod für das Reichs-<lb/> Volksſchulgeſetz in Niederöſterreich. Es verringert den<lb/> Einfluß der Vertreter der einzelnen Gemeinden im<lb/> Bezirksſchulrate; weiters befürchte ich (Reduer ſpricht<lb/> nun mit ſcharfer Betonung) einen ſehr ungünſtigen<lb/> Einfluß <hi rendition="#g">auf den Charakter unſerer deutſchen<lb/> Lehrer.</hi> Wir haben in Oeſterreich ſchon einmal ein<lb/> freies und gutes Schulgeſetz unter Maria Thereſia<lb/> und Kaiſer Joſef gehabt, allein es wurde durch<lb/> andere Einflüſſe eingeſchränkt. Redner ſpricht davon,<lb/> wie viele politiſche Parteien es denn gebe, die ein<lb/> Verantwortlichkeitsgefühl hätten. Die Schule ſoll in<lb/> Pacht gegeben werden, wenn der Staat ſchon wirklich<lb/> ſo weit iſt, daß er ſich die Selbſtverwaltung nicht<lb/> mehr zutraut, dann iſt es um ihn ſchon traurig be-<lb/> ſtellt. Redner glaubt nicht, daß die Vorlage Geſetz<lb/> wird, umſomehr als Leute darin ſitzen, die dafür<lb/> eintreten werden, daß dies nicht geſchehen kann.</p><lb/> <p>GA. <hi rendition="#g">Kollmann</hi> glaubt, daß das Anſuchen<lb/> an den Landtag wenig Erfolg haben wird und gibt<lb/> dabei zu bedenken, daß mit dem Geſetz die Gehalts-<lb/> regulierung der Lehrer, die ſehr notwendig ſei, in<lb/> Verbindung ſtehe. Redner wünſcht, daß über die An-<lb/> träge Trenner und Grab ſeparat abgeſtimmt werde.</p><lb/> <p>GR. Dr. <hi rendition="#g">Trenner</hi> iſt der Anſicht, daß der<lb/> Gemeindevertretung die Verpflichtung obliegt, ihrer<lb/><cb/> Meinung Ausdruck zu verleihen, ſelbſt wenn es<lb/> umſonſt iſt. Mit dem Antrag Grab kann er ſich aus<lb/> formellen Gründen nicht einverſtanden erklären.</p><lb/> <p>GA. <hi rendition="#g">Kollmann</hi> beſpricht die politiſche Seite<lb/> der Sache und ſagt, daß nicht alle Menſchen Partei-<lb/> Fanatiker ſein müſſen und daß nicht alles ſchlecht ſein<lb/> müſſe, was andere machen; es gebe auch Politiker,<lb/> denen man auch als Gegner und Feind recht geben<lb/> müſſe.</p><lb/> <p>GA. <hi rendition="#g">Herzog</hi> repliziert auf die Ausführungen<lb/> Kollmann’s, daß die Sache denn doch nicht ſo harm-<lb/> los ſei. Nach den Ausführungen desſelben hätte man<lb/> von den Chriſtlichfozialen gar nichts zu befürchten,<lb/> währenddem man jedoch an einer Unzahl von Bei-<lb/> ſpielen das Gegenteil nachweiſen könne; ſo ſagt der<lb/> Führer der Antiſemiten ſelbſt: Alldeutſche und Sozial-<lb/> demokraten werden bei mir nicht angeſtellt oder ihr<lb/> werdet wegen eurer Geſinnung nicht befördert; ſo<lb/> ganz harmlos ſei die Sache alſo nicht.</p><lb/> <p>GR. Notar <hi rendition="#g">Grab</hi> verwahrt ſich dagegen, daß<lb/> in ſeinem Antrag etwas unlogiſches enthalten ſei;<lb/> er iſt ſich klar darüber, daß dieſer Entwurf unver-<lb/> ändert zur Annahme kommt, wir ſagen dagegen:<lb/> für den Fall, daß der Entwurf in dieſer Faſſung<lb/> angenommen wird, verwahrt ſich die Gemeindevertre-<lb/> tung dagegen mit der Bitte, die Sanktion verweigern<lb/> zu wollen.</p><lb/> <p>Der Vorſitzende bringt nun den Antrag Dr.<lb/> Trenner’s, der ſowohl an den Landtag als an das<lb/> Miniſterium und an den Abgeordneten <hi rendition="#g">Thoma</hi> abge-<lb/> ſendet werden ſoll, zur Abſtimmung, der ſodann <hi rendition="#g">mit<lb/> allen Stimmen gegen die jenige Kollmann’s<lb/> angenommen wird.</hi> </p><lb/> <p>An Thoma wird noch heute abends das ent-<lb/> ſprechende eingeleitet, daß er bereits morgen davon<lb/> informiert iſt.</p><lb/> <p>GA. <hi rendition="#g">Herzog</hi> verlangt Aufklärung betreffend<lb/> eine in den hieſigen Blättern erſchienene Notiz, be-<lb/> züglich der Kommiſſion zur Verwaltung des hieſigen<lb/> Muſeums, die ihm vom Vorſitzenden zuteil wird.<lb/> Redner rügt ferner einen Uebelſtand beim Joſefsbad.<lb/> Das Geleiſe der Bahn dort iſt derart ausgefahren,<lb/> daß nicht nur Fuhrwerke leicht zu Schaden kommen<lb/> können, ſondern auch Schäden für die Perſon ein-<lb/> treten können; es ſei mit aller Energie darauf zu<lb/> dringen, daß dieſer Schaden ausgebeſſert werde, das<lb/> weiche Pflaſter ſei dort überhaupt nicht paſſend und<lb/> ſei hartes Pflaſter erwünſcht.</p><lb/> <p>Der Vorſitzende bemerkt, daß ein diesbezüglicher<lb/> Auftrag an die Lokalbahn bereits länger hinaus-<lb/> gegangen ſei, worauf GA. <hi rendition="#g">Herzog</hi> ſagt, dann iſt<lb/> es eben notwendig, in der Sache einen energiſchen<lb/> Ton anzuſchlagen.</p><lb/> <p>GA. <hi rendition="#g">Herzog</hi> bringt zu oft wiederholtenmalen<lb/> die Beeidigung Höferl’s zur Sprache und ſagt, daß<lb/> das Schriftſtück ſchon längſt abgegangen ſei, ohne<lb/> daß es von Seite der Bezirkshauptmannſchaft er-<lb/> ledigt worden wäre; Redner ſieht nicht ein, ſich ein<lb/> derartiges Vorgehen weiter gefallen zu laſſen und</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div next="#amor4" xml:id="amor3" prev="#amor2" type="jArticle" n="2"> <p>widerte nichts, ſie ging ſchweigend an der Seite der<lb/> Alten hinein.</p><lb/> <p>Nach dem Eſſen, als die Leitenbäuerin mit ihrer<lb/> Tochter wieder auf einige Momente allein war, ſagte<lb/> ſie: „Wenn’s oft nachher Ernſt wird, ba dir und<lb/> ’n Toni, oft muaß d’Hofbäuerin weg! D’Schwieger-<lb/> muatter in Haus, das tuat niamals koa guat net<lb/> — und wann’s ös an Rat braucht’s, oft bin ſcho i<lb/> do — dei Muatter!“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Der Sepp war zur Mittagszeit noch immer<lb/> nicht zuhauſe, was den Kapellenbauern und ſeine<lb/> Ehehälfte ſehr beunruhigte, denn derlei Unregel-<lb/> mäßigkeiten ließ ſich der alte Großknecht nie zu<lb/> ſchulden kommen.</p><lb/> <p>Endlich — um zwei Uhr — traf er auf dem<lb/> Kapellenhofe ein, kein anderer Menſch hatte ihn<lb/> kommen ſehen als die Thereſe, die ſaß unter dem<lb/> blühenden Apfelbaum im Hof und hing einer neuen<lb/> Gewohnheit gemäß, wieder ihren trüben Gedanken<lb/> nach. Sepp wurde ihrer gleich anſichtig — aber der<lb/> Tirolerwein mußte auch in dieſer Hülle ſeine Wir-<lb/> kung nicht verfehlt haben — denn mit ausgebreiteten<lb/> Armen eilte der Großnecht auf die Tochter des<lb/> Hauſes zu. „Threſerl! Wann i der Hofbauern-Toni<lb/> war —!“</p><lb/> <p>„Oft hiaſt wohl alle Tag’ an ſolch’n Rauſch!“<lb/> ſchnitt ſie ihm das Wort ab und wich ihm mit einer<lb/> Geberde voll Verachtung aus.</p><lb/> <p>Man mußte den Vorfall im Hauſe drinnen<lb/> gehört haben, denn gleich erſchien der Bauer in<lb/> Hemdärmeln unter der Küchentür, welche in den Hof<lb/> mündete und hinter ihm darein das geſamte Geſinde.</p><lb/> <cb/> <p>„Wia kummſt denn du daher?“ rief der Schwarz-<lb/> böck ſeinen Großknecht an und ſchlug verwundert die<lb/> Hände zuſammen, das kecke Volk hinter ihm aber<lb/> brach in ein Gelächter aus.</p><lb/> <p>Bald war der Sepp wie ein Weltwunder von<lb/> all ſeinen Arbeitsgenoſſen umrungen und beſonders<lb/> der männliche Teil intereſſierte ſich lebhaft für die<lb/> Provenienz ſeines Ausnahmszuſtandes, daß ſich der<lb/> Sepp für eigenes Geld in einen ſolchen hineinverſetzte<lb/> — das gab es nicht.</p><lb/> <p>Anfangs leugnete er, überhaupt einen Tropfen<lb/> getrunken zu haben, als man ihn aber doch zu ſtark<lb/> mit ſchlagenden Beweiſen in die Enge getrieben hatte,<lb/> ſchritt er wohl zu einem Geſtändnis, was aber nur<lb/> eine Anklage gegen die Leitnerin war, denn Sepp,<lb/> dem beim Tirolerwirt das Erinnerungsvermögen<lb/> teilweiſe abhanden gekommen ſein mußte, ſagte, die<lb/> Leitenbäuerin habe ihm an der Kirchtüre aufgelauert,<lb/> ihn meuchlings in das Wirtshaus hineingezerrt und<lb/> dort mußte er trinken bis er nicht mehr konnte.</p><lb/> <p>Die Ausſage begegnete wohl allenthalben großem<lb/> Zweifel und der Bauer ſagte: „Na, na, Sepp —<lb/> das muaßt wen andern derzähl’n, der d’Leitnerin net<lb/> kennt, aber net uns“.</p><lb/> <p>„Na freili was denn! Dö laſſert ſie enter va<lb/> dir was zahl’n!“ ſagte eine der Mägde.</p><lb/> <p>„Da loſſerſt a no enter du was aus“, ſagte<lb/> ein Knecht und damit war die Sache abgetan.</p><lb/> <p>Sepp ſuchte ſeine Schlafſtelle auf — es war<lb/> ja Sonntag heute — dachte lange nach, wie er wohl<lb/> heute den Berg bezwungen haben mochte — und<lb/> gänzlich im Unklaren darüber, ſchlief er ein.</p><lb/> <p>Die übrigen Dorfbewohner, der ältere Teil<lb/> nämlich, die taten ſich am Sonntag-Nachmittag zu-<lb/><cb/> ſammen und plauſchten ein paar Stunden, die jüngere<lb/> Generation ſaß auf den Hausbänken, lachend oder<lb/> ſingend, hie und da hörte man auch eine Harmonika<lb/> und ſchlechte Witze flogen hin und her. Thereſe, die<lb/> bei dieſem Treiben der Dorfjugend ſonſt nie fehlte,<lb/> zog ſich heute ganz von ihr zurück; jeder heitere Ton<lb/> ſchnitt ihr ja ins Herz hinein und bei den ländlich<lb/> einfachen, aber manchmal recht innigen Muſikweiſen,<lb/> konnte ſie ſich der Tränen kaum wehren. Sie ſuchte<lb/> ihre Kammer auf und ſchloß ſich ein.</p><lb/> <p>Die Kapellenbäuerin ſowie ihren Mann verſetzte<lb/> das ungewöhnliche Gebaren ihres Kindes in nicht<lb/> geringe Aufregung, gar als ſie heute von der Kirche<lb/> nachhauſe kamen und das blaſſe Geſicht und die vom<lb/> Weinen verſchwollenen Augen ſahen, da waren ſie<lb/> zu Tode erſchrocken, aber alles Fragen war umſonſt,<lb/> was der Thereſe ſo furchtbares widerfahren, brachte<lb/> man nicht heraus.</p><lb/> <p>Das Mädchen war ſtundenlang für die Haus-<lb/> genoſſen unſichtbar. Wiederholt ging die Bäuerin<lb/> hinauf, klopfte an der verſchloſſenen Türe und rief<lb/> ihr Kind mit den zärtlichſten Namen. Endlich ließ<lb/> ſich Thereſe doch erweichen und öffnete, bat aber die<lb/> Mutter, man möge ihr doch Ruhe gönnen, ſie fühle<lb/> ſich nicht wohl, und in der Tat, das ſonſt ſo friſche<lb/> und kerngeſunde Naturkind glich einer Schwerleidenden.<lb/> Die Schwarzböckin aber, in ihrer Herzensangſt um<lb/> ihre einzige Freude, lief gleich zur Hofbäuerin<lb/> hinüber um Rat und Beiſtand; die packte ſogleich<lb/> ihre geſamte Hausapotheke zuſammen und ging unter<lb/> beſtändigen Beileidskundgebungen nach dem Kapellen-<lb/> hof. Der Franzl und die Kathl ſtanden beiſammen<lb/> und ſahen ihr nach, und das ruchloſe Paar —<lb/> lachte ſogar.</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [3/0003]
Nr. 86. Mittwoch Badener Zeitung 26 Oktober 1904.
Herzog, Hölzl, Hubler, Kollmann, Dr. Lautin, Bürger-
ſchuldirektor Martin, Mayerhofer, Schratt, Schulrat
Schwetz, Dr. Süß, Weber, Witzmann; entſchuldigt
die Herren Bruſatti, Faſching, Odorfer und Zimmer-
mann.
Die Sitzung wird um 4 Uhr 15 Min. eröffnet.
Der Vorſitzende bringt ein Schreiben des Profeſſors
Reinöhl zur Verleſung, der dem Ausſchuß für die
ihm verliehene Archivarſtelle in herzlichen Worten
dankt und daran die Bemerkung knüpft, daß ihm
das ſtädtiſche Muſeum vom Bäderdirektor Frühauf
in muſterhafter Weiſe übergeben wurde; man möge
demſelben hiefür die Anerkennung ausſprechen, und
plaidiert der Vorſitzende ſodann dafür, daß man
beſchließen möge, dem Bäderdirektor Frühauf die
Anerkennung in ſchriftlicher Form zum Ausdruck zu
bringen, was angenommen wird.
Der Vorſitzende teilt weiter mit, daß ein
Schreiben des Lehrers Hammerſchmid eingelangt
ſei der ſich zufolge des am 6. September einſtimmig
gefaßten Ausſchußbeſchluſſes, ihm für ſein hierortiges
43jähriges Wirken das Bürgerrecht zu verleihen, ſehr
geehrt fühlt und ſeinen Dank äußert.
GR. Dr. Trenner bringt unter Hinweis
darauf, daß ſich der niederöſterreichiſche Landtag gegen-
wärtig mit der Gehaltsregulierung der Lehrer im
Zuſammenhange mit den Entwürfen zu einem neuen
Schulgeſetz befaßt, nach welchen Entwürfen die Rechte
der Gemeinde und Steuerzahler eingeſchränkt werden,
nachſtehenden Dringlichkeitsantrag ein:
„Da in den Entwürfen zur Abänderung der
niederöſterr. Schulgeſetzgebung das Recht der Ge-
meinde und der Steuerzahler eingeſchränkt wird,
indem unter gewiſſen Verhältniſſen in Zukunft die
Vertreter der Steuerzahler im Bezirksſchulrate
nun nicht mehr zur Hälfte von den Gemeinde-
vertretern gewählt und zur Hälfte vom Landes-
ausſchuß ernannt werden ſollen, hiemit alſo das
bisherige Ernennungsrecht und die Disziplinar-
behandlung der Lehrer den Bezirksſchulräten ab-
genommen werden ſoll, legt die Gemeindevertretung
der l. f. Stadt Baden gegen den geplanten Geſetz-
entwurf entſchiedene Verwahrung ein und ſtellt an
einen hohen niederöſterr. Landtag das dringliche
Erſuchen, dieſer geplanten Abänderung bisheriger
geſetzlicher Beſtimmungen, wodurch den Gemeinden
jahrelang innegehabte Rechte ohneweiters genommen
werden ſollen, die Zuſtimmung zu verſagen.“
GR. Dr. Trenner greift in Begründung
ſeines Antrages Momente heraus, die geeignet ſind,
ſchwere Bedenken hervorzurufen. Er führt aus, daß es
durchaus nicht angeht, wenn man ſchon den Lehrern
eine Gehaltserhöhung vergönnt, Maßnahmen zu er-
greifen, die danach angetan ſind, die freie Schule in
entſchiedener Weiſe zu feſſeln und zu knebeln; die
Gemeinde als ſolche habe die Pflicht, ihre Rechte
zu wahren.
GA. Herzog konſtatiert, daß es heute zum
erſten Male iſt, daß ein politiſcher Gegenſtand in
den Saal geworfen wird, die Sache habe politiſchen
Hintergrund; was Antragſteller ſagt, läßt ſich im
Meritum unterſchreiben. Die Mehrheit des Land-
tages habe ihre Macht in unqualifizierbarer Weiſe
mißbraucht; Redner verſpricht ſich von der Reſolution
keine Wirkung, da ſie an eine ganz falſche Adreſſe
gerichtet ſei. Er bezeichnet die Sache als einen Schlag
ins Waſſer. Der Landtag wird ſich um die Reſo-
lution nicht kümmern und wird dem Entwurf morgen
natürlich ſeine Zuſtimmung geben; unſer Proteſt
alſo wird wirkungslos verhallen.
GR. Grab iſt mit der Vorlage dieſer Reſo-
lution einverſtanden, wünſcht aber, dieſelbe auch an
die hohe Regierung gerichtet, damit Se. Majeſtät
nicht die Allerhöchſte Sanktion gebe.
GA. Süß gibt ſich zwar auch keiner Täuſchung
über den Erfolg dieſer Entſchließung im Landtage
hin, aber er kann nicht der Anſicht Herzogs zuſtimmen,
daß ſie ein Schlag ins Waſſer ſei; denn es ſei nicht
einerlei, ob die herrſchende Partei ihre ſchulfeindlichen
Pläne durchſetzt, ohne daß jemand dagegen ſeine
Stimme erhebt, oder ob ſie dieſelben durchſetzt unter
dem lauten Widerſpruche der erſten Städt des Landes;
Baden dürfte zu den erſten Städten des Landes
zählen. Er beantragt, den Landtagsabgeordneten der
Stadt, Herrn Thoma, auf kürzeſtem Wege von dieſer
Entſchließung zu verſtändigen und zu erſuchen, die
Entrechtung der Steuerzahler, Gemeinden und Lehrer
tatkräftigſt zu bekämpfen.
GA. Martin hält es für eine Pflicht der
Gemeindevertretung, für die freie Schule einzutreten
in dem Momente, wo man die Axt an die Wurzeln
legen will; das Geſetz ſei der Tod für das Reichs-
Volksſchulgeſetz in Niederöſterreich. Es verringert den
Einfluß der Vertreter der einzelnen Gemeinden im
Bezirksſchulrate; weiters befürchte ich (Reduer ſpricht
nun mit ſcharfer Betonung) einen ſehr ungünſtigen
Einfluß auf den Charakter unſerer deutſchen
Lehrer. Wir haben in Oeſterreich ſchon einmal ein
freies und gutes Schulgeſetz unter Maria Thereſia
und Kaiſer Joſef gehabt, allein es wurde durch
andere Einflüſſe eingeſchränkt. Redner ſpricht davon,
wie viele politiſche Parteien es denn gebe, die ein
Verantwortlichkeitsgefühl hätten. Die Schule ſoll in
Pacht gegeben werden, wenn der Staat ſchon wirklich
ſo weit iſt, daß er ſich die Selbſtverwaltung nicht
mehr zutraut, dann iſt es um ihn ſchon traurig be-
ſtellt. Redner glaubt nicht, daß die Vorlage Geſetz
wird, umſomehr als Leute darin ſitzen, die dafür
eintreten werden, daß dies nicht geſchehen kann.
GA. Kollmann glaubt, daß das Anſuchen
an den Landtag wenig Erfolg haben wird und gibt
dabei zu bedenken, daß mit dem Geſetz die Gehalts-
regulierung der Lehrer, die ſehr notwendig ſei, in
Verbindung ſtehe. Redner wünſcht, daß über die An-
träge Trenner und Grab ſeparat abgeſtimmt werde.
GR. Dr. Trenner iſt der Anſicht, daß der
Gemeindevertretung die Verpflichtung obliegt, ihrer
Meinung Ausdruck zu verleihen, ſelbſt wenn es
umſonſt iſt. Mit dem Antrag Grab kann er ſich aus
formellen Gründen nicht einverſtanden erklären.
GA. Kollmann beſpricht die politiſche Seite
der Sache und ſagt, daß nicht alle Menſchen Partei-
Fanatiker ſein müſſen und daß nicht alles ſchlecht ſein
müſſe, was andere machen; es gebe auch Politiker,
denen man auch als Gegner und Feind recht geben
müſſe.
GA. Herzog repliziert auf die Ausführungen
Kollmann’s, daß die Sache denn doch nicht ſo harm-
los ſei. Nach den Ausführungen desſelben hätte man
von den Chriſtlichfozialen gar nichts zu befürchten,
währenddem man jedoch an einer Unzahl von Bei-
ſpielen das Gegenteil nachweiſen könne; ſo ſagt der
Führer der Antiſemiten ſelbſt: Alldeutſche und Sozial-
demokraten werden bei mir nicht angeſtellt oder ihr
werdet wegen eurer Geſinnung nicht befördert; ſo
ganz harmlos ſei die Sache alſo nicht.
GR. Notar Grab verwahrt ſich dagegen, daß
in ſeinem Antrag etwas unlogiſches enthalten ſei;
er iſt ſich klar darüber, daß dieſer Entwurf unver-
ändert zur Annahme kommt, wir ſagen dagegen:
für den Fall, daß der Entwurf in dieſer Faſſung
angenommen wird, verwahrt ſich die Gemeindevertre-
tung dagegen mit der Bitte, die Sanktion verweigern
zu wollen.
Der Vorſitzende bringt nun den Antrag Dr.
Trenner’s, der ſowohl an den Landtag als an das
Miniſterium und an den Abgeordneten Thoma abge-
ſendet werden ſoll, zur Abſtimmung, der ſodann mit
allen Stimmen gegen die jenige Kollmann’s
angenommen wird.
An Thoma wird noch heute abends das ent-
ſprechende eingeleitet, daß er bereits morgen davon
informiert iſt.
GA. Herzog verlangt Aufklärung betreffend
eine in den hieſigen Blättern erſchienene Notiz, be-
züglich der Kommiſſion zur Verwaltung des hieſigen
Muſeums, die ihm vom Vorſitzenden zuteil wird.
Redner rügt ferner einen Uebelſtand beim Joſefsbad.
Das Geleiſe der Bahn dort iſt derart ausgefahren,
daß nicht nur Fuhrwerke leicht zu Schaden kommen
können, ſondern auch Schäden für die Perſon ein-
treten können; es ſei mit aller Energie darauf zu
dringen, daß dieſer Schaden ausgebeſſert werde, das
weiche Pflaſter ſei dort überhaupt nicht paſſend und
ſei hartes Pflaſter erwünſcht.
Der Vorſitzende bemerkt, daß ein diesbezüglicher
Auftrag an die Lokalbahn bereits länger hinaus-
gegangen ſei, worauf GA. Herzog ſagt, dann iſt
es eben notwendig, in der Sache einen energiſchen
Ton anzuſchlagen.
GA. Herzog bringt zu oft wiederholtenmalen
die Beeidigung Höferl’s zur Sprache und ſagt, daß
das Schriftſtück ſchon längſt abgegangen ſei, ohne
daß es von Seite der Bezirkshauptmannſchaft er-
ledigt worden wäre; Redner ſieht nicht ein, ſich ein
derartiges Vorgehen weiter gefallen zu laſſen und
widerte nichts, ſie ging ſchweigend an der Seite der
Alten hinein.
Nach dem Eſſen, als die Leitenbäuerin mit ihrer
Tochter wieder auf einige Momente allein war, ſagte
ſie: „Wenn’s oft nachher Ernſt wird, ba dir und
’n Toni, oft muaß d’Hofbäuerin weg! D’Schwieger-
muatter in Haus, das tuat niamals koa guat net
— und wann’s ös an Rat braucht’s, oft bin ſcho i
do — dei Muatter!“
Der Sepp war zur Mittagszeit noch immer
nicht zuhauſe, was den Kapellenbauern und ſeine
Ehehälfte ſehr beunruhigte, denn derlei Unregel-
mäßigkeiten ließ ſich der alte Großknecht nie zu
ſchulden kommen.
Endlich — um zwei Uhr — traf er auf dem
Kapellenhofe ein, kein anderer Menſch hatte ihn
kommen ſehen als die Thereſe, die ſaß unter dem
blühenden Apfelbaum im Hof und hing einer neuen
Gewohnheit gemäß, wieder ihren trüben Gedanken
nach. Sepp wurde ihrer gleich anſichtig — aber der
Tirolerwein mußte auch in dieſer Hülle ſeine Wir-
kung nicht verfehlt haben — denn mit ausgebreiteten
Armen eilte der Großnecht auf die Tochter des
Hauſes zu. „Threſerl! Wann i der Hofbauern-Toni
war —!“
„Oft hiaſt wohl alle Tag’ an ſolch’n Rauſch!“
ſchnitt ſie ihm das Wort ab und wich ihm mit einer
Geberde voll Verachtung aus.
Man mußte den Vorfall im Hauſe drinnen
gehört haben, denn gleich erſchien der Bauer in
Hemdärmeln unter der Küchentür, welche in den Hof
mündete und hinter ihm darein das geſamte Geſinde.
„Wia kummſt denn du daher?“ rief der Schwarz-
böck ſeinen Großknecht an und ſchlug verwundert die
Hände zuſammen, das kecke Volk hinter ihm aber
brach in ein Gelächter aus.
Bald war der Sepp wie ein Weltwunder von
all ſeinen Arbeitsgenoſſen umrungen und beſonders
der männliche Teil intereſſierte ſich lebhaft für die
Provenienz ſeines Ausnahmszuſtandes, daß ſich der
Sepp für eigenes Geld in einen ſolchen hineinverſetzte
— das gab es nicht.
Anfangs leugnete er, überhaupt einen Tropfen
getrunken zu haben, als man ihn aber doch zu ſtark
mit ſchlagenden Beweiſen in die Enge getrieben hatte,
ſchritt er wohl zu einem Geſtändnis, was aber nur
eine Anklage gegen die Leitnerin war, denn Sepp,
dem beim Tirolerwirt das Erinnerungsvermögen
teilweiſe abhanden gekommen ſein mußte, ſagte, die
Leitenbäuerin habe ihm an der Kirchtüre aufgelauert,
ihn meuchlings in das Wirtshaus hineingezerrt und
dort mußte er trinken bis er nicht mehr konnte.
Die Ausſage begegnete wohl allenthalben großem
Zweifel und der Bauer ſagte: „Na, na, Sepp —
das muaßt wen andern derzähl’n, der d’Leitnerin net
kennt, aber net uns“.
„Na freili was denn! Dö laſſert ſie enter va
dir was zahl’n!“ ſagte eine der Mägde.
„Da loſſerſt a no enter du was aus“, ſagte
ein Knecht und damit war die Sache abgetan.
Sepp ſuchte ſeine Schlafſtelle auf — es war
ja Sonntag heute — dachte lange nach, wie er wohl
heute den Berg bezwungen haben mochte — und
gänzlich im Unklaren darüber, ſchlief er ein.
Die übrigen Dorfbewohner, der ältere Teil
nämlich, die taten ſich am Sonntag-Nachmittag zu-
ſammen und plauſchten ein paar Stunden, die jüngere
Generation ſaß auf den Hausbänken, lachend oder
ſingend, hie und da hörte man auch eine Harmonika
und ſchlechte Witze flogen hin und her. Thereſe, die
bei dieſem Treiben der Dorfjugend ſonſt nie fehlte,
zog ſich heute ganz von ihr zurück; jeder heitere Ton
ſchnitt ihr ja ins Herz hinein und bei den ländlich
einfachen, aber manchmal recht innigen Muſikweiſen,
konnte ſie ſich der Tränen kaum wehren. Sie ſuchte
ihre Kammer auf und ſchloß ſich ein.
Die Kapellenbäuerin ſowie ihren Mann verſetzte
das ungewöhnliche Gebaren ihres Kindes in nicht
geringe Aufregung, gar als ſie heute von der Kirche
nachhauſe kamen und das blaſſe Geſicht und die vom
Weinen verſchwollenen Augen ſahen, da waren ſie
zu Tode erſchrocken, aber alles Fragen war umſonſt,
was der Thereſe ſo furchtbares widerfahren, brachte
man nicht heraus.
Das Mädchen war ſtundenlang für die Haus-
genoſſen unſichtbar. Wiederholt ging die Bäuerin
hinauf, klopfte an der verſchloſſenen Türe und rief
ihr Kind mit den zärtlichſten Namen. Endlich ließ
ſich Thereſe doch erweichen und öffnete, bat aber die
Mutter, man möge ihr doch Ruhe gönnen, ſie fühle
ſich nicht wohl, und in der Tat, das ſonſt ſo friſche
und kerngeſunde Naturkind glich einer Schwerleidenden.
Die Schwarzböckin aber, in ihrer Herzensangſt um
ihre einzige Freude, lief gleich zur Hofbäuerin
hinüber um Rat und Beiſtand; die packte ſogleich
ihre geſamte Hausapotheke zuſammen und ging unter
beſtändigen Beileidskundgebungen nach dem Kapellen-
hof. Der Franzl und die Kathl ſtanden beiſammen
und ſahen ihr nach, und das ruchloſe Paar —
lachte ſogar.
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